Sonntag, 15. April 2012

Ist Merchantilismus zum Scheitern verurteilt?


Die Euro-Zone braucht Wachstum, keine Sparmassnahmen, während die Wirtschaftsleistung fällt. Die Haushaltskonsolidierung verstärkt derzeit die Rezession. Es ist zwar der EZB zunächst gelungen, mit LTRO die Kreditklemme zu unterbinden, aber die Krise hat sich inzwischen wieder verschärft.

Eines der grundlegendsten Probleme in der Euro-Zone ist die Kluft in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen Gläubiger- und Schuldnerländern. Vor allem die Kluft in der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland nimmt nicht ab, sondern wächst.

Doch die hochverschuldeten Euro-Länder benötigen dringend eine stärkere Nachfrage aus Deutschland, um eine vertiefte Rezession abzuwenden, wie George Soros in einem lesenswerten Artikel („Reversing Europe‘s Renationalization“) in Project Syndicate zum Ausdruck bringt. Soros ist zugleich Mitbegründer des Institute for New Economic Thinking (INET). In Berlin findet dieser Tage eine Konferenz im Rahmen des INET, an der zahlreiche Ökonomen und Studenten aus aller Welt aktiv teilnehmen, statt.

Am zweiten Tag der Konferenz ging es in einer Panel-Diskussion um die Frage, ob der Merkantilismus zum Scheitern verurteilt ist.

Heiner Flassbeck, Chefsvolkswirt der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinigten Nationen (UNCTAD) hat einem interessanten Vortrag dazu Stellung genommen.

Hier geht es zum YouTube-Video.

Flassbeck beantwortet die Frage zu Beginn seines Vortrags ohne Umschweife mit einem klaren Ja. „Es gibt ein einziges Land, das sich auf dem Weg des Merchantilismus befindet: es ist nicht China, sondern Deutschland“.

Man erkennt es an der Entwicklung des Leistungsbilanzüberschusses. Während Chinas Überschuss abnimmt, hält Deutschland daran fest, das allein am Export orientierten Modell nicht anzupassen.

Flassbeck erklärt dann das Problem der ausseinanderfallenden Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Währungsunion anhand des Verlaufs der Lohnstückkosten (d.h. die Entwicklung der Löhne ins Verhältnis zur Entwicklung der jeweiligen nationalen Arbeitsproduktivität).

Deutschland hat mit seiner deflationären Lohnpolitik klar gegen das von der EZB festgelegte Inflationsziel von 2% verstossen. Deutschland hat das gemeinsam festgelegte Inflationsziel durch Lohndumping unterlaufen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, auf Kosten der europäischen Partner, insbesondere an der Peripherie der EU, die ja sich dagegen nicht einfach durch die Abwertung der Währung abwehren können, weil alle Länder die Gemeinschaftswährung haben.

Deutschland hat aufgrund des dramatischen Auseinanderfallens der Lohnstückkosten seine Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen 10 Jahren massiv ausgebaut. Heute erwartet die deutsche Regierung, dass die anderen EU-Partner ihre Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls über Lohnsenkungen (d.h. „internal devaluation“) wiederherstellen. Was Berlin aber verschweigt, ist, dass diese Entwicklung in einer Depression enden würde.

PS: Hoffentlich gibt es demnächst eine deutsche Übersetzung dieses ausgezeichneten Vortrags für ein breiteres Publikum.

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