Sonntag, 15. April 2012

Warum höhere Löhne in Deutschland gut für die Eurozone sind


Das europäische Finanzsystem stand im Dezember letzten Jahres am Rande des Abgrunds. Und die EZB hat die Märkte mit einer beispiellosen Intervention überrascht, schreibt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Artikel („The ECB’s Lethal Inhibition“)  in Project Syndicate.

Die von der EZB bereitgestellte Liquidität hat die Krise auf dem Kontinent aufgeschoben. Aber jetzt spitzen sich die Dinge gerade vier Monate danach wieder zu, bemerkt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die grossen südeuropäischen Länder, Spanien und Italien, angeschlagen durch die Fiscal Austerity (die rigorosen Sparrmassnahmen) geraten spiralförmig in die Rezession, sodass Eichengreen die Frage stellt, ob die EZB wieder in die Bresche springen wird?

Die Hürde für weitere geldpolitische Massnahmen sind hoch, aber sie sind weitgehend selbst auferlegt, beschreibt Eichengreen. Die EZB hat auf ihrer jüngsten geldpolitischen Sitzung die Zinsen unverändert belassen, aber rechnet damit, dass die Inflation einen halben Prozentpunkt über dem offiziellen Zielwert von 2% liegen dürfte.

Die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der EZB scheinen aufgrund von Anzeichen eines Kostendrucks in Deutschland besorgt, legt Eichengreen mit Hinweis auf die neuen Lohnverhandlungen dar. Die IG Metall fordert eine Lohnerhöhung um 6,5%. Und die deutschen Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor haben bereits Ende März eine Einigung erzielt, um Löhne in den kommenden zwei Jahren um 6,3% zu erhöhen.

Aber dieser Anstieg der deutschen Arbeitskosten ist in der Tat genau das, was Europa zur Zeit braucht, um das Rebalancing wiederherzustellen, weil es dazu beiträgt, die Wettbewerbspositionen der nördlichen und südlichen europäischen Volkswirtschaften neu auszurichten, hebt Eichengreen hervor.

Südeuropa muss seine Wettbewerbsfähigkeit steigern und mehr exportieren. Worauf es aber ankommt, sind die Produktionskosten Südeuropas im Vergleich zu Produktionskosten Deutschlands, dem Exportmeister Europas.

Deshalb ist die Aussicht der steigenden Löhne in Deutschland, nach einem Jahrzehnt des Stillstands, tatsächlich eine der wenigen positiven wirtschaftlichen Entwicklungen auf der europäischen Bühne: kaum etwas, dem die EZB widerstehen kann, betont Eichengreen mit Nachdruck.

Und die Tatsache, dass höhere Löhne in Deutschland durch niedrigere Löhne in ganz Südeuropa abgeglichen werden, legt nahe, dass der Inflationsdruck auf dem ganzen Kontinent gedämpft verbleiben werde, fasst Eichengreen zusammen.

Während Regierungen zögern, ihren Beitrag zu leisten, zögert auch die EZB, sie zu unterstützen. Wenn die EZB so denkt, spielt sie ein gefährliches Spiel. Ohne Mehrausgaben und Wachstum kann es keine Lösung für Europas Probleme gefunden werden. Während private Ausgaben fehlen, kann Haushaltskonsolidierung nur die Steuereinnahmen drücken, was zustätzliche Haushaltskürzungen ohne Ende fordert. Die richtige Lösung ist Konzentration auf das Wachstum, nicht auf die Austerität.

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