Buchbesprechung:
George A. Akerlof and Robert J. Shiller: Animal Spirits. How Human Psychology Drives The Economy, and Why it Matters for Global Capitalism. Princeton University Press, Princeton and Oxford, 2009.
Was für Adam Smith „eine unsichtbare Hand“ ist, ist für John Maynard Keynes „animal spirits“. Es handelt sich dabei um menschliche Verhaltensweisen, die in die Modellwelt der Wirtschaftswissenschaftler nicht integriert sind. Viele ökonomische Aktivitäten werden aber von „animal spirits“, d.h. von Instinktverhalten gesteuert. Menschen haben nicht wirtschaftliche Motive. Es geht vielmehr um Emotionen und psychologische Faktoren. Die zentrale Annahme der klassischen Wirtschaftstheorie wird also in diesem Werk in Frage gestellt. Robert Shiller ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Yale. In diesem Buch unternimmt Shiller mit George Akerlof, ebenfalls Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni California, Berkeley den Versuch, Keynes’ Konzept in die Welt der „Verhaltensekonomik“ („behavioral economics“) zu binden. Heute sei eine viel grössere Klarheit über die psychologischen Hintergründe des Instinktverhaltens möglich.
Im ersten Abschnitt des Buches beschreiben die Autoren die 5 Aspekten von „animal spirits“: 1) Vertrauen und dessen Multiplikatoren, 2) Fairness, 3) Korruption und Bösgläubigkeit, 4) „Money Illusion“, und 5) Erzählungen. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat zweifelsohne eine Renaissance der Keynes’schen Wirtschaftspolitik hervorgerufen. Die klassische Theorie postuliert, dass die Finanzmärkte stabil sind. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise belegt aber, dass das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes sich als töricht erwiesen hat. Es gibt so was wie „Marktdisziplin“ nicht. Sich selbst überlassen, tendieren Märkte nicht zum Gleichgewicht. Die Folgen sind schwere Exzesse für die Öffentlichkeit. Mittels „Subprime-Sektor“ hat der Markt „Nepp und Unwirksames“ produziert und vermarktet. Der Marktfundamentalismus („Theorie des vollkommenen Wettbewerbs“) hat kläglich versagt. Die Krise hat mittlerweile solche Ausmasse erreicht, dass es nicht anstössig ist, zu fragen, wie sich die freie Marktwirtschaft des kapitalistischen Systems vor den Banken retten lässt. Finanzhäuser dürfen nicht mehr in der Lage sein, die Stabilität des ganzen Systems zu gefährden. Deshalb bedarf es Regulierung für die Wertpapiermärkte, fordern Shiller und Akerlof. Die beiden Autoren halten zudem fest, dass der Staat zweitens die Aufgabe hat, mit Steuer- und Geldpolitik Vollbeschäftigung zu bewahren.
US-Präsident Barack Obama sagte in seiner ersten Rede vor den beiden Kammern des Kongresses in Washington: „Wir lebten in einer Ära, in der zu oft kurzfristige Gewinne höher geschätzt wurden als langfristiges Wachstum“. Überschüsse seien dazu genutzt worden, die Reichen reicher zu machen anstatt darin eine Chance für Investitionen in die Zukunft zu sehen. Regulierungen seien zugunsten rascher Profite und auf Kosten eines gesunden Marktes eingeschränkt worden.
Shiller und Akerlof behandeln im zweiten Abschnitt dieses hervorragenden Buches in Form von „8 Fragen und 8 Antworten“ die praktischen Themen der Wirtschaft im Spannungsverhältnis zum Menschen. „Warum Volkswirtschaften in Depression fallen“, „Warum Zentralbanken Macht über die Wirtschaft haben“, „Was in der aktuellen Finanzkrise zu tun ist“, „Warum es Menschen gibt, die keinen Job finden“, usw. Auch die kurze Beschreibung der beiden Depressionsphasen der US-Wirtschaft (1890 und 1930) ist sehr aufschlussreich.
Die Botschaft des Buches dürfte lauten: Die Märkte in den Dienst der Menschen stellen. Die „Laissez-faire Politik“, die in den 1980er Jahren während der Reagan-Amtszeit in den USA und während der Thatcher-Amtszeit in Europa politisch zu einem beherrschenden Glaubensbekenntnis erkoren wurde, stellte die Gesellschaft in den Dienst der Wirtschaft. Diese Ära („Nepper, Schlepper und Bauerfänger“) ist nun vorbei. Die Menschen dürfen nicht mehr dazu verlockt werden, unter dem Label „innovative Finanzprodukte“, welche mit viel Alphas, Betas und Deltas geschmückt werden, Nepp („snake oil“) zu kaufen. Der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft ist für den Menschen da. Schliesslich steht der Mensch im Mittelpunkt der Verfassung eines jeden Rechtsstaates. Ein hochinteressantes Buch, das die herrschende spekulative Zockermentalität in der Finanzwelt gewaltig entlarvt.
Cezmi Dispinar
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