Samstag, 20. Juli 2024

Money Capital

Buchbesprechung: 

Money Capital: New Monetary Principles for a More Prosperous Society. By Patrick Bolton and Haizhou Huang, July 16, 2024 (UK), Princeton University Press, London.


Wenn es um die Preisstabilität geht, geht es im Allgemeinen auch darum, zu ergründen, wie viel Papiergeld der Staat bereitstellen sollte. 

Doch die Monetaristen haben keine vollständige Antwort auf diese Frage. Das typische Argument, das angeführt wird, bezieht sich auf die «Friedman-Regel»: Die optimale Wachstumsrate der Geldmenge ist negativ.

Bemerkenswert ist, dass die Friedman-Regel u.a. auch das Denken hinter den Bemühungen zur Schaffung von Krypto-Währungen beeinflusst hat:

Das Design von Bitcoin zielt nämlich darauf ab, sein Wachstum durch «Mining» zu begrenzen, um seinen Wert zu steigern und so einen Anreiz für Investoren zu schaffen, den unverzinslichen Token zu halten.

Doch die Frage, ob die Gesamtmenge an Bitcoin ausreicht, um die Nachfrage nach Transaktionsdiensten zu decken, wird nicht wirklich beantwortet.

Zur Erinnerung: Der Grundgedanke des Monetarismus beinhaltet eine 1-zu-1-Beziehung zwischen Geldmenge- und Preisniveau-Veränderungen. 

Empirisch zeigt sich jedoch, dass dies in den Daten nach 1964 weder für die USA noch für andere Länder gut zu erkennen ist. Außerdem kann der Monetarismus einige neuere Entwicklungen nicht erklären, darunter die Folgen der Finanzkrise von 2008 (GFC) und die wirtschaftliche Entwicklung Chinas.

In diesem Buch unternehmen die Ökonomen Patrick Bolton und Haizhou Huang den Versuch, die Geldwirtschaft durch die Linse der Unternehmensfinanzierung zu betrachten: sie stellen eine Analogie zwischen Fiat-Geld und Unternehmenseigenkapital her, um sowohl die Geldtheorie als auch die Geldmenge auf andere Weise zu handhaben. 

Und die Autoren vertreten die Ansicht, dass auch Nationen sich die Frage stellen können (wie Unternehmen), wie sie ihre Investitionen finanzieren sollen, mit Geld oder mit Schulden? Mit "Schulden" sind in diesem Zusammenhang Schulden in Fremdwährungen gemeint.


«Mehr Geld zu drucken ist nicht immer schlecht; es kommt darauf an, was man mit dem Geld kaufen kann. Wenn mit mehr Geld wertvolle Investitionen finanziert werden, die sonst nicht möglich wären, sollte Geld gedruckt werden.»


Doch, während die Kosten für die Ausgabe von Aktien eine Verwässerung des Eigenkapitals bedeuten, sind die Kosten für das Drucken von Geld für eine Nation die Inflation.


«Staaten sind in der Lage, Geld auszugeben, das zur Begleichung von Schulden und zur Zahlung von Steuern verwendet werden kann. Eigenkapital gibt seinem Inhaber einen Anspruch auf die Vermögenswerte und Gewinne eines Unternehmens: Geld gibt seinen Inhabern (Bürgern) einen Anspruch auf die von einem Land produzierten Waren und Dienstleistungen.»


Die Idee ist also, Fiat-Money als Eigenkapital einer Nation zu betrachten. Denn das nationale Äquivalent des Eigenkapitals ist laut Autoren Fiat-Money. 

Das Hauptaugenmerk der Autoren liegt auf die Grenzen des Monetarismus als Wirtschaftstheorie und seinem Unvermögen, einige grundlegende makroökonomische Trends zu beleuchten.

Patrick Bolton and Haizhou Huang argumentieren, dass der Rahmen durch eine Neudefinition des Begriffs des Fiat-Money und durch die Unterscheidung zwischen «inside money» (erzeugt durch die Banken) und «outside money» (herausgegeben durch die Zentralbank) bereichert werden kann. 

Auf diese Weise wollen die Autoren einen Großteil der «Minsky-Kritik» am Monetarismus aufgreifen und die meisten «Rätsel» (aus monetaristischer Sicht) erklären.

Warum gab es beispielsweise in China trotz des starken Wachstums der Geldmenge keine Inflation? Die Antwort ist, dass das starke Wachstum der Wirtschaftstätigkeit mit dem starken Wachstum von M2 einherging. 

Die Produktion stieg proportional zur Geldmenge, so dass das Preisniveau mehr oder weniger stabil blieb. Der Produktionsanstieg erklärt sich wiederum durch die sehr hohen Investitionen Chinas in das Anlagevermögen.

Wenn man die Geldmenge erhöht und gleichzeitig die Produktion steigert, ist es nicht mehr offensichtlich, was mit dem Preisniveau geschieht, so die Autoren. Die chinesische Erfahrung ist ein deutliches Beispiel für diesen Punkt.

Wenn wir eine stabilere Weltwirtschaft und ein stabileres Finanzsystem wollen, müssen wir zu einem besser gesteuerten Wechselkurssystem und einer stärkeren Koordinierung der Geldpolitik übergehen.

Die "Bagehot-Regel", dass Zentralbanken "unbegrenzt Kredite an solvente Unternehmen vergeben sollten, und zwar gegen gute Sicherheiten und zu "hohen Zinssätzen", reiche laut Autoren in einem Krisenzustand nicht aus. Die «lender of last resort» Richtlinie soll daher durch die sog. «Draghi-Regel» ergänzt werden, d.h. alles zu tun, was nötig ist, um das Bankensystem zu retten.

Der interessanteste Abschnitt im Buch betrifft den Fragenkomplex, wie China sein Wachstum finanziert hat.

Ein Großteil dieses Kreditwachstums ist mit der Schaffung von «outside money» verbunden, wodurch die PBoC in der Lage war, Kapital in das Bankensystem zu injizieren und dadurch die Kreditvergabekapazität der Geschäftsbanken zu erweitern. Die Geldschöpfung spiegelt sich kristallklar in der Erweiterung der Bilanz der PBoC in diesem Zeitraum wider.

Ohne die erfolgreiche Rekapitalisierung von Geschäftsbanken durch einen massiven «debt-equity-swap» wären Chinas große staatliche Geschäftsbanken nicht in der Lage gewesen, ihr NPL-Problem (not-leidende Darlehen) zu lösen. Einige von ihnen wären effektiv bankrott gewesen. 

Das Ausmaß dieser direkten Finanzierung durch die Ausgabe von Wertpapieren nimmt immer noch zu, aber sie ist eindeutig weit weniger signifikant als das Ausmaß der Bankkredite, insbesondere in den ersten Jahren des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas.

Wie war China also in der Lage, solche groß angelegten Infrastrukturprojekte zu finanzieren und sie auf eine solide finanzielle Grundlage zu stellen?

Die erste Hälfte der Antwort auf die Frage, wie China sein Wachstum finanziert hat, befasst sich mit der Schaffung der finanziellen Kapazität, die erforderlich ist, um die groß angelegten Investitionen zu finanzieren, die das schnelle Wirtschaftswachstum vorantreiben.

Die zweite Hälfte der Antwort erfordert eine Erklärung, wie es möglich war positiven Nettowert (NPV) zu tätigen. Der größte Anteil der Investitionen, die das Wachstum ankurbeln, ging in den Bau, die Immobilienentwicklung und die Infrastruktur-Investitionen, um das schnelle Tempo der Urbanisierung der chinesischen Bevölkerung aufrechtzuerhalten.

Die Umgestaltung des Bankensystems hat zweifellos eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft gespielt.

Das Wachstumsmodell, das auf Infrastruktur-Investitionen, Immobilienentwicklung und kontrollierter Urbanisierung basiert, schuf viel Wert, und die Geldschöpfung ging in die Finanzierung einer riesigen positiven NPV-Kapitalausgaben, die China dazu gebracht haben, die Produktion mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Wachstum der Geldmengen-Aggregate zu erweitern, so dass keine signifikante Inflation stattfand.

Das erste Prinzip ist, dass, wenn ein Land gute Anlagemöglichkeiten hat, es durch angemessene Geld- und Kreditschöpfung finanzieren sollte, solange die Inflationskosten begrenzt und die wirtschaftlichen Wachstumsaussichten stark bleiben.

Das zweite Prinzip ist, dass es wichtig ist, wie Geld in die Wirtschaft gelangt. Das Finanzsystem spielt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl profitabler Investitionsprojekte und stellt sicher, dass sich das, was Geld kauft, es wert ist. 

Die Banken haben die Informationen, um gute und schlechte Projekte überprüfen zu können, während die Zentralbank dies nicht tut, argumentieren die Autoren. Deshalb ist es wichtig, dass die Kreditschöpfung dezentralisiert wird und die Rolle der Zentralbank darauf beschränkt ist, die Bank der Banken zu sein, um sicherzustellen, dass die Banken über eine angemessene Liquidität verfügen und das Bankensystem stabil bleibt.

Wenn Chinas Währungsbehörden sich an das monetaristische Spielbuch gehalten hätten, wäre die Wirtschaft des Landes nicht in der Lage gewesen, so zu wachsen, wie sie es tat. Es hätte eine künstliche Belastung für die Verfügbarkeit von Investitionsmitteln gegeben. 

Aber die frühe Phase der Wirtschaftsreform zeigt auch, dass die Geldschöpfung allein nicht garantiert, dass das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden kann.

Die Autoren können sich mit der «Modern Monetary Theory» (MMT) nicht anfreunden. Der Fehler bei MMT bestehe darin, dass sie die gesamte Kreditkreation gleichbehandle und keine Verwässerungs- oder Inflationskosten berücksichtige.

Die von den Autoren vorgeschlagenen monetären Prinzipien binden die Geldschöpfung entscheidend mit NPV-Investitionen: Das sei der Hauptunterschied zu MMT und zum Monetarismus.

Der Unterschied zwischen unserer Theorie und MMT bestehe darin, dass «wir Fiat-Geld als Eigenkapital («equity») behandeln, während MMT Geld einfach als eine weitere staatliche Verbindlichkeit («debt») sieht. Unsere Analogien zwischen Geld und Eigenkapital und zwischen Verwässerungskosten und Inflationskosten geben klar, wie und wann Erhöhungen der Geldmenge zu Inflation führen können (wenn Geld für negative NPV-Projekte ausgegeben wird), während es in MMT nicht klar ist, wie, wann und wo die Inflation in die Analyse eingeht, noch ob die Inflation Kosten auferlegt.»

Die Annahme, ein Staat sei wie ein Unternehmen, ist nicht neu, aber, bei allem Respekt, vollkommen irreführend, was dem Inhalt des Buches sicherlich etwas in die Knochen fährt. 

«Fiat-Money» wird durch die Anerkennung einer Schuld geschaffen und durch die Begleichung oder Löschung dieser Schuld vernichtet. In einem Fiat-Währungssystem gibt es keine Sicherheiten für das Geld, das ein Land schafft. Dies gilt seit der endgültigen Aufgabe des Goldstandards durch die USA im August 1971 für fast alle Rechtssysteme, und zwar für alle wichtigen.

Schliesslich lässt sich das ganze Buch wie eine Art Versuch lesen, das neoklassische Modell im Licht von Minsky-Kritik etwas aufzupeppen und eine Wirtschaftspolitik à la Keynes grundsätzlich abzulehnen, wobei, wie gesagt, auch MMT von der Kritik nicht verschont bleibt.

Die tiefgreifenden Ausarbeitungen von massgebenden Themen wie «Monetary Union», «Debt Monetization», «Coordination of Fiscal and Monetary Policy» bieten dennoch wertvolle Einblicke in makro-ökonomisch bedeutende Modelle.



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