Donnerstag, 28. Juni 2018

Ein starkes Signal für Rezession kann die Kurve nicht schneiden


Will man eine Prognose über die Wirtschaft stellen, muss man die einschlägigen Daten überprüfen und die Indikatoren beobachten. Ein wichtiges Signal, das die Anleihenmärkte geben, kann dabei nicht ignoriert werden.

Die Rede ist von der Renditekurve (yield curve). Die graphische Veranschaulichung des Verhältnisses verschiedener Zinssätze eignet sich insbesondere für die Vorhersage von Rezessionen, wie die empirische Erfahrung nahelegt.

Es wäre daher nicht vermessen, zu sagen, dass die Form der sog. Zinsstruktur-Kurve derzeit wegen ihrer grossen Bedeutung zur Abschätzung der künftigen Entwicklung der Konjunktur das Thema Nr. 1 an der Tagesordnung von Wall Street ist.

Wenn eine Volkswirtschaft gesund läuft, ist der Zinssatz für längerfristige Anleihen i.d.R. höher als der Zinssatz für kurzfristige Papiere.

Der zusätzliche Zins (premium) dient zum Teil als Entschädigung für das Risiko auf die lange Sicht, da die Zukunft unsicher und nicht erschlossen ist.

In letzter Zeit steigen jedoch die Renditen am langen Ende der Ertragskurve langsamer als die am kurzen Ende. Das deutet darauf hin, dass die Händler am Anleihemarkt über langfristiges Wachstum besorgt sind, selbst wenn die Wirtschaft gewisse Vitalität ausstrahlt und die Fed die Zinsen erhöht.

Dazu liefert NYTimes ein paar sehenswerte Abbildungen. 

Der folgende Chart zeigt, dass die Renditekurve, gemessen an 10y UST minus 2y UST, flacher wird. Der Renditeabstand ist inzwischen auf 0,34% gesunken, was den niedrigsten Wert seit 2007 markiert.



Die flacher werdende UST-Rendite-Kurve gemessen an 10yUST minus 2y UST, Graph: NYTimes @nytimes June 25, 2018

Mittwoch, 27. Juni 2018

Anleihen mit Negativrendite: Kognitive Dissonanz?


Der Rendite-Abstand zwischen den USA (2,89%) und Deutschland (0,33%) nimmt weiter zu. Gemessen an der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit beträgt der Spread per Dienstag 2,56%.

Damit spiegelt sich der unterschiedliche Verlauf der Geldpolitik der Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks wider. 

Die Fed hat im Dezember 2015 begonnen, die Zinsen allmählich anzuheben.

Die US-Notenbank hat seither (im gennannten Zyklus) die Zinsen bis Mitte Juni 2018 insgesamt siebenmal erhöht. 

Die Staatspapiere aus den USA und Deutschland haben aber einen gemeinsamen Nenner: die Gefahr des Ausfalls (default) ist minimal; sie sind daher sicher, liquide und hochwertig, unabhängig davon, ob Inflation oder Deflation droht.

Bemerkenswert ist, dass die Realrendite der 10-jährigen Staatsanleihen Deutschlands negativ (-1.856%) ist, wie BloombergTV meldet.


Die Real-Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist negativ, Graph: BloombergTV live June 26, 2018

Montag, 25. Juni 2018

Inverse Ertragskurve als Sirenengesang


Der Fokus bleibt beim Bondmarkt. 

Die Zinsen sind wieder die besseren Dividenden, betitelt die FuW aus Zürich einen lesenswerten kurzen Bericht.

Zum ersten Mal seit 2008 liegt die gesamte UST-Kurve über der Dividenden-Rendite (1,9%) des US-Aktienmarktes gemessen am S&P-500 Index. (*)

Der Rendite-Abstand zwischen den UST mit 10 Jahren Laufzeit und den UST mit 2 Jahren Laufzeit ist inzwischen auf 37 Basispunkte (0,37%) geschrumpft. Das markiert den dünnsten Spread seit September 2007.

Was bemerkenswert ist, dass die globale Ertragskurve (yield curve) inzwischen erstmals seit 2007 invers wurde. Das bedeutet, dass die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve tiefer liegen als die am kurzen Ende. Und das deutet i.d.R. auf eine Rezession hin, in nicht allzu ferner Zukunft.

Konkret:Die durchschnittliche Rendite von Anleihen im JPMorgan Government Bond Index mit 7 und 10 Jahren Laufzeit ist unter die durchschnittliche Rendite von Anleihen mit 1 bis 3 Jahren Laufzeit gerutscht.

Mit anderen Worten erhalten Anleger auf globaler Ebene keine Prämie mehr, um Anleihen mit längerer Laufzeit zu halten. 


Die globale Ertragskurve (global yield curve) ist jetzt invers, Graph: Robin Wigglesworth @RobinWig @FT, June 24, 2018 

Sonntag, 24. Juni 2018

Necessary Evil


Buchbesprechung

David Kinley: Necessary Evil – How to Fix Finance by Saving Human Rights, Oxford University Press, New York, June 2018

Die Global Financial Crisis (GFC) hat u.a. aufgezeigt, wie entscheidend die Form und die Funktion des Finanzsystems für die Erfüllung unserer meisten Grundrechte ist, was z.B. den Zugang zum Wohnen, zur Bildung, zur Gesundheit, aber auch die Arbeitsplatzsicherheit und die Sozialhilfe betrifft. 

Für Millionen von Menschen, die am wenigsten dafür tun können, weshalb und wie die Krise entstanden ist, hat sie fatale Auswirkungen ausgelöst. Unzählige Menschen haben nicht nur den Job, sondern auch das Eigenheim verloren. Und die Fiscal Austerity hat dazu geführt, dass die Lebensstandards scharf gesunken sind. (*)

Die Macht und die Wucht der Durchdringung des globalen Finanzsystems über alle möglichen Formen der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Interaktion ist der Gegenstand dieses neulich vorgelegten Buches von David Kinley

Eine aufgeschlossene, klare und analytische Beleuchtung der Rolle der Menschenrechte im Umfeld der immerwährenden selbstzerstörerischen Widrigkeiten der Finanzmärkte auf das Wohlbefinden einfacher Menschen.

Der Autor ist Rechtsprofessor (Human Rights Law) an der University of Sydney. Sein wesentliches Anliegen ist, durch detaillierte Beschreibung der Geschichte der Beziehungen zwischen dem Finanzwesen und den Menschenrechten darauf hinzuweisen, dass der Finanzsektor nicht ein Ziel, sondern ein Mittel ist, um weit verbreitetes Wohlergehen der Menschen zu fördern.

Samstag, 23. Juni 2018

FANG versus BITCOIN


2018 war bislang ein aufregendes Jahr. Spannungen im internationalen Handel insbesondere zwischen den USA und China bzw. Europa nehmen zu. Öfters ist es sogar von einem „Handelskrieg“ die Rede.

Es wäre angesichts der Entstehungsgeschichte von Bitcoin zu erwarten gewesen, dass der bekannteste Crypto-Token in einer Zeit der wachsenden Unsicherheit an Wert gewinnt. Schliesslich empfehlen Bitcoins Enthusiasten die „Crpyto-Währung“ als Absicherung gegen einen solchen Zusammenbruch des korrupten kapitalistischen Systems. 

Doch die Performance von Bitcoin lässt viel zu wünschen übrig. Seit Jahresbeginn hat es um rund 60% an Wert verloren, wie wir in der folgenden Abbildung sehen können.

Hätte man Bitcoin zu Beginn des Jahres verkauft und den Erlös in den FANG+ Index investiert, hätte man heute einen Wertanstieg rund 40% realisieren können.

FANG+ Index, der Amazon, Netflix, Tesla, Alibaba, Facebook, Apple, Alphabet, NVDIA, Twitter und Baidu umfasst, schlägt Bitcoin.



FANG+ Index schlägt Bitcoin, Graph: John Authers, FT, June 22, 2018

Donnerstag, 21. Juni 2018

Anleihemärkte schreien: Haushaltskonsolidierung ist heute nicht notwendig


Das Wirtschaftswachstum im Euroraum bleibt hinter Erwartungen zurück. Das BIP lag im ersten Quartal 2018 nur noch bei 0,4% gegenüber 0.7% im vierten Quartal 2017.

Und der Einkaufsmanagerindex (PMI) des herstellenden Gewerbes signalisiert die Fortsetzung der moderaten Entwicklung. 

Die Verlangsamung der Wachstumsdynamik, die sich im PMI widerspiegelt, erklärt zum Teil, warum die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit nach einem starken Anstieg zu Beginn des Jahres wieder gesunken ist.



Der Wert der Anleihen, die derzeit mit einer negative Rendite gehandelt werden, Graph: Bloomberg, June 20, 2018

Mittwoch, 20. Juni 2018

Negative Nettokreditkosten: In welchem Land willst du leben?


Es ist schon atemberaubend, sich zu vergegenwärtigen, dass öffentliche Netto-Investitionen in Deutschland seit mehreren Jahren negativ sind, zu einer Zeit, in der die öffentliche Hand zu negativen Nominalzinsen Kredit aufnehmen kann.

Aber auch in Grossbritannien deuten die niedrig verlaufenden Renditen der Staatsanleihen darauf hin, dass es Spielraum für höhere öffentliche Ausgaben gibt.

Die invertierte Kurve der britischen Staatspapiere (GILT) veranschaulicht die Nachfrage von Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften nach langfristigen Obligationen, wie Kate Allen in FT berichtet.

Die Rendite der britischen Staatsanleihen (GILT) mit 10 Jahren Laufzeit schwankt seit Herbst 2016 zwischen 1% und 1,5%. 

Die Rendite der US Treasury Bonds mit vergleichbarer Laufzeit ist im selben Zeitraum von 1,6% auf fast 3% geklettert.

Der Rendite-Abstand zwischen den GILT und UST weist damit den höchsten Wert seit mehr als drei Jahrzehnten auf, was die unterschiedlichen wirtschaftlichen Geschicke der beiden Länder widerspiegelt.


US vs UK: Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Kate Allen, FT, June 20, 2018 

Sonntag, 17. Juni 2018

Arbeitslosenquote sinkt, aber auch Löhne sinken – Wie steht’s damit?


Acht Jahre nach GFC (Global Financial Crisis) sinkt die Arbeitslosigkeit nun endlich auf beiden Seiten des Atlantiks. Was erstaunt, ist aber, dass das Lohnwachstum kaum vom Fleck kommt.

Der durchschnittliche Stundenlohn ist in den USA im May gegenüber dem Vorjahr gesunken, wenn man die Inflation  .

Für Arbeitnehmer in „Produktion und non-supervisory“ Stellen ist der durchschnittliche Reallohn von 22,62$ im Mai 2017 auf 22,59$ im Mai 2018 gesunken, wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) vergangene Woche mitgeteilt hat. 

Diese Ansammlung von Arbeitern umfasst diejenigen, die in der Produktion und im Baugewerbe beschäftigt sind, sowie alle „non-supervisory“ Arbeiter in den Dienstleistungsbereichen, wie etwa Gesundheitsfürsorge oder Fastfood, wie Jeff Stein und Andrew Van Dam in einem lesenswerten Bericht bei Washington Post beschreiben.

Laut BLS entfallen auf diese Gruppe rund vier Fünftel der privat Beschäftigten in Amerika.

Der Rückgang der Löhne ist seltsam und bemerkenswert. Einige Ökonomen, die alarmiert sind, sagen, dass die Gehaltszahlungen in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit niedrig ist, steigen müssten. Es sei denn, es gibt eine Art „external shock“ wie z.B. eine schlechte Hurrikan-Saison. Das ist aber nicht der Fall.



Anteil der Arbeitnehmer am Gewinn von Unternehmen, Graph: Jeff Stein und Andrew Van Dam in: Washington Post June 15, 2018

Donnerstag, 14. Juni 2018

Der steilere Zinspfad in Tandem mit der flacheren Ertragskurve


Die US-Notenbank hat am Mittwoch wie erwartet den Leitzins (Fed Funds Rate) um 25 Basispunkte (0.25%) erhöht. Das Zielband lautet nun 1,75% bis 2%.

Das ist die zweite Zinserhöhung im laufenden Jahr und die siebte im fortbestehenden Zyklus (seit Dezember 2015). 

Die FOMC-Mitglieder (Offenmarktausschuss) haben zugleich insgesamt vier Zinsschritte für das Jahr 2018 angedeutet. Für das Jahr 2019 werden 3 weitere Zinserhöhungen prognostiziert.

Laut Jerome Powell, Fed-Präsident (*) befindet sich die US-Wirtschaft in grossartiger Form. 

Was das Ziel der Preisstabilität betrifft, orientiert sich die Fed an der Kernrate der Preise für persönliche Ausgaben (core PCE), ohne Mitberücksichtigung der Preise für Energie und Nahrungsmittel.

Auch in dieser Hinsicht gibt sich Powell locker und unbesorgt.

Wie war aber die Reaktion der Marktteilnehmer?


Fed Funds Rate und UST Renditen für die Laufzeiten von 10 und 2 Jahren, Graph: FuW, June 14, 2018

Donnerstag, 7. Juni 2018

Italien und EU Strukturfonds


Die neue italienische Regierung beklagt sich darüber, dass sie von der EU ungerecht behandelt wird.

Einige der nördlichen EU-Länder können es nicht fassen und schlagen mit der Behauptung zurück: Italien werde von EU-Subventionen überschwemmt.

Ein Kolumnist beim Der Spiegel hat sogar in der vergangenen Woche geschrieben, dass die Italiener „aggressive Schnorrer“ seien.

Wie sieht es aber in der Realität aus?

Bloomberg liefert dazu fünf Abbildungen, die zeigen, dass Italien möglicherweise der zweitgrösste Empfänger von EU-Strukturfonds im laufenden Haushalt ist. 

Aber die Italiener bekommen weniger als ein Drittel, was Polen pro Kopf bekommt. Und Italien liegt sogar hinter Spanien.



Empfänger von EU-Strukturfonds, Graph: Bloomberg, June 6, 2018

Dienstag, 5. Juni 2018

Der Fall Italien und Marktdisziplin – von wegen!


Wenn ein Land einer Währungsunion beitritt, verliert es die eigene Landeswährung und übernimmt im Gegenzug die Gemeinschaftswährung. Das ist im Fall der EWU der Euro. 

Die Geldpolitik wird von einer gemeinsamen Zentralbank gestaltet. Das ist die EZB.

Das bedeutet, dass die nationalen Regierungen mit dem Beitritt der EWU die Kontrolle über das Geld verlieren. Und das hat Auswirkungen.

Der Euro ist dann quasi eine fremde Währung für das EWU-Land, das eine Staatsanleihe emittiert, weil es eben keine Kontrolle über das Geld hat. Das heisst, dass das betreffende Land dem Anleihe-Halter die Bedienung der Obligation am Ende der Laufzeit nicht garantieren kann, in Form von Cash (in diesem Fall in Euro).

Nun stellen wir uns einen negativen (wirtschaftlichen oder politischen) Schock vor, z.B. den Wahlsieg der als populistisch präsentierten Bewegungen in Italien. Im Fall von Spanien war es im Jahr 2010 eine tiefe Rezession, und zwar in Verbindung mit einer Banken-Krise.

Der Ausverkauf von Bank-Aktien an den Börsen und der rasante Anstieg der Rendite-Differenz (spread) der italienischen Staatspapiere im Verhältnis zu German Bunds, die weltweit als sichere Benchmark-Anleihen gelten, führt erneut vor Augen, dass der Teufelskreis (doom loop) zwischen Staatsanleihen und Bank-Aktien nicht gebrochen ist.

Denn wenn die Investoren erwarten, dass das italienische Haushaltsdefizit ansteigt, fangen sie an, die Papiere abzustossen. 

Was passiert danach?


Teufelskreis (doom loop) Bank-Aktien versus Staatsanleihen, Graph: BloombergTV 
5y spread ITA over GER (blaue Kurve) und Europe Banken Index (weisse Kurve)

Sonntag, 3. Juni 2018

Italiens stagnierende Wirtschaft und Finanzierungssalden der Sektoren


Der Fall Italien zeigt, dass die makroökonomische Politik (*) der EU-Behörden nicht funktioniert. 

Es war Brüssels wirtschaftspolitische Agenda („Sparen: gut, Schulden: schlecht“) in enger Kooperation mit Berlin, die die italienische Misere ausgelöst hat. 

Die italienische Wirtschaft hat eine sechs Jahre andauernde Rezession durchlaufen.

Was wurde Rom dabei verordnet, um die Wirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen? Strukturreformen (vorwiegend Massnahmen auf der Angebotsseite).

Das bedeutet „interne Abwertung“: Gürtel enger schnallen, v.a. Lohnkürzungen und Sozialabbau.

Italien hat damit tatsächlich eine Reihe Reformen durchgeführt, im Pensionssystem und auf dem Arbeitsmarkt.

Es ist aber unumstritten, dass die interne Abwertung die Wirtschaftsschwäche intensiviert und Arbeitslosigkeit erhöht hat. Siehe die erste Abbildung im vorhergegangenen Blog-Eintrag.

Folglich wundert es nicht, dass populistische Parteien die Oberhand gewinnen. Denn das Volk leidet zweifelsohne.

Und um es noch einmal zu unterstreichen: Mitschuld tragen die Länder im Norden Europas.

Denn sie schreiben Italien apodiktisch vor, weiterhin am restriktiven Fiskalkurs festzuhalten. Die Sparpolitik verursacht aber Nachfrageschwäche.

Wie man an der folgenden Abbildung deutlich erkennen kann, sind die Finanzierungssalden der Sektoren der italienischen Wirtschaft (private Haushalte, Unternehmen und Staat) alle im Plus. Das heisst, dass sie weniger ausgeben als sie einnehmen. Nur das Ausland ist im Minus (capital account; inverse of current account).


Finanzierungssalden der italienischen Wirtschaft (sectoral balances: saving minus investment) im Verhältnis zum BIP, Graph: Makroskop, June 1, 2018