Mittwoch, 29. November 2017

Ertragskurve und Extra-Nutzen auf lange Sicht


In letzter Zeit wird viel über die Abflachung der Rendite-Kurve geredet, u.a. darüber, was sie verursacht und worauf sie hindeutet.

David Andolfatto geht in seinem Blog der Sache auf den Grund. 

Anhand eines einfachen neoklassischen Modells erklärt der Vice President der Fed St. Louis, dass die Zinsstruktur-Kurve (yield curve) in der Realität normalerweise eine positive Neigung hat. 

Es sei aber unwahrscheinlich, die positive Neigung der Kurve dadurch zu begründen, dass die Investoren beständig positiv in Bezug auf die Wirtschaft in Zukunft sind. 

Es gibt nämlich andere Faktoren, die die Anleiherenditen mit unterschiedlichen Laufzeiten beinflussen können, und damit die Steigung der Ertragskurve mit gestalten.

Ein solcher Faktor ist z.B. die Liquiditätsprämie für kurzfristige Schuldtitel. Wenn die Bewertung der kurzlaufenden Papiere aufgrund ihrer Liquidität (die - aus welchem Grund auch immer - derzeit knapp zu sein scheint) erfolgt, dann sind sie laut dem Modell sehr teuer.

Und die Fed kann auf die Liquiditätsprämie Einfluss nehmen, wenn sie die Zinsen anhebt, sodass der Rückgang der Liquiditätsprämie die Wirtschaft tatsächlich stimulieren kann, weil liquide Papiere als Tauschmittel (exchange media) die Investitionsausgaben ergänzen können, anstatt sie zurückzudrängen (crowding-out).


Die UST Rendite-Differenz (nom vs real), Graph: David Andolfatto, Nov 27, 2017

Samstag, 25. November 2017

Eine EU-Agenda für Deflation


Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre wirtschaftspolitischen Empfehlungen für den Euro-Raum vorgelegt.

Die EU-Behörde unterstreicht dabei, dass ein weitgehend neutraler fiskalpolitischer Kurs auf gesamtwirtschaftlicher Ebene für den Euro-Raum angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Erholung im Euro-Raum, die durch atypische Merkmale, die Altlasten der Schulden aufgrund der Krise und der erwarteten Neukalibrierung von Anleihekäufe durch die EZB gekennzeichnet ist, angemessen erscheint.

Das bedeutet im Grunde genommen, dass die EU trotz der anhaltenden Jugendarbeitslosigkeit von 18,7% in der EU und der Unterbeschäftigung von rund 18% weiterhin auf den Einsatz von Fiskal-Politik verzichten will.

Begründung: Die Wirtschaft erholt sich und die EZB setzt die expansive Geldpolitik fort.

Bemerkenswert ist, dass Mario Draghi im vergangenen Jahr die EU-Behörden mehrmals um die Unterstützung via Fiskal-Politik gebeten hat.

Auch Vítor Constâncio hat darauf hingewiesen, dass es schwer sei, mit Struktur-Reformen allein das Wachstum zu fördern, da es im Allgemeinen an Nachfrage im Euro-Raum mangelt.

Seine Begründung für den Einsatz von Fiskal Politik lautet, dass die Struktur-Reformen (kurzfristig) zu niedrigen Löhnen und Preisen führen, was es erschwere, die Inflation zu normalisieren.


Der Stand der Geld- und Fiskalpolitik im Euro-Raum, Graph: EU-Kommission, Nov 22, 2017

Freitag, 24. November 2017

Can the Euro be saved?


Buchbesprechung

Malcolm Sawyer: Can the Euro be saved?, Polity Press, Cambridge, UK & Malden, USA, 2018.

Die Euro Krise wurde zwar nicht von der GFC (Great Financial Crisis) und der darauffolgenden Rezession verursacht. Aber dadurch kamen die Schwächen der Konstruktion des Euroraums und die damit zusammenhängende politische Agenda deutlicher zum Vorschein.

Malcolm Sawyer nennt sie hauptsächlich „design faults“, die die ökonomischen Prospekte von Millionen von Menschen, wie wir heute mit Fug und Recht sagen können, vereitelt haben. 

Ein Teil der „design faults“ war bereits durch die Konvergenz-Kriterien (Maastricht-Vertrag von 1992) angedeutet worden, welche wiederum mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (1997) verstärkt wurden. 

Es sind z.B. Beschränkungen in Bezug auf das Haushaltsdefizit (3% des BIP) und die Staatsverschuldung (60% des BIP) und die Weigerung der EZB (zumindest bis zur Amtsübernahme durch Mario Draghi), als "lender of last resort" zu agieren.

Die wirtschaftspolitischen Schritte im Euroraum waren m.a.W. von Anfang an in einer Austeritäts-Agenda verriegelt. 

Auch die gegenwärtige Wirtschaftspolitik kann als ordo-liberal in Verbindung mit einer neo-liberal ausgeprägten Makroökonomik bezeichnet werden, die, wie Sawyer beschreibt, von „fiscal compact“, der nicht nur einen ausgeglichenen Haushaltssaldo fordert, sondern auch dessen Einbettung in nationale Gesetzgebung voraussetzt, veranschaulicht wird. 

Mittwoch, 22. November 2017

Flache Renditekurve – Flache Nerven


Die Future Märkte legen eine Wahrscheinlichkeit von 95% nahe, dass die Fed die Zinsen auf der letzten FOMC-Sitzung des Jahres im Dezember weiter anhebt.

Und die Fed deutet gleichzeitig an, die Zinsen auch im kommenden Jahr zu erhöhen. Während aber die Zinsen am kurzen Ende steigen, weigern sich die Zinsen am langen Ende, mitzuziehen.

Der Abstand zwischen den kurz- und langlaufenden Zinsen wird kürzer. Im Fachjargon heisst es, dass die Ertragskurve sich abflacht.

Die flacher werdende Zinsstrukturkurve (yield curve), die öfters als Hinweis auf eine bevorstehende Rezession interpretiert wird, erinnert heute v.a. an die Zeit zwischen Juni 2004 und Dezember 2005. 

Alan Greenspan, der damalige Fed-Präsident hatte es ein „Rätsel“ (conundrum) bezeichnet:

Die Zinsen am langen Ende der Kurve hatten keine Reaktion auf den Anstieg der Zinsen (via Tagesgeldsatz der Fed) am kurzen Ende gezeigt. Das heisst, dass sie nicht mit angestiegen sind.

In einer am Montag vorgelegten Analyse nennt Michael Bauer drei Gründe dafür, weshalb die flache Form der Kurve kein Rätsel darstellt: niedrige Inflation, niedrige neutrale Zinssätze und (geo-) politische Unsicherheiten; die alle seiner Ansicht nach auf den längerfristigen Renditen lasten.

Das bedeutet, dass die Investoren eine bessere Vergütung für langlaufende Wertschriften erst dann fordern würden, falls der Preisdruck schnell steigen sollte. So würde die Abflachung der Ertragskurve wieder umkehren, erläutert der Ökonom im Dienst der Fed San Francisco weiter.


Der Verlauf der US-Renditekurve, Graph: Michael Bauer in: „A new conundrum in the bond market?“, Nov 20, 2017, Economic Letters, Fed San Francisco


Dienstag, 21. November 2017

Es gibt kein Inflationsrätsel – weder in den USA noch in Europa


Mario Draghi hat an Montag in seinem Referat in Brüssel gesagt, dass der zugrundeliegende Inflationsdruck in Europa nach wie vor verhalten ist, da die Schwäche im Arbeitsmarkt noch immer anhält.

Der Rückgang der Arbeitslosenquote, die wir in den vergangenen Monaten beobachtet haben, brauche laut EZB-Präsident noch Zeit, sich in ein dynamischeres Lohnwachstum umsetzen zu lassen.

M.a.W. ist die Inflation niedrig, weil die Löhne niedrig sind. Was wir dabei aber auch nicht vergessen dürfen, ist die Tatsache, dass die Unterbeschäftigung im Euroraum mit 18% doppelt so hoch ist wie die offizielle Arbeitslosenquote.

Das bedeutet im Grunde genommen, dass die Wirtschaft unterhalb des Potenzialwachstums läuft: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist geringer als der potenzielle Output. 

Wenn das tatsächliche Wirtschaftswachstum geringer ist als das potenzielle Wirtschaftswachstum, bleibt ein Teil der Produktivitätskapazität ungenutzt, was wiederum durch brachliegendes Kapital (Investitionslücke) und die hohe Unterbeschäftigung reflektiert wird.


US Phillips Kurve mit Niedrig- und Hoch-Inflation, Graph: Joseph E. Gagnon, PIIE, Nov 17, 2017.

Donnerstag, 16. November 2017

Was sagt die Zinsstrukturkurve heute aus?


Die US-Zinsstrukturkurve hat sich im Verlauf des Jahres 2017 deutlich abgeflacht. 

Larry David („Curb Your Enthusiasm“) würde wahrscheinlich sagen: „pretty ... pretty ... pretty flat“.

Eine flacher werdende Ertragskurve (yield curve) lässt im Allgemeinen nichts Gutes ahnen; manchmal ein Vorbote für konjunkturelle Abschwünge in der Vergangenheit. 

Es gibt Analysten, die sagen, dass der Zusammenhang heute etwas schwächer und unkomplizierter sei, 

weil (1) seit geraumer Zeit weltweit rund 11'000 Mrd. USD Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit einer Rendite unter null (gemäss Bloomberg Barclays Index) gehandelt werden.

Investoren ziehen es daher vor, in US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit (2,35%) zu investieren, die heute rund 2% mehr Rendite bieten als die German Bunds (0,38%).

Die Laufzeitprämien (term premium), die die Investoren fordern, eine langlaufende Anleihe zu kaufen als eine kurzlaufende Anleihe, seien (2) wegen der QE-Politik der Zentralbanken gedrückt. 


Die flache US-Zinsstrukturkurve, Graph: Bloomberg

Mittwoch, 15. November 2017

Der neue Fed-Chef und die Anleihemärkte


Seit US-Präsident Donald Trump Jerome Powell zum nächsten Vorsitzenden der US-Notenbank ernannt hat, konzentriert sich die Debatte unter Ökonomen hauptsächlich darauf, ob Powell Fed’s Vorhaben fortsetzen wird, die Zinssätze schrittweise anzuheben.

Angesichts der bevorstehenden Wachablösung gibt es zwar über die Richtung der amerikanischen Geldpolitik eine Unsicherheit. Aber Powell dürfte laut Pictet Wealth Management den von Janet Yellen eingeschlagenen Weg beibehalten.

Die Analysten der auf die Vermögensverwaltung fokussierten Schweizer Privatbank mit Sitz in Genf bemerken in einem am Montag veröffentlichten Kommentar, dass Powell von dem akademischen Fed-Stab besonders beeindruckt zu sein scheine und daher an gewisses Mass an Kontinuität gewährleisten würde.

Vielleicht sollten wir aber das Augenmerk auf die Anleihemärkte richten. 

Aufgrund des Wirtschaftswachstums von jeweils 3% in den beiden letzten Quartalen scheint die US-Wirtschaft in Takt zu sein. Unternehmensgewinne steigen. Und die Arbeitslosigkeit sinkt. 

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Anleihehändler mit einer Wahrscheinlichkeit von 91% eine Zinserhöhung durch die Fed im Dezember erwarten. Darüber hinaus implizieren die Future-Märkte eine weitere Zinserhöhung im März 2018.


Die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung der Fed in den kommenden Monaten, Graph: Bloomberg View

Sonntag, 12. November 2017

Das monetaristische Dogma der Wirkungslosigkeit von Fiskalpolitik


Eine nachfrageorientierte Konjunkturpolitik spielt in Deutschland seit dem Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982 keine Rolle mehr, schreibt die SZ.

Die populäre Ansicht, dass Konjunkturprogramme (*) unwirksam seien, muss inzwischen als widerlegt gelten, so der Bericht weiter.

Die SZ deutet dabei v.a. auf eine neue Studie (Fiscal Stimulus and Fiscal Sustainability) von Alan Auerbach und Yuriy Gorodnichenko von August 2017 hin.

Die beiden Verfasser des Papers vertreten die Ansicht, dass eine fiskalische Stimulierung dazu beitragen kann, Rezessionen zu bekämpfen.

Wenn aber die beiden Autoren die Frage untersuchen, ob es einen fiskalischen Spielraum zur Bekämpfung einer Rezession gibt, bleiben sie dem ökonomischen Mainstream-Denken verhaftet, wie Günther Grunert in einem lesenswerten Eintrag im Blog Makroskop kritisch dazu bemerkt. 

Denn es kommt laut Autoren auf die finanziellen Ressourcen an. Grunert hingegen sagt, dass der Staat, der seine eigene, souveräne Währung emittiert, keinerlei Beschränkungen finanzieller Art unterliegt.


Fiscal Stimulus, Paper, Graph: Alan Auerbach und Yuriy Gorodnichenko in: Fiscal Stimulus and Fiscal Sustainability, August 2017.

Donnerstag, 9. November 2017

10 Jahre nach der Krise: Eine diskreditierte Wirtschaftspolitik

Die grössten Volkswirtschaften sind seit der GFC (Great Financial Crisis) von 2008 immer noch durch makroökonomische Instabilität gekennzeichnet. 

Vor dem Hintergrund der stagnierenden Löhne und der niedrigen Investitionen ist es heute schwer zu erwarten, dass die Wirtschaft in Kürze in Fahrt kommt. 

Was ist aber zu tun, um das Wachstum zu fördern? Eine Frage, die nicht nur die Politiker interessiert, sondern auch die Volkswirtschaftslehre.

Das Lehrbuch sagt, dass im Allgemeinen eine solide Geldpolitik verfolgt werden muss. Wie aber jeder vernünftig denkende Volkswirt inzwischen beobachtet und eingesehen hat, verliert die Geldpolitik an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) an Zugkraft, weil die Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle geraten ist. 

Keine Frage: Ein angemessenes Policy-Mix ist unumgänglich. Das heisst, dass das Zusammenspiel von Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik notwendig ist. Doch die Politik stemmt sich dagegen: Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen müsse gewährleistet werden, so der Einwand.

Die Entscheidungsträger blockieren damit den Einsatz der Fiskalpolitik, koste es was es wolle, wobei man mit Fug und Recht sagen, dogmatisch. 

Ist Ökonomie aber keine Wissenschaft? Gibt es keine allgemeinen Theorien und Rezepte, die uns in der gegenwärtigen Situation helfen könnten, um die Wirtschaftspolitik dementsprechend anzupassen?


Ein niedriges Lohnwachstum trotz niedriger Arbeitslosenquote ist ein Zeichen für sinkende Preissetzungsmacht der Arbeit als Produktionsfaktor, Graph: Bond Vigilantes

Zum ersten Mal haben Zentralbanker wie Mario Draghi und Haruhiko Kuroda die Gewerkschaften aufgefordert, die Lohnforderungen zu erhöhen, wobei Draghi feststellt, dass die Löhne der „Haupttreiber der Inflation“ sind.


Sonntag, 5. November 2017

Erwartungen und die flacher werdende US-Ertragskurve


Die Rendite-Differenz zwischen den US-Treasury Bonds mit 2 Jahren Laufzeit und den US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit hat sich vergangene Woche weiter verringert. 

Der Rückgang auf 74.58 Basispunkte markiert inzwischen den niedrigsten Wert seit November 2007. Das heisst, dass die Ertragskurve (yield curve) flacher wird.

Die flacher werdende Form der Kurve hat sich auch nach der Ernennung von Jerome „Jay“ Powell zum neuen Fed-Präsidenten durch Präsident Donald Trump fortgesetzt.

Powell ist der erste Nicht-Ökonomen seit 40 Jahren an der Spitze der US-Notenbank. Er ist vom Beruf Jurist und hat bisher für einige US-Investmentbanken gearbeitet.

Die Neigung der Zinsstrukturkurve ist wichtig, da sie einen Echtzeit-Einblick in die Erwartungen im Markt in Bezug auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung gewährt.


Die US-Ertragskurve wurde zuletzt weiter flacher, Graph: fastFT

Freitag, 3. November 2017

Die unerträgliche Leichtigkeit der Geldschöpfung


Michael Paetz liefert im Blog Makroskop eine gute Zusammenfassung dazu, was die Postkeynesianische Theorie vom Mainstream unterscheidet.

Ein wesentlicher Aspekt ist der Unterschied zwischen Mikro- und Makroökonomik. Im Mittelpunkt steht dabei der Trugschluss der Verallgemeinerung („fallacy of composition“), wonach das einzelwirtschaftliche Denken (micro) für die Gesamtheit (macro) falsch ist.

Ein weiterer Aspekt ist die Betonung, dass das Geld endogen von privaten Banken geschaffen wird.

Allerdings ist es nicht unumstritten, dass der Ausdruck, dass das Geld aus dem Nichts („out of thin air“) geschöpft wird, bisweilen eine gewisse Verwirrung gestiftet hat.

Frances Coppola nimmt nun in ihrer aktuellen Kolumne bei FORBES dazu Stellung: eine lesenswerte Erläuterung.

Die ehemalige Bankerin aus Grossbritannien schreibt, dass Geld geschaffen wird, wenn Banken Kredit geben. Die doppelte Buchhaltung (double entry accounting) ordnet an, dass die Banken, wenn sie einen Kredit (asset) gewähren, zugleich eine gleichwertige und gegenläufige Verbindlichkeit (liability) in Form einer neuen Forderung (demand deposit) hinterlegen. 



Wie wird Geld geschöpft, Graph: ECB in: What is Money?, Nov 24, 2015 (updated 20 June 2017)