Sonntag, 29. August 2021

Fed-Chef Powell erklärt: Inflation und Lohnstückkosten

Fed-Chef Jerome Powell hat am Freitag in seiner Rede auf der Jackson Hole Konferenz signalisiert, dass die US-Notenbank noch in diesem Jahr damit beginnen könnte, die Anleihekäufe (QE-policy) zurückzufahren, wenn sich die Wirtschaft (v.a. der Arbeitsmarkt) wie erwartet entwickelt.

Da die Fed die Erwartungen bekräftigt hat, sind die Aktien gestiegen und die Renditen der Staatsanleihen gesunken.

Powell hat in klaren Worten erklärt, dass die US-Notenbank eine Reihe von Messgrößen heranzieht, die erfassen sollen, ob Preissteigerungen bei bestimmten Gütern auf die allgemeine Inflation übergreifen. 

Dazu gehören getrimmte Mittelwerte und Messwerte ohne Gebrauchsgüter, die kurz vor der Pandemie berechnet wurden. 

Diese Messgrößen zeigen im Allgemeinen, dass die Inflation bei oder nahe am längerfristigen Ziel von 2 % der Fed liegt (siehe die erste Abbildung). 

„Wir wären besorgt, wenn es Anzeichen dafür gäbe, dass sich der Inflationsdruck auf breiterer Basis in der Wirtschaft ausbreitet“, so Powell weiter.



Die Messwerte für die breit angelegte Inflation bleiben im Allgemeinen moderat, Graph: Jerome Powell, Aug 27, 2021, Fed.


Dienstag, 24. August 2021

EZB zwischen Deflation und Inflation

Die EZB hat sich kürzlich ein neues Inflationsziel gesetzt. Das bedeutet eine Änderung ihrer geldpolitischen Strategie. Notenbank Chefin Christine Lagarde strebt künftig eine jährliche Teuerungsrate von 2% für den Euroraum an.

Philip Lane, Mitglied des Direktoriums der EZB hat am vergangenen Donnerstag in einem Vortrag erläutert, was die neue geldpolitische Strategie ist und welche Implikationen sie für die Zinssteuerung hat. 

Die neue geldpolitische Strategie enthält zwei Neuerungen, die eine Aktualisierung der Zinsvorgaben rechtfertigten: 

erstens die Neudefinition des Preisstabilitätsziels als symmetrisches mittelfristiges Inflationsziel von 2 % und 

zweitens die bedingte Verpflichtung, die Auswirkungen der effektiven Untergrenze (effective lower bound) zu berücksichtigen, wenn die EZB die Politik in einem Umfeld strukturell niedriger Nominalzinsen durchführt.

Lane hat weiter unterstrichen, dass das Inflationsziel von zwei Prozent eine ausreichende Sicherheitsmarge bieten soll, um die Wirksamkeit der Geldpolitik bei der Reaktion auf disinflationäre Schocks zu schützen. 



"Angst vor Arbeitslosigkeit" (*), in: “The Economics of Walking About and Predicting Unemployment”, Aug 2021, Graph: David Blanchflower & Alexander Bryson, NBER Paper, Aug 2021.


Samstag, 21. August 2021

Infrastrukturpakete und neue Arbeitsplätze

Aus dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll (minutes) der Sitzung der Fed vom 27./28. Juli geht hervor, dass die meisten Teilnehmer die Ansicht vertreten, dass die Lage am US-Arbeitsmarkt noch nicht zufriedenstellend ist.

Die US-Wirtschaft benötigt weiterhin Unterstützung in Form von lockerer Geldpolitik und expansiver Fiskalpolitik.

Auch wenn manche Teilnehmer eine Reduzierung der monatlichen Käufe von Anleihen durch die Fed für angebracht halten, bedeutet es nicht, dass die Fed demnächst die Zinsen erhöhen muss.

Der US-Senat hat am 11. August einen 3,5 Billionen USD schweren Haushaltsentwurf parteiübergreifend gebilligt und damit der Biden Administration ermöglicht, Massnahmen in den Bereichen Klimawandel, Gesundheitswesen und Bildung zu finanzieren und gleichzeitig die Steuern für wohlhabende Menschen und Unternehmen zu erhöhen.

Biden hat die Erneuerung der amerikanischen Infrastruktur (das Paket umfasst rund 1 Billionen USD) zu zentralen politischen Zielen erklärt. Und Präsident erhofft sich davon Millionen neuer Arbeitsplätze.



Der Multiplikator von Infrastrukturinvestitionen ist im Vergleich zu anderen fiskalischen Ausgabeninitiativen groß; er liegt zwischen 0,5 und 1,2, was bedeutet, dass für jede 100 USD, die für die Infrastruktur ausgegeben werden, das BIP mittelfristig um 50 bis 120 USD erhöht wird, Graph: Ethan Harris, BofA, Aug 13, 2021.


Freitag, 20. August 2021

Money

Buchbesprechung

Geoffrey Ingham: “Money – What is political economy?” Polity Press, Cambridge UK, Jan 2020.


Die anhaltende Debatte, die im Sog der GFC (Global Finance Crisis) 2007-2008, ausgelöst wurde, wie das moderne Geldsystem funktioniert, zeigt, dass es keine Einigung über die Grundsätze und die Verwaltung der Geldversorgung gibt. 

Ein Meilenstein war allerdings die Anerkennung der "endogenen" Geldschöpfung durch das Bankensystem von der Bank of England (BoE) mit ihrer impliziten Akzeptanz (März 2014) der Kredittheorie des Geldes.

Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Auffassung von Geld in der Soziologie und in heterodoxen Wirtschaftsschulen bereits seit dem 19. Jahrhundert existiert. Banker waren sich schon immer bewusst, dass Geld als Kredit-Schulden-Verhältnis entsteht.

Geoffrey Ingham schreibt in seinem neuen Buch, dass die Geldfrage zwei Elemente hat: erstens eine angemessene Theorie des Geldes, was es ist und wie es produziert wird, und zweitens die wesentliche politische Dimension: 

Wer kontrolliert die Geldproduktion, wie viel und zu welchem Zweck? 

Der emeritierte Dozent für Soziologie und politische Ökonomie an der Universität Cambridge und Fellow des Christ's College erklärt weiter, dass es, trotz der hartnäckigen ideologischen Versuche, Geld der natürlichen Welt oder zumindest außerhalb des sozialen Bereichs zuzuordnen, seit der ersten Verwendung von Geld bekannt ist, dass es sich dabei um eine "Sozialtechnologie" handelt, die als "Produktionskraft" die Wirtschaftstätigkeit anregen kann. 

Donnerstag, 12. August 2021

Pandemie und Haushaltsdefizit: Viel Lärm um nichts?

Donald Trump hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Steuerreform angepackt. 

Seine Steuersenkungen haben den Spitzenverdienern riesige Gewinne beschert, ohne allerdings Investitionen für den Rest der Bevölkerung auszulösen.

Und das Haushaltsdefizit ist signifikant angestiegen.

Trumps Nachfolger, Joe Biden hat mit der Amtsübernahme aussergewöhnliche Massnahmen getroffen, um die Corona-Pandemie einzudämmen und Bevölkerung sowie Unternehmen finanziell zu unterstützen. 

Geld wurde direkt an die Menschen geschickt, damit sie Lebensmittel kaufen und die Miete bezahlen. Die Gesundheitsversorgung wurde ausgebaut, um mehr Menschen in Not zu helfen.

Das Haushaltsdefizit ist gestiegen. Aber die USA hatten die kürzeste Rezession in der amerikanischen Geschichte.

Biden hat all dies getan, ohne Steuern zu erhöhen, während ein Grossteil der Wirtschaft angesichts der Covid-19 Krise vorübergehend lahmgelegt worden («lockdown») war.



Finanzierungssalden: Regierung versus Privatwirtschaft, Graph: Stephanie Kelton, Aug 10, 2021 

Montag, 9. August 2021

Zentralbankkapitalismus

Buchbesprechung

Joscha Wullweber: «Zentralbankkapitalismus» – Transformationen des globalen Finanzsystems in Krisenzeiten, Suhrkamp Verlag, Berlin, 06 Juni 2021.


Die modernen Zentralbanken nehmen eine Reihe von Aufgaben wahr. Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten und die Beschäftigung zu fördern.

Die Finanzstabilität sollte aber auch auf dem Radarschirm sein. Tatsächlich wurden die meisten Zentralbanken gegründet, um ein endemisches Problem der Instabilität von Finanzsystem zu lösen.

Dieses von Joscha Wullweber neulich verfasste Buch befasst sich ausführlich mit der Rolle der Zentralbanken in Krisenzeiten. Dass die Aufgabe des Kreditgebers der letzten Instanz (lender of last resort) in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist sicherlich ein offenes Geheimnis. 

Bekannt ist zudem auch, dass die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken zur Stärkung der Wirksamkeit von nationalen Massnahmen zugenommen hat. 

Wullweber, Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie, Transformation und Nachhaltigkeit an der Universität Witten-Herdecke, beschreibt uns die radikale und tiefgreifende Veränderung der Wirtschafts- und Finanzsysteme, die in der globalen Finanzkrise (GFC 2007-2008) offenbar geworden ist.

Seine Schlussfolgerung lautet, dass das heutige globale Finanzsystem ohne die Interventionen der Notenbanken nicht mehr funktionieren kann. 

Sonntag, 8. August 2021

Anleihen mit Negativrendite und das Erbe nach der Pandemie

Die Bank of Japan (BoJ) besitzt fast die Hälfte der Staatsanleihen des Landes (JGB) und wartet immer noch auf Inflation. Diese Anleihen werden kaum gehandelt. An einem Tag in dieser Woche wurde die 10-jährige Benchmark-Anleihe nicht gehandelt.

Japan hat den zweitgrößten Staatsanleihenmarkt der Welt. Die 10-jährige Benchmark-Anleihe des Landes erreichte Anfang dieser Woche zum ersten Mal in diesem Jahr 0 %

Doch nur wenige Traders scheinen sich darum zu kümmern. China ist inzwischen die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt und bietet einen dementsprechend grossen Markt für festverzinsliche Wertpapiere und Zinssätze. Bloomberg bezeichnet China-Anleihen als „JGB für Millennials“.



USD-Terminmärkte preisen derzeit eine reale Fed Funds Rate von etwa minus 40 Basispunkten ein, Graph: J. Safra Sarasin Bank, Aug 06, 2021 


Freitag, 6. August 2021

Wann kommt die erste Zinserhöhung?

Morgan Stanley Research Team erwartet auf der FOMC-Sitzung im September «forward guidance» mit einer formellen Ankündigung von Tapering im März 2022.

Die erste Zinserhöhung dürfe daher im 3Q2023 stattfinden. Der Einschätzung der US-Investmentbank nach wird die Fed es vermeiden, ein weiteres Taper Tantrum entstehen zu lassen. 

Dennoch werden das Tempo von Tapering und die voraussichtliche Geschwindigkeit der Zinserhöhungen als die grössten Risiken betrachtet.

Der vom Markt (Futures) erwartete Zeitpunkt für kurzfristige Zinserhöhungen hat sich seit Anfang Juni geringfügig nach vorne verschoben. 


Die Marktwahrnehmung des Zeitpunkts von Fed Zinserhöhungen, Graph: Morgan Stanley, Aug 03, 2021


Mittwoch, 4. August 2021

EZB und Inflation als Sehnsuchtsziel

Bundesbankpräsident schlägt Alarm. Jens Weidmann warnt vor einer Inflationsrate, die in Richtung 5% geht. 

Begründung: Die EZB hat (nach 18-monatiger Überprüfung ihrer Strategie) die angestrebte jährliche Teuerungsrate im Euro Raum auf 2% erhöht, um sich in Sachen Inflation mehr Spielraum zu verschaffen. 

Die EZB hat damit die Bereitschaft unterstrichen, mittelfristig Preisstabilität im Währungsraum der 19 Staaten sicherzustellen, zumindest zeitweise «moderat über dem Zielwert» liegende Inflationsraten zu akzeptieren.

Ist aber die Warnung vor einem rasanten Anstieg der Inflation gerade jetzt angemessen?

Die Mehrzahl der Ökonomen ist sich einig, dass das höchste Tempo der Inflation vorübergehend ist, wie von der EZB und der Fed inzwischen mehrfach hervorgehoben wurde.

Es gibt im Allgemeinen zwei Ursachen für die Inflation: hohe Nachfrage und stark steigende Kosten. Beide Faktoren sind heute Mangelware. Ohne Lohnwachstum ist es kaum möglich, Inflation anzuheizen. 

Die in der ersten Jahreshälfte 2021 ausgehandelten Lohnverträge in Deutschland beispielsweise werden 2021-2022 nur bescheidene Lohnerhöhungen aufweisen.

Die Zinsen werden nur dann steigen, wenn das Wirtschaftswachstum zurückkehrt.

Wie das Research-Team der Nordea Bank mit der folgenden Abbildung zeigt, befinden sich EUR 5y5y Realzinsen (gelbe Linie) derzeit auf einem neuen Rekordtief.



EUR 5y5y Real-Zinsen (der 5-jährige inflationsindexierte Termin-Satz in 5 Jahren), Graph: Nordea Bank, Aug 01, 2021


Sonntag, 1. August 2021

Fed und Tapering

Fed-Chef Jerome Powell hat am Mittwoch nach der Sitzung des Offenmarkt-Ausschusses (FOMC) erklärt, dass die Wirtschaft wesentliche weitere Fortschritte bei der Erreichung der Ziele Vollbeschäftigung und der Preisstabilität realisieren muss, damit das Tapering eingeläutet werden kann.

Das Tapering ist, wenn die Währungshüter dazu übergehen, das Anleihekaufprogramm ($120Mrd. pro Monat) zu reduzieren. Wichtig ist aber, nicht zu vergessen, dass das Tapering nicht das Ende der lockeren Geldpolitik bedeutet.

Powell hat zudem gesagt, dass die Wirtschaft auf dem Weg dahin Fortschritte gemacht hat. Das kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass die amerikanische Notenbank nach der Sitzung im September oder im Dezember den Zeitpunkt von Tapering konkret in den Raum stellen könnte.

Der Arbeitsmarkt ist jedoch noch ein gutes Stück von der Vollbeschäftigung entfernt. Er möchte ein paar starke Arbeitsmarktberichte sehen, so Powell an der Medienkonferenz im Anschluss der FOMC-Sitzung.



Das BIP der Eurozone wird im Gegensatz zu dem der USA erst im nächsten Jahr wieder das Niveau von vor dem COVID erreichen, Graph: FT, July 29, 2021