Buchbesprechung
Stuart Banner: Speculation – A History of the Fine Line Between Gambling and Investing, Oxford University Press, New York, Oxford, 2017.
Was ist der Unterschied zwischen Spekulation und Investment? Im 19. und 20. Jahrhundert waren die Gerichte bzw. Richter, Rechtsanwälte und Gesetzgeber dafür zuständig, über die Frage zu befinden, ob es sich bei einer Finanztransaktion um eine Spekulation oder eine Investition gehandelt hat.
Die weise-Man-Regel („the prudent man rule“) stand im Vordergrund, die für die Treuhänder galt:
Eine Investition dient der Sicherung eines Einkommens für die Begünstigten, während die Spekulation zur Realisierung eines Gewinns aus der Transaktion dient, erklärte der Richter einst.
Doch eine Anzahl von Umständen konnte eine Investition in die verbotene Kategorie von Spekulation geraten lassen. Eine Investition mit geliehenem Geld (leverage) war z.B. eine reine Spekulation. Die Grenze zwischen Investition und Spekulation wurde im Verlauf der Geschichte aufgrund von einigen bestimmten Aspekten dauernd verschoben (kurzfristige Sicht vs langfristige Sicht, inflation, Portfolio-Diversifizierung, skill & diligence des Treuhänders usw.).
Einer breit vertretenden Ansicht nach war die übermässige Spekulation die unmittelbare Folge der Deregulierung der Finanzmärkte. Zitiert werden heute in diesem Zusammenhang u.a. die Abschaffung des Glass-Steagall Act.
Stuart Banner hingegen vertritt in seinem neuen Buch die Meinung, dass es die Ära „Great Moderation“ war, die zu einem geistigen Klima beigetragen hat, welches für die Deregulierung der Finanzmärkte empfänglich war.
Das intellektuelle Umfeld sei auch von der Theorie der effizienten Märkte (EMH = Efficient Market Hypothesis) beeinflusst worden. Aber die EMH stelle keine direkte Ursache für den Prozess der Deregulierung dar.
Die EMH besage bloss, dass die Preise in Kapitalmärkten vollständig alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Die EMH sei m.a.W. keine normative Aussage darüber, dass die Märkte gut und die Deregulierung schlecht seien.
Die EMH habe laut Banner die Finanzkrise nicht verursacht. Aber sie habe dazu beigesteuert, eine Stimmung zu stützen, die für die Deregulierung empfänglich gewesen ist.
Der Glass-Steagall Act hätte nicht verhindern können, dass die Banken in den USA die sog. subprime-Hypotheken-Kredit vergaben, argumentiert der an der UCLA lehrende Rechtsprofessor.
Die eigentliche Ursache des Problems dürfte die leichtsinnige Kreditvergabe an die Hauskäufer gewesen sein, die nicht in der Lage waren, die Kredite zurückzuzahlen, hält der Autor als Fazit fest.
Es gebe kaum Zweifel daran, dass die Spekulation mit neuen Derivaten durch die Ausnahme-Regeln, die alten Derivaten betrifft, erleichtert worden sei. Die Spekulation hat die Krise durchdringender gemacht als sie es sonst gewesen wäre.
Dazu erläutert Banner mit einiger Wortklauberei die Unsicherheit, die entstanden ist, dass die Thematik „spekulative Handlungen“ an den Börsenplätzen oder off-markets in den vergangenen Jahren in den USA von dem Bundesstaat einerseits und dem Landesrecht andererseits mehrfach unterschiedlich behandelt wurde.
Es sei daher manchmal besser, von Nicht-Regulierung zu reden statt von De-Regulierung, weil es eben nicht immer klar gewesen sei, dass davor ein bestehendes Gesetz abgeschafft wurde.
Seine Schlussfolgerung lautet dann, dass man sich davor eine Meinung bilden muss, wie die Spekulation am besten reguliert werden kann. Es sei schwierig, zwischen zwei riskanten Finanztransaktionen zu unterscheiden, welche gut und welche schlecht sei.
Das Buch bietet im Grossen und Ganzen einen „pro-Markt“-Standpunkt aus juristischer Sicht. Und es ist deshalb eher für Streber mit juristischer Vorliebe zum Lesen geeignet.
PS:
Was ich als störend empfinde, sind Formulierungen wie die folgende:
„There is no reason why the trustee should not make the investment in some security which cannot fail. It is just as convenient”.
Eine dreifache Negation! Das ist bei allem Respekt ein Überfall auf den Leser.
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