Mark Thoma befasst sich in einem lesenswerten Artikel („The Choice: Dynamic Capitalism vs. The Welfare State“) in The Fiscal Times mit den gängigen Themen
zum Vergleich von „USA und Europa“ im Hinblick auf das Wirtschaftssystem.
Die
Verfechter des Ansatzes „free-market“
argumentieren, dass Europa weniger flexibel und dynamisch ist als die USA, weil
es stärker auf die Sozialversicherung, den Arbeitnehmerschutz und damit hohe
Steuersätze angewiesen sei, um all diese Programme zu unterstützen.
Es
gibt hier einen stillschweigenden Kompromiss (trade-off), bemerkt der an der University
of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Die Arbeitnehmer haben im
US-System weniger Schutz und stehen daher auch mehr Unsicherheit gegenüber als
in Ländern, wo der Schutz allgemein verbreitet ist. Es gibt im Gegenzug zwei
Vorteile, die die Verfechter des Ansatzes „free-market“
hervorheben, wenn auf die Sicherheit verzichtet wird.
(1)
das Wirtschaftswachstum wird grösser. Die Wirtschaft sei frei, mit weniger
Einmischung durch den Staat, niedriege Steuern, und Gewerkschaften, die alles
andere als anwesend sind, das Wachstumspotenzial zu erreichen.
(2)
die Wirtschaft werde stabiler. Wenn ein grosser Schock die Wirtschaft trifft,
sind die USA in der Lage, mit neuen, produktiven und gut bezahlten Jobs
Vollbeschäftigung schneller wieder herzustellen als in Ländern, wo es grösseren
sozialen Schutz gibt.
Wenn
die beiden Vorteile gross genug sind, dann lohnt es sich, Sicherheit gegen
Dynamik, Flexibilität und ein höheres Wachstum einzutauschen. Hat die
Wirtschaft aber die beiden Vorteile, die versprochen worden sind, eingehalten?
Die
US-Wirtschaft hat vor der Great Recession
die Wirtschaft Europas in Sachen Performance übertroffen. Der Unterschied ist
aber relativ klein und in den letzten 10 Jahren rückgängig, unterstreicht
Thoma. Aber wenn auch das Wachstum in den USA etwas grösser ausfiel als in Europa,
gingen die Vorteile nicht zugunsten der privaten Haushalte, die die grössten
Zuwachs an Unsicherheit erlebten. Die Nutzniesser waren grösstenteils Top 1%.
Die
US-Wirtschaft hat es während der Krise besser gehabt als einige europäische
Länder, aber schlechter als andere. Die US-Arbeitslosenquote ist in den USA
höher gestiegen als in Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Belgien,
Dänemark, Finnland und Schweden. Aber die US-Arbeitslosenquote war um einiges
niedriger als in Griechenland, Spanien, Irland und Portugal, etwas niedriger
als in Italien und ählich hoch wie in Grossbritannien.
Mit
solch einem gemischten Ergebnis ist es schwierig, die Behauptung zu
unterstützen, dass der „free-market“-Ansatz
seit den 1970er Jahren das Versprechen in Bezug auf dynamischere, flexiblere und
schneller wachsende Wirtschaft erfüllt, betont Thoma. Und es ist noch
schwieriger, dafür einen schlagenden Beweis zu liefern, wenn man über die
Deregulierung der Wirtschaft nachdenkt, die zu einer Spekulationsblase auf dem
Immobilienmarkt geführt hat.
Es
gibt sehr wenig Zusammenhang zwischen der Grösse des Sozialstaates und der
anschliessenden Staatsverschuldung. Es gibt in der Tat einiges an Heterogenität
in ganz Europa, argumentiert Thoma. Ländern mit den grössten sozialen
Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark, Schweden und Deutschland erging es in der
Rezession besser, während diejenigen Staaten mit den kleinsten wie Griechenland
und Italien in mehr Schwierigkeiten geraten sind. Ein grösserer Wohlfahrtsstaat
hat nicht zu einer Staatsschuldenkrise geführt, sondern einen erheblichen
Schutz während der Rezession geboten und deutlich besser abgeschnitten als in
den USA.
Thoma
plädiert nicht dafür, Europa zu imitieren. Was in Europa funktioniert, muss
nicht möglicherweise in den USA direkt anwendbar sein. „Es gibt aber Lehren zu
ziehen, wenn wir das Augenmerk nach den richtigen Stellen richten, z.B. flexicurity in Dänemark und job-sharing in Deutschland. Wir haben durchaus noch Raum für
Verbesserungen“, fasst Thoma zusammen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen