Sonntag, 12. April 2009

Gescheitert

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck: „Gescheitert“. Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert. Westend Verlag, München, 2009.


Heute verfügt die Politik über kein wirtschaftspolitisches Konzept. Und es gibt kaum Politiker mit ökonomischer Weitsicht in den Bundesministerien. Eine einzige Ausnahme ist Oskar Lafontaine, so urteilt Flassbeck in seinem neuen Werk. Lafontaine, der Name kommt in dem Buch unheimlich viel vor, war der Autor Ende der 1990er Jahren auf politischer Bühne begegnet und mit ihm zusammengearbeitet.

Heiner Flassbeck leitet seit 2003 als Direktor bei den Vereinten Nationen in Genf (UNCTAD) die Division on Globalization and Development Strategies. Von 1998 bis 1999 war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Seit März 2005 Honorarprofessor an der Uni für Wirtschaft und Politik Hamburg.


Flassbeck fordert volkswirtschaftliches Management, statt der herrschenden unternehmerischen Wirtschaft. Dieses Buch will daher aufzeigen, dass Demokratie und Marktwirtschaft gefährdet sind, wenn Politik und Gesellschaft in Grundfesten von der Unternehmerlogik dominiert werden. Regierung und Opposition bieten nämlich wirtschaftspolitisch keine Alternative. Nur volkswirtschaftliche Logik kann dabei Abhilfe schaffen. Weg mit der Angebotspolitik. Eine Nachfragepolitik muss her, lautet das Credo des Buches. Konkret: Deutschland und manche andere europäische Länder konzentrieren sich auf den Export zu Lasten der Binnennachfrage. Das Mittel dazu ist Lohndumping. Da der Monetarismus a la EZB jeden Versuch erstickt, durch Wachstum Beschäftigung zu fördern, entsteht regelmässig Rezession. Die EZB ist bekanntlich nur auf Inflation fixiert. Es ist deshalb keine Überraschung, dass auch die Wachstumsbremserin im Euro-Raum ihr Fett in diesem Buch abbekommt. Noch frisch in Erinnerung ist der fatale Zinsschritt der EZB im Sommer 2008. Die europäische Zentralbank hat im Vorfeld der grössten Wirtschaftskrise seit Menschengedenken ihre Leitzinsen erhöht, anstatt zu senken.

Die Regierungen fordern daraufhin „Reformen“. Das bedeutet im Klartext Lohnkostensenkungen. Die Lohnstückkosten seien hierzulande zu hoch, lautet die Behauptung vieler Experten auf Diskussionsrunden im Fernsehen. Weil sonst Kapital in Niedriglohnländer abwandern würde, muss der Arbeitsmarkt flexibler gestaltet werden, drohen die Befürworter. Kostensenkung ohne Innovation bringt aber der Gesellschaft nichts. Wie senkt heute ein Unternehmen überhaupt Kosten? Indem es dank seiner Marktmacht Vorleistungen verbilligt, Arbeitskräfte entlässt oder den Lohn seiner Mitarbeiter senkt. Im Lichte der anhaltenden Krise wird nun jedoch viel klarer sichtbar, dass die Rechnung dieser Art von „Sanierung“ nicht aufgeht. Es funktioniert nur, wenn der Staat die Kosten (Einkommenskürzung der Arbeitskräfte) durch höhere Defizite stabilisiert.
Dann behaupten aber Anhänger der vorherrschenden Marktideologie, dass die „Überregulierung“ (also „zu viel Staat“) das Wachstum hindere. Dabei gilt es umgekehrt. Nur Wachstum kann den Arbeitsmarkt wiederbeleben. Zahlen belegen dies: Während der Wachstumsbeitrag des privaten Verbrauchs in den USA 2,9% und in Grossbritannien 2,6% beträgt, liegt er in Deutschland lediglich 0,9%. Nur in Deutschland und Japan sind die Löhne pro Kopf weniger gestiegen als in anderen Ländern. Stagnieren die Reallöhne, stagniert der Absatz der Unternehmen. Daraufhin investieren Unternehmen weniger und stellen kaum Leute ein. Obwohl gar keine Lohn-Preis-Spirale besteht, fährt die EZB ihren restriktiven geldpolitischen Kurs weiter. Den Letzten beissen die Hunde. Fortlaufenden Kosten tragen Arbeitslose und Rentner. Das Lohndumping reisst alle Länder in die Abwärtsspirale, die mit dem Hochland Mitglied in einer Währungsunion sind oder ihren Wechselkurs fixieren. Alle brisanten Themen der gegenwärtig relevanten ökonomischen Themen werden in diesem Buch leidenschaftlich angeschnitten und konkret erläutert. Das Buch ist für politisch bewusste Bürger eine Pflichtlektüre.

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