Buchbesprechung
Patrick Kaczmarczyk: Kampf der Nationen – Wie der wirtschaftliche Wettbewerb unsere Zukunft zerstört, Westend Verlag, Februar 2022, Frankfurt am Main.
Die neoklassische Theorie, die darauf keine Antwort gibt, wie es zur Dynamik der Entwicklung in den Volkswirtschaften kommt, nimmt den technologischen Fortschritt als mehr oder weniger gegeben an.
Dass eine Gleichgewichtsökonomie die Grundlage der vorherrschenden Denkschule bildet, ist ein offenes Geheimnis.
Die EU beispielsweise stellt den Wettbewerb als Allheilmittel zur Steigerung der Wohlfahrt in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik. Wohl gemerkt: eine Wirtschaftspolitik, die das Leben von 450 Millionen Menschen in Europa vielfältig berührt.
Der vom Ordoliberalismus angetriebene Ansatz der neoklassischen Theorie geht ferner davon aus, dass wirtschaftliche Entwicklung und der technologische Fortschritt sich von allein einstellen, sofern Wettbewerb auf dem Markt herrscht.
Und ganz wichtig: In der neoklassischen Wachstumstheorie kommt es aufs Sparen an.
Wie realistisch sind aber solche Annahmen, ohne dass sie grosse, nachhaltige Schäden verursachen?
Der Autor sucht vor diesem Hintergrund nach Antworten und zeigt ausführlich auf, warum der «Wettbewerb als Entwicklungsmotor» à la EU nicht in Fahrt kommt.
Der Entwicklungsökonom beruft sich in seinem neuen Buch auf Joseph Schumpeter (1883-1950) und seiner Theorie der «schöpferischen Zerstörung».
Er führt am Fallbeispiel von europäischer Automobilindustrie detailliert vor Augen, was der Wettbewerb als «race to bottom» in der Praxis anrichtet.
Während in Europa das Modell des «jeder gegen jeden» vorherrscht, definiert Schumpeter Entwicklung als Erneuerung der Produktionsstrukturen durch Investitionen.
Der Wettbewerb per se ist laut Schumpeter weder gut noch schlecht. Entscheidend ist die Art des vorherrschenden Wettbewerbs.
Die Elemente eines destruktiven Wettbewerbs, wie wir sie in der EU täglich beobachten können, sind Lohnsenkungen, Unterbeschäftigung, Auslagerungen, Preiskämpfe, technologische Stagnation usw.
Im Gegensatz zu den Annahmen der neoklassischen Theorie sind der Staat und der Markt eng miteinander verwoben. Die wichtigsten Preise, nämlich der Zins und der Lohn sind im Wesentlichen vom Staat abhängig.
Da die Ausgaben des einen die Einnahmen des anderen sind, kann die Welt als Ganzes weder einen Überschuss noch ein Defizit aufweisen. Es können also nicht alle Sparer sein.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Doppelfunktion der Löhne im Auge zu behalten: Auf der einen Seite sind sie ein Kostenfaktor für Unternehmen. Und auf der anderen Seite bestimmen sie die Nachfrage.
Wachstum ohne Schulden gibt es daher nicht. Alles Geld der Welt wird im «fiat-money» System per Kredit aus dem Nichts geschaffen.
Schumpeter verweist darauf, dass die Einführung neuer Produktionsmethoden überhaupt keine vorhergehende Güteranhäufung erfordert.
Das heisst, dass es nicht nur keiner Ersparnisse bedarf, um Investitionen zu tätigen, sondern dass alle Ersparnisse, die einer Wirtschaft entstehen, immer das Resultat vorausgegangener Investitionen sind.
Autors Fazit: Die Wettbewerbspolitik der EU setzt einen ruinösen Preiskampf in Gang, die Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkung zu festigen.
Das heisst, dass daher nur optimiert, und nicht innoviert wird.
Anstatt, dass Unternehmen investieren und sich durch Innovationen einen Vorteil auf dem Markt erarbeiten, verwenden sie dieselben Produktionstechniken, indem sie den Faktor Arbeit flexibel einsetzen (z.B. Leih- und Zeitarbeiter) und die Löhne drücken.
Europas fiskalische Regeln, d.h. das Streben nach ausgeglichenen Haushalten lösen nicht nur schädliche Nebenwirkungen wie den deflationären Druck und die restriktive Lohnpolitik aus, sondern sie wirken auch wie Sand im Getriebe der technologischen Entwicklung.
In der europäischen Automobilindustrie ging es, wie der Autor tiefgründig beleuchtet, nie um einen Wettbewerb der Innovation, sondern um rücksichtslose Kostenoptimierung.
Das wirtschaftspolitische Model der EU funktioniert nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Unternehmenssektor zum Netto-Sparer geworden ist, können wir mit Fug und Recht festhalten, dass der private Sektor in Europa nicht investiert. Es mangelt an Nachfrage und Anreizen. Ursache ist der dogmatische Neoliberalismus, von dem sich die EU steuern lässt.
Dieses auch für Laien in einer verständlichen Form geschriebene muntere Buch vergegenwärtigt ausführlich, warum öffentliche Investitionen das Gebot der Stunde sind. Unbedingt lesenswert.
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