Mittwoch, 31. Oktober 2018

US-Inflation ist am Ziel - Was nun?


Zum ersten Mal, seit die US-Notenbank im Jahr 2012 durch den damaligen Fed-Präsidenten Ben Bernanke offiziell ein Inflation Target von 2% eingeführt hat, liegen sowohl die Headline- als auch die Kerninflation in den USA heute am Ziel.

Und das geschieht, während die Arbeitslosenquote mit 3,7% einen historisch tiefen Wert markiert.

Die Fed-Mitarbeiter können sich zwar nun kurz auf die Schulter klopfen. Ist aber jetzt alles in Ordnung?

Nein. Was für die Geldpolitik wichtig ist, ist nicht das gegenwärtige Niveau der Inflation, sondern wohin sie hingeht: steigt sie höher oder fällt sie zurück?

Die Inflationserwartungen am Anleihemarkt deuten in diesem Jahr gemessen an 5y5y forward inflation breakeven Sätzen (*) relativ konstant auf 2% hin. 


US-Inflation ist am Ziel, Graph: Bloomberg, Oct 30, 2018

Montag, 29. Oktober 2018

Interne Abwertung, fiskalische Austerität und italienische Banken


Die EU hat den Haushaltsentwurf Italiens abgelehnt. Begründung: zu hohe Neuverschuldung.

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, wie die Kosten der Kreditausfall-Versicherungen (CDS: Credit Default Swaps) für italienische Banken gestiegen sind.

Warum?

Die Banken in Europa waren bereits vor dem Ausbruch der Krise hoch verschuldet. 

Dazu kommt, dass Disinflation und anhaltende Stagnation dem europäischen Finanzsystem seit geraumer Zeit Schwierigkeiten bereiten. 

Gemeint sind die negativen Begleiterscheinungen der Wirtschaftspolitik der Eurozone.

Die europäischen Entscheidungsträger betrachten die Senkung der Arbeitskosten als eine effektive Lösung für die ökonomischen Probleme Europas. Zur Wiedererlangung des externen Gleichgewichts verfolgen die EU-Behörden den Ansatz der internen Abwertung (internal devaluation) durch Lohnsenkung.

Eine interne Abwertung ist aber für das Finanzsystem und die Schuldner nicht förderlich. Sinkende Löhne bedeuten einen Rückgang des Einkommens. In erster Linie ist die Bevölkerung mit relativ hoher Konsumneigung davon betroffen.


CDS auf Italiens Banken, Graph: FT, Oct 26, 2018

Sonntag, 28. Oktober 2018

Warum steigt das US-Haushaltdefizit trotz des Wirtschaftswachstums?


Wie das US-Schatzamt neulich berichtet hat, ist das US-Haushaltsdefizit vom Fiskaljahr 2017 zum Fiskaljahr 2018 um 17% auf 113 Mrd. USD gestiegen.

In der Regel schrumpfen die Defizite, wenn die Wirtschaft gut läuft. Das liegt daran, dass die Menschen mehr Geld verdienen, wodurch sie mehr Steuern zahlen und weniger staatliche Sicherheitsnetzprogramme in Anspruch nehmen.

Diese Beziehung zwischen Defiziten und der Wirtschaft hat sich in den letzten 70 Jahren, ausser in Kriegszeiten, im Allgemeinen bewährt, schreibt Catherine Rampell in ihrer Kolumne bei Washington Post.

Vor diesem Hintergrund nennt sie die Steuersenkungen durch die Republikanische Partei ein grosses Versagen: keines der Dinge, die die Republikaner versprochen haben, wurde erreicht. Das Defizit wurde nicht abgebaut. Die Mittelklasse hat nichts davon. Und auch der gute Wille der Wähler wurde damit nicht gewonnen.

Die Treasury-Zahlen sind im Grunde genommen keine Überraschung. Buchstäblich sagte jeder unabhängige Wirtschaftsprognostiker im Vorfeld voraus, dass die Steuersenkung die netto-Defizite erhöhen würde. 


Der Verlauf des US-Haushalts im Laufe der Zeit, Graph: Catherine Campell, Washington Post, Oct 2018 @crampell @washingtonpost 

Freitag, 26. Oktober 2018

Handelsbilanz und Konjunkturzyklus

Die Handelsbilanz USA und Deutschland ist ohne Zweifel eines der heissesten Themas seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump.

Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist sicherlich im Allgemeinen, in welcher Beziehung die Handelsbilanz zur wirtschaftlichen Aktivität steht.

Die Handelsbilanz der USA für Waren und Dienstleistungen hat ein anhaltendes Defizit. Es sieht so aus, als ob das Handelsbilanzdefizit bei jeder Rezession tendenziell abnehmen würde, wie die folgende Abbildung der St. Louis Fed nahelegt.

Das von Ökonomen der St. Louis Fed erstellte Streudiagramm zeigt ferner eine negative Korrelation: 

Wenn das reale BIP tendenziell ansteigt, geht die Handelsbilanz tendenziell zurück. Das heisst, dass die Handelsbilanzüberschüsse zurückgehen oder die Handelsbilanzdefizite zunehmen.


US-Handelsbilanz, Graph: FRED, St. Louis Fed, Oct 25, 2018 


Montag, 22. Oktober 2018

US-Schatzamt rügt deutsche Wirtschaftspolitik


US-Finanzministerium hat vergangene Woche seinen halbjährlichen Wirtschaftsbericht ("makroökonomische Politik und Devisenpolitik der wichtigsten Handelspartner der Vereinigten Staaten") veröffentlicht. 

Der Bericht betont v.a. drei makroökonomische Kriterien, die erfüllt sein müssen, um Manipulationen im Aussenhandel nachzuweisen.

Erstens: ein signifikanter bilateraler Handelsüberschuss mit den USA; mind. 20 Mrd. USD, 
Zweitens: ein wesentlicher Leistungsbilanzüberschuss, mind. 3% des BIP und
Drittens: hartnäckige und einseitige Eingriffe in den Devisenmarkt, mind. 2% des BIP über einen Zeitraum von 12 Monaten.

Bemerkenswert ist, dass laut US-Schatzamt kein Land derzeit gegen alle drei Auflagen verstösst. Dennoch bleiben die Schweiz, China, Japan Deutschland, Korea und Indien auf der Überprüfungsliste.

Deutschland hat den grössten Leistungsbilanzüberschuss der Welt: 329 Mrd. USD (8.2% des BIP) in den vier Quartalen bis Juni 2018, was den höchsten nominalen Stand seit Beginn der Aufzeichnungen darstellt, so das US-Schatzamt.


Leistungsbilanz, Überschuss versus Defizit in ausgewählten Volkswirtschaften, Graph: US-Finanzministerium (US-Treasury), Oct 2018 @USTreasury 

Freitag, 19. Oktober 2018

Libor OIS Spread und Kreditbedingungen


Der US Libor-OIS Spread (3 Monats Libor minus OIS) ist der Aufschlag für besicherte Kredite unter Banken.

Isoliert betrachtet reflektiert der Spread (zwischen dem Zinssatz für die Kreditvergabe der Banken und dem Kredit für ein risikoloses Darlehen) die Kombination aus einer Liquiditätsprämie und einem Ausgleich (compensation) für das Kontrahentenrisiko.

Wenn der Spread sich ausweitet, kann daraus geschlossen werden, dass entweder die Liquidität teurer wird oder das wahrgenommene Ausfallrisiko steigt, oder eine Mischung aus beidem.

Wie aus einer heute veröffentlichten Abbildung via BloombergTV hervorgeht, verläuft der Libor OIS Spread heute nahe einem 10-Monats-Tief.

Allem Anschein nach wurden die Zinsschritte der Fed bisher durch die Investoren vollkommen eingepreist und der weitere Verlauf keine Anzeichen von Stress andeutet.


US Libor OIS Spread, Graph: BloombergTV, Oct 19, 2018

Dienstag, 16. Oktober 2018

Kein Sparen ohne Schulden


US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche gesagt, dass die Fed verrückt geworden ist. Die Begründung der Kritik lautet, dass die US-Notenbank mit Zinserhöhungen einen Fehler mache.

In der Tat hat die Fed die Zinsen in diesem Jahr dreimal angehoben. Die Futures Märkte deuten auf eine weitere Zinserhöhung durch die Fed im Dezember hin. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt 70%. 

Es gibt jedoch wenig Hinweise darauf, dass die Zinssätze angesichts der aktuellen Wirtschaftslage „zu fest“ sind, wie die folgenden zwei Abbildungen zeigen.

Die Fed hat den Straffungszyklus Ende 2015 gestartet. Und die finanziellen Konditionen sehen seither nicht besonders gespannt.


Der reale US-Leitzins (Fed Funds Rate minus Kern-Inflation), Graph: Bloomberg, Oct 11, 2018

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Die transatlantische Rendite-Differenz


Während die US-Notenbank die Zinserhöhungen mit Verweis auf den “fest und vollgefüllten Arbeitsmarkt” und das „starke Wirtschaftswachstum“ fortsetzt, wartet die EZB allem Anschein nach bis mindestens September 2019 zu, den geldpolitischen Kurs in Richtung „Normalisierung“ zu lenken.

Unterdessen weitet sich die transatlantische Rendite-Differenz so aus, dass sich der höchste Wert seit September 1984 ergibt, wie PictetWM aus Genf mit einer sehenswerten Abbildung unterstreicht.

Die Rendite der UST Bills mit 3 Monaten Laufzeit beträgt 2.27%. Die Rendite der deutschen Staatspapiere mit derselben Laufzeit beläuft sich auf minus 0.671%. Und in Grossbritannien lautet der entsprechende Wert 0.731%.

Bemerkenswert ist aber, dass die deutschen Bundesanleihen für Anleger mit Sitz in den USA besonders attraktiv erscheinen, wenn man die Kosten für die Währungsabsicherung (FX hedged) mit berücksichtigt.


Europäische Staatsanleihen bieten höchst vorteilhafte Erträge für US-Investoren, wenn man die Kosten für die Währungsabsicherung mit berechnet, Graph: Bloomberg, Oct 10, 2018


Sonntag, 7. Oktober 2018

Fed und die neue Bedeutung des neutralen Zinses


Ist der neutrale Zins (Kurzwort: „r-star“) nun am Ende seines Daseins?

John Williams, New York Fed Präsident hat am vergangenen Freitag in einer Rede deutlich gemacht, dass der neutrale Zinssatz nicht länger ein Leitstern für die Geldpolitik gilt.

Das bedeutet im Grunde genommen, dass ein Leitzins (federal funds rate) in der Bandbreite dessen, was als neutral gilt, für die Gestaltung der Geldpolitik keine besondere Rolle spielt, bemerkt Tim Duy in seiner Kolumne bei Bloomberg Opinion.

Das ist relativ „hawkish“ gegenüber allen Erwartungen, dass die Fed eine Pause einlegen würde, sobald die Leitzinsen ein Niveau erreichen, welches die Wirtschaft weder stimuliert noch einschränkt.

Und damit wird durch die Fed erneut die Relevanz der eingehenden Wirtschaftsdaten unterstrichen.

Williams Anhänglichkeit an „r-star“ kann nicht überbewertet werden, betont Duy weiter. Denn das Thema war ein Schlüsselelement auf der Forschungsagenda von William. Noch im Mai hat er gesagt, dass der „r-star“ weiterhin hell erstrahle, und die Geldpolitik leite. Jetzt legt er die Metrik beiseite.


Die US-Notenbank hat seit Dezember 2015 die Zinsen insgesamt achtmal erhöht, um die Wirtschaft anzukurbeln, Graph: Bloomberg, Oct 1, 2018

Dienstag, 2. Oktober 2018

Unterbeschäftigung ist die neue Arbeitslosigkeit


Die Mainstream-Medien bejubeln den Rückgang der Arbeitslosigkeit in den westlichen Volkswirtschaften. Was aber dabei in Vergessenheit zu geraten scheint, ist, dass ein grosser Teil der neu beschaffenen Stellen auf Teilzeit entfällt. 

Es handelt sich dabei zumeist um atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse, d.h. Arbeitsplätze mit zu geringer Einkommenssicherheit.

Es mag deshalb dahingestellt sein, ob die grossen Volkswirtschaften per Definition der Vollbeschäftigung nahestehen oder nicht. Eine wichtige Frage, die sich stellt, ist, ob wir uns auf die Benchmark „Arbeitslosenquote“ weiter wie bisher verlassen können, während die Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen immer grösser wird.

Vor diesem Hintergrund unterstreichen David Bell und David Blanchflower in einem neulich vorgelegten NBER Working Paper ("Underemployment in the US and Europe") August 2018, dass es seit der GFC (Global Financial Crisis) vor allem auf die Unterbeschäftigung (als neues Mass für die Arbeitslosigkeit) ankommt. Die Unterbeschäftigung ist sozusagen die neue Arbeitslosenquote.

Die Unterbeschäftigung sei zudem auch der Grund dafür, warum die Löhne in den USA und Europe trotz der niedrigen Arbeitslosigkeit langsamer wachsen als in der Zeit vor der GFC, so die Autoren weiter.


Unterbeschäftigung in den USA und Europe, Graph: David Bell and David Blanchflower, in: voxeu, Sept 24, 2018