Freitag, 22. November 2024

Kaput

Buchbesprechung

Wolfgang Münchau: Kaput – The End of the German Miracle, Swift Press, November 2024, London.


Dieses Buch erzählt die Geschichte des Falls des Neo-Merkantilismus am praktischen Beispiel von Deutschlands Wirtschaftsmodell.

Was der Autor «Neo-Merkantilismus-Denkmentalität» nennt ist keine Politik, sondern ein System. Und jeder in Deutschland unterstützte es. Die Hauptprotagonisten waren die beiden größten Parteigruppen: 

Merkels Christdemokraten, die CDU, und ihre bayerische Schwesterpartei, die CSU; und die Sozialdemokraten, die SPD.

Das Ziel des Neo-Merkantilismus ist es, große Exportüberschüsse zu schaffen:

«Es ist das Streben im 21. Jahrhundert à la französische Handelspolitik des 18. Jahrhunderts mit Unternehmen des 19. Jahrhunderts, die die Technologien des 20. Jahrhunderts nutzen.» 

Das hat auch funktioniert, bis es nicht mehr funktioniert hat, so der deutsche Wirtschaftsjournalist.

Merkantilisten, alte und neue, sind misstrauisch gegenüber «disruptive technology» («bahnbrechende Innovationen»); sie handeln gerne mit physischen Gütern. Mit anderen Worten geht die merkantilistische Denkweise Hand in Hand mit «Techno-Phobie». 

Wenn wir dazu auch die vorherrschende «fiscal and monetary austerity» in Deutschland zählen, ist das Ergebnis das deutsche Wirtschaftsmodell, ein protektionistischer, konservativer Ansatz.

Die Unterstützung für das neo-merkantilistische Modell geht über die Politik hinaus und spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie die Medien über die Wirtschaft berichten. Zeitungen schreiben über Überschüsse auf die gleiche Weise wie über Fußball: mehrere Jahre erklärten die deutschen Medien Deutschland zum Export-Weltmeister.

Sonntag, 17. November 2024

The Case for a Debt Jubilee

Buchbesprechung

Richard Vague: The Case for a Debt Jubilee, Polity Books, Oct 2021.


Schulden sind i.d.R. erforderlich, um neue Fabriken zu bauen, neue Produkte zu entwickeln oder Wohnsiedlungen zu bauen. Das ist ein Hauptgrund, warum Schulden immer so schnell oder schneller wachsen als das BIP.

Es braucht Schulden, um das BIP überhaupt zu steigern. Das wirtschaftliche Leben, wie wir es kennen, wäre ohne riesige Summen an privaten Schulden einfach unmöglich. Es ist intrinsisch mit dem System. 

Unternehmen des 21. Jahrhunderts wie Supermärkte und Einzelhändler nutzen regelmäßig Schulden, um ihren anhaltenden Bedarf an Lagerbeständen zu decken. Hersteller verschulden sich, Rohstoffe zu kaufen, um sie in Fertigwaren umzurüsten. Menschen nutzen Schulden, um Autos, Häuser und andere wichtige Vermögenswerte zu kaufen.

Ist aber private Verschuldung selbst ein Problem? Volkswirtschaften können schließlich nicht ohne Schulden auskommen, und der Großteil davon sind private Schulden.

Richard Vague geht davon aus, dass Schulden weder gut noch schlecht sind. Schulden sind wie Wasser: unverzichtbar, immer da und als selbstverständlich angesehen und unbemerkt, außer wenn es gefährlich zu viel oder zu wenig davon gibt. Das ist das «Paradoxon der Schulden». 

Private Schulden sind notwendig und können das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber eine hohe Verschuldung, sei es für Einzelpersonen oder Unternehmen oder beides, belastet und behindert dieses Wachstum.

Samstag, 9. November 2024

The Triumph of Injustice

Buchbesprechung

Emmanuel Saez and Gabriel Zucman: The Triumph of Injustice - How the Rich Dodge Taxes and How to Make Them Pay, WWNorton 2019.


Donald Trump und Kamala Harris werden sich bei der Wahl am 5. November ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Frau Harris ist seit 2021 Vizepräsidentin in der Regierung von Joe Biden und gilt als gemäßigte Demokratin, während Trump seine Partei nach seinem Bild umgestaltet hat und einen radikaleren Wandel anstrebt.

Ein politisches Thema, das Trump in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt hat, ist die Einwanderung. Bei seinen Wahlkampfveranstaltungen im ganzen Land hat er Massenabschiebungen von Millionen von Einwanderern versprochen, die sich ohne Genehmigung im Land aufhalten.

Harris hat vor allem erklärt, dass sie eine parteiübergreifende Vereinbarung im Kongress wiederbeleben würde, wenn es darum geht, die Einwanderungspolitik der USA anzugehen.

Ein zweites Top-Thema betrifft die Steuern.


Harris hat bekräftigt, die Steuern für Millionen von Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen zu senken, und gleichzeitig nahegelegt, dass sie Steuererleichterungen für Unternehmer und Kleinunternehmer unterstützt. Und sie befürwortet auch die Abschaffung der Steuern auf Trinkgelder.

Sonntag, 3. November 2024

Uncomfortably Off

Buchbesprechung

Marcos González Hernando & Gerry Mitchell: Uncomfortably Off Why addressing inequality matters, even for higher earners, Policy Press, May 14, 2024.


Die Ungleichheit in der Gegenwart ist von einer völlig anderen Ordnung als die Generationen unserer Eltern und Großeltern; ein Zeichen davon ist, dass Arbeitsplätze nicht mehr genug Einkommen bieten, um ein komfortables Mittelschichtleben zu führen.

Es ist inzwischen eine bittere Tatsache, dass das wirtschaftliche und politische System in vielen europäischen Volkswirtschaften für die meisten Menschen nicht funktioniert.

Ohne staatliche Eingriffe, um sicherzustellen, dass z.B. die Löhne mit der Inflation Schritt halten, und ohne strategische Preiskontrollen in Branchen wie Energie, scheint sich die Umverteilung nach oben rasant fortzusetzen. 

Ein offenes Geheimnis ist, dass wir uns der wirtschaftlichen Umstände derer, die sozial von uns entfernt sind, im Allgemeinen nicht bewusst sind, was im Grunde genommen durch die Tabus, die um Geld herum existieren, verstärkt wird.

Da die gleichen Fehleinschätzungen der Einkommensverteilung bei denjenigen mit höherem Einkommen heute noch präsent sind, richtet sich dieses Buch an diejenigen, die relativ wohlhabend sind, aber nicht unbedingt so empfinden.