Sonntag, 5. Juli 2020

The Cost of Free Money


Buchbesprechung

Paola Subacchi: The Cost of Free Money – How Unfettered Capital Threatens Our Economic Future, Yale University Press, August 2020


Die Welt ist vom Zusammenbruch bedroht. Bisher waren alle Augen auf den Handel gerichtet. Aber die Kernfrage betrifft das frei fließende Kapital.

Denn damit steht eine Reihe von Finanz- und Wirtschaftskrisen in Verbindung, die die politischen Systeme belastet und die globale Wirtschaftsordnung zermürbt hat. 

Es ist sicherlich nicht abzustreiten, dass das Kapital in jeder Phase der wirtschaftlichen Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. 

Doch viele Länder haben Schwierigkeiten, aufgrund ihrer immanenten Fragilität, ihre Volkswirtschaften zu justieren, um mit uneingeschränkten Kapitalbewegungen (freiem Geld) fertig zu werden, wenn sich ihre relative Position auf den internationalen Märkten ändert. 

Im Fokus des Buches steht vor diesem Hintergrund der uneingeschränkte Kapitalverkehr und die damit verbundene finanzielle Instabilität, die für die verzerrte Allokation der Ressourcen und damit auch der ungleichen Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital verantwortlich ist. 

Was ist die Lösung? 

Paola Subacchi, die an der Queen Mary University of London forscht und lehrt, plädiert für ein regelbasiertes internationales Währungssystem und diskutiert die Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die erforderlich sind, um es aufrechtzuerhalten. 

Ein gut funktionierendes System ermöglicht es den Ländern, ihre relativen Wettbewerbspositionen über den Wechselkurs anzupassen, ohne auf protektionistische Maßnahmen zurückgreifen zu müssen, die den internationalen Handel stören und ein Blitzableiter für Spannungen sind. 

Die Autorin stützt sich dabei auf die Erfahrungen der Bretton Woods-Konferenz im Jahr 1944, auf der die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung der Nachkriegszeit errichtet wurde. 

Die Teilnehmer waren sich einig, dass es notwendig sei, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem bestehenden institutionellen Rahmen zu stärken, um ein Sicherheitsnetz zur Unterstützung und Rückstellung des derzeitigen Wirtschafts- und Währungssystems zu schaffen, wenn es kurzschließt. 

Prof. Subacchi hält dies aber für eine zweitbeste Lösung im Vergleich zu einer gründlichen Reform des bestehenden Systems auf der Grundlage eines fortschrittlichen, fairen und umweltfreundlichen Ansatzes.

Denn es gebe heute keinen Spielraum für die Schaffung eines neuen Rahmens für die internationale Zusammenarbeit, da die von den Vereinigten Staaten angeführte politische Zersplitterung kaum andere Optionen biete.

Dies war die Rolle der USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, aber jetzt vergiftet Trumps "America first" -Ansatz die Quelle des Multilateralismus und untergräbt die regelbasierte multilaterale Ordnung, so die Autorin.

China scheint der offensichtliche Anwärter zu sein; seine Wirtschaftskraft ist in den letzten Jahrzehnten exponentiell gewachsen. Peking verfügt aber nicht über die politische, finanzielle und monetäre Stärke, um diese Rolle zu übernehmen.

"Freies Geld" wurde damit nach 1980 zum Hauptmerkmal der Wirtschaftsordnung - auch wenn es nicht mit Bretton Woods vereinbar war, der eine aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft und die Kontrolle des Kapitalverkehrs befürwortete. 

Der Glaube an die Fähigkeit des Marktes zur Selbstregulierung beseitigt jedoch, wie Subacchi argumentiert, jegliche Notwendigkeit einer internationalen politischen Zusammenarbeit oder Koordinierung, wie wir sie zuletzt im Sog der GFC 2008-2009 mit erlebten: die finanzielle Instabilität, die durch den uneingeschränkten Kapitalverkehr verursacht wurde.

Das „neue Bretton Woods“ müsste eine angemessene Fiskalpolitik bereitstellen, um die Nachfrage anzuregen und übermässige Überschüsse abzubauen, um bedeutende Regulierungen zur Fesselung des Kapitalverkehrs sicherzustellen und damit für die Verringerung des Spekulationsspielraums sowie für einen internationalen Steuerrahmen zur Beseitigung Schlupflöchern und Anreizen zur Steuerflucht und zur Steuerhinterziehung zu sorgen.

Dieser Tagesordnung müssten laut der Autorin noch einige Punkte hinzugefügt werden, die für das Wirtschafts- und Währungssystem dringend notwendig sind: ein internationaler „Green Deal“ und eine intelligente Migrationspolitik.

All dies erfordert internationale Zusammenarbeit. Aber die Autorin kann sich nicht vorstellen, dass dies in absehbarer Zeit geschieht, wie wir an „Brexit“ und Trump-Agenda („America First“) erkennen können: ökonomischer Nationalismus.

Wer wird aber die Verantwortung übernehmen, öffentliche Güter bereitzustellen: Entwicklungsfinanzierung (development finance) und das globale finanzielle Sicherheitsnetz?

China ist nicht in der Lage und nicht willens, die Führungsrolle zu übernehmen, wenn sich die USA zurückziehen.

Paola Subacchi liefert eine tief gehende Analyse der Faktoren, die in Ermangelung der internationalen Zusammenarbeit das Fortbestehen der globalen Wirtschaftsordnung ernsthaft herausfordern. Und sie zeigt auf, warum ein multipolares Währungs- und Wirtschaftssystem mit mehreren Währungen nach und nach in Erscheinung treten dürfte, da die Dominanz des Dollars in absehbarer Zeit nicht verblassen wird.

Ein mit viel Fingerspitzengefühl geschriebenes, fundiert recherchiertes wertvolles Buch über die strukturellen Ursachen von makroökonomischen Ungleichgewichten.


Paola Subacchi: The Cost of Free Money, Yale University Press, August 2020



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