Montag, 25. Mai 2009

Ist der Markt noch zu retten?

Buchbesprechung:

Peter Bofinger: „Ist der Markt noch zu retten?“ Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen. Econ Verlag, Berlin. 2009.


Die anhaltende Wirtschaftskrise hat vor Augen geführt, dass das Finanzsystem nicht funktioniert hätte, wenn der Staat nicht massiv eingegriffen hätte. Der Markt braucht deshalb ein kraftvolles Gegengewicht durch den Staat, schreibt Peter Bofinger. Ansonsten bekommen in einem ungezügelten Markt selbstzerstörische Prozesse, die systemimmanent sind, die Oberhand. Das Finanzsystem ist derzeit de facto mehr oder weniger verstaatlicht. Der Autor lehrt Volkswirtschaftslehre in Würzburg und ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.


Aus aktuellem Anlass plädiert Bofinger für eine neue Balance von Markt und Staat. Dafür seien notwendig: (1) Eine hohe Transparenz über die Staatsausgaben, (2) eine stärker an der Leistungsfähigkeit orientierte Abgabenleistung und (3) ein rationaleres Verhältnis zur Staatsverschuldung. Im ersten Abschnitt des Buches geht der Autor auf die gegenwärtige Problematik ein, wie die Finanzmärkte gerettet werden können. Er vertritt hier die Meinung, dass die Weltwirtschaft eine neue internationale Währungsordnung benötigt. Es sei an der Zeit, ein Bretton Woods II zu schaffen. Um zu verhindern, dass der Protektionismus über die Hintertür der Wechselkursmanipulationen aufblüht, empfiehlt der Wirtschaftsprofessor „managed floating“ als Wechselkurststrategie. Mit den Annahmen der klassichen Lehre, dass die Marktteilnehmer sich extrem rational verhalten und perfekt informiert sind, hat Bofinger ferner nichts am Hut. Im zweiten Abschnitt geht es um die Systemkrise der sozialen Marktwirtschaft. Die aktuellen Zahlen belegen, dass Deutschland von der Finanzkrise deutlich stärker betroffen ist als anderswo, obwohl es im Immobilienmarkt keine Probleme gehabt hat. Verantwortlich dafür ist die deutsche Wirtschaftspolitik, die sich einseitig am Exportgeschäft orientiert. Bedauerlich ist, dass die Bundeskanzlerin die bisherige Ausrichtung verteidigt. Langfristig braucht die deutsche Wirtschaft ein neues Wachstumsmodell, das verstärkt auf die Binnennachfrage setzt, hält Bofinger fest. Die Exporterfolge wurden bisher teuer erkauft: Durch Lohndumping und Sozialabbau. Während die Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt um 70% gestiegen sind, ist die Binnennachfrage kaum vom Fleck gekommen. In keinem anderen Land Europas sind die Nominallöhne während dieser Zeitperiode so wenig gestiegen wie in Deutschland. Im Jahr 2008 lagen die Reallöhne brutto wie netto rund 2% unter dem Niveau des Jahres 2000. Kein Wunder, dass in diesem Marktumfeld eine massive Entfremdung der Bürger gegenüber dem Staat zu beobachten ist. Deutschland bricht zwar im Aussenhandel neue Rekorde, zugleich schrumpft aber der Mittelstand und die Armutsquote steigt. Der Markt muss sich immer wieder aufs Neue dadurch legitimieren, dass er möglichst vielen Menschen Wohlstand, Sicherheit und die Perspektive einer besseren Zukunft bietet, schreibt Bofinger. Die anschaulichen Abbildungen sowie Tabellen sind sehr wertvoll und ergänzen das fachkundige Buch optimal. Autors Interesse für die Details ist ein Erkenntnisgewinn für den Leser. Peter Bofinger ist Europas Paul Krugman. Unbedingt lesen.

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