Freitag, 31. Oktober 2008

Japan: Notenbank (BoJ) senkt Leitzins

Japans Zentralbank (BoJ) hat erstmals seit sieben Jahren und sieben Monaten den Leitzins gesenkt. Der Zinssatz, zudem die Banken unter sich Geld leihen, wurde von 0,5% auf 0,3% zurückgeschraubt. Die Notenbank senkte zugleich auch ihre Wachstumsprognose für das (bis 31. März 2009) laufende Fiskaljahr wegen der Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf nur noch 0,1% (bisher: 1,2%).


Zinsentwicklung; Grafik: faz.net

Die BoJ will mit diesem Schritt die Wirtschaft angesichts der zunehmenden Gefahr einer anhaltenden Rezession tatkräftig stützen. Im Zuge der anrollenden Kreditmarktkrise hat sich die japanische Währung drastisch aufgewertet. Das Exportgeschäft wurde jedoch davon stark belastet. An der Börse liessen die Aktienpreise deutlich nach. Der japanische Regierungschef Taro Aso hatte zuvor ein Konjunkturprogramm von rund 50 Mrd. Dollar angekündigt. Um den Konsum anzuregen, werden an die private Haushalte Schecks im Wert von rund 460 Euro geschickt.

Fazit: Mit der Zinssenkung können nur die Folgen der globalen Rezession gemildert werden. Mehr nicht. Viel wichtiger sind die konjunkturpolitischen Massnahmen, welche die Lücke, die durch den Verfall der Verbrauchsausgaben aufgeht, schliessen sollen.

Das Ende der Finanzmärkte – und deren Zukunft

Buchbesprechung*:

George Soros: Das Ende der Finanzmärkte – und deren Zukunft. Die heutige Finanzkrise und was sie bedeutet. FinanzBuch Verlag, München. 2008.


Es war die ausserordentliche Kreditexpansion, die die Wirtschaft angekurbelt hat. Es ist daher logisch, dass die Kreditverknappung nun negativ auf die Realwirtschaft auswirkt. George Soros meint aber, dass „auf einen langen, sich stetig beschleunigenden Konjunkturaufschwung ein kurzer und heftiger Abschwung folgt“. Diese Entwicklung sollte seiner Einschätzung nach innerhalb eines Jahres durch sein.


Der Auslöser der Krise ist bekannt: Die fremdfinanzierte Anlagenblase. Das Konzept der Verbriefung hat zu einem exzessiven Einsatz von Fremdfinanzierung geführt. Das Wachstum der Finanzmärkte wurde mithilfe von neu entwickelten strukturierten und synthetischen Instrumenten vorangetrieben. George Soros, einer der erfolgreichsten Hedge-Fonds-Manager und wohhabensten Menschen der Welt präsentiert in seinem neuen Buch die Ursachen der Krise und legt leidenschaftlich dar, wie es zu dem gegenwärtigen Finanzdebakel kommen konnte. Als theoretischen Rahmen dazu stützt sich Soros auf die von ihm selbst entwickelte „Reflexitätstheorie“ ab. Als Ausgangspunkt dient aber die Theorie des vollkommenen Wettbewerbs, den er kategorisch ablehnt. Weil die Finanzmärkte seiner Erfahrung nach nicht zwingend zum Gleichgewicht tendieren, „sich selbst überlassen, verfallen sie leicht in solche Extreme wie Euphorie und Verzweiflung“. Das masslose Vertrauen in den Mechanismus der Märkte nennt Soros „Marktfundamentalismus“, was vor den 1980er Jahren als „Laissez-faire Politik“ bekannt war. Es wurde v.a. während der Ära Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Grossbritannien zu einem beherrschenden Glaubensbekenntnis, ergänzt Soros unumwunden. Unter dem Einfluss des Marktfundamentalismus haben laut Soros die Finanzbehörden die Kontrolle über die Finanzmärkte verloren. Denn wenn sie erwarten, dass der Markt eigene Exzesse selbst korrigiert, halten sich die Aufsichtsbehörden zurück und die Politik verzichtet auf die Regulierung. Auf diese Weise ist die Spekulationsblase auf den Immobilienmarkt entstanden. Gefördert wurde dieser Prozess durch drei Haupttrends: 1) Die Kreditexpansion (steigende Beleihungssätze), 2) Die anhaltende Globalisierung der Finanzmärkte und 3) Der fortschreitende Abbau der Finanzvorschriften (Verfall von Aufsicht und Regulierung). Ein topaktuelles, locker geschriebenes und zugleich spannendes Buch zum Verständnis der anrollenden Finanzmarktkrise. Lesenswert.

Cezmi Dispinar

* erscheint in der Ausgabe 208 vom 31. Oktober 2008.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

US-Notenbank senkt Leitzins auf 1,0 Prozent

Die amerikanische Notenbank (Fed) hat gestern ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 1,0% gesenkt. Marktteilnehmer hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. So niedrig war der Zins in den USA zuletzt vor mehr als vier Jahren. Fed-Chef Ben Bernanke hat den Schritt mit dem Hinweis auf eine merkliche Konjunkturabschwächung begründet.


US-Notebank Leitzins; Grafik: CNN Money

Die Konsumausgaben, Unternehmensinvestitionen und Industrieproduktion haben sich deutlich abgeschwächt, so die Fed. Im Lichte der Preisrückgänge für Energie und andere Commodities und schwache Aussichten für die Wirtschaftsaktivität erwarten die Währungshüter nun eine Mässigung der Inflation.

Fazit: Die US-Notenbank (Fed) hat zum 9. Mal seit September 2007 die Zinsen gesenkt. Das Statement dazu war das trübste aller Zeiten. Es liest sich wie ein Eingeständnis, dass die Wirtschaft bereits in eine schwere Rezession geschlittert ist. Die Fed geht also weiter mit dem Mittel Zinssenkung dagegen aktiv vor. Zugleich pumpt Bernanke durch die inzwischen von ihm geschaffenen neuen Fazilitäten und sperrangelweite Öffnung des Diskontfensters Liquidität in den Markt. Die Tür für weitere Zinssenkungen bleibt offen.

Nach dem Zinsentscheid der US-Notenbank (Fed) dürften jedoch die Anspannungen für Geldmarkt-Fonds deutlich steigen. Denn es wird für die Money Market Mutual Fonds nun schwieriger, bei dem niedrigen Zinsniveau kostendeckend Geld zu verwalten und eine angemessene Rendite zu bieten. Der Kapitalabfluss aus den Geldmarkt-Fonds dürfte jetzt massiv zunehmen.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

China: Zentralbank senkt Leitzinsen

Die chinesische Zentralbank hat heute im Bann der anhaltenden Finanzmarktkrise die Leitzinsen zum dritten Mal in zwei Monaten gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Aktien Index CSI 300 ist seit Jahresbeginn um 70% gestürzt.





ChinaZinssätze
Einlagen (1 year borrowing rate)3,60%
Ausleihungen (1 year lending rate)6,66%
Mindestreservesatz17,00%


Der Satz für Ausleihungen (1 year lending rate) wurde von bisher 6,93% auf 6,66% reduziert. Der Satz für Einlagen (1 year borrowing rate) wurde von bisher 3,87% auf 3,60% zurückgenommen. Die Exportnachfrage sinkt. Der Immobilienmarkt sackt ab. Die Währungshüter stehen unter erheblichem Druck, die Wirtschaft vor Kontraktion zu schützen. Die Regierung hat die Steuerrabatte für Exportgeschäfte angehoben, die Kosten für Hauskäufer gesenkt und versprochen, für Infrastrukturaufbau mehr Geld auszugeben. Chinas Wirtschaftswachstumsrate hat sich von 11,9% im Vorjahr auf 9% im III. Quartal verlangsamt.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Interview: William A. Fleckenstein, Fleckenstein Capital

The current financial crisis becomes bigger and bigger. Some experts claim that hundreds of hedge funds will fail. What is your take on that?

I suspect enormous numbers of hedge funds will go out of business, perhaps as many as 50%, though that is a bit of wild guess.


As the stocks plunged Investors seem terrified. How long will the sell-off continue? What are your expectations regarding the duration and severity of the current recession?

Its not knowable how long this phase of the bear market will continue, but perhaps it will end soon and we can have a big rally…but after which we will make new lows….this is because the economy is going to be just terrible in 2009, and I think most folks don’t really understand how bad it will be.

The US financial sector has grown from 2,3% of GDP in 1950 to 7,7% of GDP in 2005. What does need to be done in matter of improving governance and regulations (more oversight?) to stabilize the system?

We don’t need too many new rules but we need to enforce the ones we have (though we must not let financial firms ever have too much leverage again). Also we need to improve financial statements so that they mean something once again. In addition, the Fed must stop targeting interest rates – that is critical.

Thank you very much.



William A. Fleckenstein is president of Fleckenstein Capital, an asset management company based in Seattle. He writes a daily Market Rap column for his Website, as well as the popular column Contrarian Chronicles for MSN Money. He is the author of the best-selling book Greenspan’s Bubble, dt. Übersetzung Mr. Bubble.

Island: Notenbank erhöht Leitzins auf 18 Prozent

Die Zentralbank Islands hat heute ihren Leitzins um 6% auf 18% angehoben. Das ist das höchste Niveau seit sieben Jahren. Der Inselstaat ist das erste westeuropäische Land seit 1976, das den Währungsfonds (IMF) um Hilfe gebeten hat. Nach tagelangen Verhandlungen wurde mit dem IWF eine Einigung über ein Hilfspaket erreicht. Danach stellt der IWF dem Inselstaat im Nordatlantik 2 Mrd. Dollar Kredit zur Verfügung.


Reserves of the Central Bank; Source: The Central Bank of Iceland

Nach Erklärung eines IWF-Vertreters in Reykjavik dürfte die isländische Wirtschaft im kommenden Jahr um bis zu 10% schrumpfen. Am 15. Oktober hatte die den Leitzins um 3,5% gesenkt.

Banken aus Deutschland sind der grösste Kreditgeber Islands. Ein Drittel aller Schulden hat der Inselstaat bei deutschen Banken. Laut Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schulden isländische Finanzhäuser den deutschen Banken über 21 Mrd. Dollar. An zweiter Stelle der Island-Gläubiger stehen die britischen Banken.

Montag, 27. Oktober 2008

Bärenmarkt: Wie bearish kann man noch werden?

Wie bearish kann man noch in diesem Marktumfeld werden? Während massive Aktienverkäufe grosser Fonds weltweit auf den Aktienmärkten lasten, rollt eine historische Welle von Gewinnwarnungen internationaler Konzerne. Die dramatischen Verwerfungen auf den Kreditmärkten lassen befürchten, dass das Schlimmste noch vor uns liegt. Was kann aber den drastischen Kursverfall aufhalten? Die Börse dicht machen?


S&P 500 Index Performance seit Jahresbeginn Minus 43%

Die Idee scheint derzeit nicht total abwegig. Die Anzeichen für ein schweres Hard-Landing der Konjunktur mehren sich. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten senden vernichtende Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Nouriel Roubini, Professor an der New York University hat am vergangenen Donnerstag in einem Vortrag in London tatsächlich vorgeschlagen, die Börse für eine oder zwei Wochen zu schliessen, um der anhaltenden Panik entgegenzuwirken.

EZB: Trichet kündigt Zinssenkung an

Grosse Überraschung! EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat heute in Madrid mit deutlichen Worten gesagt, dass es möglich sei, dass der EZB-Rat in der kommenden Woche die Zinsen weiter senke.





Zinssatz fürin %
Spitzenrefinanzierungsfazilität4,25%
Hauptrefinanzierungsgeschäfte3,75%
Einlagenfazilität3,25%


Warum dürfte die Rezession im Euroland kräftiger ausfallen?

Die europäische Zentralbank (EZB) hat von Anfang an die Subprime-Krise als ein isoliertes Phänomen betrachtet. Die Wirtschaft befindet sich aber mittlerweile auch im Euroland im Abschwung. Es besteht sogar die Gefahr, dass sie in eine langjährige Depression rutscht. Banken brechen zusammen. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Rohstoffenpreise fallen. Die EZB redet aber von der Inflationsgefahr. Trichet hat in diesem Markttumfeld unumwunden den Standpunkt vertreten, dass die Nachfrage gedrosselt werden müsse, um die Inflation zu bekämpfen. Obwohl die Kernrate der Inflation im Euroland keineswegs eine Beschleunigung aufwies, hat die EZB darauf bestanden, die Zinsen zu erhöhen, was sie im vergangenen Sommer auch getan hat. Die Euro-Hüter haben sich daher bis zum bitteren Ende geweigert, ihren geldpolitischen Kurs zu lockern. Erst am 8. Oktober, nachdem sich die Kreditmarktkrise weiter zugespitzt hat, hat sie in einer gemeinsamen Zinssenkungsrunde mit der US-Notenbank die Zinsen ermässigt. Das war aber zu spät. Die Inflation ist nicht das Hauptproblem, sondern die globale Nachfrage, die im Sog der Krise stark zurückgeht. Die EZB argumentierte jedoch mitten in der Krise genauso wie vor der Krise. Sie hat versagt, wegen ihrer Ideologie des Marktfundamentalismus.

Interview: Michael Partin, i fund services AG

Aktienfonds bemühen sich seit Beginn der Kapitalmarktkrise um Verlustbegrenzung. Dürften jetzt klassische Rentenfonds wieder an Attraktivität gewinnen?

Im Grundsatz ist das durchaus möglich. Im Augenblick beobachten wir das aber allenfalls bei Obligationenfonds, die nur in Staatsanleihen investieren. Bei Fonds, die auch Kreditrisiken beinhalten, ist der Anleger aufgrund der jüngsten Kurseinbrüche noch sehr vorsichtig.

Die Lehman-Pleite hat besonders die Hedge Fonds Branche hart getroffen. Experten rechnen damit, dass jeder dritte Hedge Fonds vom Markt verschwinden würde. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Bisher hat es die Hedge Fonds Branche verstanden, aus jeder Krise gestärkt hervorzugehen. Ich denke, das wird auch dieses Mal so sein. Vermutlich werden aber viele Hedge Fonds und auch Fund of Hedge Fonds vom Markt verschwinden und die verbleibenden insgesamt mehr Volumen auf sich vereinen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein anderer Aspekt: Immer mehr Fonds aus dem traditionellen Bereich verwenden Methoden, die früher ausschliesslich von Hedge Fonds angewandt wurden. Dies betrifft Zinsarbitrage-Techniken, genauso wie long/short-Investments. Der Vorteil dieser neuen Fonds sind in der Regel tiefere Gebühren, eine bessere Transparenz, auch in steuerlicher Hinsicht und meist eine tägliche Liquidität.

Welche Asset-Allocation im Hinblick auf Fonds raten Sie derzeit Anlegern, die weniger risikoscheu sind?

Weniger risikoscheu? – Das ist im Augenblick eine rare Spezies. Im Augenblick rennt alles in Richtung Sicherheit. Noch nicht einmal die Treuhandanlagen bei den besten Bankadressen wird heute für ausreichend sicher gehalten. Sicherlich gibt es im Augenblick auch bereits günstige Kaufgelegenheiten aufgrund der enormen Verzerrungen im Kreditmarkt. Aber ob es für einen Einstieg nicht zu früh ist, weiss im Augenblick keiner. Chancen auf einen Zeithorizont von ca. 5 Jahren sehe ich im Bereich der Convertibles, eventuell im Aktienbereich bei Pharma und Biotechnologieunternehmen und vermutlich in ein paar Monaten im Bereich der „distressed debt funds“.

Vielen Dank.


Dr. Michael Partin ist Gründungspartner und Vorsitzender der Geschäftsleitung der ifund services AG. Er studierte Betriebswirtschaftslehre mit der Vertiefungsrichtung Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen. Anschliessend erfolgte die Promotion im Bereich „Strategien von Privatbankiers“ mit Abschluss 1992.

Sonntag, 26. Oktober 2008

Island: IWF schnürt Hilfspaket für den Inselstaat

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat nach Verhandlungen mit Island beschlossen, dem 315'000 Einwohner zählenden Inselstaat mit einem Hilfspaket von 2 Mrd. Dollar unter die Arme zu greifen. Die isländische Regierung hat dafür versprochen, einen Massnahmenkatalog zur Sanierung des zusammengebrochenen Finanzsystems auszuarbeiten.


Islands Externe Schulden; Quelle: Central Bank of Iceland

Das bedeutet im Klartext 6'000 Dollar Hilfe pro Einwohner. Im Vergleich: In der Schweiz beträgt der entsprechende Betrag rund 10'000 Dollar pro Kopf. In den USA (301 Mio. Einwohner), wo das Epizentrum der Finanzkrise liegt, sind es hingegen ca. 2'500 Dollar.

Wechselkurs:
1 US-Dollar = 120,315 ISK

Samstag, 25. Oktober 2008

Kreditderivatemarkt: Was passiert mit Credit Default Swaps (CDS)?

Nach Informationen von Financial Times Deutschland prüfe das US-Finanzministerium, im Rahmen des 700 Mrd. Dollar schweren Rettungspakets auch Hypotheken- und Anleiheversicherern zu helfen. Neulich wurde in einem vom Derivatenverband ISDA organisierten Auktionsverfahren ermittelt, dass die Sicherungsgeber (d.h. Anbieter von CDS-Policen) wegen der Pleite von Lehman Brothers 8,625 Cents je Dollar zahlen müssen. Das ist ein enormer Betrag in einem Markt mit einem Volumen von insgesamt 55'000 Mrd. Dollar. Das ausstehende CDS-Volumen auf Lehman-Anleihen beläuft sich auf 400 Mrd. Dollar. Daraus ergibt sich nach Netting eine nominale Summe von schätzungsweise rund 270 Mrd. Dollar, die Versicherer, Banken und Vermögensverwalter an die Käufer der Credit Default Swaps (CDS) auszahlen müssen.

An der Auktion haben rund 350 Gegenparteien teilgenommen. Jedes Swapgeschäft beinhaltet eine Partei, die sich gegen das Ausfallrisiko von Lehman absichern will und eine andere Partei, die dafür eine Versicherung verkaufen will. Es handelt sich dabei aber um ein Nullsummen-Spiel. Das bedeutet, dass es eine Gegenpartei gibt, die gewinnt und eine, die verliert. Mit anderen Worten eliminieren die CDS-Kontrakte das Risiko nicht. Das Risiko wird lediglich von einer Gegenpartei auf eine andere übertragen. Die Pleite von Lehman ist noch nicht verdaut. Für die Anbieter von Kreditderivaten auf Schulden von anderen Banken droht noch ein Desaster. Das zeigt, warum keine Ruhe in den Markt einkehrt.

Das CDS-Marktvolumen hat sich seit 2001 verhundertfacht. Ein gewichtiger Grund: Es werden CDS-Kontrakte abgeschlossen, ohne dass der Versicherungsnehmer überhaupt die betreffende Anleihe (von z.B. Lehman) besitzen muss. Das heisst, es wird mit CDS auf die Kreditwürdigkeit von Unternehmen spekuliert. Der CDS-Markt ist ausschliesslich ein Over-the-Counter Markt. Das heisst, er ist fragil, kaum reguliert und völlig undurchschaubar. Das grösste Problem ist das Default-Risiko einer Gegenpartei. Es fehlt zudem an ein Clearing-House.

Freitag, 24. Oktober 2008

Fed Funds Futures: weitere Zinssenkungen eskomptiert

Die Fed Funds Futures Kontrakte für November preisen heute eine Wahrscheinlichkeit von 99% für eine Zinssenkung um 50 Basispunkte auf 1,00% am nächsten Fed-Treffen vom 28./29. Oktober ein. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinssenkung im Dezember beträgt ebenfalls rund 99% um 25 Basispunkte auf 0,75% am Jahresende.


Fed Funds Target Rate; Quelle: St. Louis Fed

Nackte Panik an den Börsen – Aktien im freien Fall

Es war die Kreditexpansion, die die Wirtschaft angekurbelt hat. Es ist daher logisch, dass die Kreditverknappung nun negativ auf die Realwirtschaft auswirkt. Die gegenwärtig anrollenden schwachen Unternehmensausblicke sind daher in diesem Kontext zu bewerten. Das Konzept der Verbriefung hat zu einem exzessiven Einsatz von Fremdfinanzierung geführt, wie George Soros in seinem aktuellen Buch darlegt. Das Wachstum der Finanzmärkte wurde mithilfe von neu entwickelten strukturierten und synthetischen Instrumenten vorangetrieben.


S&P 500 Index seit Jahresbeginn Minus 40% (Source: wsj.com)

Diese Märkte sind nun zum Erliegen gekommen. Der De-Leveraging-Prozess hat begonnen. Wir befinden uns erst in der Anfangsphase. Vor allem Hedge Fonds stehen unter Druck. Die Zwangsliquidation lastet deshalb weltweit auf den Aktienmäkten. Durch spektakuläre Höhenflüge von Anlagewerten, wie Robert J. Shiller bemerkt, fand in den vergangenen Monaten eine enorm grosse Umverteilung von Vermögen statt. Die Menschen scheinen ihr Vertrauen in Unternehmen verloren zu haben. Viele Anleger sind wie traumatisiert. Was kann aber den dramatischen Verfall der Aktienkurse noch aufhalten? Das ist eine offene Frage. Fest steht, dass wir mit einer systemischen Krise zu tun haben.

Derivate-Index: iTraxx Crossover klettert auf ein Rekordhoch

Düstere Unternehmensausblicke belasten die Kreditmärkte. Die Sorgen um eine Vertiefung des weltweiten Wirtschaftsabschwungs steigen. Die Risikoaversion nimmt exponentiell zu. Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 Unternehmen mit geringer Bonität umfasst, legten heute um 107 Basispunkte auf 920 Basispunkte zu.


Markit iTraxx Crossover Index

Das bedeutet, dass Investoren über 9% der Summe, die sie absichern wollen, als Prämie zahlen müssen. Das ist ein Rekordwert (all-time high!), den das Angstbarometer für die Kreditmärkte je gemessen hat.

Carry Trades: Schnee von gestern – Yen-Aufwertung

Im asiatischen Handel markierte die japanische Währung heute morgen bei 95,35 Dollar ein 13-Jahreshoch gegen den Greenback. Auch der Euro hat sich bis auf 121,70 Yen abgewertet. Das ist das Niveau von Dezember 2002. Grund: Die Auflösung von risikobehafteten Positionen aus Carry Trades. Die Zinsdifferenzgeschäfte sind längst Schnee von gestern. Die Sorgen um die globale Rezession steigen. Die Risikoaversion nimmt rapide ab.


US-Dollar vs Yen (1 Jahr)

Der Abbau von risikobehafteten Positionen aus Carry Trades steigert die Nachfrage nach Yen (Kredit Währung) und dem US-Dollar (Anlage Währung). Die Zwangliquidation bei vielen Hedge Fonds verstärkt diesen Prozess obendrauf. Die Erlöse in US-Dollar werden in die USA repatriiert. Der Druck lastet weltweit auf den Aktienmärkten. Die Carry Trades funktionieren, wenn das Marktumfeld von stetigem Wirtschaftswachstum, tiefer Inflation und niedriger Volatilität geprägt ist. Diese Konditionen sind heute nicht mehr gegeben.

Ferner: Auch in Japan schrumpft die Wirtschaft. Das Wachstum war bisher auf zwei Hauptfaktoren zurückzuführen: 1) Das Exportgeschäft und 2) Die Yen-Abwertung. Nun gehen die Ausfuhren im Zuge der weltweiten konjunkturellen Abkühlung zurück. Und der Yen wertet sich auf. Folglich werden japanische Güter im internationalen Handel relativ teuerer. Das Exportgeschäft leidet darunter. Das Wirtschaftswachstum geht zurück. An der Börse gewinnen die Bären die Oberhand.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Wall Street im Abwärtssog: Nach Great Moderation nun Great Depression

Das ist keine Liquiditätskrise. Die Zentralbanken weltweit strengen sich zwar an, den Markt jeden Tag mit Zusatzliquidität zu überfluten. Aber es handelt sich dabei um eine Krise des Vertrauens und der Insolvenz. Es gibt leider keine Wissenschaft, die das Vertrauen misst. Es stehen uns aber Stressindikatoren wie der TED-Spread zur Verfügung, die zeigen, wie angespannt die Lage ist. Die Aufschläge schossen in den vergangenen Wochen buchstäblich durch die Decke. Der TED-Spread, der im langfristigen Durchschnitt bei 0,47% liegt, kletterte über 4,5%. Der LIBOR-OIS-Spread, der im langfristigen Durchschnitt auf 0,19% notiert, legte zweitweise über 3,51% zu.


TED-Spread

Nun bilden sich sich die Spreads etwas zurück. Der TED-Spread: 2,535%, LIBOR-OIS-Spread: 2,5192%. Für eine Entwarnung gibt es zur Zeit keinen Grund. Bevor sich die genannten Spreads normalisieren, ist eine Stablisierung der Lage an den weltweiten Börsen völlig ausgeschlossen.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Türkische Zentralbank senkt den Tagesgeldausleihsatz

Die Türkische Zentralbank (CBT) hat heute ihren Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) bei 16,75% belassen, aber den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 20,25% auf 19,75% gesenkt.




Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz16,75%
Ausleihsatz19,75%


Die türkische Wirtschaft ist heute in einer viel besseren Lage als vor zehn Jahren. Sie begegnet Turbulenzen auf den globalen Finanzmärkten robuster. Aber sie ist bestimmt nicht immun. Die Landesbanken nehmen nun im Sog der Finanzkrise von ihrer gewohnten Kreditpolitik allmählich Abstand. Bisher wurde das im Ausland ausgeliehene Geld (Devisen) im Binnenmarkt weiter als Kredit (in türkischer Lira) an andere Banken verliehen. Die FX Short Positionen der inländischen Banken betrugen laut Isbank im I. Quartal 73 Mrd. Dollar.

Die Notenbank hat in ihrem den Zinsentscheid begleitenden Statement ihren mittelfristigen Inflationsausblick unverändert beibehalten. Der Hinweis auf die Devisenmärkte, die enger beobachtet werden sollen, zeigt jedoch, dass die Landeswährung unter Abwertungsdruck steht.

Ungarn hingegen hat heute mit einer drastischen Massnahmen gegen die Kapitalflucht aus dem Land reagiert. Die ungarische Zentralbank hat den Leitzins um 300 Basispunkte auf 11,5% erhöht.

SNB Bills: Ein neues Geldmarktinstrument der Schweizerischen Nationalbank

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat vergangene Woche angekündigt, regelmässig eigene Schuldverschreibungen (SNB Bills) zu emittieren. Die SNB-Bills ergänzen das ordentliche geldpolitische Instrumentarium der Nationalbank und gewährleisten nach Angaben der SNB eine flexible Steuerung der Liquidität am Geldmarkt.


Euro zu CHF (1 Jahr), Graph: swissquote.ch

Das Instrument dient der Abschöpfung von Liquidität und neutralisiert dadurch die geldpolitische Wirkung der Zusatzliquidität, die im Bann der gegenwärtigen Krise geschaffen wird. Es handelt sich dabei also um ein Abschöpfungsinstrument. Die Auktionen werden in Form eines Zinstenders mit amerikanischen Zuteilungsverfahren durchgeführt. Die Stückelungen betragen 1 Mio. CHF.

Euro unter Druck - Warum wertet sich die Gemeinschaftswährung ab?

Der Euro ist heute morgen auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren abgerutscht. Mit 1,2740 Dollar hat die Gemeinschaftswährung den tiefsten Stand seit November 2006 erreicht. Der starke Rutsch des Euro ist für uns keine Überraschung. Wie jeder langjährige Leser unseres Newsletters (und Weblogs) bestätigen kann, haben wir zu Jahresbeginn die Prognose aufgestellt, dass der Euro im IV. Quartal zur Abwertung neigen würde. Die Gründe:

1) Die weltweit abnehmende Risikoneigung,
2) Die Rezession erfasst Euroland stärker.


US-Dollar-Euro Wechselkurs

Die Finanzmarktkrise rollt mit voller Wucht an. Der De-leveraging Prozess ist ganz in Gang. Gewaltige Summen an „Carry-Trades“ werden aufgelöst. Die freigesetzten Erlöse werden nun in die USA zurücktransferiert („Dollar-Repatriierung“). Dazu kommen Zwangliquidationen (Stichwort: „Margin-Calls“). Anleger versuchen ihr Geld vor den dramatischen Verwerfungen an den Finanzmärkten in Sicherheit zu bringen. Die grosse Nachfrage nach US-Treasuries sorgt dafür, dass das Renditeniveau indes sinkt. Nicht nur die Finanzbranche, sondern auch die Haushalte brauchen Geld.

Die radikal-nihilistische Geldpolitik der EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch hat die Kreditmarktkrise auf die leichte Schulter genommen. Die europäischen Währungshüter haben das Aufkommen der Kreditklemme vehement zurückgewiesen. Die EZB hat sich geweigert, den geldpolitischen Kurs zu lockern. Bis eine Woche davor, nachdem die US-Notenbank die EZB auf eine gemeinsame Zinssenkungsrunde aufgefordert hat, hat sich die letztere dagegen gestemmt. Nun gerät die EZB in eine schwierige Lage, die Zinsen bis Jahresende mindestes noch einmal zu senken. Je tiefer das Zinsniveau sinkt, desto weniger attraktiv wird der Euro. Da ein Konjunkturprogramm im Euroland im allgemeinen energisch abgelehnt wird, dürfte die Rezession diesseits des Atlantiks kräftiger ausfallen.


Euro-US-Dollar Wechselkurs

MMIFF: Money Market Investor Funding Facility – Ein weiteres Notprogramm

Die amerikanische Notenbank (Fed) hat ein neues Instrument geschaffen, um v.a. Geldmarktfonds mit Liquidität (540 Mrd. Dollar) zu versorgen. Dafür wird vorerst eine Reihe von Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles) gegründet, die wiederum den Fonds illiquide Papiere abkaufen soll. Darunter Einlagenzertifikate (Certificates of Deposit) und Commercial Papers (CP) mit der Restlaufzeit von max. 90 Tagen. Ziel ist, die Fonds in die Lage zu bringen, die Rückgabe der Anteile an die Kunden reibungslos zu bedienen.


Commercial Paper Discount Rate; Quelle: Fed

Hintergrund: Ein dramatischer Kapitalabfluss. Nach Schätzungen der Fed haben Investoren seit August allein in den USA etwa 500 Mrd. Dollar abgezogen. Das MMIFF ergänzt die vorhergehenden Notprogramme Commercial Paper Funding Facility (CPFF) und Asset Backed Commercial Paper Money Mutual Fund Liquidity Facility (AMLF).

Die Märkte im Überblick: Sell into Rally – Weiter Abwärts

Wer glaubt, dass die heftigsten Ausverkäufe vorbei sind, täuscht sich. Zur Zeit lasten v.a. die düsteren Geschäftsausblicke der Unternehmen auf dem Aktienmarkt. Die Angst nimmt dramatisch zu, dass die Rezession sich erheblich verschärfen wird.


S&P-500 Index: Performance seit Jahresbeginn: -37%

Unser Wirtschaftssystem beruht auf „Treu und Glauben“. Die Menschen haben gegenwärtig das Vertrauen in die Unternehmen verloren. Volkswirtschaften florieren nur, wenn „Treu und Glauben“ herrschen, wie Robert J. Shiller kürzlich bemerkt hat.

Dienstag, 21. Oktober 2008

CDS-Markt: iTraxx-Crossover-Index - Risikoaufschläge sinken

Nachdem die französische Regierung sechs grössten Banken des Landes (u.a. BNP Paribas, Societe Generale, Credit Agricole usw.) mit einem Kredit von 10,5 Mrd. Euro unter die Arme gegriffen hat, sind die Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken für europäische Unternehmen gesunken. Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Financial Index, der 50 europäische Banken und Versicherungen umfasst, sind um 3 Basispunkte auf 101 Basispunkte gesunken. Das heisst, dass Investoren 1,01% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen.


Markit iTraxx Crossover Index of 50 Companies

Auch die CDS für den Markit iTraxx Europe Index, der 125 europäische Unternehmen mit Anlagequalität (investment-grade) erfasst, ist laut Bloomberg um 1,5 Basispunkte auf 142,5 Basispunkte gefallen. Die CDS für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 Unternehmen mit geringer Bonität umfasst, legten hingegen um 7 Basispunkte auf 782 Basispunkte zu.

Ferner: Die Futures an der Terminbörse Chicago Board of Trade (CBT) antizipieren eine Wahrscheinlichkeit von 42% dafür, dass die US-Notenbank (Fed) ihren Leitzins auf ihrem nächsten Treffen von 29. Oktober um 50 Basispunkte auf 1,0% senkt. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung durch die Fed betrug vergangene Woche noch 14 Prozent.

Euribor: Entspannung am Geldmarkt

Der Euribor für 3-Monate fiel heute morgen um 3 Basispunkte auf 4,97% zurück. Das ist das niedrigste Niveau seit dem 15. September, als die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers bankrott ging.


Euribor 3 Monate

Die politischen Rettungsmassnahmen, die weltweit von den Regierungen getroffen werden, beginnen, die Geldmarktsätze etwas zu entwirren. Die Wiederbelebung des Marktes ist zu begrüssen. Aber es gilt, sich zu vergegenwärtigen, dass wir uns bloss von den extremhohen Niveaus der Risiko-Aversion entfernen. Viel wichtiger ist zu beobachten, dass die Entspannung in langfristigen Durchschnittswerten mündet. Für eine Entwarnung ist es also noch zu früh.

Montag, 20. Oktober 2008

Geldmarkt: TED-Spread sinkt – LIBOR fällt deutlich zurück

Der TED-Spread fiel zu Wochenbeginn auf 2,9507% zurück. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel, die als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt (wo sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld ent- oder verleihen) gilt, notierte vergangene Woche auf 4,5496%. Auch der LIBOR-OIS-Spread liess deutlich nach. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz steht nun mit 2,9183% genau 60 Basispunkte tiefer als eine Woche davor. Im langfristigen Durchschnitt beträgt der Libor-OIS-Spread zwischen 19 bis 25 Basispunkte.


US-Dollar LIBOR Overnight Rate

Fed-Chef rechnet mit einer längeren Flaute

Der Libor-Satz fiel heute um 36 Basispunkte auf 4,06% zurück. Das ist der grösste Rückgang der London Interbank Offered Rate in neun Monaten. Auch der Overnight Dollar-Satz ist um 16 Basispunkte auf 1,51% gesunken. Das markiert das niedrigste Niveau seit mehr als vier Jahren. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. In einer Rede vor dem Haushaltsausschusses des Repräsentantenhauses sagte Fed-Chef Ben Bernanke, dass es sinnvoll sei, über ein neues Konjunkturprogramm nachzudenken. Die Wirtschaft werde für mehrere Quartale schwach sein. Und es bestehe das Risiko eines längeren Abschwungs.


US-Dollar LIBOR 3 Month

Konjunktur: Hilfsprogramm gegen Absturz

Die amerikanische Wirtschaft schrumpft. Die Konsumausgaben gehen seit vier Monaten zurück. Die Angst vor Rezession wächst. Die Kreditklemme hält an. Der Preisverfall am Häusermarkt setzt sich fort. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Kaufkraft der Verbraucher sinkt. Während Inflation kein Thema ist, steigt die Deflationsgefahr. Was ist zu tun, damit die Wirtschaft nicht in eine langjährige Depression gerät?


3 Month T-Bill

Es liegt auf der Hand, dass es nun nach dem Rettungspaket für die Banken auch eines Hilfspakets für den Rest der Wirtschaft bedarf. Ansonsten droht ein Absturz der Realwirtschaft. Renommierte Experten wie Nouriel Roubini und Paul Krugman setzen sich für weitere Zinssenkungen und ein Konjunkturprogramm ein. Krugman, der aktuelle Gewinner des Nobelpreises für die Wirtschaftswissenschaften geht sogar so weit, zu sagen, dass das Thema „Haushaltsdefizit“ zur Zeit vernachlässigt werden kann.

Potenzielle Massnahmen im Überblick:

1. Weitere Lockerung der Geldpolitik,
2. Ein Konjunkturprogramm (d.h. Fiskal-Stimulus),
3. Reduzierung der Schuldenlast der Haushalte (v.a. derjenigen, die unter hohen Hypothekenschulden leiden).


1 Month T-Bill

Island: Finanzkrise bringt Inselstaat vor Bankrott

Die isländische Bankkrise spitzt sich zu. Islands Regierung hatte eine Staatsgarantie für alle Privateinlagen bei den Banken zugesagt. Nun hat die isländische Zentralbank die Zentralbank anderer Staaten um Hilfe bei der Kapitalbeschaffung gebeten. In den vergangenen Wochen ist der Interbankenhandel zwischen isländischen und anderen Banken wegen des drohenden Bankrotts des Inselstaates ganz zum Erliegen gekommen.


Inflation; Quelle: Central Bank of Iceland

Die Sedlabanki habe nach eigenen Angaben mit einigen ausländischen Zentralbanken Kontakt aufgenommen, über die isländische Zentralbank Geld ins Land zu schicken. Die
isländische Landeswährung
befindet sich im freien Fall. Die Schuldenlast der drei grössten Banken (Kaupthing, Landsbanki Island und Glitnir Bank), die inzwischen verstaatlicht worden sind, beträgt rund das 10fache des isländischen BSP. Das Land mit 316’00 Einwohnern hat sich bisher international wie ein riesiger Hedge Fonds engagiert. Ein totaler Zusammenbruch des Finanzsystems in Reykjavik würde sicherlich zu weiteren Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten führen. Die Zentralbank hat neulich den Leitzins um 3,5% auf 12% gesenkt und den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Unterstützung ersucht.

Aktienmarkt: Ausblick

Der Volatilitätsindex (VIX) hat letzte Woche einen Rekordwert von 81,12 Punkte erreicht. Der Ausverkauf an der Börse biete nun interessante Einstiegsmöglichkeiten, sagen Aktienhändler. Ist die Talfahrt nun zu Ende? Noch gibt es keinen Grund für Freudentanz. Denn es gilt vorerst abzuwarten, wie die Berichtssaison der europäischen Unternehmen diese Woche startet. Daraus werden sich Schlüsse ziehen lassen, wie sich die Finanzkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt.


DAX Performance (1 Jahr)

Entscheidend sind von jetzt an Konjunkturdaten. Es ist jedoch positiv zu werten, dass die USA und Europa wegen der Finanzkrise eine Reihe von Finanzgipfeln einberufen wollen. Dadurch verringert sich die Gefahr einer systemischen Kernschmelze im Finanzsystem. Makroökonomische Daten könnten aber weiterhin auf dem Aktienmarkt lasten. Es ist also nach wie vor Vorsicht geboten.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Inflationserwartungen im Rückzug – Deflationsgefahr in Sicht

Seit dem Sommer sind die Inflationserwartungen im Sinken begriffen. Gemessen an der Differenz zwischen der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen und der Rendite der sog. TIPS (inflationsgeschützte Staatsanleihen) sind Erwartungen im Hinblick auf den künftigen Verlauf der Inflation um mehr als 60% abgenommen. Noch im Sommer betrug die sog. Break-even-Inflation 2,5430%. Am Donnerstag sind die Erwartungen über die mittel- und langfristige Entwicklung der Inflation in den USA auf 0,9666% zurückgefallen. Zum Wochenschluss liegen die Inflationserwartungen, welche für die Geldpolitik eine besonders wichtige Rolle spielen, bei 1,07%.


Break-Even Inflation

In der Tat hält derzeit infolge der Finanzkrise die Deflation von Vermögenswerten an. Es geht genau genommen um eine Verschuldungs-Deflation (debt deflation). Die fallenden Immobilienpreise haben dazu geführt, dass die Bewertung der Häuser mittlerweile unter dem Kreditbetrag liegen. Das beliehene Haus hat an Wert verloren. Die Kreditzahlungen an die Bank bleiben aber gleich hoch. Die Schuldner sind nun gezwungen, entweder einen höheren Nachschluss zu leisten oder den Kredit ganz zurückzuzahlen. Je mehr Schulden zurückgetilgt werden, desto grösser wird die Last auf die Realwirtschaft (Paradox of Deleveraging). Die ausstehenden Verbindlichkeiten in der Wirtschaft werden jetzt grösser. Erwarten die Verbraucher einen allgemeinen Preisverfall, werden sie ihre Ausgaben kürzen. Auch Unternehmen werden ihre Investitionen reduzieren. Dadurch wächst die Gefahr, dass sich die Wirtschaftsaktivität zurückbildet.


Inflationserwartungen

Freitag, 17. Oktober 2008

UBS und CS: Zwei Grossbanken - Zwei Lösungsansätze

Wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) mitteilte, gaben die Schweizer Grossbanken gestern Massnahmen zur Verstärkung ihrer Eigenkapitalbasis bekannt. Die SNB hat eine Zweckgesellschaft eingerichtet, an die illiquide Aktiven „zur geordneten Liquidation“ übertragen werden können. Mit der UBS habe die SNB eine Vereinbarung über die langfristige Finanzierung von „toxic waste“ getroffen. Es handelt sich dabei um „illiquide Wertpapiere und andere problembehaftete Aktiven“. Die CS Group sehe davon ab, von einer solchen Möglichkeit Gebrauch zu machen, liess die Notenbank verlautbaren. Wo liegt aber der Unterschied zwischen dem Ansatz der UBS und dem der CS Group?


SMI Performance seit Jahresbeginn

Die UBS setzt auf der Aktiv-Seite der Bilanz an. Da sie offenbar davon ausgeht, dass es sich dabei um ein Problem der „Unterbewertung“ (von gewissen Aktiva) handelt. Die CS Group hingegen setzt auf der Passiv-Seite der Bilanz an. Da sie offenbar der Ansicht ist, dass es sich dabei um ein Problem der „Unterkapitalisierung“ (d.h. zuwenig Eigenmittel) handelt.

Was nun? Der Lösungsansatz der UBS ist allem Anschein nach falsch, der der CS Group ist richtig, da das Problem der Finanzbrance derzeit tatsächlich „Unterkapitalisierung“ ist. Wenn der Staat dahingeht und der Bank die illiquiden Wertpapiere abkauft, (zu welchem Preis ist nicht bekannt. Es ist entscheidend, zum Markt- oder zum Anschaffungspreis?), dann ändert sich auf der Passiv-Seite der Bilanz so gut wie gar nichts, was die Schulden betrifft. Die Bilanzsumme verkleinert sich. Die Eigenkapitalbasis wird jedoch keineswegs gestärkt. Sie geht sogar zurück, weil weitere Assets (die ausgelagert werden; off-balance) abgeschrieben werden müssen. Die CS Group hat sich 10 Mrd. CHF über den Kapitalmarkt verschafft. Die Kernkapitalquote ist von 10,4 auf 13,7% gesteigert worden. Das frische Geld kommt von drei Grossinvestoren aus dem Nahen Osten. Ist aber die Kernkapitalquote der UBS durch die Rettungsaktion der SNB mithilfe des Bundes gestiegen? Nein. Die Grossbank hat sich aber laut SNB verpflichten müssen, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Wie das geschehen soll, weiss zur Zeit niemand.

Mr. Bubble. Wie Alan Greenspan die Welt an den Abgrund führte

Buchbesprechung*:

William A. Fleckenstein Frederick Sheehan: Mr. Bubble. Wie Alan Greenspan die Welt an den Abgrund führte. FinanzBuch Verlag, München. 2008.


Alan Greenspan hat vom 11. August 1987 bis 31. Januar 2006 den geldpolitischen Kurs der USA bestimmt. Wenn es gegenwärtig um Fragen nach der Ursache der seit einem Jahr anhaltenden Finanzmarktkrise geht, kommt niemand um den Namen Greenspan herum. Während seiner Amtszeit hat das Eingehen von Risiken eskaliert. Die Wall Street geriet in die Abhängigkeit von der Hilfe („Bailout“) der US-Notenbank (Fed). Das ist ein Fakt.

William Fleckenstein ist Präsident von Fleckenstein Capital, einem Finanzverwaltungsunternehmen mit Sitz in Seattle. Der Autor, der seine populäre Kolumne „Contrarian Chronicles“ für MSN Money schreibt, analysiert in diesem aktuellen Werk Greenspans Geldpolitik und v.a. seine Konjunkturprognosen anhand von Aufzeichnungen der Sitzungen des Offenmarktausschusses der Federal Reserve (FOMC). Bemerkenswert ist, dass der ehem. Fed-Chef vor seiner Tätigkeit bei der Fed als Berater für „Lincoln Savings and Loans“ tätig war. Schon damals fiel Greenspan, den Anhänger später als „Maestro“ huldigten, mit seinem vehementen Eintreten für die Deregulierung der „Savings & Loans“-Branche auf. Bekannterweise handelt es sich bei der S&L-Krise von damals um ein vergleichbares Desaster wie die aktuelle Krise, was insbesondere Aufsicht, unkontrollierte Kreditvergabe und das Risikomanagement betrifft. Der Zusammenbruch der Branche hatte damals Steuerzahler 100 Mrd. Dollar gekostet. Fleckenstein zeichnet Greenspan sowohl für die Internet- als auch für die Immobilienmarktblase verantwortlich. Der Grund: Greenspans radikale Anhänglichkeit vom Marktfundamentalismus. Der einstige Fed-Präsident stellte Marktideale über den Schutz des Wohls der Bürger. Er folgte der Maxime, dass die Marktdisziplin alle Probleme löse. Deswegen hat Greenspan das Entstehen des Schattenbankensystems jenseits von Aufsicht der Regulierungsbehörden geflissentlich zugelassen und den Aufbauprozess tatkräftig mitgeprägt.

Das Buch ist eine insgesamt akribische Ursachenerforschung und nüchterne Analyse des ideologisch gefärbten geldpolitischen Ansatzes von Alan Greenspan. Vor allem Kapitel 6 und 7, wo Fleckenstein sich mit dem Thema „Immobilienmarkt“ (einschliesslich anschauliche Darstellungen) befasst, sind Pflichtlektüre, um den technischen Ausgangspunkt der mit voller Wucht anrollenden Krise auf den globalen Finanzmärkten besser zu verstehen. Unbedingt lesen.

* erscheint in der Ausgabe von 207 vom 17. Oktober 2008

Cezmi Dispinar

Donnerstag, 16. Oktober 2008

UBS: Teilverstaatlichung der Schweizer Grossbank – „Marktdisziplin“ versagt

Der Bundesrat (Schweizer Regierung) beteiligt sich mit 6 Mrd. CHF an der UBS. Ausserdem finanziert die Schweizer Nationalbank (SNB) die Übertragung der illiquiden Aktiven der UBS (in Höhe von 60 Mrd. Dollar) zur „geordneten Liquidation“ an eine Zweckgesellschaft. Die Zweckgesellschaft wird von der SNB eingerichtet und mit einem Darlehen von 54 Mrd. Dollar finanziert.

Die Lehre daraus: Der Markt funktioniert nicht in gewünschter Art und Weise. In unserer Gesellschaft sollte daher nicht nur der Markt, sondern auch der Staat eine wichtige Rolle spielen. Der radikale Glaube an „Marktdisziplin“ hat kläglich versagt. Die Gesellschaft ist nicht ein Teil der Wirtschaft. Umgekehrt.


UBS Aktie (Wertentwicklung 1 Jahr) Quelle: swissquote

PS: Es ist zu hoffen, dass die Auflagen des Rettungspakets im Hinblick auf die Entschädigungspolitik der betreffenden Bank, die das Desaster eingebrockt hat, auch eingehalten werden.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Never catch a falling knife: Das Ende der Börse?

Eine alte Börsenweisheit: Niemals eine Aktie kaufen, die sich gerade in einem starken Abwärtstrend befindet.

Was kann aber den dramatischen Kursverfall an den Börsen noch aufhalten?

Die Börse für einige Tage dichtmachen?


S&P-500 Index (2 Jahre Wertentwicklung)

Angesichts der drastischen Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten scheint diese ausserordentliche Massnahme als „ultima ratio“ derzeit nicht ausgeschlossen.

Globale Rezession: Harte Landung der Konjunktur lässt sich nicht mehr verhindern

Die Vereinigten Staaten befinden sich laut Definition von NBER noch nicht in einer Rezession. Trotzdem reden viele namhafte Vertreter der US-Notenbank (Fed) davon, dass die US-Wirtschaft anscheinend in einer Rezession steckt und im IV. Quartal wahrscheinlich schrumpfen wird. Im Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ist zu lesen, dass die deutsche Wirtschaft am Rande einer Rezession steht. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) klingt skeptisch. In dem kürzlich vorgestellten halbjährlichen Weltwirtschaftsausblick führt der IWF aus, dass sich die Anzeichen für einen harten Abschwung verdichten.


TED-Spread

Märkte sind paralysiert

Das Bankensterben hat gravierende Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Der Markt ist nicht geräumt. Der Mechanismus, der Angebot und Nachfrage zusammenbringt, funktioniert nicht mehr. Siehe Geldmarkt, der inzwischen völlig zum Erliegen gekommen ist. Auch der für die Refinanzierung der Unternehmen wichtige Markt für Commercial Papers liegt indes brach. Die US-Notenbank übernimmt allmählich die Aufgabe als „Market Maker“. Die aggregierte Nachfrage bildet sich zurück. Der Verbrauch sinkt seit vier Monaten. Wenn geldpolitischen Massnahmen keine fiskalpolitischen folgen, dann droht die Gefahr einer langjährigen Depression.

EZB: Faktor Zins – Keine Entspannung am Geldmarkt

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am 8. Oktober in einer gemeinsamen Aktion mit anderen fünf wichtigen Notenbanken eine Senkung ihrer für die Geldpolitik massgebenden Zinssätze bekannt gegeben. Der Leitzins des Eurosystems wurde um 50 Basispunkte auf 3,75% gesenkt. Das gilt erstmals für das am 15. Oktober 2008 abzuwickelnde Hauptrefinanzierungsgeschäft.





Zinssatz fürbisherneu
die Spitzenrefinanzierungsfazilität5,25%4,25%
die Hauptrefinanzierungsgeschäfte4,25%3,75%
die Einlagenfazilität3,25%3,25%


Die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagenfazilität wurden jeweils um 50 Basispunkte auf 4,75% bzw. 2,75% gesenkt. Mit sofortiger Wirkung. Die EZB, das Zentrum der Machtballung der Neocons in Europa hätte schon vor ein paar Monaten die Zinsen senken sollen. Das war ein Fehler. Nun ist es zwar am Geldmarkt noch nicht zu einer Entspannung gekommen, da die Zinssenkung zu spät erfolgte, aber die Kosten des Geldhortens sind zumindest von 200 Basispunkten auf 100 Basispunkte gesenkt worden. Denn die EZB hat mit Wirkung vom 9. Oktober den Korridor für die ständigen Fazilitäten von 200 Basispunkten auf 100 Basispunkte um den Leitzins verringert. Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte wurde auf nunmehr 4,25% gesenkt. Der Zinssatz für die Einlagenfazilität wurde auf nunmehr 3,25% angehoben.


Euribor 3-Month

Dienstag, 14. Oktober 2008

Grossbritannien: Finanzpolitisches Vorbild in der Krise

Es ist klar, dass das Epizentrum der anrollenden Finanzmarktkrise sich in den USA befindet. Inzwischen ist es aber zu einem Dominoeffekt gekommen und der Funke wurde ins Pulverfass geschleudert. Der europäische Finanzmarkt ist indes nicht weniger stark betroffen als das amerikanische Pendant.

Verantwortlich dafür ist die Europäische Zentralbank (EZB), die geldpolitische Interventionen vehement zurückwies und sich gegen finanzpolitische Stützungsmassnahmen stemmte. Noch eine Woche davor hatte die EZB beschlossen, den Leitzins trotz der mit voller Wucht anrollenden Krise bei 4,25% zu belassen. Nun hat sie ihn aufgrund einer koordinierten Aktion mit der US-Notenbank (Fed) auf 3,75% gesenkt.


S&P-500 Index (6 Monate)

Kurswechsel in den USA

Jetzt will die US-Regierung für rund 250 Mrd. Dollar Anteile an (vorerst neun) Banken im Land kaufen. Die Banken, die von Staatshilfen profitieren, müssen eine Kürzung der Managergehälter (z.B. im Hinblick auf sog. „golden parachutes“) in Kauf nehmen. Amerika folgt damit dem europäischen Vorbild. Die EU-Regierungen hatten am Wochenende Pläne für einen Einstieg des Staates bei Banken vorgestellt. Der „Instrumentenkasten“ der EU enthält auch Staatsgarantien für den reibungslosen Geldfluss im Interbankenhandel. Bemerkenswert ist aber, dass die Stabilierungsbemühungen der 15 Staats- und Regierungschefs auf den umfassenden Ansatz der britischen Regierung zurückzuführen sind. Es war der britische Premier Gordon Brown, der bereit war, klar zu denken und die Schlussfolgerungen schnell umzusetzen, wie Paul Krugman, der diese Woche den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekam, in seiner Kolumne in the New York Times beschreibt.

Börsenlage: Rally im Bärenmarkt – Kein Trendwechsel

Politiker haben endlich das Risiko einer systemischen Kernschmelze im Finanzsystem erkannt. Der Rettungsplan der europäischen Regierungen wurde daher an den Aktienmärkten mit Erleichterung aufgenommen. Als Vorbild galt dabei das Aktionsprogramm der britischen Regierung sowohl für die EU als auch für die USA. Der ursprüngliche Plan (TARP) des amerikanischen Finanzministers Henry Paulson wurde angepasst. Anstatt Rekapitalisierung wird nun eine Teilverstaatlichung der Banken angestrebt. Und das ist richtig so. Dennoch halten sich viele Banken davor zurück, Liquidität auszuleihen. Banken horten nach wie vor Geld. Es gibt deswegen derzeit kaum Anzeichen einer Entspannung am Interbankenhandel. Die Spreads verharren auf historischen Höchstwerten. Das mangelnde Vertrauen am Markt ist nicht überwunden.


Grafik: TED-Spread

Die Baisse ist nicht vorbei. Noch ist es zu früh, von einem Trendwechsel zu reden. Es handelt sich dabei um eine Rally im Bärenmarkt. Das Gebot der Stunde ist Vorsicht.

TED-Spread: 4,5496%!
Libor-OIS-Spread: 3,5185%!

Montag, 13. Oktober 2008

Nobelpreis für Paul Krugman

Der Princeton-Professor Paul Krugman wurde mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.

Das ist die beste Wirtschaftsnachricht des Jahres.

Herzlichen Glückwunsch und alles Beste aus Zürich!

Congrats, Dr. Krugman! All the Best from Zurich!

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Geldmarkt: Noch keine Entspannung in Sicht – TED-Spread auf Rekordhoch

Es gibt zur Zeit kein Zeichen für ein Ende der Krise in naher Zukunft. Die Geldmarktsätze sind nach wie vor im Steigen begriffen. Der TED-Spread, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, wo sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld ent- oder verleihen, kletterte auf 4,12 Prozent. Das ist ein All-Zeit-Hoch. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel lag noch vor einem Monat bei 1,10 Prozent. Auch der Libor-OIS-Spread schoss durch die Decke. Der Aufschlag, der das Stressausmass am Geldmarkt im Hinblick auf die kurzfristige Liquidität anzeigt, weitete auf 347 Basispunkte aus. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Datenerfassung durch Bloomberg im Jahr 1984. Im langfristigen Durchschnitt liegt der Libor-OIS-Spread bei rund 19 Basispunkten.


TED-Spread Quelle: Bloomberg

Die Banken bunkern Barmittel. Es fehlt einfach an Vertrauen. Der beispiellose Engpass am Kreditmarkt ist auf das zunehmende Gegenparteirisiko zurückzuführen. Inzwischen ist der Markt für Commercial Papers total zum Erliegen gekommen. Das bedeutet, dass nach Banken nun auch Unternehmen in grössere Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Unternehmen sind auf CP-Markt angewiesen, um laufende Ausgaben zu finanzieren. Mit zunehmendem Refinanzierungsrisiko steigt auch die Insolvenzgefahr. Die Kreditklemme hat m.a.W. auch die Industrie erfasst. Funktioniert der Kreditmarkt nicht, liegt die Realwirtschaft brach. Die Verantwortung dafür trägt die Europäische Zentralbank (EZB), die noch eine Woche davor beschlossen hatte, den Leitzins trotz der mit voller Wucht anrollenden Finanzmarktkrise bei 4,25% zu belassen. Jetzt hat sie ihn aufgrund einer koordinierten Aktion mit der US-Notenbank (Fed) auf 3,75% gesenkt. Zu spät. Die EZB hätte schon vor ein paar Monaten die Zinsen senken sollen. Nun wird es schwierig, auf das Geschehen am Geldmarkt Einfluss zu nehmen. Siehe Libor: Der Londoner Interbankensatz stieg trotz der gemeinsamen Zinssenkungen durch die wichtigsten Notenbanken auf 4,75%. Das ist der höchste Wert seit Dezember 2007. Das ist eine schlechte Entwicklung für die Realwirtschaft, und erklärt, weshalb die Zinssenkungen bei Unternehmen nicht ankommen. Nicht einmal Tagesgeschäfte funktionieren.


LIBOR Quelle: Bloomberg

Aktienmarkt: Wertentwicklung seit Jahresbeginn

Der Aktienkursverfall setzt sich global fort. Das Hauptproblem ist nicht die mangelnde Liquidität, sondern das steigende Gegenparteirisiko. Das heisst, die Angst davor, dass weitere Marktakteure insolvent werden. Der anhaltende Bank Run im Schattenbankensystem erhöht daher die Default-Gefahr. Geld wird gehortet. Das wiederum verstärkt die Abwärtsspirale. Nun suchen auch die USA nach dem britischen Vorgehen die Lösung der Vertrauenskrise in einer teilweise Verstaatlichung der Banken.






IndexPerformance
Dow Jones-34,64%
Nasdaq-37,93%
SMI-33,55%
DAX-36,93%
MDAX-40,35%

Commercial Paper Funding Facility (CPFF): Definition

Am Dienstag hat die US-Notenbank (Fed) mitgeteilt, eine sog. Commercial Paper Funding Facility (CPFF) ins Leben gerufen zu haben. Es handelt sich dabei um eine weitere Kreditfazilität, welche geschaffen wurde, um sich gegen die Verwerfungen am Geldmarkt zu stemmen. Die Commercial Papers (CP) sollen durch ein sog. Special Purpose Vehicle (SPV) der Fed erworben werden. Das Ziel ist, die Liquidität für diese Papiere mit einer Laufzeit von drei Monaten und Asset Backed Commercial Papers (ABCP) zu gewährleisten. Die CPs, welche von SPV gekauft werden, müssen mind. ein Rating von A1/P1/F1 haben. Die teilnahmeberechtigten Unternehmen werden demnächst identifiziert.


CP-Zinssätze Grafik: FED

CP sind Geldmarktpapiere, die als Inhaberpapiere ausgestattet sind. Die Laufzeiten betragen i.d.R. 30 bis 270 Tage. Sie werden vorwiegend von erstklassigen Industrieunternehmen begeben. Der Vertrieb erfolgt über Broker. Eine spezielle Variante ist das ABCP, die auf Deutsch als wertbesichertes Geldmarktpapier bezeichnet wird. Im Zuge der anrollenden Finanzkrise ist der CP-Markt zum Erliegen gekommen. Banken horten Geld, weil sie wegen des steigenden Gegenparteirisikos einander nicht trauen. Niemand weiss, wer als nächstes in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Die Gefahr einer Refinanzierungsunfähigkeit hängt daher zur Zeit wie ein Damoklesschwert über dem Markt. Während das Volumen seit der Pleite von Lehman Brothers um rund 95 Mrd. Dollar auf 1'600 Mrd. Dollar geschmolzen ist, steigen die Zinsen. Die Fed will nun mit dem CPFF-Programm dafür sorgen, dass der Markt wieder belebt wird. Denn die Leitzinssenkung hat auf den CP-Markt kaum Einfluss. Es handelt sich dabei um die Liquidität des Nichtbankensektors. Hier sind Prime Brokers, d.h. Investmentbanken zu Hause, die v.a. für die Hedge Fonds Wertpapierhandel betreiben und auch Kredite zur Abwicklung besorgen. Es ist bemerkenswert, dass die Zinssätze für CPs heute höher liegen als zu Beginn der Krise vor einem Jahr, obwohl die US-Notenbank ihren Leitzins seitdem mehrmals gesenkt hat.

Zinssenkung verpufft am Aktienmarkt: Lösung durch Verstaatlichung?

Trotz der gemeinsamen Zinssenkungsrunde der EZB, der Fed sowie der Zentralbanken von Grossbritannien, Kanada, der Schweiz, Schweden und Chinas verpuffte die Wirkung an der Börse. Die Aktienkurse gaben weiter stark ab. Der Dow Jones Index hat in den letzten fünf Handelstagen insgesamt 1'590 Punkte verloren. Die Handelsbandbreite lag gestern bei 434 Punkten.


Dow Jones am 08. Okt 2008

Die Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) schlug wie ein Blitz ein. Die globale Finanzkrise treibe die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds, so dramatisch tönte gestern Dominique Strauss-Kahn, der IWF-Chef. Inzwischen kam es zu einem Gesinnungswandel in der US-Administration. Finanzminister Henry Paulson sagte, dass die amerikanische Regierung über eine teilweise Verstaatlichung von Banken nachdenke. Die britische Regierung hatte gestern angekündigt, acht der grössten Banken teilweise zu verstaatlichen, um Stabilität auf dem Finanzsektor wiederherzustellen.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Konzertierte Zinssenkung: Was ändert sich nun an der Lage?

Die US-Notenbank (Fed) hat in einer koordinierten Aktion mit anderen wichtigen Zentralbanken ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 1,50% gesenkt. Wie ist die Lage nun zu schätzen? Die konzertierte Massnahme war richtig. Die Zinssenkung reduziert die Kosten der Kreditaufnahme für die Unternehmen. Kann dieser Schritt aber die Finanzmärkte wieder stabilisieren? Die Entscheidung war notwendig, reicht aber nicht aus, die dramatischen Spannungen am Geldmarkt zu lindern.


Fed Funds Rate: (Quelle: The New York Times)

Das Bankensterben droht das Funktionieren der eng vernetzten globalen Wirtschaft erheblich zu beeinträchtigen. Versagt der Finanzmarkt, kommen Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Die unmittelbare Folge wäre der Zusammenbruch der Realwirtschaft. Denn die Liquidität fliesst zur Zeit, wie New Yorker Professor Nouriel Roubini hervorhebt, zwischen Notenbanken und Geschäftsbanken. Die Kreditschöpfung zwischen den Geschäftsbanken und der Realwirtschaft ist bereits zum Erliegen gekommen. Der Geldmarkt ist völlig ausgetrocknet. Die Liquidität kommt nicht bis zu Unternehmen. Deshalb hat die Fed gestern erstmals in ihrer 100jährigen Geschichte beschlossen, Commercial Papers von Unternehmen aufzukaufen (CPFF-Programm). Die vorherrschende Kreditklemme ist der Beleg dafür, dass die Wirtschaft sich bereits im Abschwung befindet. Die Finanzmarktkrise hat nicht nur monetäre, sondern auch realwirtschaftliche Folgen. Wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schrumpft, die Wirtschaftsleistung abnimmt, die Beschäftigung stark zurückgeht, dann besteht die Gefahr, dass der Rezession eine Depression folgt. Das Problem ist nicht die Unterbewertung von gewissen Wertschriften („toxic waste“) in der Bilanz der Banken, sondern die Unterkapitalisierung der Finanzinstitute. Jeder Rettungsversuch ist daher hier anzusetzen. Der Paulson-Plan muss also angepasst werden. Die Banken brauchen direkte Eigenkapitalspritzen.

Koordinierte Zinssenkung: Sieben Notenbanken lockern Geldpolitik

In einer konzertierten Aktion lockerten weltweit sieben Notenbanken ihre Geldpolitik. Die Fed, die EZB, die BoE und die SNB senkten ihren Leitzins. Japan beteiligte sich nicht. Nachdem US-Notenbankchef Ben Bernanke zu Wochenbeginn eine Zinssenkung in Aussicht gestellt hatte, war der gemeinsame Schritt der führenden Zentralbanken mit Spannung erwartet worden.


Grafik: F.A.Z.

Zuletzt hatten die wichtigsten Notenbanken nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine gemeinsame Zinssenkung beschlossen. Die Entscheidung ist zu begrüssen, aber sie kann allein nicht zur Lösung der Krise führen.






NotenbankLeitzins (bisher)Leitzins (neu)
USA2,0%1,50%
EU4,25%3,75%
UK5,0%4,50%
CH2,75%2,50%
JAP0,50%0,50%