(Nur für Streber)
Die
Fiskalpolitik ist die einzige
Möglichkeit, erklärt Brad DeLong in
einem lesenswerten, aber extrem komplex verfassten Artikel („Spending cuts to improve confidence? No, the arithmetic goes the wrong way”) in voxeu.
Es
ist sicherlich so, dass ein Europa mit seiner wackeligen Kreditwürdigkeit die
Wirtschaft durch die Verfolgung einer Ausgaben-basierten Reduzierung des
Haushaltsdefizits ankurbeln kann, was das Vertrauen in Staatsanleihen steigern
würde, legt der an der University of
California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor dar.
Mit
einem Hinweis auf eine neo-Wicksellschen Gleichgewicht-Formel mit
Geldstromanalyse (flow of funds) an
den Kapitalmärkten bekräftigt DeLong seine Argumentation, wie das kurzfristige
Gleichgewicht der wirtschaftlichen Aktivitäten (Y) wiederbelebt werden kann:
Savings [Y]
– NX = ∆ Bond holdings [i – π,
ρ]
Auf
der linken Seite der Gleichung ist der Netto Fluss von privaten Ersparnissen in
den Finanzmarkt dargestellt: es sind private Ersparnisse im Inland, die vom
Niveau der wirtschaftlichen Aktivität abhängen (d.h. Y) abzüglich Netto-Exporte
(NX).
Auf
der rechten Seite der Gleichung ist die Veränderung der geplanten Positionen an
Anleihen durch Banken und andere Investoren dargestellt, was eine Funktion der
Risikobehaftung im Hinblick auf die Anleihen ρ und der realen Opportunitätskosten
des Geldes an Banken ist, d.h. der Differenz zwischen dem Nominalzins i und der
erwarteten Inflation ∏ ist, d.h. ∆B [i - ∏,ρ].
Produktionslücke
(output gap), Graph: Brad DeLong and
Larry Summers in „Fiscal Policy in a Depressed Economy“, March 20, 2012
(1) durch eine Abwertung, welche
Netto-Exporte (NX) steigert, (2)
durch die Geldpolitik, die den Zinssatz (i) reduziert, (3) eine Verpflichtung durch die Zentralbank in Bezug auf eine
höhere künftige Inflation, welche die Inflationserwartungen (π) erhöht, und (4) durch Massnahmen, die das Risiko verringert,
Staatspapiere zu halten, anhand von Massnahmen wie z.B. Kreditgarantien,
Rekapitalisierung des Finanzsektors und einen Haushaltsplan, der darauf
abzielt, das Risiko de Haltens von privaten oder öffentlichen Papieren
reduziert, die vor der Gefahr eines Zahlungsausfalls (default) bedroht sind oder durch einen weniger als vollständig
freiwilligen Anleihe-Austausch oder eine unerwartete Inflation.
In
einer Situation, wo eine Volkswirtschaft an der Untergrenze von Null steht, und die Zinsen nicht weiter gesenkt
werden können, kann die Zentralbank π nicht erhöhen und eine
Gemeinschaftswährung eine Währungsabwertung ausschliesst, um NX zu steigern,
ist die einzige Möglichkeit, die Risikobehaftung der Anleihen zu reduzieren.
Anlageinvestitionen
als Anteil am Wachstumspotenzial, Graph:
Brad DeLong and Larry Summers in „Fiscal Policy in a Depressed Economy“, March
20, 2012
Ein
Staat wie die USA mit Kreditwürdigkeit hätte kein Problem, die Risikobehaftung
(ρ) des Bestandes
an Anleihen zu reduzieren. Die Regierung würde einfach mehr Staatspapiere
ausgeben und das Geld für Projekte mit sozialer Nützlichkeit ausgeben. Weil die
Kreditwürdigkeit gut ist, wären die Papiere automatisch weniger riskant als der
Durchschnitt und die durchschnittliche Risikobehaftung der Papiere würde
sinken, erläutert DeLong.
Und
wenn ein Staat mit einer angeschlagenen Kreditwürdigkeit einen glaubwürdigen
Finanzplan verabschiedet, würde auch die Risikobehaftung des Bestandes an
Anleihen verringern können.
Wie
sieht aber ein glaubwürdiger Fiskalplan aus?
Auf
die lange Sicht muss die Finanzierung des Sozialversicherungssystems mit
Steuern stimmen. Auf kurze Sicht verlangt aber ein glaubwürdiger Fiskalplan
keine Sparmassnahmen, v.a. wenn die Wirtschaft in einer Depression steckt, legt
DeLong dar.
Denn
wenn es überhaupt irgendeinen (a) kurzfristigen
keynesianischen Multiplikator gibt, selbst einen so niedrigen wie ½ und wenn es
einen (b) Hysterese-Effekt gibt,
selbst einen so niedrigen wie 1/10, dann würden kurzfristige Ausgabenkürzungen
für ein westeuropäisches Land das langfristige finanzwirtschaftliche Bild verschlechtern,
solange die realen langfristigen Finanzierungskosten des Staates unter 5%
bleiben.
Fazit: Höhere Staatsausgaben finanzieren
sich selbst, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn die Wirtschaft
z.B. in einer Liquiditätsfalle steckt
und die Zinsen nicht unter Null gesenkt werden können.
In
einer solchen Situation gilt es daher, das Augenmerk nach zwei Aspekten zu richten: (1) Multiplikatoreffekt und (2) Hysterese-Effekt, wie DeLong mit Summers
in einer neulich vorgelegten und viel beachteten Forschungsarbeit („Fiscal Policy in a Depressed Economy“) hervorheben.
Die
Multiplikatorwirkung ist i.d.R., d.h. in normalen Zeiten gering. Wenn die
Geldpolitik aber in einer Depression an Zugkraft verliert, entfaltet der
Multiplikator eine starke Wirkung.
Unter
„hysteresis effect“ ist die weitgehende Beeinträchtigung des Wirtschaftspotenzials (potential
output) einer Volkswirtschaft durch die anhaltende, tiefe Rezession zu
verstehen: eine depressive Wirtschaft, wo Investitionen niedrig sind, der Kapitalstock
schleppend verläuft und die Langzeitarbeitslosigkeit sich ausweitet. Die
Arbeitnehmer ohne Beschäftigung beobachten, wie ihre beruflichen Fertigkeiten
(Qualifikationen) mit offenen Stellen nicht mehr übereinstimmen und ein moralischer
Zerfall droht.
Höhere
Staatsausgaben können daher durch beide Effekte das Wirtschaftspotenzial des
Landes steigern, sodass die Steuereinnahmen, die in Zukunft erzielbar sind, die
Mehrausgaben während der Depression völlig ausgleichen. Die Voraussetzung ist
allerdings, dass der Realzins einen bestimmten Wert (*) nicht übersteigt.
(*)
Die Formel dafür lautet: r < g + Τ η μ
/ (1 – μ Τ) = 5%.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen