(Nur für Streber)
Warum
ist Fed-Chef Ben Bernanke so umsichtig? Es muss sehr gute Gründe geben, warum
die Fed nicht viel mehr unternommen hat, um die Krise zu bekämpfen, schrieb Laurence Ball neulich in einem
lesenswerten Essay („Ben Bernanke and the
zero bound“) in voxeu.
Bernanke
war von 2000 bis 2003 Wirtschaftsprofessor. Er hat sich ausgiebig (hier: “Japanese Monetary Policy: A Case of Self-Induced Paralysis”,
December 1999 und hier: „Deflation: Making sure „It“
Doesn’t Happen Here“, November 2002) mit einem Problem der Geldpolitik befasst, und zwar an
einem konkreten Fall.
Bernanke
hat nämlich, bevor er zum Fed-Präsidenten ernannt wurde, sich mit Japans
Wirtschaft in den 1990er Jahren ausführlich auseinandergesetzt und in dieser
Hinsicht konkret wirtschaftspolitische Massnahmen empfohlen, wie z.B. die
Konjunktur wiederbelebt werden kann, wenn die Nullzinsgrenze (zero bound)
erreicht ist.
Und
er hat auch Überlegungen (z.B. hier: „Some Thoughts on Monetary Policy in Japan“, May 2003) angestellt,
wie die USA, falls sie damit konfrontiert würden, damit umgehen sollten.
Ball
analysiert vor diesem Hintergrund, wie und warum Bernanke im Sog der
Finanzkrise von seinen früheren Positionen, d.h. von der Kritik an
Wirtschaftspolitik Japans ausgewichen ist. Der an der Johns Hopkins University lehrende Wirtschaftsprofessor deutet als
Wendepunkt auf die Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der Fed des
Jahres 2003 hin, wo die Geldpolitik in Bezug auf die Nullzinsgrenze diskutiert
wurde.
Vor
2003 hat Bernanke
die folgenden Möglichkeiten befürwortet:
Zielwerte für langfristige Zinssätze,
Abwertung der Währung,
ein Inflationsziel von 3% bis 4%,
expansive Geldpolitik (durch Geld finanziert).
Nach
2003 hat Bernanke
die folgenden Massnahmen getroffen:
Leitlinien für künftige kurzfristige Zinssätze,
Anleihekaufprogramme (US-Treasury Bonds und andere nicht-
konventionelle Vermögenswerte),
Erhöhung der Notenbankgeldmenge.
Ball
gibt als Grund für Bernankes Meinungsänderung „Gruppendenken“ (small group sociology) an, aber
erläutert den Unterschied zwischen den beiden Massnahmenkatalogen nicht
explizit.
Paul Krugman ergreift genau hier das Wort und
erklärt in seinem Blog, was „Menu A“ und „Menu
B“ voneinander unterscheidet.
Der
an der University of Princeton
lehrende Wirtschaftsprofessor hebt hervor, dass das „Menu A“ Zielwerte und das „Menu
B“ Instrumente umfasst. Das „Menu A“ kann nur dann verwirklicht werden,
wenn die Märkte glauben, dass die Fed die versprochene Politik fortsetzen will,
auch wenn die Wirtschaft sich erholt. Wie Krugman beschreibt, muss die Fed hierbei
glaubwürdig versprechen, „unverantwortlich zu sein“. Das „Menu B“ hingegen beinhaltet
mehr oder wenige mechanische Massnahmen.
Im
Einzelnen:
Was
heisst es, Zielwerte für langfristige Zinssätze anzupeilen? Da die
langfristigen Zinssätze durch die erwarteten kurzfristigen Zinssätze (über
einen langen Zeitraum) bestimmt werden, bedeutet es mehr oder weniger, die
kurzfristigen Zinssätze niedrig zu halten, auch wenn die Zeiten sich
verbessern. Das Ganze hat daher mit Glaubwürdigkeit (Engagement) zu tun.
Die
Abwertung der Währung ist ziemlich identisch. Der Wert einer Währung hängt
weitgehend vom Vergleich der Investoren in Bezug auf die erwarteten
Erträge über einen längeren Zeitraum ab.
Das heisst, dass die Zinsen in Bezug auf die Zukunft niedrig gehalten werden müssen,
um die Währung abzuschwächen.. Sonst wird die Zentralbank von den Märkten
bestraft. Siehe Japan, unterstreicht Krugman.
Inflation
Targeting: ein von der Zentralbank angegebener Zielwert (oder Zielkorridor)
einer Inflationsrate. Das ist ein Vorschlag, den Krugman unterbreitet hat.
Natürlich hat es auch mit Glaubwürdigkeit zu tun, weil man keinen Hebel über
die Inflation hat, wenn die Wirtschaft in einer Depression steckt.
Wie
sieht es mit deficit financing aus?
Das hat mit Verpflichtung oder Engagement nichts zu tun. Die Frage ist aber,
woher man wissen soll, ob das Haushaltsdefizit „mit Geld finanziert“ wird? Weil
es, solange die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle
steckt, überhaupt keine Rolle spielt, ob es sich
bei Nullzinsgrenze um Dollar-Noten oder um T-Bills handelt. Beide sind
vollkommen austauschbar. Worauf es laut Krugman daher ankommt, ist, was
passiert, wenn die Liquiditätsfalle unterbunden ist und wie die Fed vorgeht: ob
die Zentralbank die Notenbankgeldmenge, die sie geschaffen hat, zurückzieht
oder ob sie sie beibehält, um etwas Inflation entstehen zu lassen?
M.a.W.
weiss man nicht, ob ein Defizit wirklich „mit Geld finanziert“ war oder nicht,
bis die Nullzinsgrenze nicht mehr vorhanden ist. Die Auswirkung eines „mit Geld
finanzierten Defizits“ hängt also laut Krugman von Erwartungen ab.
Das
alles steht natürlich im krassen Gegensatz zum „Menu B“. Es ist deshalb ein erheblicher Unterschied,
ob die Fed mitteilt, dass sie die Zinsen angesichts der angeschlagenen
(depressiven) Wirtschaft bis 2014 niedrig halten will oder ob sie die Zinsen
niedrig halten will, bis sie einen Inflationswert von 3 bis 4% erreicht hat.
Warum
zieht also die Fed unter Bernankes Führung das „Menu B“ dem „Menu A“ vor? Weil
das „Menu B“ sicherer ist als das „Menu A“, weil es die Massnahmen definiert,
nicht die Ergebnisse. Es hilft aber der Wirtschaft nicht, legt Krugman dar.
Aber wir wissen auch nicht, ob das „Menu A“ ausreichen würde.
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