Montag, 2. April 2012

Fed: Zielwerte, Instrumente und Nullzinsgrenze


(Nur für Streber)

Warum ist Fed-Chef Ben Bernanke so umsichtig? Es muss sehr gute Gründe geben, warum die Fed nicht viel mehr unternommen hat, um die Krise zu bekämpfen, schrieb Laurence Ball neulich in einem lesenswerten Essay („Ben Bernanke and the zero bound“) in voxeu.

Bernanke war von 2000 bis 2003 Wirtschaftsprofessor. Er hat sich ausgiebig (hier: “Japanese Monetary Policy: A Case of Self-Induced Paralysis”, December 1999 und hier: „Deflation: Making sure „It“ Doesn’t Happen Here“, November 2002) mit einem Problem der Geldpolitik befasst, und zwar an einem konkreten Fall.

Bernanke hat nämlich, bevor er zum Fed-Präsidenten ernannt wurde, sich mit Japans Wirtschaft in den 1990er Jahren ausführlich auseinandergesetzt und in dieser Hinsicht konkret wirtschaftspolitische Massnahmen empfohlen, wie z.B. die Konjunktur wiederbelebt werden kann, wenn die Nullzinsgrenze (zero bound) erreicht ist.

Und er hat auch Überlegungen (z.B. hier: „Some Thoughts on Monetary Policy in Japan“, May 2003) angestellt, wie die USA, falls sie damit konfrontiert würden, damit umgehen sollten.

Ball analysiert vor diesem Hintergrund, wie und warum Bernanke im Sog der Finanzkrise von seinen früheren Positionen, d.h. von der Kritik an Wirtschaftspolitik Japans ausgewichen ist. Der an der Johns Hopkins University lehrende Wirtschaftsprofessor deutet als Wendepunkt auf die Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der Fed des Jahres 2003 hin, wo die Geldpolitik in Bezug auf die Nullzinsgrenze diskutiert wurde.

Vor 2003 hat Bernanke die folgenden Möglichkeiten befürwortet:

Zielwerte für langfristige Zinssätze,
Abwertung der Währung,
ein Inflationsziel von 3% bis 4%,
expansive Geldpolitik (durch Geld finanziert).

Nach 2003 hat Bernanke die folgenden Massnahmen getroffen:

Leitlinien für künftige kurzfristige Zinssätze,
Anleihekaufprogramme (US-Treasury Bonds und andere nicht-
konventionelle Vermögenswerte),
Erhöhung der Notenbankgeldmenge.

Ball gibt als Grund für Bernankes Meinungsänderung „Gruppendenken“ (small group sociology) an, aber erläutert den Unterschied zwischen den beiden Massnahmenkatalogen nicht explizit.

Paul Krugman ergreift genau hier das Wort und erklärt in seinem Blog, was „Menu A“ und „Menu B“ voneinander unterscheidet.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hebt hervor,  dass das „Menu A“ Zielwerte und das „Menu B“ Instrumente umfasst. Das „Menu A“ kann nur dann verwirklicht werden, wenn die Märkte glauben, dass die Fed die versprochene Politik fortsetzen will, auch wenn die Wirtschaft sich erholt. Wie Krugman beschreibt, muss die Fed hierbei glaubwürdig versprechen, „unverantwortlich zu sein“. Das „Menu B“ hingegen beinhaltet mehr oder wenige mechanische Massnahmen.

Im Einzelnen:

Was heisst es, Zielwerte für langfristige Zinssätze anzupeilen? Da die langfristigen Zinssätze durch die erwarteten kurzfristigen Zinssätze (über einen langen Zeitraum) bestimmt werden, bedeutet es mehr oder weniger, die kurzfristigen Zinssätze niedrig zu halten, auch wenn die Zeiten sich verbessern. Das Ganze hat daher mit Glaubwürdigkeit (Engagement) zu tun.

Die Abwertung der Währung ist ziemlich identisch. Der Wert einer Währung hängt weitgehend vom Vergleich der Investoren in Bezug auf die erwarteten Erträge  über einen längeren Zeitraum ab. Das heisst, dass die Zinsen in Bezug auf die Zukunft niedrig gehalten werden müssen, um die Währung abzuschwächen.. Sonst wird die Zentralbank von den Märkten bestraft. Siehe Japan, unterstreicht Krugman.

Inflation Targeting: ein von der Zentralbank angegebener Zielwert (oder Zielkorridor) einer Inflationsrate. Das ist ein Vorschlag, den Krugman unterbreitet hat. Natürlich hat es auch mit Glaubwürdigkeit zu tun, weil man keinen Hebel über die Inflation hat, wenn die Wirtschaft in einer Depression steckt.

Wie sieht es mit deficit financing aus? Das hat mit Verpflichtung oder Engagement nichts zu tun. Die Frage ist aber, woher man wissen soll, ob das Haushaltsdefizit „mit Geld finanziert“ wird? Weil es, solange die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, überhaupt keine Rolle spielt, ob es sich bei Nullzinsgrenze um Dollar-Noten oder um T-Bills handelt. Beide sind vollkommen austauschbar. Worauf es laut Krugman daher ankommt, ist, was passiert, wenn die Liquiditätsfalle unterbunden ist und wie die Fed vorgeht: ob die Zentralbank die Notenbankgeldmenge, die sie geschaffen hat, zurückzieht oder ob sie sie beibehält, um etwas Inflation entstehen zu lassen?

M.a.W. weiss man nicht, ob ein Defizit wirklich „mit Geld finanziert“ war oder nicht, bis die Nullzinsgrenze nicht mehr vorhanden ist. Die Auswirkung eines „mit Geld finanzierten Defizits“ hängt also laut Krugman von Erwartungen ab.

Das alles steht natürlich im krassen Gegensatz zum „Menu B“.  Es ist deshalb ein erheblicher Unterschied, ob die Fed mitteilt, dass sie die Zinsen angesichts der angeschlagenen (depressiven) Wirtschaft bis 2014 niedrig halten will oder ob sie die Zinsen niedrig halten will, bis sie einen Inflationswert von 3 bis 4% erreicht hat.

Warum zieht also die Fed unter Bernankes Führung das „Menu B“ dem „Menu A“ vor? Weil das „Menu B“ sicherer ist als das „Menu A“, weil es die Massnahmen definiert, nicht die Ergebnisse. Es hilft aber der Wirtschaft nicht, legt Krugman dar. Aber wir wissen auch nicht, ob das „Menu A“ ausreichen würde.

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