Freitag, 14. November 2008

The Dismal Science

Buchbesprechung*:

Stephen A. Marglin: The Dismal Science. How Thinking Like an Economist Undermines Community. Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, London 2008.


Die Abwahl der GOP kennzeichnet zweifelsohne den Beginn einer neuen Ära. Barack Obama, der neugewählte US-Präsident steht vor einer historischen Herausforderung. Die Erwartungen sind enorm hoch. Die Ideologie des Marktfundamentalismus hat kläglich versagt. Das masslose Vertrauen in den Mechanismus des Marktes hat sich entlarvend aufgelöst. Die US-Wirtschaft steckt in einer tiefgreifenden Rezession. Die Notenbank (Fed) stemmt sich mit allen Mitteln dagegen, damit das Land nicht in eine langanhaltende Depression schlittert. Während der Regierungszeit der Bush-Administration ist das Wohlstands- und Einkommensgefälle in der Gesellschaft signifikant tiefer geworden. Die Gesellschaft wurde stets als Teil des Marktes betrachtet. Nun übernimmt Obama die Macht. Die Frage, die sich für ihn stellt, ist, was die Wirtschaft für die Gesellschaft tun kann. Die Märkte tendieren nämlich, sich selbst überlassen, nicht zum Gleichgewicht. Die Exzesse, die sich im Vorfeld der anrollenden Wirtschaftskrise entfaltet haben, belegen das. Die Bush-Administration hat in ökonomischer und sozialer Hinsicht einen gewaltigen Ruin hinterlassen.


Stephen A. Marglin, Walter S. Barker Professor an der Wirtschaftsfakultät der Harvard University vertritt in diesem zu Jahresbeginn vorgelegten Buch die These, dass der Markt den Menschen dienen soll, und nicht umgekehrt. Sich nur auf den Markt zu verlassen, würde den Zusammenhalt in der Gemeinschaft untergraben, so lautet sein Credo. Der grassierende Hyper-Individualismus, dessen Entwicklung zumindest seit Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Grossbritannien politisch gepflegt wurde, zerstört die Familie und die Umwelt. In diesem Zusammenhang ist der Hurrikan Katrina in Erinnerung zu rufen. Der Hurrikan richtete im Grossraum New Orleans im August 2005 gewaltige Schäden an. Mehr als 1'800 Menschen kamen durch den Sturm und seine Folgen ums Leben. Ungefähr eine Million Menschen wurden aus dem Gebiet evakuiert. Die Bundesbehörde für den Katastrophenschutz, FEMA war nicht in der Lage, Hilfe zu leisten, weil die Bush-Regierung ihr Finanzmittel drastisch gekürzt hatte. Grund: Jeder soll damit selber fertigwerden. Der Markt sorgt schon für eine Lösung.

Das Buch ist provozierend, aber nicht dogmatisch. Marglin plädiert nicht für mehr Staat. Er verfolgt auch nicht das Ziel, die Gesellschaft gleichzuschalten. Er will die traditionell gewachsenen Regeln des menschlichen Zusammenlebens im Spannungsverhältnis zum Markt besser schützen. Schliesslich steht der Mensch im Mittelpunkt der Verfassung in allen zivilisierten Staaten Europas. In der Präambel der Schweizer Bundesverfassung heisst: „Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“. Der Autor verkennt die Effizienz von Marktlösungen nicht. Das gilt aber nur sachbezogen. Ein aktuelles, aber kontroverses Buch.

*erscheint in der Ausgabe von 209 vom 14. November 2008.

Cezmi Dispinar

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