(Nur für Streber)
Paul Krugman hat in seinem Blog gestern die Frage
aufgeworfen, ob es im Zug der Krise derzeit wirklich einen Mangel an sicheren Anlagen
gibt? Der an der University of Princeton
lehrende Wirtschaftsprofessor hat zugleich eine gewisse Skepsis zum Ausdruck gebracht.
Krugman
legt nämlich nahe, dass es nicht um einen Engpass in sicheren Anlagen geht,
sondern darum, dass es angesichts der depressiven Wirtschaft an guten
Investitionsmöglichkeiten fehlt.
Brad DeLong, der in seinem Blog das Wort ergreift, vertritt hingegen die Ansicht, dass die Aktien derzeit
allem Anschein nach nicht ein aussergewöhnlich hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis hätten.
Das ist, was wir erwarten würden, wenn das eigentliche Problem nur ein Mangel
an guten Investitionsmöglichkeiten wäre, erklärt er.
Wenn
es einen Mangel an guten Investitionsmöglichkeiten gibt, d.h. einen
Nachfrageüberhang nach Sparformen, was in einem Wicksellschen-keynesianischen Hicks’schen Modell bedeuten würde,
dass ex-ante Ersparnisse bei Vollbeschäftigung grösser als ex-ante
Investitionen bei Vollbeschäftigung sind, dann würden die Zinssätze und die Gewinnrendite
(d.h. der Gewinn pro Aktie geteilt durch den augenblicklichen Kurs der Aktie, nämlich
der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses) tendenziell ungewöhnlich niedrig
verlaufen, so DeLong.
Heute
sind aber nur die Renditen auf Vermögenswerte, die als sicher wahrgenommen
werden, ungewöhnlich tief, fasst der an der University
of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor als Fazit zusammen.
Junk Bonds-Index,
Merrill Lynch, Graph: Prof. Paul Krugman
Krugman
findet nun die Diskussion mit DeLong interessant und fügt in seinem Blog zwei
weitere Argumente hinzu.
(1) Warum
soll man auf Aktien-Bewertungen blicken? Warum soll man stattdessen nicht riskante
Anleihen (risky bonds) betrachten?
Was man in der Abbildung sieht ist, dass es einen Bagehot-Moment 2008-2009 (siehe auch hier) gibt, d.h. einen Zeitpunkt, wo alle
schreien: „Oh-Gott-wir-werden-alle-sterben!“. Aber danach hat sich der Verlauf
der Entwicklung deutlich geglättet.
(2) Es gibt die Frage, ob eine einfache Geschichte von Niedrigzins-Erwartungen
langfristige Zinsen erklären kann. Man kann dafür einen Blick auf die Baseline-Prognose von CBO für Arbeitslosigkeit und Inflation werfen,
ohne zu behaupten, dass das CBO über eine besondere Weisheit verfügt. Aber es
ist ein Beispiel dafür, was vernünftig ist und was die Menschen mitten auf der
Strasse erwarten dürften. Man kann auch eine einfache Schätzung von Taylor-Regel heranziehen und
annehmen, dass die aktuellen Sätze das Maximum der Taylor-Zahl und Null sind.
Was sich daraus ergibt, ist in der folgenden Abbildung zu sehen:
Voraussagen
für US-Leitzins (fed funds rate),
CBO-Schätzungen, Graph: Prof. Paul Krugman
Niedrige
Zinsen für eine lange, lange Zeit und sogar auf die lange Sicht noch ziemlich
lang.
Die
Frage ist daher, was der Barwert der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren
Laufzeit heute wäre, wenn man Risiken, Unsicherheiten usw. ignoriert.
Die
Antwort lautet: 1,79%.
Das
zeigt nicht, dass die gegenwärtigen Zinsen richtig sind. Aber es zeigt laut
Krugman, dass sie angesichts der Erwartungen im Hinblick auf eine schwache
Erholung der Wirtschaft nicht unangemessen sind. Dazu braucht man also keine
Geschichte über „Mangel an sicheren Anlagen“.
Krugman
möchte dennoch festhalten, dass er nicht ideologisch gegen die Interpretation „Mangel-an-sicheren-Anlagen“
einwendet, sondern er wundert sich, ob wir damit nicht gegen das Ockhams
Rasiermesser-Prinzip (Occam’s Razor) verstossen,
indem wir dem Sachverhalt unnötigerweise mehr Hypothesen und Variablen
hinzufügen.
PS: Brad DeLongs Forschungsarbeit („This Time, It Is Not Different“) über
Bagehot ist lesenswert und fantastisch, hebt Krugman hervor. Aber der Bagehot-Moment
ist zur Zeit vorbei.
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