Montag, 31. August 2009

US-Schatzamt: Gewinn aus der Krisenhilfe?

Heute liest man überall in den Medien, dass sich das finanzielle Engagement der US-Notenbank und des Schatzamtes (Treasury) in der Finanzbranche bereits bezahlt gemacht hat. Einem Bericht von The New York Times zufolge hat die US-Regierung durch acht der grössten Banken einen Gewinn von insgesamt 4 Mrd. $ gebucht. Es handele sich dabei um einen Profit, der aus der Rückzahlung von Warrants, welche das amerikanische Finanzministerium gekauft hatte, resultiere. Die acht Banken erhielten im Rahmen des TARP (Trouble Asset Relief Program) Milliarden Kapitalspritze vom Staat. Sollen sich die Steuerzahler jetzt über diesen Gewinn freuen? Ist es überhaupt ein Gewinn? Plötzlich drängt sich der Eindruck auf, als ob man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen würde.

Das staatliche Engagement beläuft sich, wenn man alles zusammenrechnet, neue Kreditfazilitäten, Staatsgarantien für Bad Assets, Erweiterung des Einlagenschutzes usw., auf 12'000 Mrd. $. Die erwähnten 4 Mrd. $ sind daher nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Was ist mit dem Rest der Gelder? Auch technisch gesehen lässt sich hierbei nicht von einem Gewinn reden, da es sich dabei lediglich um eine Position in einem grossen Porfolio handelt. Ein Beispiel: Sie legen 100'000 € in zehn Aktien an. Nach einem Jahr stellen Sie fest, dass die eine Aktie davon über dem Einkaufspreis steht, und die restlichen noch tief im Rot stecken. Können Sie dann von einem Gewinn reden, den Sie erzielt haben? Das wäre doch absurd, oder? Auch Barry Ritholtz ist derselben Meinung.

PS: Auch die Fed habe bereits Gewinne eingestrichen, hiess es, v.a. aus Krediten an Investmentbanken und aus Swap-Geschäften mit ausländischen Notenbanken. Was die Swap-Vereinbarungen betrifft: sie sind zeitlich begrenzt und die Zentralbanken tragen kein Wechselkursrisiko, weil für die Rückbuchung derselbe Wechselkurs benutzt wird. Die Zentralbanken ziehen in der Krise am gleichen Strang und versuchen nicht, sich zu bevorteilen.

Türkei Aussenhandel: Zahlen vom Juli 2009

Die Ausfuhren sind nach Angaben des türkischen Statistik-Institutes im Juli um 28,3% zurückgegangen. Die Einfuhren sind im vergangenen Monat um 39,5% eingebrochen. Das Handelsbilanzdefizit hat sich damit von 7'962 Mio. $ um 57,3% auf 3'398 Mio. $ verringert. Von Januar bis Ende Juli ist das Defizit im Aussenhandel im Vergleich zur Vorjahresperiode um 60,1% geschrumpft. Die Ausfuhren deckten die Einfuhren im Juli zu 72,7%. Zum Vergleich: 61,3% im Jahre 2008.


Export & Import July 2009, Graph: Turkish Statistical Institute

Die Ausfuhren in die EU (total: 4'320 Mio. $) sind um 29,2% zurückgegangen. Der Anteil der EU-Länder am türkischen Export betrug im Juli 47,8%. Im Vergleich 48,5% 2008. Der Haupthandelspartner der Türkei war Deutschland mit 851 Mio. $ (das ist ein Minus von 30,9%), gefolgt von Frankreich mit 626 Mio. $, GB mit 626 Mio. $ und Italien mit 534 Mio. $. Die Türkei hat im Juli am meisten aus Russland Waren eingeführt: 1'618 Mio. $, gefolgt aus Deutschland mit 1'215 Mio. $ und aus China mit 741 Mio. $. Importiert wurden hauptsächlich Mineralölprodukte, Maschinen, mechanische Geräte, Boilers, Equipments und Teile, elektrische Maschinerie usw. Die Türkei ihrerseits hat v.a. Fahrzeuge, mechanische Geräte, Bekleidung exportiert.


Foreign Trade July 2009, Graph: Turkish Statistical Institute

Disney kauft Marvel

Mickey Mouse trifft Spiderman.

Walt Disney (DIS), der Medien- und Entertainment Konzern hat heute die Übernahme des Comic-Verlaghauses Marvel Entertainment (MVL) angekündigt. Der Kaufpreis beläuft sich auf 4 Mrd. $.

Aktueller Stand der Aktienkurse: DIS: 26,45$, -0,30%, MVL: 49 $, +26,8%

Sonntag, 30. August 2009

Verschuldung als Ursache der Krise

Nicht die niedrigen Zinsen der Zentralbanken, sondern die exzessive Kreditvergabe getrieben durch die Deregulierung und die wachsende Verschuldung haben zum Entstehen der derzeitigen Krise geführt. Die Verschuldungsquote der privaten Haushalte war vor dem Ausbruch der Krise auf 100% des BIP geklettert. James Kwak macht in diesem Kontext in Baseline Scenario auf einen interessanten Essay von Menzie Chinn und Jeffry Frieden in La Follette Policy Report aufmerksam. Die beiden Professoren betrachten die aktuelle Episode als eine Wiederholung der letzten Schuldenkrisen (Mexiko 1994, Asien 1997/98 usw.) getrieben durch eine verschwenderische Haushaltspolitik, welche durch eine Kombination von hohem Fremdkapitaleinsatz (Leverage), Finanzinnovationen und Deregulierung viel bösartiger geworden sei. In diesem Umfeld sind Spekulation und offene kriminellen Aktivitäten gediehen, die aber nicht zu den ursächlichen, sondern zu verschärfenden Faktoren zählen, so Chinn und Frieden.


Actual and Cyclically Adjusted Budget Deficits, Graph: Menzie Chinn and Jeffry Frieden, 2009 in: Policy Report

Die Katastrophe sei als das jüngste Beispiel eines „Kapitalzufluss-Zykluses“ zu bewerten, indem ausländisches Kapital ein Land überflutet, dort durch Förderung der Risikobereitschaft sowie des Einsatzes von Leverage einen Aufschwung auslöst. Das Ganze endet schliesslich in einem Absturz, so die beiden Ökonomen. Es kommt zu einer Blase, weil die geliehenen Gelder in „non-tradable“ Güter wie Immobilien und Finanzdienstleistungen angelegt werden.

Die Autoren betrachten die niedrigen Zinsen durch die Fed als Faktoren, welche die Krise verschärft haben. Aber im wesentlichen erwähnen sie die Entwicklung eines unregulierten Finanzsektors, der die gesamte Palette von Regulierungen, welche im Zuge der Grossen Depression eingeführt worden waren, umgangen hat. Das habe den Finanzmarkt für traditionelle „Bank-Run“ anfällig gemacht. Die Abschaffung der Regulierungsaufsicht in Gegenwart von Finanzinstituten, die „too big to fail“ waren, bedeutete der Aufbau von impliziter Staatshaftung.

Mit der verschwenderischen Haushaltspolitik meinen die Autoren übrigens die der Bush-Administration, welche die Zinsen (für reiche) massiv senkte, aber gleichzeitig die Ausgaben erhöhte.

Verhaltensökonomie für Makroökonomen

Robert Shiller gilt als Vordenker der Verhaltensökonomie. In einem Interview mit der faz.net erklärt der Ökonom, was das Problem der Makroökonomie ist: Es gibt nicht genug Daten, um irgendetwas zu beweisen. Also werden Modelle entwickelt, die richtig aussehen, aber keine psychologischen Elemente enthalten. Blasen kommen in diesen Modellen nicht vor. „Mehrere Menschen fühlen das Gleiche. Das ist das, was in einer Blase passiert“, sagt er. Fazit: Märkte sind laut Prof. Shiller, der an der Yale Universtiy unterrichtet, nicht effizient. Denn wenn man daran glaubt, dass die Märkte effizient sind, geht man davon aus, dass Marktpreise immer richtig sind und Spekulationsblasen folglich nicht existieren können.

In einem kompliziert geschriebenen Essay in The New York Times von Sonntag befasst sich Schiller desweiteren mit dem Thema „Vertrauen“ im Zusammenhang mit den ersten globalen Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung. Er fragt sich, warum das Vertrauen in einer grossen und vielfältigen Welt so schnell wieder wachsen kann, obwohl das Konjunkturpaket der Regierung gar nicht gross genug gewesen sei. Wirtschaftsanalysten wenden sich wieder an Indikatoren wie Beschäftigung, Wohnungsbau und Einzelhandel als Ursache für eine Erholung, auch wenn sie in Wirklichkeit nur Symptome sind. Für eine ausführlichere Erklärung sollte laut Schiller der Blick über die traditionellen Wirtschaftsbeziehungen hinaus danach gerichtet werden, wie die Weltwirtschaft durch „soziale Epidemien“, Ansteckung von Ideen und grosse Feedback-Schleifen, welche die Weltanschauungen ändern, funktioniert. Diesen Erklärungsansatz begründet Shiller in seinem neuen Buch „Animal Spirits“.

Samstag, 29. August 2009

Norwegens Staatsfonds wechselt nach Rekordverlust Management

Der Staatsfonds Norwegens (GPF: Government Pension Fund) hat das Management vollständig gewechselt, nachdem dieses im vergangenen Jahr einen Rekordverlust eingefahren hat. Norwegen hat mit GPF den weltweit drittgrössten Sovereign Wealth Fund (SWF) mit einem Anlagevolumen von 410 Mrd. Dollar. Der Verlust von 633 Mrd. Krone hat den Gewinn aus 12 Jahren ausgelöscht. Im Vorfeld hatte das Management (1) den Aktienanteil von 40 auf 60% erhöht, (2) sich in den Entwicklungsländern engagiert und (3) in Immobilien investiert. Norwegen ist der 5. grösste Öl-Exporteuer und der 2. grösste Erdgas-Exporteur der Welt. Der Staatsfonds leitet die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Im Portfolio des Fonds befinden sich Aktien aus weltweit 8'000 Unternehmen.

Norwegen wurde von der Weltwirtschaftskrise weniger stark erfasst als andere europäische Staaten. Die öffentliche Hand beschäftigt ein Drittel der Arbeitskräfte im Land. Die norwegische Regierung hat das grösste Konjunkturpaket seit mehr als 30 Jahren aufgeschnürt und eine expansive Fiskalpolitik an den Tag gelegt. Der Staat hat kontinuierlich in den Ölsektor investiert, welcher rund ¼ der Gesamtwirtschaftsleistung ausmacht. Die Arbeitslosigkeit, die im Jahr 2011 auf 4,1% ansteigen soll, verläuft relativ niedrig. Die Zinssenkungen kamen den Konsumenten zugute, die im europäischen Vergleich im Verhältnis zum Einkommen relativ hoch verschuldet sind. Die norwegische Zentralbank dürfte im Dezember anfangen, die Zinsen wieder zu straffen.

1 NOK= 0,1755 CHF
1 NOK= 0,1158 Euro

Bankpleiten: FDIC schliesst weitere drei Banken

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag drei weitere Banken in California, Maryland und Minnesota geschlossen. die Anzahl der Banken, die im Zuge der Krise dichtgemacht haben, auf 84 gestiegen.

Bankpleiten:
2009: 84 Banken
2008: 25
2007: 3

Hunderte von Banken dürften in den nächsten Jahren v.a. wegen der notleidenden Darlehen für gewerbliche Immobilien scheitern. Die Anzahl der Banken, die auf der Problemliste der FDIC figurieren, ist Ende Juni auf 416 von 305 (von 252 im vierten Quartal) im ersten Quartal gesprungen. Das ist die höchste Zahl seit Juni 1994 während der „savings and loan“-Krise. Die Einlagensicherungsbehörde schätzt die Kosten der Sicherung auf rund 70 Mrd. $ bis 2013. Sheila Bair, die FDIC-Chefin sagte am Donnerstag, dass es keinen dringenden Plan gebe, von der Regierung mehr Geld zu leihen, um damit den Versicherungsfonds aufzufüllen. Die Behörde verfügt über eine Kreditlinie von 500 Mrd. $ beim amerikanischen Schatzamt. Die FDIC wird vollständig von der Regierung gestützt. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt. Und die Behörde hat noch Rückstellungen in Milliardenhöhe, darunter 21,6 Mrd. $ in bar, abgesehen vom Versicherungsfonds.

Swap Renditekurve

Swapsätze sind i.d.R. höher als die Treasury-Renditen, teilweise weil die variablen Zahlungen sich auf Zinsen (als Referenz) beziehen, die ein Kreditrisiko enthalten. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, liegt aber die Rendite der 30-jährigen US-$ Swaps niedriger als die der 30-jährigen US-Treasuries. Das bedeutet eine inverse (fallende) Swap Zinsstruktur. Das ist seltsam und kommt selten vor, insbesondere in Krisenzeiten. Aber wie ist es möglich? Schliesslich haben US-Staatspapiere mit „AAA“ das beste Rating der Welt. Es liegen eben technische Faktoren zugrunde. Diese Konstellation sagt daher gar nichts über die Bonität aus.




LaufzeitUS-TreasuriesUS-$ Swaps
10 Jahre3,459%3,689%
30Jahre4,227%4,137%

UST Benchmark Swap Spreads:
10y: 23,03
30y: -9,02
Daten : US Interest Rates, Morgan Stanley

Das Ganze hat mit der Hedging-Nachfrage zu tun, wie Jim Caron von Morgan Stanley kommentiert. Options-Händler, die Optionen mit diskontinuierlichen Auszahlungen (wie z.B. Cash-or-Nothing Options) strukturiert haben, haben Exposures im Bereich von 10- und 30-jährigen Anleihen. Sie streben daher feste Zahlungen im 30-jährigen Bereich von Swaps an. Ihre Nachfrage treibt die Renditen der entsprechenden Swaps nach unten.

Der TED-Spread, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, ist gestern auf 21,058 Basispunkte gefallen. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel liegt im langfristigen Durchschnitt bei 0,31%. Ein Anstieg des Aufschlags (für unbesicherte Kredite) bedeutet, dass die Liquidität am Geldmarkt knapp ist. Ein Rückgang hingegen deutet auf eine Entspannung hin.

Der LIBOR-OIS-Spread, der Aufschlag für besicherte Kredite ist auf 17,5 Basispunkte gefallen, von 30 Basispunkten vor einem Monat. Das Stressausmass am Geldmarkt gibt die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem OIS-Satz an.

Exkurs:
Swap-Sätze dienen als Benchmarks für Investoren in vielen Arten von Schulden, einschliesslich Hypotheken, Mortgage Backed Securities, Wertschriften, die mit Autodarlehen besichert sind usw. Bei Swap-Geschäften geht es um Vereinbarungen über den zukünftigen Austausch von Cash Flow gemäss einer festgelegten Formel.

Freitag, 28. August 2009

Repo-Satz für Overnight fällt gegen Monatsende

Der Repo-Satz für Übernachtgeschäfte (overnight repo on general collateral) lag in den vergangenen drei Tagen mit 0,11% unter der Target Fed Funds Rate von 0,125%. Grund: Gegen Monatsende steigt der Bedarf nach Collateral (Sicherheitshinterlegung). Die Nachfrage und das Angebot nach und an Collateral (Wertpapiere zur Absicherung: i.d.R. US-Treasuries) bestimmen das Niveau für den Reposatz.

Bekanntlich agieren die führenden Zentralbanken seit der Zuspitzung der Krise nur noch als „lender of first resort“. Vor allem die Fed übt die Aufgabe als primärer Anbieter von Liquidität aus. Das belegen die Daten aus dem Geldmarkt. Die Banken sind zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten. Sie kaufen entweder US-Staatsanleihen oder legen das Geld bei der Fed an.

Defizit rettet die Welt vor Absturz

Die aktuelle Budgetprognose der US-Administration zeigt ein kumulatives Defizit von 9'000 Mrd. $ für die kommenden 10 Jahre. Wie erschereckend ist diese Zahl? Was ist davon zu halten? Paul Krugman schreibt in seinem Blog bei New York Times, dass das Defizit derzeit der Wirtschaft helfe. In der Tat haben die Defizite hier und in den anderen grossen Volkswirtschaften die Welt vor einem viel tieferen Absturz gerettet. Der einzige Grund zur Sorge ist politisch, hält Krugman fest. Es gebe 2 Ursachen, warum das Loch im Haushalt grösser geworden ist: (1) Die Rezession hat zu einem starken Rückgang der Steuereinnahmen und zu einem starken Anstieg der Arbeitslosenversicherung geführt. (2) Die hohen Ausgaben des Staates für die Rettung der Finanzbranche. Diese werden auch als Teil des Defizits gerechnet, obwohl die Regierung Aktiva in Prozess gekauft hat, die sie irgendwann zumindest zum Teil als Geld zurückbekommen wird. Es ist daher gut, jetzt ein Defizit zu haben, schlussfolgert Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften. Was wäre passiert, wenn die US-Regierung und die anderen Länder versucht hätten, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, indem sie die Steuern erhöht und die Ausgaben gekürzt hätten wie es in den 1930er Jahren geschehen ist? Eine Wiederholung der Grossen Depression wäre unvermeidbar gewesen.

In der Tat ginge es uns heute besser, wenn die Regierung ein noch höheres Defizit für die nächsten zwei Jahre eingefahren wäre, bemerkt Krugman. Es sei eine schlechte Sache, gesteht Krugman, so viel Schulden anzuhaufen. Aber man müsse die richtige Perspektive haben. Die Schulden werden normalerweise als Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung (debt/GDP ratio) betrachtet. Die reale Zinsbelastung der zusätzlichen Verschuldung würde rund 1% des BIP ausmachen, oder 5% der Einnahmen. Das hört sich nicht als überwältigende Schuldenlast an, schreibt Krugman weiter. Die Zinsen verlaufen zur Zeit niedrig. Die Regierung ist in der Lage, sich langfristig zu weniger als 3,5% zu verschulden. Niemand scheint über eine Insolvenz der USA besorgt. Die Staatsschulden würden sich 2019 auf rund 70% des BIP belaufen. Das ist nicht gut, aber überschaubar wie historisch erwiesen. Als Fazit bemerkt Krugman, dass die Gefahren politischer Natur sind, nicht ökonomisch.

Finanzinnovationen:
The Good, The Bad and The Ugly

Blogger Felix Salmon sagt: „Financial Innovation was a good thing, until it became a way for bankers to get around regulation“. Eine geniale Formulierung. Was meint Felix damit? Finanzinnovationen sind eine gute Sache, solange sie den Bankers nicht dazu dienen, die Regulierungen zu umgehen. Hier ist sein Artikel: Unbedingt lesen!

Hier ist der interessante Essay von Simon Johnson und James Kwak. Eine lesenswerte Zusammenfassung von Finanzinnovationen, welche neulich die Märkte weltweit durcheinander gewirbelt haben.

Donnerstag, 27. August 2009

Anleihenmarkt: Renditeniveau bleibt trotz Haushaltsloch niedrig

Die Bond-Käufe von Banken sorgen dafür, dass die Nachfrage nach US-Staatsanleihen nicht abreisst. Aber auch die Nachfrage aus dem Ausland nach US-Treasuries bleibt in Takt. Die Rendite der 10-jährigen amerikanischen Staatspapieren nähert sich laut Bloomberg dem tiefsten Niveau seit sechs Wochen. Die Anleihen dürften, wenn es so weiter geht, den zweiten Monatsgewinn in Folge verbuchen. Das US-Schatzamt will heute 7-jährige Treasuries im Volumen von 28 Mrd. $ versteigern. Zu Wochenbeginn verkaufte das Finanzministerium erfolgreich 2- und 5-jährige Staatspapiere für insgesamt 109 Mrd. $. Da die Fed die Leitzinsen bei nahe Null Prozent hält, werden „carry“-Geschäfte für Händler attraktiv. Das heisst, dass das am kurzen Ende günstig geliehene Geld langfristig am Anleihenmarkt geparkt wird. Die Differenz ist der Gewinn.


Breakeven Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Breakeven Rate, welche die Differenz zwischen der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen und der Rendite der 10-jähringen inflationsgeschützten (TIPS) Staatsanleihen misst, entspricht den langfristigen Inflationserwartungen. Daraus kann geschlossen werden, dass die Händler am Anleihenmarkt derzeit mit keinem Inflationsanstieg rechnen.

Fazit: Obwohl der Finanzierungsbedarf der USA steigt, bleibt das Renditeniveau niedrig. Die US-Regierung hat vor zwei Tagen ihre Defizitprojektionen deutlich nach oben korrigiert. In den nächsten 10 Jahren muss die US-Administration 9'000 Mrd. $ einsammeln. Dennoch verharrt das Renditeniveau gedämpft. Im Vorfeld hatten viele Experte vor stark steigenden Zinsen gewarnt. Das trifft jetzt trotz des grösser werdenden Haushaltslochs nicht ein. Gestützt auf die Analysen von John Hicks (1937) lässt sich beobachten, dass es eine Korrelation zwischen Haushaltsdefizit und Zinssätzen gibt, wie Paul Krugman und Brad DeLong festhalten. Ein hohes Defizit geht mit niedrigen Zinsen einher. Und vice versa. Zudem bewirken der hohe Bedarf nach Sicherheit und die breite Deflationswahrnehmung derzeit, dass der Anstieg der Staatsverschuldung nicht zu höheren Zinsen führt.

SNB: Devisenkäufe

„Es ist der SNB durch Devisenkäufe gelungen, den Aufwertungstrend des Franken gegenüber dem Euro bisher wirkungsvoll einzudämmen und die EURO/CHF Volatilität deutlich zu reduzieren“, sagte Thomas Jordan, Mitglied des SNB-Direktoriums am Montag im Rahmen eines Referats. Hier ist eine anschauliche Abbildung dazu:


SNB stoppt CHF-Aufwertung, Graph: Prof. Thomas Jordan, SNB, August 25,2009

Weiteres zum Thema „SNB und Interventionen am Devisenmarkt“: Hier.

Mittwoch, 26. August 2009

Nouriel Roubini kommentiert Ben Bernankes Wiederernennung

In einer aktuellen Stellungnahme kommentiert Nouriel Roubini die Wiederernennung von Ben Bernanke als Fed-Chef. Roubini verweist zunächst auf seinen Essay in New York Times. Vor einem Monat hatte Roubini zunächst auf „drei Fehler“, die Bernanke und die Fed gemacht haben, hingewiesen und sich dann für die erneute Ernennung ausgesprochen. Nun schreibt der Ökonom, der an der Stern School of Business, NYU lehrt, dass die Fed und das amerikanische Schatzamt zwischen Scylla und Charybdis navigieren müssen, um eine Exit-Strategie aus dem massiven geld- und fiskalpolitischen Stimulus zu formulieren, ohne in US-wirtschaftlichen Perspektiven zu sinken. Wie Roubini neulich in einem Essay in Financial Times geschrieben hat: „damned if they do and damned if they dont“.

Steigt die Fed zu früh aus, ist die Gefahr gross, dass die Wirtschaft in eine zweite Rezession stürzt (double-dip recession). Wartet sie zu lang, entsteht langfristig Inflationsgefahr.

SNB: Stimmungsumschwung am Aktienmarkt

Die SNB interpretiert die jüngsten Kursavancen an den Aktienmärkten als Korrektur der vorangegangenen Übertreibungen nach unten. In einem Referat in Schwyz sagte Thomas Jordan gestern, dass die während der Finanzkrise ergriffenen geldpolitischen Massnahmen der SNB zu einer Stablisierung der Finanzmärkte beigetragen haben. Hier ist eine anschauliche Abbildung aus dem erwähnten Vortrag des Mitglieds des SNB-Direktoriums.


Aktienerholung, Graph: Prof. Thomas Jordan, SNB, August 25, 2009

Nachdem die SNB die Zinsen drastisch gesenkt hat, können die Banken über Repo-Geschäfte Liquidität praktisch zum Nulltarif beziehen. Thomas Jordan bemerkte jedoch zugleich, dass weiterhin grosse Unsicherheiten bestehen. „Die Gefahr für Rückschläge sollte nicht leichtfertig unterschätzt werden“, so Jordan.

S&P/Case-Shiller Home Price Index:
June 1,4%, -15,4% y/y

Die gestern vorgelegten Daten von Standard & Poor’s Case/Shiller Index signalisieren den zweiten Monat in Folge positive Anzeichen. Der US National Composite Index stieg im zweiten Quartal im Vergleich zum ersten Quartal. Der S&P/Case-Shiller US National Home Price Index ist aber im zweiten Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahresquartal um 14,9% gefallen. Während der Index immer noch ein erhebliches jährliches Minus verbucht, ist dies gegenüber dem Rückgang von 19,1% im ersten Quartal des Jahres eine Verbesserung.

Der 10-City und 20-City Composite Home Indices verbuchten annualisiert Rückgänge von 15,1% resp. 15,4%. Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber den Rekordverlusten von -19,4% resp. -19,1,%.


S&P/Case-Shiller Home Price Index, Graph: Standard & Poor’s

Während Indikatoren Anzeichen einer Wiederbelebung im Immobilienmarkt signalisieren, ist in Erinnerung zu rufen, dass die durchschnittlichen Häuserpreise in den USA im zweiten Quartal auf dem Niveau von früheren 2003 notieren. Von der Spitze im zweiten Quartal 2006 sind die Häuserpreise um 30,2% gesunken.


S&P/Case-Shiller National Home Price Index, Graph: Standard & Poor’s

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Der Preisverfall am US-Immobilienmarkt gilt als Auslöser der Kreditmarktkrise.

Dienstag, 25. August 2009

SNB: Keine Wende in der Geldpolitik

Die Schweizer Volkswirtschaft erfährt gegenwärtig den schärften konjunkturellen Einbruch seit Mitte der 1970er Jahren, sagte Thomas Jordan heute in einem Referat in Schwyz. Für das Gesamtjahr 2009 rechnet die SNB mit einem (negativen) Wachstum des realen BIP in einer Grössenordnung von bis zu -3,0%. Der Wachstumseinbruch falle dabei im internationalen Vergleich moderat aus, so Jordan, Mitglied des Direktoriums der SNB. Ursächlich sei hierfür die breit diverzifizierte und relativ flexible sowie strukturelle starke Schweizer Volkswirtschaft. Es liegen zudem in der Schweiz keine makroökonomischen Ungleichgewichte vor. Mit -1,2% lag die Inflationsrate im Juli 2009 auf dem tiefsten Stand seit 1959. Die durchschnittliche Teuerung wird laut SNB 2009 voraussichtlich bei -0,5% liegen. Die Deflationsgefahr scheint also noch nicht völlig gebannt zu sein.


SNB in Warteposition, Graph: Thomas Jordan, SNB, August 25, 2009

Die SNB hält den Zeitpunkt für eine Wende in der Geldpolitik für noch nicht gekommen. Es bestehe im Moment für die SNB kein geldpolitischer Handlungszwang, hält Prof. Jordan fest. Weil (1) die Schweiz von Anpassungen im Investitionszyklus erst verzögert erfasst werden dürfte, (2) die massive Unterauslastung der Produktionsfaktoren noch einige Zeit anhalten wird und (3) die Inflationsprognose mittelfristig keinen Inflationsdruck anzeigt. Im Moment überwiegen noch die Deflationsrisiken.

Fazit: Die SNB befindet sich in einer Warteposition.


Signale einer konjunkturellen Bodenbildung in der Schweiz, Graph: Thomas Jordan, SNB, August 25, 2009

Heisst das aber, dass die SNB keine Exit-Strategie hat? Keineswegs! Die SNB legt grossen Wert auf die optimale Durchführung des mittelfristig notwendigen Liquiditätsabbaus. Wie geschieht das? Die technische Umsetzung ist problemlos möglich: (1) Viele unkonventionelle Massnahmen laufen bei Nichterneuerung automatisch aus. (2) Die SNB-Bills stellen ein effizientes Instrument zur Abschöpfung von Liquidität dar.

Anspruchsvoller ist jedoch (a) der Ausstiegszeitpunkt und (b) die Standfestigkeit gegenüber dem politischen Druck.

Fed-Chef Ben Bernanke bekommt eine zweite Amtszeit

Der 55-Jahre alte Ben Bernanke bekommt eine zweite Amtszeit als Fed-Chef. Die Wiederernennung wurde heute von US-Präsidenten Obama mitgeteilt worden. El-Erian, CEO und Co-CIO von Pimco gibt jetzt Bernanke via FT Alphaville eine „to-do-list“ mit auf den Weg. Er schreibt, dass die zweite Amtszeit schwierig zu werden verspricht, da sie durch vier grosse Themen definiert werden wird:

(1) Bernanke werde beim Ausstieg aus einer beispiellosen Reihe von unkonventioneller Politik der Fed das „wie“ und „wann“ navigieren müssen. Wie Nouriel Roubini in Financial Times am Montag detailliert beschrieben hat, ist das keine leichte Aufgabe, betont El-Erian. Ein zu früher Ausstieg würde die USA zurück in die Rezession führen. Das wahrscheinlichere Ergebnis des zu lange Kurshaltens an der gegenwärtigen Politik würde andererseits Inflation heraufbeschwören und das Funktionieren einiger Märkte untergraben, urteilt der Pimco-Strategist.

(2) Bernanke werde die institutionelle Integrität der Fed verteidigen müssen. Die Politiker merken, dass die Fed über eine enorme Macht verfügt, das analytische Gegenstück der Fiskalpolitik zu führen, was normalerweise unter der Domäne der Regierungen fällt.

(3) Bernanke werde die operative Ausrichtung der Fed im Zusammenhang mit regulatorischen Reformbemühungen in den Vordermann bringen müssen. Bisher liegt der Schwerpunkt darin, als ob die Fed die Leitung der Regulierungsbehörden übernehmen würde. Bernanke werde die Fed zu einem operativen Regime führen müssen, wo die Preise für Vermögenswerte in der Gestaltung der Geldpolitik berücksichtigt werden sollten. Bernanke werde sich ferner mehr um die Auswirkungen von Wechselkursveränderungen kümmern müssen, so El-Erian.

(4) Bernanke werde eine wichtige Rolle in der Multi-Agentur spielen müssen, v.a. bei der grenzüberschreitenden Gestaltung einer besseren Krisenprävention.

Als Fazit bemerkt El-Erian, dass keine dieser Aufgaben einfach ist und alle zusammen eine erhebliche politische Herausforderung bilden.

Deutsche Bank will Nachranganleihe begeben

Die Deutsche Bank plant, eine Nachranganleihe zu begeben. Financial Times berichtet von einem Volumen von bis zu 500 Mio. Euro. Da der Mindestanleihebetrag nur 1'000 Euro beträgt (üblich wäre 50'000 Euro), ist anzunehmen, dass die Bank mit der Hybrid Anleihe Kleinanleger (sog. Retail Clients) anzapfen will. Die Anleihe wird 2015 callable und dürfte einen Coupon zwischen 9 und 10% tragen. Der DB ist es dieses Jahr gelungen, für jeweils 1 Mrd. Euro Senior Bonds und Covered Bonds auszugeben.

Die DB hatte im Dezember durch die Nicht-Ausübung der Call-Option einer nachrangigen Anleihe für Aufsehen gesorgt. Die Bank hatte die Option: entweder die Anleihe mit einem Kupon von 3,875% (Laufzeit 2004/2014) zurückzuzahlen oder den sog. Step-up Kupon zu zahlen. In der Branche ist es üblich, solche Anleihen nicht weiterlaufen zu lassen. Insofern stellte die Nicht-Ausübung der Call-Option eine Art Stilbruch im breiten „Callable Bond Markt“ dar. Das könnte ein Präsedenzfall werden, befürchteten viele Händler damals. Andere Emittenten dürften dem Beispiel der DB folgen, hiess es. Die DB hat im Juni 2009 wieder auf die vorzeitige Kündigung einer Euro-Anleihe verzichtet. Es handelte sich dabei um eine nachrangige Anleihe (Tier1 Hybrid-Bond) mit einem Volumen von 650 Mio. $. Die DB wollte dadurch Kosten sparen. Die Refinanzierung durch die bestehende Anleihe war allem Anschein nach für die Deutsche Bank günstiger als die Begebung einer neuen Anleihe. Die Aktion hatte am Anleihenmarkt einen Aufschrei ausgelöst. Manche Händler riefen zum Boykott für DB-Anleihen auf. Vor diesem Hintergrund findet das Vorhaben der DB, eine neue Kernkapitalanleihe zu begeben, nun enorme Beachtung.

Nachragiges Kapital wird dem EK zugerechnet. Es vergrössert den Spielraum der Banken, mehr Kredite zu vergeben. Nachrangige Anleihen werden im Falle einer Insolvenz einer Bank erst bedient, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld bekommen haben. Sie bieten im allgemeinen höhere Zinsen, weil sie riskanter sind als andere Bankanleihen. Nachrangige Anleihen haben i.d.R. längere Laufzeiten. Die Anleihen können nach einer bestimmten Zeit vorzeitig zurückbezahlt werden.

Fazit: Nachrangige Anleihen sind für Kleinanleger nicht empfehlenswert. Also Hände weg.

Ponzi Falle: „Ein staatliches Schneeballsystem“

In einer Liquiditätsfalle versagt die klassische Geldpolitik. Nur durch eine expansive Fiskalpolitik kann die Situation verbessert werden. Erforderlich sind unkonventionelle Mittel („quantitative easing“), um gegen die Rezession zu kämpfen. Was ist aber eine „Ponzi-Falle“? Der Begriff taucht in der aktuellen Analyse (The Exit Strategy from Monetary and Fiscal Easing) von Nouriel Roubini auf. Da der Ausdruck in der Literatur bisher nicht vorkommt, ist anzunehmen, dass Roubini selbst die Definition ("a sovereign Ponzi scheme") prägt. Es geht dabei um die fiskalpolitischen Auswirkungen (Kosten) von Bailout-Massnahmen: Konjunkturpakete, neue Kreditfazilitäten, Rekapitalisierung der Banken, staatliche Garantien für „Bad Assets“, Erhöhung der Einlagensicherung usw. Das alles summiert sich laut Roubini auf 12'000 Mrd. $. Bisher sind rund ¼ davon ausgegeben worden. Der Fiskal Stimulus erhöht das Haushaltsdefizit nun auf 13% des BIP. Der gesamte Schuldenstand des Staates nimmt zu. Die Wirtschaftskrise treibt also die Staatsverschuldung auf 40% des BIP.

Allein der Anteil der Zinszahlungen an Schulden würde sich laut Roubini auf 300 bis 400 Mrd. $ im Jahr belaufen, was langfristig mehr Schuldenaufnahme bedeuten würde, falls das Primärsaldo nicht reduziert werden sollte. Wenn also der Staat einen Punkt erreicht, wo die Schuldenaufnahme erhöht werden muss, um die Zinsen zu tilgen, dann sei man gefährlich nahe an einem "staatlichen Schneeballsystem". Um aus der Ponzi-Falle rauszukommen, müssten Regierungen entweder die Zinsen erhöhen, oder Ausgaben kürzen, oder die Schulden monetarisieren. Sehr wahrscheinlich müssten sie aber eine Kombination aus drei Möglichkeiten kreieren.

Fazit: Die Finanzierungskosten der Bailout-Massnahmen für die Finanzbranche können laut Prof. Nouriel Roubini langfristig zu Inflation führen, wenn das steigende Budgetdefizit mit Erhöhung des Zahlungsmittelumlaufs (Monetarisierung) einhergeht anstatt durch Staatsschulden finanziert zu werden. Roubini befürchtet eine zweite Weltrezession (double-dip recession). Es darf aber nicht vergessen werden, dass die privaten Haushalte in den USA zugleich ihre Sparquote radikal anheben. Und das Defizit in der Staatskasse entsteht, weil die US-Regierung die Konjunktur stabilisieren will.

PS:Primärsaldo ist die Differenz zwischen öffentlichen Einnahmen (ohne Netto Kreditaufnahme) und öffentlichen Ausgaben abzüglich der Zinszahlungen auf die ausstehenden Staatsschulden. Es ist ein Mittel zur Beurteilung der aktuellen Finanzpolitik, weil es ja die Zinszahlungen, die aus der Vergangenheit herrühren, vernächlässigt.

CDS-Prämien für israelische Staatsanleihen fallen weiter

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen sind im August weiter gefallen. Die Risikoaufschläge für 5-jährige Kontrakte sind damit im August von 131 Basispunkten auf 115 Basispunkte gesunken. Das heisst, dass Investoren 1,15% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 115’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.

Die Bank of Israel (BoI) hat gestern als die erste westliche Zentralbank die Zinsen wieder erhöht. Der Schlüsselzinssatz für kurzfristige Gelder wurde um 25 Basispunkte auf 0,75% angehoben, um die Inflation zu mässigen und die Erholung der Wirtschaft zu stützen.

Die BoI hatte zwischen 2008/09 die Zinsen um insgesamt 375 Basispunkte gesenkt. Die Zinsen lagen von April bis August 2009 bei 0,50%. Was ist nun der nächste Schritt? Wird die BoI die Zinsen bis Ende Jahr weiter anheben? Das Protokoll der BoI-Sitzung könnte darüber Aufschluss geben, wie Tevfik Aksoy von Morgan Stanley in seiner aktuellen Analyse bemerkt. Die Notizen werden am 7. September veröffentlicht. Die Inflation lag im Juli bei 3,5%, nach 3,6% im Juni. Die Landeswährung Schekel steht nun aber unter Aufwertungsdruck. Die BoI könnte daher nicht gleichzeitig die Zinsen erhöhen und im Devisenmarkt US-Dollar kaufen.

Montag, 24. August 2009

Jobless Recovery = Economic Purgatory

Die Rezession gilt nach dem minimalen Wachstum des BIP im zweiten Quartal technisch als beendet, unabhängig davon, wie nachhaltig die Erholung sein wird. Da aber zugleich die Arbeitslosigkeit anhält, bezeichnet Paul Krugman die aktuelle Situation der Wirtschaft als „Jobless Recovery“. Neulich hat Krugman in einer TV-Gesprächsrunde zur Beschreibung der konjunkturellen Lage den Begriff „Economic Purgatory“ (Wirtschaft in Fegefeuer) gebraucht.


Output Gap, Economic Purgatory, Graph: Prof. Paul Krugman, August 2009

Nachdem er nun mehrere Zuschriften von Lesern bekommen habe, nimmt er heute in seinemBlog wieder dazu Stellung. Das reale BIP wackelt auf und ab, hat aber insgesamt eine Aufwärtsentwicklung, beschreibt Krugman. Gestützt auf die Produktionslücke (output gap) zeigt er in anschaulichen Abbildungen auf, wie die Arbeitslosenquote graphisch abzulesen ist.

Bank of Israel erhöht als erste Zentralbank ihren Leitzins

Die Bank of Israel (BoI) hat heute nachmittag ihren Leitzins um 0,25% auf 0,75% erhöht, um die Inflation wieder in den Zielbereich zu bringen und die wirtschaftliche Erholung wiederherzustellen. Die wichtigsten Überlegungen hinter der Entscheidung sind:

(1) In den letzten Monaten ist die Inflation annualisiert über dem Zielbereich der Preisstabilität gemessen worden. Ein beträchtlicher Teil der Abweichung war das Ergebnis von ausserordentlichen Faktoren (wie von höheren Steuersätzen, Mehrwertsteuereröhung und Wasserpreisen). Aber auch ohne diese Elemente lag die Inflation in der Nähe der Obergrenze des Zielkorridors. Die 12-Monate-Inflationserwartungen sind um den Mittelpunkt des Zielbandes gefallen. Doch nimmt die BoI an, dass die Abnahme der Inflationserwartungen nicht nur auf die weitere Erweiterung der Output-Lücke, sondern auch darauf zurückzuführen ist, dass die BoI ihre Leitzinsen in den nächsten Monaten anheben würde.


Israel CPI, Graph: Bloomberg.com

(2) Die jüngsten Daten der realwirtschaftlichen Aktivitäten in Israel verstärken die Einschätzung, dass es zu einer konjunkturellen Trendwende gekommen ist, obwohl es eine grosse Unsicherheit bezüglich der zu erwartenden Wachstumstrate gibt.

(3) Die Zinssätze der führenden Zentralbanken überall auf der Welt dürften bis zum Jahresende unverändert bleiben, und möglicherweis sogar bis in die Mitte 2010. Doch anders als in Israel dürfte die Inflation in diesen Ländern voraussichtlich für 2009 und 2010 gering bleiben.

Anleiheemissionen an der Tel Aviv Stock Exchange (TASE)

Der Schuldenstand im Unternehmenssektor (abgesehen von Banken und Versicherungen) ist im Juni um 2 Mrd. NIS auf 723 Mrd. NIS zurückgegangen. Seit Beginn des Jahres 2009 hat der ausstehende Betrag an Schulden um rund 4,6 Mrd. NIS abgenommen. Das war hauptsächlich das Ergebnis einer Verringerung der Schulden an die Banken und kam trotz eines Anstiegs bei den ausstehenden Nicht-Banken Krediten. Die ausstehenden Schulden der Wirtschaft an die Banken fiel um rund 4,4 Mrd. NIS im Juni. Seit Beginn des Jahres bedeutet das ein Rückgang um 11,5 Mrd. NIS (2,8%) auf ein Niveau von 399 Mrd. NIS.

Die Anleihenemissionen des Wirtschaftssektors an der Tel Aviv Stock Exchange (TASE) betrug im Juli 1,9 Mrd. NIS, wobei 1,1 Mrd. NIS davon „tradeable“ Bonds sind. Das entspricht einem Rückgang vom Durchschnitt von 2,6 Mrd. NIS in den vergangenen zwei Monaten. Seit Beginn des Jahres 2009 sind im Wirtschaftssektor insgesamt 12,3 Mrd. NIS an Anleihen emittiert worden. 8,1 Mrd. NIS davon sind an der TASE handelbar.

Türkei: Anzahl Touristen im Juli 2009

Die Anzahl der Touristen, die die Türkei besucht haben, ist im Juli 4'343'025 betragen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Anstieg um 6,32%.


Total Number of Tourists (y/o/y), Graph: Turkish Treasury

Insgesamt haben 14'933'656 Touristen die Türkei zwischen Januar und Juli 2009 besucht. Das entspricht einem Plus von 1,10% im Vergleich zu der Periode 2008.

US-Haushaltsdefizit: Wie schlimm ist die Lage?

Die US-Regierung wird morgen ihre neue Schätzung für das Haushaltsdefizit der kommenden 10 Jahren bekanntgeben. Das Defizit dürfte aufgrund der anhaltenden Krise um 2'000 Mrd. $ nach oben korrigiert werden. Das bedeutet, dass das Minus im Haushalt sich auf 9'000 Mrd. $ belaufen wird. Der Schuldenstand der USA lag Ende 2008 bei rund 41%. Nun drängen sich einige Fragen in den Vordergrund: Wie verlässlich sind 10-Jahresprognosen? Wird US-Präsident Obama wegen der steigenden Staatsverschuldung noch stärker unter politischen Druck geraten? Paul Krugman bringt in seinem Blog Licht in die Angelegenheit. Er rückt die Zahlen zusammen:

Haushaltsdefizit: 9'000 Mrd. $
US-BIP: 14'000 Mrd. $
Wirtschaftswachstum (im Durchschnitt): 2,5%
Inflation (im Durchschnitt): 2%
Das heisst, dass das US-BIP in 10 Jahren auf 22'000 Mrd. $ steigen wird.

Es geht also um das Hinzufügen von Schulden in Höhe von rund 40% des BIP, so Krugman. Die Verschuldung beträgt heute rund 50% des BIP. Selbst wenn wir mit diesem Defizit fortfahren würden, würde die Verschuldung als Anteil des BIP wesentlich weniger als am Ende des zweiten Weltkriegs ausfallen, hält Krugman fest. Die Verschuldung lag in den späten 1990er Jahren in vielen europäischen Ländern viel höher, bemerkt der Nobelpreisgewinner. Es gebe zwar manche technische Probleme, die Schulden direkt zu vergleichen. Aber es ändere am grundlegenden Bild nichts. Als Fazit unterstreicht Krugman die Tatsache, dass die Aussichten, was die Verschuldung betrifft, zwar schlecht sind. „Aber wir sind nicht auf der Suche nach etwas, was undenkbar, unmöglich ist, zu bewältigen“. Das Niveau an Verschuldung haben laut Krugman eine Reihe von entwickelten Ländern, einschliesslich USA in der Vergangenheit gehabt und sie sind damit fertiggeworden.

Nouriel Roubini warnt abermals vor einer double-dip recession

Die US-Wirtschaft überschreitet den Tiefpunkt der schlimmsten Rezession und der Finanzkrise seit der „Grossen Depression“, schreibt Nouriel Roubini in einem lesenswerten Essay in Financial Times von heute. Nun gebe es drei offene Fragen: (1) Wann wird die globale Rezession zu Ende sein? (2) Wie wird die Form des Aufschwungs sein? (3) Besteht die Gefahr eines Rückfalls? Allem Anschein nach werde die globale Wirtschaft die Talsohle in der zweiten Jahreshälfte 2009 durchschritten haben. In den USA, Grossbritannien, Spanien, Italien und anderen Ländern der Euro-Zone und in manchen Schwellenländern (viele davon in Europa) wird die Rezession laut Roubini formell nicht vor Jahresende vorbei sein. In Australien, Deutschland, Frankreich und Japan und den meisten Entwicklungsländern (China, Brasilien und in Teilen Asiens und Lateinamerika) hat die Erholung bereits begonnen, hält Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business, NYU fest. Während manche Experten behaupten, die Rezession in den USA werde V-förmig verlaufen, vertritt Roubini die Meinung, dass es sich dabei um eine U-förmige Rezession handelt. Grund: Der überhöhte Verschuldungsgrad im Privatsektor (Haushalte, Unternehmen, Finanzinstitute). Das sei keine Liquiditätskrise, sondern eine Krise der Insolvenz, betont Roubini. Der wahre Schuldenabbau habe noch nicht begonnen, weil die Verluste sozialisiert worden sind. Sie liegen auf den Schultern des Staates.

Es gebe zwei Gründe für einen Rückschlag der Rezession (double-dip recession). (a) Die Ausstiegsstrategie ( exit-strategy) aus der Lockerung der Geld- und Finanzpolitik könnte sich als Pfusch erweisen. Wenn die politischen Entscheidungsträger die Haushaltsdefizite ernst nehmen und die Steuern erhöhen, die Ausgaben senken und die Überschussliquiditität abschöpfen, könnten sie die Erholung untergraben. (b) Die Preise für Öl, Energie und Nahrungsmittel könnten schneller steigen als die wirtschaftlichen Fundamentaldaten es erfordern. Ausserdem könnten die Preise durch die spekulative Nachfrage weiter in die Höhe getrieben werden. Fazit: Die Erholung wird eher schwach als stabil ausfallen. Es gibt ein grosses Risiko eines Rückschlags der Rezession.

Sonntag, 23. August 2009

Gesamtproduktivität in Rezession

Ein Essay (Economic Letter: Growth Accounting, Potential Output and the Current Recession), der neulich von der Fed San Francisco veröffentlicht wurde, befasst sich mit der Frage, wie schwach die wirtschaftliche Lage zur Zeit ist. Die Autoren berichten davon, dass die Total Factor Productivity gefallen ist. Eine Interpretation des Inflationsanstiegs in den 1970er Jahren war, dass die Fed damals das Niveau des Potenzialwachstums überschätzt hat. Deswegen nehmen die beiden Autoren das Potenzialwachstum aus der Perspektive der Wachstumsdeterminanten unter die Lupe. Sie wollen untersuchen, ob eine Abnahme des Potenzialwachstums einen Rückgang in der aktuellen Wirtschaftsleistung während der Rezession erklären kann. Ausgangspunkt ist die Total Factor Productivity (TFP).


Contribution of Capital and Labor to Growth, Graph: FRBSF, Economic Letter, 2009-26, August 17, 2009

Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist der Arbeitskräfteeinsatz (labor input) in der Rezession eingetaucht. Warum? Weil erstens die aggregierte Nachfrage gefallen ist und zweitens die Arbeitslosigkeit ansteigt. Die Autoren kommen zum Schluss, dass der Faktor Kapital keinen bedeutenden Beitrag zum Wachstum über die nächsten Jahre leisten wird. Die Hauptdeterminante des Potenzialwachstum sei die technologische Innovation. Die Analyse der Wachstumsdeterminanten geben wenig Aufschluss darüber, ob das Potenzialwachstum während der Rezession gefallen sei. Vor dem Hintergrund der grossen Abnahme der Wirtschaftsleistung seien die Schätzungen mit der erheblichen Diskrepanz (output gap) zwischen dem tatsächlichen und potenziellen Wachstum konsistent. Als Fussnote lässt sich ferner hinzufügen, wie unklug es wäre, in dieser Situation auf Lohnkürzungen zu bestehen.

Wirtschaftliche Erholung oder nicht?

Der Aktienmarkt feiert die Zuversicht von Ben Bernanke. Fed-Chef äusserte sich beim traditionellen Treffen der Notenbanken in Jackson Hole positiv über die wirtschaftliche Entwicklung. Paul Krugman ist erstaunt, warum Bernankes Einschätzung von einer (langsamen) konjunkturellen Erholung für grosse Schlagzeilen sorgt. Wirtschaftliche Erholungen sind nicht mehr, was sie mal waren, schreibt Krugman in seinem Blog in New York Times. Grundsätzlich bedeutet eine Erholung laut einer Standard-Definition, wenn das BIP beginnt, zu wachsen. Aber die sog. „Jobless Recoveries“ sind nun zum Normalfall geworden. Das heisst, dass die Arbeitslosigkeit lange anhält, selbst wenn das BIP den Wendepunkt hinter sich gelassen hat, berichtet Wirtschaftsprofessor. Bill Clinton beispielsweise war laut Krugman in der Lage, die Wirtschaft in einen Aufschwung zu führen, obwohl die Rezession offiziell im November 2001 zu Ende ging, aber nie das Gefühl von einer Erholung bis in die zweite Jahreshälfte von 2003 vermittelte.

Vieles, was wir über Rezession und Erholung wissen, kommt aus der Erfahrung aus den 1970er und 1980er Jahren, hält Krugman fest. Jeder Abschwung sei grundsätzlich durch hohe Zinssätze, die von der Fed aufgezwungen wurden, um die Inflation unter Kontrolle zu halten, ausgelöst worden. Seit Mitte der 1980er Jahren haben wir „Great Moderation“, urteilt Krugman, mit einer ruhigen Inflation. Postmoderne Rezessionen werden nicht mehr von der Fed bewusst entwickelt. Sie geschehen Krugman zufolge aufgrund von Kredit-Blasen oder wenn andere Dinge aus dem Ruder geraten. „Während sie nicht so tief sein müssen wie die ältere Art von Rezessionen, haben sie unter Beweis gestellt, dass sie schwer zu Ende gehen. Jedenfalls nicht offiziell, was die Beschäftigung betrifft“.

Aktienmarkt vs. Stimuluspaket

Wirtschaftsdaten, die als positiv aufgenommen werden, dominieren zur Zeit das Geschehen an der Börse. Der Aktienmarkt strotzt vor Optimismus. Auch die Kritiker lassen die Gelegenheit nicht aus, ein Ende der expansiven Fiskalpolitik zu fordern, unabhängig davon, ob die Erholung der Konjunktur nachhaltig sein werde oder nicht. Robert Frank warnt in einem lesenswerten Essay in New York Times davor, das Konjunkturprogramm Obamas’ zu beenden, indem man auf die Ermahnung der Kritiker hört. Das würde ein schwerer Fehler bedeuten, schreibt er. „Wir brauchen mehr Stimulus jetzt, nicht weniger“ betont Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business an der New York Universität.

Selbst wenn die Wirtschaft sich erholt, ist sie immer noch sehr schwach. Im vergangenen Monat sind weitere Viertel-Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, so Frank. Selbst die optimistischsten Ökonomen gehen laut Frank davon aus, dass noch viele Monate vergehen werden, wenn nicht Jahre, bis sich ein robustes Wachstum der Beschäftigung einsetzt. „Nun stehen wir vor einer enormen Gefahr für die konjunkturelle Erholung: starke Kürzung der Ausgaben in den Bundesstaaten und lokalen Behörden“. Die Kürzung des Haushalts in Kalifornien um 15 Mrd. Dollar sei nur ein kleiner Teil der neulich angekündigten Ausgabensenkungen.

Samstag, 22. August 2009

US-Bankpleiten: FDIC schliesst weitere vier Banken

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag vier weitere Banken geschlossen. Die grösste unter ihnen ist die Guaranty Bank of Austin, eine der wichtigsten Regionalbanken im US-Staat Texas. Die Bilanzsumme: 13 Mrd. $. Der öffentliche Einlagensicherungsfonds FDIC (Federal Deposit Insurance Corp) schätzt die Kosten der gebeutelten Bank auf 3 Mrd. Dollar. Hauptgrund: Abschreibungen auf Immobilienkredite. Die insolvente texanische Bank wurde dem zweitgrössten spanischen Kreditinstitut Banco Bilbao Vizcaya Argentaria zugeschlagen. Erstmals wurde damit eine US-Bank, die dichtgemacht hat, von einer ausländischen Bank gekauft. Die Guaranty Bank markiert die 10. grösste Bankpleite in der US-Geschichte. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Sog der Krise geschlossen werden mussten, auf 81 gestiegen.

Bankpleiten:
2009: 81 Banken
2008: 25
2007: 3

Die weiteren drei kleinere Banken, die geschlossen wurden, sind in Georgia Alabama beheimatet. Die Behörde versichert jedes Konto mit bis zu 250'000 Dollar. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit, der Rückgang der Hauspreise und das sinkende Einkommen lasten auf Verbraucher, sodass es öfters zu Kreditausfällen kommt. Dabei wird auch die finanzielle Kraft der FDIC strapaziert. Die Einlagen der Behörde ist mit 13 Mrd. Dollar auf den tiefsten Stand seit 1993 gesunken. Das ist aber halb so schlimm, da der FDIC beim US-Schatzamt über eine Kreditlinie von 500 Mrd. $ verfügt. Die Anleger sind vor der Pleite der Banken geschützt. Der FDIC ist ein staatliches Organ. Der Staat würde daher die notwendigen Mittel rechtzeitig zuschiessen.

Freitag, 21. August 2009

US-Arbeitsmarkt: Keine Abkopplung

Die Arbeitsmarktdaten führen vor Augen, dass die Wirtschaft tatsächlich in der schwersten Krise seit der Grossen Depression in den 1930er Jahren steckt. Seit Beginn der Rezession im Dezember 2007 6,7 Mio. Stellen verloren gegangen. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe legten in der Woche bis zum 15. August auf 576'000 zu. Die Zahl für die Vorwoche wurde auf 561'000 korrigiert.


Unemployment, Labor Force and Unemployment Rate, Graph: Fed St. Louis, August 2009

Immer mehr amerikanische Bürger geraten ferner bei der Bezahlung ihrer Hypothekenschulden in Verzug. Fast jeder achte Zahler ist im zweiten Quartal überfällig. Ein Ende der Ausfälle ist nicht absehbar. Solange die hohe Arbeitslosigkeit anhält, ist nicht mit einem anhaltenden Konjunkturaufschwung zu rechnen. Der private Verbrauch macht in den USA rund drei Viertel der Wirtschaftsleistung aus. In Zahlen: ca. 9'700 Mrd. $. Der Anteil der Amerikaner beträgt an der Weltbevölkerung rund 5%. Aber die Vereinigten Staaten sind für ein Drittel des globalen Wachstums verantwortlich. Es gibt keine Abkopplung. Niesst Amerika, erkältet sich der Rest der Welt. Vor diesem Hintergrund nimmt es kein Wunder, warum manche Länder, die einseitig exportorientiert sind, im Sog der Krise kräftiger mit einem konjunkturellen Schlag konfrontiert wurden.

Definition: Too Big To Fail (T.B.T.F)

Die Finanzkrise hat nicht nur viele Lücken im regulatorischen Rahmen des Finanzsystems aufgezeigt, sondern auch zum Vorschein gebracht, wie wichtig die too-big-to-fail-Problematik ist. Da die Kosten infolge des totalen Ausfalls einer Grossbank nicht tragbar wären, erklärten sich Regierungen bereit, mit entsprechenden Massnahmen einzuschreiten. Die Gewährung von staatlichen Rettungseinsätzen hilft zwar, die gesamtwirtschaftliche Kosten zu senken, aber es entsteht zugleich ein anderes Problem: Moral-Hazard. Das heisst: Anreiz für die Banken, weiterhin exzessive Risiken einzugehen, da sie wissen, dass die Steuerzahler die Verluste übernehmen, wenn etwas schief läuft. Daher ist sich jede Regierung heute bewusst, die too-big-to-fail-Problematik energisch anzugehen. Was heisst aber „too-big-to-fail“ (T.B.T.F.) und wann liegt der Fall vor? Im vergangenen Jahr gab es viele Debatten darüber, ob die Bail-out Firmen tatsächlich T.B.T.F. waren. Die US-Regierung arbeitet nun an einem Plan, die Unternehmen, die als T.B.T.F. gelten, zu überwachen. Obwohl gesagt werden muss, dass sich inzwischen ein neuer Begriff dafür eingebürgert hat: „systemrelevant“. Laut eines Berichts von The New York Times befasst sich die Fed Cleveland mit der Definition von „T.B.T.F.“

Gibt es einige objektive Kriterien für diese Bezeichnung „systemrelevant“? Ja, sagt James B. Thomson von der US-Notenbank (Fed) Cleveland. In einem Bericht „Policy Discussion Paper Number 27, August 2009 liefert er für die Definition des Begriffs „systemrelevante Finanzinstitute" (S.I.F.I.) fünf Merkmale, wobei der Schwerpunkt auf den vier letztgenannten liegt:

(1) Grösse: (Das ist bestimmt das einfachste und möglicherweise fehlerhafteste Merkmal, um die Schwelle der Grösse einer S.I.F.I. zu klassifizieren)
(2) Ansteckung:
(3) Korrelation: (Auch bekannt als die „too-many-to-fail“-Problematik.
(4) Konzentration: (In Bezug auf die Grösse der Tätigkeiten des Unternehmens im Verhältnis zu der „Anfechtbarkeit“ des Marktes)
(5) Konditionen/Kontext.

SNB: Notenbankgeldmenge im Juli 2009

Die Entwicklung der Notenbankgeldmenge in der Schweiz im Juli 2009:
(In Millionen Franken)

2007: 44’198
2008: 77’418
2009 (März): 100’320
2009 (April): 117’953
2009 (Juni): 107’312
2009 (Juli): 109’306

Die Notenbankgeldmenge setzt sich zusammen aus: Währungsreserven + Wertschriften + Devisenswaps + Geldmarktgeschäfte - Sonstiges.


Notenbankgeldmenge, July 2009 (Entstehung), Graph: SNB, August 21, 2009

Währungsreserven beinhalten Gold und Forderungen aus Goldgeschäften + Devisenanlagen (ohne Devisen-Swaps) + Reservepositionen beim IWF + internationale Zahlungsmittel + Währungskredite.
Geldmarktgeschäfte umfassen Forderungen aus Repo-Geschäften in CHF + inländische Geldmarktforderungen + Lombardvorschüsse.
Sonstiges bedeutet Saldo der verbleibenden Bilanzpositionen (ab April 1998 inkl. Girokonten ausländischer Banken und Institutionen).

Auf der Seite der Verwendung sieht die Entwicklung im Juli 2009 so aus:
(In Millionen Franken)



Notenbankgeldmenge, July 2009 (Verwendung), Graph: SNB, August 21, 2009

Notenumlauf:
2007: 38’943
2008 (Dezember): 46’558
2009 (März): 45’596
2009 (April): 45’788
2009 (Juni): 44’859
2009 (Juli): 44’995

Girokonten inländischer Banken:
2007: 5’255
2008: 8’256
2009 (März): 54’724
2009 (April): 72’165
2009 (Juni): 62’453
2009 (Juli): 64’311

Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken = Notenbankgeldmenge
44'995 + 64'311 = 109’306

Donnerstag, 20. August 2009

Wie Pensionsfonds abgezockt werden

Die Finanzkrise hinterlässt deutliche Spuren auch in den Büchern von Pensionsfonds. Da Gewinne schrumpfen, ist der Barbestand der grössten Pensionsfonds in den USA aufgebraucht. Der Aderlass hält an. US Pensionsfunds haben laut einem Bericht von Bloomberg in diesem Jahrzehnt 1'200 Mrd. $ in Private Equity Firmen investiert. Die drei grössten Investoren, die staatliche Rentenkasse in Kalifornien, Oregon und Washington haben mindestens 53,8 Mrd. $ hingeschmissen. Bisher haben sie nur schwindende Buchgewinne und weisen viel weniger Cash für die Ruhestand-Pläne von Millionen von Menschen wie Polizisten, Lehrern und Beamten auf.

Das California Public Employees' Retirement System, der Washington State Investment Board und der Oregon Public Employees' Retirement Fund sind unter den wenigen Rentenfonds, die Informationen über ihre Investitionen offenlegen. Sie hatten laut Bloomberg per Ende 2008 nur 22,1 Mrd. Dollar in bar von den Buyout Funds seit 2000 wieder eingebracht. Das entspricht einem Fehlbetrag von 59%. Insgesamt haben sie in den vergangenen sieben Jahren aus dem Buchgewinn nichts geerntet. Buyout Funds ziehen 2% an Gebühren ein und behalten 20% des Gewinns. Stephen Schwarzman, der die weltgrösste Private Equity Gesellschaft Blackstone führt, bekam im Vorjahr mehr als 700 Mio. Dollar, wie die US-Anlegerschutzorganisation Corporate Library vergangene Woche mitteilte.

Staatliche Rettungseinsätze in Prozent der Wirtschaftsleistung

Das Schlimmste der Krise scheint vorbei zu sein. Das Tempo des Abschwungs hat sich verlangsamt. Die Anzahl von Schreckensmeldungen nimmt spürbar ab. Die Gefahr einer zweiten „Grossen Depression“ ist dank den milliardenschweren Rettungspaketen abgewendet worden. Die Summe der Staatshilfen beläuft sich in den USA auf rund 19% der Wirtschaftsleistung. Hier ist eine anschauliche Abbildung via FT Alphaville aus einem aktuellen Research Papier (Fixed Income) von RBC Capital Markets.


Fed's Balance Sheet, Graph: Royal Bank of Canada – Europe

Die Bilanzsumme der Fed hat sich seit dem Ausbruch der Krise mehr als verdoppelt. Der aktuelle Trend ist eher abwärtsgerichtet. Die Fed hatte im Rahmen eines ihrer Notprogramme (MMIFF) „Commercial Paper“ gekauft. Im Januar betrug die Summe rund 350 Mrd. Dollar. Zur Zeit beläuft sich der Bestand an Commercial Paper auf rund 60 Mrd. Dollar.

SNB begrüsst UBS-Ausstieg des Bundes

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) begrüsst den bekanntgegebenen Abbau des UBS-Engagements de Bundes. Mit diesem Verkauf wird der Bund an der UBS nicht mehr beteiligt sein. Die Schweizer Regierung hatte gestern kurz nach der Einigung der Schweizer Grossbank mit der amerikanischen Steuerbehörde angekündigt, ihre Beteiligung von 9% an der UBS zu verkaufen.

Wie die SNB weiter mitgeteilt hat, ist die Übernahme von illiquiden Aktiven der UBS in die Zweckgesellschaft „StabFund“ der SNB und die Bewirtschaftung dieser Aktiven ist vom Abbau des Engagements des Bundes nicht tangiert.

Mittwoch, 19. August 2009

Exitstrategie: Fed hat’s nicht eilig

Es ist beruhigend, dass die US-Notenbank (Fed) nicht hinter der Kurve steht. Hätten die Marktteilnehmer nämlich Zweifel daran, dass die Fed ihr Inflationsziel verfehlt, würden sie heute Anleihen verkaufen. Das würde zu einem Anstieg der Zinsen am langen Ende führen. Das ist aber nicht der Fall. Die Fed hat vergangene Woche mitgeteilt, dass die US-Wirtschaft die Talsohle durchschritten hat. Ben Bernanke, Fed-Chef hat es aber nicht eilig, aus der alternativen Geldpolitik (genannt credit easing) auszusteigen, obwohl der Druck in der Öffentlichkeit zunimmt. Die Fed hat kürzlich angekündigt, den bisher beschlossen Kauf von Staatsanleihen im Wert von 300 Mrd. $ bis Ende Oktober abzuschliessen. Das Programm werde langsamer als bislang geplant zurückgefahren. Am Montag hat die Fed aber angekündigt, die TALF (Term Asset-Backed Securities Loan Facility) bis zum 30. Juni 2010 zu verlängern. Das Programm wäre sonst im Dezember 2009 ausgelaufen.

Bei der TALF handelt sich um eine neue Fazilität (Kreditlinie), um den Kreditbedarf der Haushalte und Kleinunternehmen zu fördern. Die Fed will damit die Ausgabe von Asset-Backed Securities (ABS), welche mit Studentendarlehen, Autokrediten, Kreditkartendarlehen und Darlehen von SBA (small business administration) unterlegt sind, weiter stützen. Bernanke muss also erstens Investoren, die Angst vor einer Ausuferung der Inflation haben, überzeugen, dass die Fed den Preisdruck unter Kontrolle hat. Zweitens muss Fed-Chef das Vertrauen von Unternehmen stärken, dass die Notenbank derzeit alles unternimmt, um die aggregierte Nachfrage zu stützen. Wichtig ist, dass die Fed über notwendige Mittel verfügt, ihre Exit-Strategie durchzuführen. Sie hat aber bestimmt ihre Gründe, sich nicht in die Karten schauen zu lassen.

Israel: State-of-the-Economy Index legt im Juli weiter zu

Der State-of-the-Economy Index ist im Juli 2009 um 1,2% gestiegen. Das ist der zweite Anstieg des Index in Folge. Zuvor war der Index seit Juni 2008 ununterbrochen gesunken. Es sieht so aus, als ob die Wende im Index auf einen Anstieg der wirtschaftlichen Aktivitäten hindeuten würde. Der Indexzuwachs rührt daher, dass alle Komponenten im vergangenen Monat zugelegt haben. Insbesondere ist der steile Anstieg der Produktion und der Handel & Dienstleistungen zu erwähnen. Der Composite-Index wurde in Folge der Aufwärtskorrekturen der Indizes der Einfuhren, Produktion und Handel & Dienstleistugen für April, Mai und Juni jeweils nach oben korrigiert, wie das Central Bureau of Statistics heute mitgeteilt hat.


The State-of-the-Economy Index, Percent Change, Graph: Central Bureau of Statistics

Der Export-Index (für Dienstleistungen) legte im Juli um 3,2% zu, nachdem dieser im Vormonat um 3,4% gefallen war. Der Export-Index (für Güter) verbuchte einen Anstieg um 0,4% im Juli, nachdem dieser im Juni um 1,1% gefallen war. Der Import-Index ging um 4,3% nach oben. Im Juni war der Index genauso um 4,3% gestiegen.


The State-of-the-Economy Index, (base 2004=100), Graph: Central Bureau of Statistics

Dienstag, 18. August 2009

Erste Zinserhöhung: Aber wo?

Adam Posen, der kürzlich dem geldpolitischen Ausschuss der britischen Notenbank (Bank of England; BoE) als Mitglied beigetreten ist, sagte in einem Gespräch mit Bloomberg, dass europäische Zentralbanken als erste die Leitzinsen erhöhen dürften, falls das Wirtschaftswachstum sich als nachhaltig erweisen sollte.

„Ich hoffe, dass niemand in naher Zukunft die Kreditpolitik verschärft“, fügte der prominenteste Deutschlandexperte in den USA hinzu. „Das wäre verfrüht“. Posen sagte weiter, dass er von Deutschlands und Frankreichs Rückkehr zum Wachstum überrascht sei. „Was wir im Wesentlichen sehen ist, eine Entkopplung, dass die USA, Grossbritannien, Italien und Spanien hinterher hinken, und der Rest der Welt sich davon macht“. Das sei eine gute Nachricht für alle. Adam Posen ist als senior fellow bei der Peterson Institute for International Economics (PIIE) tätig, wo er seit 1997 arbeitet.

Türkische Zentralbank senkt Leitzins auf 7,75 Prozent

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute auf ihrer 8. Sitzung dieses Jahres ihre Leitzinsen weiter gesenkt. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 50 Basispunkte von 8,25% auf 7,75% zurückgeschraubt. Die CBT hat auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 10,75% auf 10,25% reduziert. Damit haben die türkischen Währungshüter die Leitzinsen in den vergangenen 9 Monaten angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise und der Nachfrageschwäche um insgesamt 900 Basispunkte gesenkt.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT

Der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank begründete den heutigen Zinsentscheid damit, dass die jüngst veröffentlichten Daten darauf hindeuten, dass die Erholung der Wirtschaftsaktivitäten allmählich und schrittweise erfolgen wird. Die schwache Auslandnachfrage hält noch an. Die Investitionen im Inland seien rückgängig. An den Beschäftigungsbedingungen lasse sich keine deutliche Verbesserung erkennen. Der jüngste Verlauf der Konjunktur erhöhe die Unsicherheit, was das Tempo der Entwicklung der inländischen Nachfrage betrifft. In diesem Rahmen ist gestützt auf den Inflationsbericht zu erwarten, dass die Periode der niedrigen Inflation sich noch weit austrecken dürfte, so die CBT in ihrer Pressemitteilung. Der geldpolitische Ausschuss der CBT bestätigte zugleich seinen Standpunkt, dass kurzfristig mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik zu rechnen ist, falls sich keine Erholung der Wirtschaft abzeichnen sollte.




Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz7,75%
Ausleihsatz10,25%


US-Dollar/TRY: 1,4923
Euro/TRY: 2,1107
CHF/TRY: 1,3887.

Eurozone: Stabilitätspakt für Aussenwirtschaft

Die Märkte feiern bereits voreilig das Ende der Krise. Die Debatte um Ursachen und Lehren der Krise klingt schnell ab. Doch Sebastian Dullien befasst sich in einem lesenswerten Essay für Project Syndicate damit, welche Lehren aus der Krise für das Euroland zu ziehen sind. Seiner Meinung nach hat die aktuelle Wirtschaftskrise zwei grundsätzliche Probleme in der Konzeption der europäischen Währungsunion aufgezeigt: (1) Die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen, und (2) eine unzulängliche Koordinierung der makroökonomischen Politik.

Dullien, Wirtschaftsprofessor an der HTW Berlin schreibt, dass die fiskalischen Überwachungsmechanismen der EU bei der Prognose der vergangenen Entwicklungen versagt haben. Er schlägt die Einführung eines „Aussenwirtschaftlichen Stabilitätspakts“ vor. Ziel ist, die Leistungsbilanzungleichgewichte zu überwachen und exzessive Defizite oder Überschüsse mit einer Strafe zu belegen. Ausgangspunkt: Es gibt eine direkte Bezieung zwischen der Schuldendynamik des Privatsektors und den Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb der Eurozone. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt im Land mit Überschuss deutlich langsamer als die Produktion. Es fehlt folglich an Nachfrage. Das „Überschussland“ bemüht sich zudem immer mehr um eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, indem es „Lohndumping“ betreibt. Dulliens Lösungsvorschlag: Kein Land in der Eurozone sollte ein Leistungsbilanzungleichgewicht von über 3% des BIP haben, weder als Defizit noch als Überschuss. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen die Wirtschaftspolitik endlich als ein „gemeinsames Interesse“ behandeln.

Fair-Value Bilanzierung

Ist die Bilanzierungsregel “mark to market”, d.h. Wertpapiere, die Banken und Finanzinstitute besitzen, in der Bilanz zum aktuellen Marktpreis zu verbuchen, unfair? Brian Wesbury, Chefökonom bei First Trust Advisors LP warnt Investoren davor, dass das FASB (Financial Accounting Standards Board) gestern entschieden habe, die “fair-value”-Regeln auszudehnen. Die Rally an den Aktienmärkten seit März sei darauf zurückzuführen, dass das House Financial Services Committee das FASB gezwungen habe, die „mark to market“-Regeln zu lockern. Die Wiedereinführung der „fair-value“-Regel hält Wesbury für ein „Schauermärchen Untier“. Barry Ritholtz ist enttäuscht von ihm und kann nicht verstehen, warum manche Leute den wahren Wert der Investitionen vor den Aktionären verstecken wollen. Wenn man über die täglichen Kursschwankungen nicht berichten will, soll man diese Werte unter der Rubrik „held to maturity“ halten, urteilt Ritholtz. Es sei denn, es entstehen tatsächliche Verluste. Ansonsten hält Ritholtz es für einen Betrug, wenn über den aktuellen Stand von Vermögenswerten, die gehandelt werden, nicht berichtet wird.

Es ist klar, dass die Situation der Banken von der aktuellen Marktentwicklung abhängt. Solange es an den Börsen nach oben geht, ist alles in Ordnung. Die Vermögenswerte werden zum Marktwert bilanziert. Sobald es aber zu Kursverlusten kommt, soll zu Anschaffungskosten bewertet werden. Das heisst, dass der Markt solange gut ist, solange er Erträge abwirft. Das ist doch absurd. Auf diese Weise wird nicht nur die Aussagekraft der Rechnungslegung im allgemeinen eingeschränkt, sondern auch die Verluste werden geringer als tatsächlich ausgewiesen. Robert Kaplan, Robert Merton und Scott Richard klagen in einem Essay in Financial Times von heute, dass die Banken und andere Finanzinstitute zur Zeit eine enorme Lobby-Arbeit gegen die Fair-Value-Rechnungslegung für die Vermögenswerte in ihren Beständen betreiben. Sie behaupten, dass viele ihrer Vermögenswerte nicht beeinträchtigt sind und sie die Absicht haben, diese bis zur Fälligkeit zu halten. Die jüngsten Transaktionspreise seien in illiquiden Märkten (in notleidenden Umsätzen) zustande gekommen und repräsentieren nicht, was die Vermögenswerte tatsächlich wert sind, so die Lobbyisten der Banken. Gesetzgeber und Regulierungsbehörden unterstützen diese Argumente, bemerken die drei Wirtschaftsprofessoren. Das würde ihrer Ansicht nach bedeuten, die wahren Werte der notleidenden Wertschriften verbergen zu wollen, anstatt sich mit den Konsequenzen der insolventen Banken zu beschäftigen.

Montag, 17. August 2009

Bilanzsumme der US-Notenbank schrumpft auf 2'060 Mrd. Dollar

Die Bilanzsumme der Fed hat sich vergangene Woche angetrieben durch die Treasury-Käufe um 27 Mrd. $ auf 2’060 Mrd. $ verringert. Die Bestände der Fed an US-Staatsanleihen sind nach Angaben von Morgan Stanley um 23 Mrd. $ gestiegen. Die Fed hat ausserdem für 2 Mrd. $ Agency-Anleihen gekauft. Die CPFF fiel weiter um 3 Mrd. $ auf 58 Mrd. $, während das Discount Window um 5 Mrd. $ zulegte.

Die heute veröffentlichten Daten zeigen ferner, dass ausländische Investoren bei US-Staatsanleihen nach wie vor kräftig zugreifen. Die Netto-Käufe belaufen sich im Juni auf 91 Mrd. $. Das ist nach Angaben von Morgan Stanley der höchste Wert seit April 2008. Die Top-Käufer von langlaufenden US-Treasuries sind: Grossbritannien: 45,6 Mrd. $, Japan: 32,8 Mrd. $, China: 26,6 Mrd. $, Kanada: 8,5 mrd. $ und die Schweiz: 6,4 Mrd. $.

Angesichts der zunehmenden Staatsverschuldung der USA befürchten Kritiker einen enormen Anstieg der Inflation. Sie rechnen daher mit steigenden Zinsen in Amerika. Das ist aber nicht der Fall. Wie Paul Krugman und Brad DeLong in den vergangenen Tagen gestützt auf die Analysen von John Hicks (1937) argumentieren, gibt es eine starke Korrelation zwischen Haushaltsdefizit und Zinssätzen: Ein hohes Defizit geht mit niedrigeren Zinsen einher. Und vice versa. Vergleiche die Clinton-Ära: Während der Zeit, als der Haushaltüberschuss stieg, verliefen die Zinsen relativ hoch.

Türkei: Arbeitslosigkeit im Mai 2009

Die Arbeitslosigkeit ist in der Türkei im Mai im Vergleich zum Vormonat auf 13,6% gesunken. Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter ist im gleichen Monat gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 875'000 zugenommen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt die Anzahl der Arbeitslosen jedoch um beinahe 48% höher.


Turkish Unemployment, Graph: Turkish Statistical Institute

Die türkische Zentralbank (CBT) hat die Leitzinsen in den vergangenen neun Monaten um insgesamt 8,5% auf 8,25% gesenkt. Die Wirtschaft ist im ersten Quartal um 13,8% geschrumpft. Die CBT dürfte morgen die Leitzinsen weiter lockern.

Keynes: Darf es etwas mehr sein?

Es ist ein Verdienst der verantwortlichen Notenbanken (via extra-lockere Geldpolitik) und der betreffenden Regierungen (via expansive Fiskalpolitik), dass eine zweite "Grosse Depression" abgewendet worden ist. Es ist jedoch noch zu früh, die grösste Krise der letzten 60 Jahre für beendet zu erklären. Dennoch ist zur Zeit eine neue Debatte über das Ausmass und den Wirkungskreis der Konjunkturpakete à la Keynes entflammt.

Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, meint in einem Interview mit dem "faz.net, dass die USA die Europäer dazu gedrängt haben, mehr zu machen. Deutschland habe dem zu Recht widerstanden. „Es war gut, dass die Europäer es nicht übertrieben haben“. Rogoff, Wirtschaftsprossor an der Harvard Universität relativiert den Beweis, dass Stimulus à la Keynes wirkt. Er vertritt die Meinung, dass auch kleinere Konjunkturpakete gereicht hätten.

Paul Krugman teilt, wie er gestern in seinem Blog bei New York Times schrieb, diese Ansicht nicht. Eine Reihe von Kommentatoren argumentieren, dass das leichte Wachstum im zweiten Quartal in Deutschland zeige, dass es zur Bekämpfung der Krise keines fiskalpolitischen Stimus bedarf, bemerkt Krugman. „Deutschland erlebt aber eine viel tiefere Rezession als die USA. Viele wissen anscheinend nicht, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem, was Deutschland macht und sagt“. Der deutsche Finanzminister kritisiere zwar Keynesianismus, aber „zumindest nach Angaben des IWF ist das deutsche Konjunkturpaket erheblich vergleichbar mit dem der USA“. Krugman hat recht.

Wirtschaftliche Erholung wie ein Phantom

Der gegenwärtig vorherrschende Konsensus, dass die Rezession vorbei ist, ist falsch, schreibt Nouriel Roubini in einem lesenswerten Essay für Project Syndicate. Aktuelle Daten der US-Wirtschaft wie der Anstieg der Arbeitslosigkeit, der Rückgang der privaten Konsumausgaben, die fallende Industrieproduktion und ein schwacher Häusermarkt signalisieren, dass die Rezession noch nicht zu Ende ist. Nachdem die USA die Talsohle durchschritten haben, ist damit zu rechnen, dass das Wirtschaftswachstum in den führenden Industrieländern anemisch und deutlich unter dem Potentialwachstum verlaufen wird, so Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business, New York University.

Gründe dafür: (1) Die Haushalte müssen Schulden abbauen und mehr sparen, (2) Das Finanzsystem ist schwer beschädigt, (3) der Unternehmenssektor leidet unter einer ungenutzten Kapazität, was auf der Profitabilität lastet, (4) Der Releveraging im öffentlichen Sektor verdrängt Investitionen im privaten Sektor („crowding out“).

Roubini sieht ferner zwei Hauptgründe für eine double-dip Rezession: (I) Die Exit-Strategie könnte verpfuscht werden. Gehen die Politiker zu früh dazu über, Ausgaben zu kürzen, die Steuern zu erhöhen, um die Überschussliquidität anzuschöpfen, besteht die Gefahr, dass sie die Erholung abwürgen. (II) Die Preise für Erdöl, Energie und Nahrungsmittel könnten schneller steigen als die Fundamentaldaten der Wirtschaft es erfordern, sei es durch die Wand der Liquidität oder die spekulative Nachfrage.

Fazit: Die wirtschaftliche Erholung dürfte eher anemisch als robust vonstatten gehen. Die aktuelle Rally an den Aktien-, Rohstoff- und Kreditmärkten ist zu weit gegangen. Eine Korrektur kann nicht zu weit sein, urteilt Roubini.