Donnerstag, 30. April 2009

Fed-Sitzung vom 29. April:
Nullzinspolitik wird fortgesetzt

Die amerikanische Wirtschaft schrumpfte im I. Quartal um 6,1%, nachdem sie im IV. Quartal 2008 um 6,3% eingebrochen war. Die Fed hat nun trotz des dramatischen Einbruchs der Wirtschaftsleistung mitgeteilt, dass die Geschwindigkeit der Kontraktion etwas langsamer zu sein scheint. Der Konsum zeige Anzeichen der Stabilisierung, aber dieser hänge vom Arbeitsmarkt ab. Der Wirtschaftsausblick habe sich seit dem Treffen der Fed im März etwas gemässigt verbessert, aber die Wirtschaftsaktivität bleibe noch für eine Zeit schwach. An dem Plan für den Aufkauf von Staatsanleihen werde festgehalten. Der Leitzins (Fed Funds Rate: 0% bis 0,25%) werde noch eine ganze Weile auf diesem ausserordentlich tiefen Niveau bleiben.


Fed Funds Rate, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends May 2009

Das Schatten Banken-System, welches im II. Quartal 2007 jenseits von Aufsicht und Offenlegungspflichten ein Kreditvolumen von sage und schreibe von 6'000 Mrd. $ geschaffen hat, befindet sich im Untergang. Die US-Notenbank hat sich infolgedessen im Dezember von der klassischen Zinspolitik verabschiedet. Sie versucht nun, die Wirtschaft über die Ausweitung ihrer Bilanzsumme („Credit Easing“, so bezeichnet Fed-Chef Ben Bernanke den alternativen geldpolitischen Kurs der US-Notenbank) zu steuern. Denn der herrkömmlichen Geldpolitik war der Zugriff auf den Finanzmarkt wegen der Exzesse im Schattenbanken-System mit Zweckgesellschaften wie SIV und Conduits sowie Hedge Fonds völlig erschwert. Seitdem die Fed begonnen hat, die Bankreserven zu verzinsen, spielt die Fed Funds Rate (FFR) deshalb nur noch eine untergeordnete Rolle. Die effektive Fed Funds Rate (aktuelle: 0,15%) notiert unter dem FFR. Der vorsichtige Optimismus der Fed gerät aber derzeit zu einem Tanz auf dem Seil. Denn sie muss einerseits den Kreditmarkt wieder unter Kontrolle bringen, indem sie die widrigen Folgen der Debt-Deflation abfedert. Andererseits bemüht sie sich, an die Wirtschaftssubjekte keine falschen Signale zu senden.

Mittwoch, 29. April 2009

US-Wirtschaft schrumpft weiter

Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal 2009 um 6,1% geschrumpft. Der Rückgang von Januar bis März war schlechter als erwartet. Verantwortlich dafür waren: (1) Ausfuhren (-30%), (2) Lagerbestände (um 103,7 Mrd. $) und (3) Investitionen (-38%). Nur der private Verbrauch (+2,2%) hat einen positiven Beitrag zu BIP-Zahlen geleistet. Das Wachstum fällt damit zum dritten Mal in Folge negativ aus. Die USA befinden sich seit Dezember 2007 in der Rezession. Die vergangenen sechs Monate waren dem US-Handelsministerium zufolge das schlechteste Wirtschaftshalbjahr seit 1957/58.


Real GDP, Graph: Fed St. Louis

Trotz der positiven Signale (die zweite Ableitung der Konjunktur), dass der Abschwung an Tempo verliert, bleiben die Indikatoren unter Druck: Steigende Arbeitslosigkeit, restriktive Kreditvergabe und negativer Wealth-Effekt dürften weiter auf Konsum und Produktion lasten. Die Rezession dürfte 36 Monate anhalten, schätzt Nouriel Roubini. Seiner Analyse nach befindet sich die US-Wirtschaft in einem U-förmigen Abschwung, der bis Ende 2009 dauern könnte. Auch wenn das BIP 2010 wachsen sollte, so sei keine Wachstumsrate von mehr als 1% zu erwarten.

Deutsche Bank und 25 Prozent

Die Deutsche Bank hat im ersten Quartal nach eigenen Angaben wieder schwarze Zahlen geschrieben. Die Rendite auf das eingesetzte Kapital (vor Steuern) lag bei 25 Prozent. Bankchef Joe Ackermann hat damit seinen irrsinnigen Wert wieder erreicht. Als Hauptgrund für das überraschend starke Ergebnis der Bank gilt das Investmentbanking. Die Milliardengewinne im Anleihengeschäft sind aber vorwiegend auf den alternativen geldpolitischen Kurs der Notenbanken (v.a. der Fed, der BoE und der SNB) zurückzuführen. Mit der Strategie der „mengenmässigen Lockerung“ (quantitative easing) setzt die Fed Milliarden ein, um Anleihen verschiedener Art am offenen Markt zu kaufen. Der Kurs der Anleihen ist auf diese Weise nach oben getrieben worden. Für Grossbanken mit Marktmacht war es daher nicht schwer, im Fahrwasser der Fed Geld zu verdienen.


Deutsche Bank Aktie (2Jahre), Graph: finance.yahoo.com

Die Bank habe sich zudem konsequent gesundgeschrumpft, sagte Ackerman. Nach aktuellen Schätzungen des IWF werde das deutsche BIP 2009 um 5,6% schrumpfen. Welchen Beitrag leistet die Deutsche Bank mit einer EK-Rentabilität von 25% zum Wachstum der Wirtschaft? Kostensenkungen (v.a. Mitarbeiter-Entlassungen) sind aber nur dann möglich, wenn der Staat für soziale Absicherung sorgt. Ackermann sieht jedoch gerade sein von der Öffentlichkeit heftig kritisiertes Rentabilitätsziel als Grund dafür, dass die Deutsche Bank keine Staatshilfe beansprucht. Das hört sich nach einem Zirkelschluss an. Es ist daher schwer, von einer unternehmerischen Leistung zu sprechen.

Dienstag, 28. April 2009

CDS für israelische Staatsanleihen

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen sind laut BoI stark gefallen. Die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte sind von 245 Basispunkten auf 180 Basispunkte gesunken. Das heisst, dass Investoren 1,80% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 180’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.


Israel CPI, Graph: bloomberg.com

Der Tel-Bond 40 Index ist in den vergangenen vier Wochen um 6,4% gestiegen. Seit Jahresbeginn legte der Index um ca. 24% zu. Die israelische Notenbank (BoI) hat gestern ihren Leitzins (base rate) unverändert bei 0,50% belassen, nachdem sie diesen seit Oktober um insgesamt um 375 Basispunkte gelockert hat. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion der Wirtschaft um 1,5% in diesem Jahr. Das wäre die schlechteste Performance seit 1948.

Interview: Robert J. Barbera, ITG

Robert J. Barbera, Ph.D., is executive vice president and chief economist at Investment Technology Group.

The booms and busts in the last 25 years have caused huge redistributions of wealth. Market discipline didn’t occur. Is a new economic paradigm (i.e. democratizing of the financial markets) possible? If yes, in which time frame?

Financial market excesses, as you note and I emphasize in the book, drove the boom and bust cycle of the past 25 years. And for many countries the disparity between rich and poor widened. But we should not forget, that from a global perspective, the 1985-2005 period witnessed record breaking improvement in living standards for the poorest of the poor. Over 1 billion Asians, mostly in China and India, left abject poverty and joined the ranks of the modern day workforce. In 1985, infant mortality rates, morbidity levels, and educational levels in China were comparable to a poor African nation. The 1985-2005 expansion was the driver in their emergence as middle class participants.


That does not justify the wild income disparities in the developed world, but it should remind those who are in charge of reconfiguring the world of finance, that they don’t want to throw out the baby with the bath water. “Democratization of financial markets”, in strict terms, means financial markets are an instrument of the many. In the U.S., in fact, that was the reality over the 1985-2005 period. Participation in financial markets soared, as money kept in bank savings deposits all but disappeared. The problem was not that only a few participated, it was that the machinery was biased toward ever increasing risk taking. As I point out in my book that was true at banks, at other financial institutions, and in neighborhoods where man “informed” people bought more house than they should have.

In your book you blame the abject failure in economic forecasting (mainstream theorist). Do we need urging improvements for the education of the economist? Which role are the universities supposed to play in this field?

Keynes wrote that “good or even competent economists are the rarest of birds…He must be mathematician, historian, statesman, and philosopher — in some degree.” Much too much or academic economic thinking, over the past several decades, was carried on in impenetrable mathematical space, with little or no connection to history, economic philosophy, and pragmatic economic policy. Keynes concluded that the good economist “must combine talents not often found together”. A system based exclusively on mathematical prowess as its calling card will very very rarely find those with wide ranging talents.

Financial Markets remain under stress. What was in the last weeks happening in the Eastern Europe looks like a financial market meltdown. Are there other potential new “shocks”? Can you identify additional threats?

The widespread borrowing in swiss franc and euros by home buyers in eastern Europe looks to be a trillion euro problem for western European banks. As was the case in Mexico and Korea, borrowing in foreign currency sets up an adverse feedback loop when things go awry. Many economists, me included, remain frustrated with the ECB. Activity is plunging in Europe. Prices are falling in Spain, and flat in other countries. But the ECB continues to suggest that wage and price inflation is the big risk, and as such they have been slow to lower overnight rates, and remain way behind in terms of delivering extra-normal monetary policy ease.


Thank you very much.



Robert J. Barbera, Ph.D., is executive vice president and chief economist at ITG and an Economics Department Fellow at Johns Hopkins University. He has been a noted Wall Street economist for over 25 years. Barbera worked as an economist for the Congressional Budget Office. He is the best-selling author of “The Cost of Capitalism”.

Montag, 27. April 2009

Bank of Israel lässt Leitzins unverändert

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute ihren geldpolitischen Kurs beibehalten. Der Leitzins wurde unverändert bei 0,50% belassen. Die BoI hatte seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt.

Nach vier Monaten Negativwachstum in Folge stieg der Konsumentenpreisindex (CPI) erstmals im März um 0,5%. Die Inflationsrate betrug damit im vergangenen Monat annualisiert 3,6%. Die Inflationserwartungen sind zuletzt auf 0,8% gestiegen. Dennoch liegen sie unterhalb der Ziel-Teuerungsrate (1% bis 3%), die laut BoI von der Regierung angestrebt wird.


BoI: Interest Rates, Graph: BoI Presentation, Annual Report 2008

Hauptgründe für den heutigen Zinsentscheid sind folgende: (1) Das Risiko, dass die Wirtschaft in eine Deflation rutscht, hat sich vermindert. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation gegen Jahresende in den Zielbereich zurückkommt, ist gestiegen. (2) Die Auswirkungen der tiefen Zinsen in Verbindung mit anderen Instrumenten, welche die BoI eingesetzt hat, sind offensichtlich: Die negativen Effekte der globalen Krise werden gedämpft und die Wirtschaft wird zur Erholung angeleitet. (3) Während die Kontraktion der Wirtschaft anhält, deuten andere Daten zugleich auf eine Mässigung des Abschwungs hin.

Die BoI hat am 17. Februar begonnen, im offenen Markt Staatsanleihen zu kaufen, um die Renditen am langen Ende zu drücken. Die Rendite der Benchmark-Anleihe (Mimshal Shiklit Bond) beträgt derzeit 4,40%.

Der ideale Zinssatz: Minus 5%

Das ideale Zinsniveau unter den gegebenen Umständen ist für die USA Minus 5 Prozent. So lautet das Ergebnis einer internen Analyse für die US-Notenbank (Fed). Die Analyse beruht auf der Taylor-Regel, die aufgrund von Arbeitslosigkeit und Inflation das Niveau des Leitzinses, dem wichtigsten geldpolitischen Instrument einer Zentralbank festlegt. Freilich kann eine Notenbank ihren Leitzins nicht unter Null Prozent senken. Das Research-Team der Fed regt deshalb an, dass die Fed ihren unkonventionellen Kurs der Geldpolitik fortsetzt. Dass heisst, dass die Stimulus-Massnahmen so weit ausgedehnt werden müssen, bis sie gleichwertig sind wie ein Zinsniveau von Minus 5 Prozent. Der Fed wird empfohlen, den Betrag ihres Aufkaufprogramms von Vermögenswerten (Staatsanleihen usw.) am offenen Markt um 1'150 Mrd. $ zu erhöhen.


Short Term Interest Rates, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, May 2009

Bereits zu Jahresbeginn hatte Jan Hatzius, der Chefökonom von Goldman Sachs sich mit dem Thema befasst und aufgrund der Taylor-Regel ein Leitzinsniveau von Minus 6% für die USA ausgerechnet.

Das nächste Fed-Treffen findet am 29. April statt. Es ist mit keinem radikalen Kurswechsel der Fed zu rechnen.

Fazit: Das Geld ist nicht neutral. Die Geldpolitik hat sowohl kurzfristige, als auch langfristige Auswirkungen auf die Konjunktur. Der Zinssatz ist das zentrale Element zur Steuerung der Wachstumskonditionen in einer Wirtschaft.

Sonntag, 26. April 2009

China und Gold

Die Volksrepublik China hat nach eigenen Angaben seit 2003 ihre Goldreserven auf 1'054 Tonnen aufgestockt. Damit verfügt das Land inzwischen über mehr Gold als die Schweiz, die bisher fünftgrösste Goldbesitzerin der Welt. Der Reserveaufbau erfolgte laut Peking überwiegend durch Käufe von Gold, das in China selbst gefördert wird. China hatte bislang keine genauen Angaben über seine Goldreserven gemacht. Die chinesischen Währungsreserven belaufen sich laut Volksrepublik auf rund 2'000 Mrd. $. Gold spielt dabei eine geringe Rolle. Der Goldpreis kletterte am Freitag mit 908$ auf den höchsten Stand seit drei Wochen.


Gold Price in $, Graph: bloomberg.com

Zum Hintergrund:
Wegen der weltweit anhaltenden Wirtschaftskrise hat China
Angst vor Dollar-Abwertung
. Zunächst verlangte die Volksrepublik eine Garantie für ihren Bestand an US-Staatsanleihen. Dann forderte der chinesische Zentralbankchef sogar eine neue Weltreservewährung. Die entscheidende Frage ist, ob China tatsächlich ihre Politik ändern will. Pekings Bemühungen zeigen aber, dass der Euro dem Greenback als Leitwährung den Rang nicht ablaufen kann. Sonst würde China Euro-Anleihen anstatt US-Treasuries kaufen. Der europäische Anleihenmarkt ist gespalten. Während deutsche Staatspapiere über die beste Bonität verfügen, sind z.B. spanische Staatsanleihen weniger attraktiv. Grund: Höhere Risikoaufschläge. Auch österreichische Papiere weisen derzeit wegen der starken Verknüpfung des Landes zum krisengeschüttelten Osteuropa hohe Spreads gegenüber den deutschen Staatsanleihen auf.

PS: Während der „Grossen Depression“ in den 1930er Jahren war die Krise durch den sog. Goldstandard bescheunigt worden, weil der US-Dollar durch Gold gedeckt war. Der US-Notenbank waren die Hände gebunden, auf Schwankungen der Konjunktur mit Änderung der Geldpolitik zu reagieren. Deshalb verbot Präsident Franklin Roosvelt 1933 den Privatbesitz von Gold. 1933 wurde der Goldstandard ganz aufgehoben.

Samstag, 25. April 2009

Falsche Anreize der Entlöhnung als Grund der aktuellen Finanzkrise

Philipp Hildebrand, Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat neulich in einem Vortrag über “Prinzipien für risikoorientierte Vergütungssysteme“ in Finanzunternehmen gesprochen. Hildebrand sieht in „Fehlanreizen oder falsch strukturierten Anreizen, die für die Finanzmarktteilnehmer gesetzt wurden“, „einen zentralen Grund der aktuellen Finanzkrise“. Die Vergütungssysteme von Finanzunternehmen seien ein Paradebeispiel für schlecht strukturierte Anreize, welche zu den aktuellen Verwerfungen beigetragen haben. Kurzfristige Gewinne wurden mit grosszügigen Boni belohnt. Die mit dieser Gewinnerzielung verbundenen längerfristigen Risiken für Unternehmen wurden nicht angemessen berücksichtigt, hält Hildebrand fest.

Der designierte SNB-Präsident legt daher nahe, dass Finanzunternehmen ihre Vergütungsysteme als einen integralen Bestandteil des Risikomanagements betrachten und regeln müssen.

Fazit: Die aktuelle Krise bedeutet das Ende der „Nepper, Schlepper und Bauernfänger“-Ära. Der Denkansatz der Entlohnung ist kein isoliertes Problem. Das vorherrschende Paradigma ist irreführend, weil es als „politische Strategie“, wie George Soros in seinem Buch "Das Ende der Finanzmärkte“ ausführlich schildert, den Markt über alles stellt. Die Finanzmärkte tendieren aber nicht zum Gleichgewicht und sie sind nicht selbstkorrigierend. Es ist Zeit für ein neues Paradigma, das dafür sorgen sollte, dass der Markt in den Dienst der Menschen gestellt wird.

Freitag, 24. April 2009

Einfluss der Geldpolitik auf das Wirtschaftswachstum

In einem aktuellen Research-Paper der Fed St. Louis wird der Frage nachgegangen, welche Verbindung zwischen dem Wachstum der monetären Basis und dem BIP-Wachstum besteht. Der Ökonom Yi Wen schlussfolgert, dass ein Wachstum der Geldbasis (definiert als die Summe aus Bargeld, d.h. Notenumlauf und den Reserven der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) kurzfristig (d.h. 6 Monate) mit BIP-Wachstum geringfügig assoziiert. Langfristig hingegen (d.h. 2 bis 4 Jahre) stehe eine Zunahme des Zentralbankgeldes in einer signifikant positiven Verbindung mit dem Wirtschaftswachstum. Konkret: In einem Zeitraum von 3 Jahren führe ein Wachtum der monetären Basis um 1% zu einem BIP-Wachstum um 0,4%. Dieser Zusammenhang verschwinde jedoch laut Wen in einer sehr langen Frist. Grund sei wahrscheinlich, dass das zunehmende Zentralbankgeld langfristig zu Inflation führe.


Can Monetary Policy Affect GDP Growth? In: Monetary Trends, May 2009,
Graph: Fed St. Louis


Angesichts der historischen Daten gebe es eine positive Verbindung zwischen der Geldbasis und dem BIP-Wachstum. Die Auswirkung entfalte sich innert 3 Jahren. Da es aber in der Geschichte noch nie eine derart übermässige Ausweitung der monetären Basis gegeben habe, seien die Daten nicht gerade „schlüssig“, sondern nur eine „grobe Anleitung“.

Donnerstag, 23. April 2009

CDS-Marktvolumen schrumpft um 38%

Das ausstehende Volumen der Credit Default Swaps (CDS) hat sich laut ISDA im vergangenen Jahr um 38% auf 38'600 Mrd. $ vermindert. Ende 2007 betrug der Wert noch 62'200 Mrd. $. Das Volumen an ausstehenden CDS wuchs zwischen 2001 und 2007 um das Hundertfache. Wie der Konkursfall der US-Investmentbank Lehman Brothers zeigt, ist der Markt anfällig. Kontrakte werden ausserbörlich gehandelt. Es gibt kaum Regulierung. Im Sog der anhaltenden Wirtschaftskrise wurden deshalb Rufe laut, eine zentrale Clearingstelle einzurichten, um das Gegenparteirisiko zu eliminieren. Im April unterzeichneten rund 2'000 Banken, Hedge Fonds und Asset Manager ein Protokoll, um mehr Transparenz und Standards für den CDS-Markt vorzubereiten.

Wegen der enormen Bedeutung der Vereinbarung für die gesamte Finanzbranche wird unter Marktteilnehmern von einem
Big Bang
gesprochen. Es geht schliesslich um die Bestimmung von festen Regeln für die Verrechnung und Abwicklung der CDS-Kontrakte. Zudem ist geplant, einen Ausschuss zu bilden, der über Ausfälle zu entscheiden hat, ob ein Kreditevent vorliegt oder nicht.

Bei CDS handelt es sich um eine Art Versicherung. Der Käufer des CDS versichert sich gegen den Ausfall einer Anleihe. Der springende Punkt ist, dass der Käufer die Anleihe nicht einmal besitzen muss. Jeder kann mit CDS auf die Bonität von Unternehmen (bzw. Anleihen) spekulativ wetten. Dafür zahlt der Käufer an den Verkäufer i.d.R. vierteljährlich eine Prämie. Der Verkäufer muss den CDS-Käufer entschädigen, falls es zu einem Zahlungsausfall kommt. Der Referenzwert ist eine Anleihe in der Grössenordnung von 10 Mio. $ oder . Die Notierungen erfolgen in Basispunkten. Ein Beispiel: Die Prämien für Credit Default Swaps für österreichische Staatsanleihen belaufen sich auf derzeit rund 240 Basispunkte. Das bedeutet, dass Investoren 2,40% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Wer also Staatspapiere Österreichs im Wert von 10 Mio. € für 5 Jahre gegen den Zahlungsausfall versichern will, muss 240'000 € berappen.

Da Unternehmen in diesem Marktumfeld intensiv mit der Verkürzung ihrer Bilanzen beschäftigt sind und das Kapital lukrativ anlegen wollen, erlitt die Branche erstmal im vergangenen Jahr Verluste mit den Derivaten.

Eine Bilanz der Bilanzsaison

Die Banken haben ihre Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Die überwiegende Mehrheit hat wesentlich mehr Gewinn erwirtschaftet als von den Analysten allgemein erwartet. Ein wichtiger Punkt: Es gibt keine Investmentbanken mehr. Sie agieren jetzt unter dem neuen Status. Das „Schattenbanken-System“ bröckelt nämlich nach und nach ab. Was hat die Bankergebnisse aber angetrieben? 1) Günstige Refinanzierungsmöglichkeiten: Nahe bei Null Prozent. 2) Weniger Konkurrenz. 3) Lockerung der Bewertungskriterien. 4) Eine Reihe von Bilanzierungstricks. 5) AIG-Bailout-Fonds: Milliarden Zuschüsse für die Banken. 6) usw.

Ganz bizarr: Der Wertverfall der eigenen Wertpapiere wurde als Buchgewinn ausgewiesen, wie Paul Krugman in seinem Blog darauf hinweist. Sollten die Preise dieser Papiere steigen, muss die betreffende Bank sie als Verlust buchen. Wie kommt das? Das versteht nicht einmal der Nobelpreisträger. Nun richtet sich das Augenmerk auf den 4. Mai. Dann werden die Ergebnisse der Stresstest, die das US-Schatzamt durchgeführt hat, veröffentlicht. Ein Lichtblick?

Mittwoch, 22. April 2009

Die zweite Ableitung für das Wachstum: Hoffnungsschimmer?

US-Finanzminister Tim Geithner gab sich gestern vor einem Kongressausschuss zuversichtlich, dass die meisten Banken gut kapitalisiert seien. Die Stresstest-Ergebnisse von 19 Banken werden am 4. Mai veröffentlicht. Die Stresstest sind entscheidend dafür, ob die US-Regierung Banken weiteres Kapital zuschiessen muss oder nicht. Während Geithner Anzeichen von Wiederaufbau des Vertrauens in das Finanzsystem erkennt, rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer „schleppenden Erholung“ der Weltwirtschaft erst 2010.

Der Wirtschaftsausblick (2009) des IWF für
Die USA -2,8%
Die Euro-Zone: -4,2%
Deutschland: -5,6%.


Dennoch weisen „Die-Hard“-Schönredner auf „grüne Sprösslinge“ (Green Shoots) hin und nehmen die zweite Ableitung für die Konjunktur (the second derivative) heran, um zumindest für die zweite Hälfte des Jahres positives Wachstum vorauszusagen. Die 1. Ableitung bezieht sich auf die Wachstumsrate der Funktion (der Konjunktur) am Ausgangspunkt. Die 2. Ableitung beschreibt hingegen das Wachstum des Wachstums (bzw. die Steigung der Steigung). Da an der 2. Ableitung eine Verringerung der Geschwindigkeit des Abschwungs zu beobachten ist, nehmen manche Marktteilnehmer an, dass die Talsohle bald erreicht ist.

Der einzige Hoffnungsschimmer in der Gegenwart ist eigentlich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Depression sich inzwischen allem Anschein nach wesentlich stark verringert hat.

3-Monats US-Dollar Libor fällt auf 1,10 Prozent

Der 3-Monats US-Dollar Libor ist heute auf 1,10% zurückgefallen, nachdem dieser am 10. Oktober auf ein Rekordhoch von 4,82% geklettert war. Libor, London Interbank Offered Rate ist der Geldmarktzinssatz, zudem sich erstklassige Banken untereinander kurzfristige Einlagen ent- und/oder verleihen. Der Libor-Satz gehört wie TED-Spread und Libor-OIS-Spread zu den wichtigsten Krisenbarometern. Der Libor gilt weltweit als Benchmark für Anlageprodukte im Wert von rund 360'000 Mrd. Dollar.


US-Dollar 3-Monats-Libor, Graph: Bloomberg.com

Die Situation am Geldmarkt entspannt sich etwas. Die Gefahr einer Rezession in L-Form scheint zur Zeit gebannt. Das positive Zeichen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wirtschaft sich dennoch in einer schweren Rezession in U-Form befindet. Es dürfte noch schlimmer kommen, bevor es besser wird. Die Industrieproduktion schrumpft. Die Kapazitätsauslastung geht zurück. Die Baubeginne sinken. Die Zwangsversteigerungen steigen. Meredith Whitney, die derzeit mächtigste Frau im amerikanischen Finanzsektor gibt sich weiter höchst besorgt, was die finanzielle Verfassung der Banken betrifft. Sie rechnet mit massiven Ausfällen der Kreditkartenschulden. Das bedeutet weiterhin hohe Abschreibungen, die bevorstehen.

PS: Der Libor-Satz tendierte im Durchschnitt vor dem Ausbruch der Kreditmarktkrise im August 2007 rund 22 Basispunkte über dem Leitzins der US-Notenbank. Die Fed Funds Rate beträgt aktuell 0,125%. Das bedeutet, dass der Libor von der Normalisierung noch weit entfernt liegt.

Dienstag, 21. April 2009

Verschuldung der Haushalte


FT Alphaville
hat auf eine bemerkenswerte Grafik aus einem aktuellen BIS-Bericht aufmerksam gemacht. Der Bericht will den Zusammenhang zwischen Fremdfinanzierung (leverage) und Vermögensbewertung (valuation) im Lichte der jüngsten Spannungen in den globalen Märkten aufzeigen.


The role of valuation and leverage in procyclicality, Graph: BIS

Die Darstellung verdeutlicht aber zugleich etwas Anderes: In Deutschland gab es keine Exzesse in den Kredit- und Immobilienmärkten. Dennoch ist die deutsche Wirtschaft stärker als die Euro-Zone oder die USA geschrumpft. Warum? Das Land ist v.a. dank Lohnzurückhaltung und Produktivitätsfortschritte in der Vergangenheit wettbewerbsfähig geworden, hält Nouriel Roubini in einem Interview mit FT Deutschland fest. Nun fallen aber die Ausfuhren im Sog der weltweit anhaltenden Rezession dramatisch. Woher soll jetzt die Nachfrage kommen, wenn Haushaltseinkommen seit Jahren stagnieren? Exportorientierte Länder wie China, Deutschland und Japan müssen die Inlandsnachfrage ankurbeln, rät Robert Barbera in seinem neuen Buch. Roubini empfiehlt Lohnerhöhungen, um das Vertrauen und den Konsum zu stärken. Und die EZB müsse die Zinsen senken, die bisher mit ihrem fehlgeleiteten geldpolitischen Kurs das Wachstum abgewürgt hat.

SNB: Keine wettbewerbsorientierte Abwertungspolitik

SNB-Präsident Jean-Pierre Roth sagte in einem Referat am 17. April, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit der Bekämpfung des Franken-Anstiegs gegenüber dem Euro keine wettbewerbsorientierte Abwertungspolitik („beggar-thy-neighbour-Politik“) betreibt. „Das wäre auf die Dauer den Interessen unseres Landes ohnehin nur abträglich“ betonte Roth. Die Devisenkäufe sind für die SNB ein wichtiges operationelles Instrument, in diesem widrigen Marktumfeld, ihren Auftrag zu erfüllen, die Schweizer Wirtschaft vor Inflation und Deflation zu schützen. Die Entscheidung, auf dem Devisenmarkt mit dem Ziel zu intervenieren, um die Aufwertung des Frankens zu unterbinden, ist auf keinen Fall beunruhigend.


Euro/Swiss Frank Exchange Rate, Graph: swissquote.ch

Zum Hintergrund: Funktionieren die Finanzmärkte schlecht, wird auch die Umsetzung der Geldpolitik problematisch. Die Unsicherheit nimmt zu. Die Nachfrage nach Liquidität steigt. Der Interbankenmarkt kommt zum Erliegen. Die Versorgung des Marktes mit Franken wird erschwert. Die Banken fangen an, Barmittel zu horten. Die Guthaben der Banken auf den Girokonten bei der Notenbank klettern exorbitant. Die SNB hat darauf reagieren müssen. Was hat sie getan? Sie hat erstens die Laufzeiten und das Volumen ihrer Repo-Transaktionen ausgeweitet. Dann hat sie über Swap-Geschäfte zusätzliche Liquidität in den Markt gepumpt. Ein wichtiger Punkt: Im Gegensatz zu anderen Notenbanken akzeptiert die SNB für Repo-Geschäfte erstklassige Wertschriften nicht nur in Franken, sondern auch in Euro, Pfund und US-Dollar. Der Bestand an ausstehenden Repos stieg folglich um mehr als 50%. Dennoch hielten die Spannungen am Geldmarkt an. Zugleich stellte die starke Frankennachfrage aus osteuropäischen Ländern laut Roth eine besondere Herausforderung dar. Die Mehrzahl der Banken in dieser Region hat nämlich in der nahen Vergangenheit in exzessiver Art und Weise Franken-Kredite vergeben und sich am Geldmarkt refinanziert. Nachdem Stillstand des Franken-Geldmarkts gerieten die Banken Osteuropas in eine Schieflage, da sie keinen Zugang zu SNB-Krediten haben. Die Nachfrage nach Schweizer Franken verstärkte sich. Die SNB hat daraufhin der EZB vorgeschlagen, Swap-Abkommen zu schliessen. Die EZB hat dann Franken, die ihr die SNB zur Verfügung gestellt hat, ihren Gegenparteien zugeteilt. Darüberhinaus hat die SNB ähnliche Swap-Verträge auch mit den Zentralbanken Polens und Ungarns abgeschlossen, um die Nachfrage nach Franken zu befriedigen. Ende 2008 blief sich das Volumen der Swap-Geschäfte auf 50 Mrd. Franken. Nur durch eine aktive Steuerung der Liquidität am Frankenmarkt konnte die SNB ihren Leitzins (3-Monats-Libor) auf dem Niveau halten, das sie im Sog der weltweit anhaltenden Rezession angestrebt hat.

Montag, 20. April 2009

EZB: Jägerin des verlorenen Schatzes

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat am Wochenende angedeutet, dass die Zentralbank über Spielraum nach unten verfügt. Er dürfte demnach den Leitzins am 7. Mai um 25 Basispunkte auf 1,25% senken. Bundesbankchef Axel Weber lehnt eine Zinssenkung auf unter 1% entschieden ab. Die Ratsmitglieder aus Griechenland und Zypern wollen hingegen Zinsen kräftiger lockern. Lorenzo Bini Smaghi, das Ratsmitglied aus Italien will den Leitzins auf 1% senken und dann basta! Die Uneinigkeit über den geldpolitischen Kurs der EZB entbehrt allerdings nicht jeder Ironie.


Inflation HICP in Euro Area, Graph:ECB

Während amerikanische Ökonomen zur Zeit angesichts der anhaltenden Rezession sogar über negative Leitzinsen diskutieren, ist die EZB-Führung misslich unentschlossen, ob und um wie viel die Zinsen gesenkt werden sollen. Die EZB hat sogar im Sommer 2008 vor dem Umfeld des tiefen Abschwungs folgenschwer ihre Zinsen erhöht, anstatt zu senken, weil sie sich aus dogmatischen Gründen auf Lohn- und Preisdruck konzentriert. Der aktuellen konjunkturellen Lage schenkt die EZB kaum Beachtung. Ohne Aufschwung gibt es aber kein Wachstum.

The Cost of Capitalism

Buchbesprechung:

Robert J. Barbera: The Cost of Capitalism. Understanding Market Mayhem and Stabilizing our Economic Future. McGraw-Hill, New York, London, 2009.



Die herrschende ökonomische Theorie postuliert, dass die Finanzmärkte, sich selbst überlassen, zum Gleichgewicht tendieren. Die anhaltende Weltwirtschaftskrise hat jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Theorie des vollkommenen Wettbewerbs aufkommen lassen. Mittlerweile wurde eine „Kapitalismus-Debatte“ ausgelöst. Es ist sogar von einem Umbruch in der Wirtschaftswissenschaft die Rede. Die etablierte Ökonomie wird im Sog der Rezession v.a. in den USA fundamental in Frage gestellt. Der Monetarismus ist untergegangen. Wie George Soros mit seinem Buch „The New Paradigm for Financial Markets“ den Weg in diese Richtung ebnete, ruft nun Robert J. Barbera mit seinem aktuellen Werk nach einem „neuen“ Ordnungsrahmen für den Kapitalismus, „wenn wir freie Märkte bewahren wollen“. In dieselbe Reihe passt auch das von uns neulich hier besprochene Buch von George Akerlof und Robert Shiller: „Animal Spirits“.


Robert J. Barbera ist Executive Vice President und Chef-Ökonem bei ITG und ein Economics Department Fellow an der Johns Hopkins University. Er hat früher als Ökonom für das Congressional Budget Office (CBO) gearbeitet.

Seine Hauptargumente sind folgende: 1) Die Boom-Bust-Phasen der Wirtschaft werden seit 1985 nicht von der Inflation, sondern von den Finanzmärkten angeheizt. 2) Die Stabilität der Main Street fördert paradoxerweise die Wall Street, exzessive Risiken einzugehen. Die beiden Faktoren führen verhängnisvoll dazu, dass kleine Rückschläge katastrophale Folgen haben. Barberas theoretisches Konzept bezieht sich auf Hyman Minsky (1919-1996). Minsky war ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, der als Postkeynesianer gilt. Er studierte und promovierte bei Joseph Schumpeter. Minsky beschäftigte sich mit der Frage, warum es trotz boomender Wirtschaft immer wieder zu plötzlichen Krisen kommt. Seine Krisenthese lässt sich kurz in zwei Punkten zusammenfassen: 1) Ein längerer Zeitraum von gesundem Wachstum überzeugt Menschen, hemmungslos immer grössere Risiken einzugehen. 2) Wenn sehr viele Leute riskante Wetten schliessen, können kleinere Enttäuschungen verheerende Folgen haben. Durch Minsky Ideen entstand der ökonomische Terminus „Paradox of Goldilocks“. Das heisst: Was “kreative Zerstörung” in Main Street für Joseph Schumpeter bedeutet, sind für Hyman Minsky „Finanzmarkt-Umwälzungen” in Wall Street („Corporate America“).

Barbera zeigt anhand Minsky’s Theorie der Finanzmärkte auf, wie die Wall Street in langen Zeiten wirtschaftlichen Wachstums das Risiko geflissentlich ausblendet, und beginnt, mit immer mehr Fremdkapital (leverage) nach immer höheren Gewinnen zu streben, unabhängig davon, wie enthusiastisch der Ausblick für die Finanzmärkte ist. Laufen aber die Märkte zu heiss, werden Kreditgeber mit neuen Ausleihungen plötzlich zurückhaltend, sodass nicht nur die spekulativ orientierten Schuldner stürzen, sondern auch solide Banken. Weil, wenn Kreditnehmer ihre Zinsen nicht zahlen und ihre Kredite nicht tilgen können, Kreditgeber anfangen müssen, die Schulden abzubauen (deleveraging), um ihre Bilanzen zu bereinigen. Sie trennen sich von Vermögenswerten („Minsky Moment“), u.a. auch von rentablen. Eine fatale Abwärtsspirale kommt in Gang. Folglich werden Bailouts notwendig. Schliesslich will niemand reihenweise Banken zusammenbrechen lassen. Staatliches Eingreifen im Markt wird also unvermeidbar. Die Instablitität, die das kapitalistische Wirtschaftssystem in sich birgt, muss daher laut Autor bewusst angegangen werden, indem die Zentralbanken die Entwicklungen auf den Vermögensmärkten sorgfältig beobachten und in ihren geldpolitischen Entscheidungen vollständig mitberücksichtigen. Zumal keine der Krisen in den vergangenen 25 Jahren auf Lohn- und Preisdruck zurückführen sind. Verantwortlich dafür sind die Exzesse an den Asset Markets und dubiöse Finanzierungspraktiken. Für den „neuen Konsens“ ist ausdrücklich zur Kenntnis zu nehmen, dass der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik durch die Finanzmärkte erfolgt. Das sei der Eckpfeiler der makroökonmischen Denkweise, hält Barbera fest. Als Anleitung empfiehlt der Autor, Keynes und Minsky (wieder) zu lesen. Das dynamisch verfasste Buch enthält wertvolle Denkanstösse für die aktuelle Debatte. Wegweisend.

Sonntag, 19. April 2009

Negative Zinsen

Gregory Mankiw, Berater des Präsidenten George W. Bush, hat heute in einem in wirtschaftstheoretischer Hinsicht interessanten Beitrag in The New York Times (Sonnstagsausgabe) ein diskussionswürdiges Thema aufgegriffen. Mankiw, Wirtschaftsprofessor an der Harvard University, schlägt nämlich gestützt auf eine Idee von Silvio Gesell (1862-1930), einem deutschen Ökonomen, die Einführung negativer Zinsen durch die Fed vor, um die anhaltende Rezession zu bekämpfen. Prompt kommt Brad DeLong in seinem Blog mit einer kurzen aber informativen Antwort darauf.


Real Interest Rates, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, April 2009

Die Debatte darüber dürfte insofern interessant werden, als damit die Hauptthese von Knut Wichsell (1851-1926) angeschnitten wird. Dass das Geld nicht neutral ist. Es kommt nämlich auf das Verhältnis von natürlichem Zins und Geldzins an. Die Geldpolitik hat sowohl kurzfristige, als auch langfristige Auswirkungen auf die Konjunktur. In der Diskussion um den Einfluss der Zinsen auf das Wachstum geht aber die herrschende Lehre von der Neutralität des Geldes aus. Das gilt z.B. für die EZB, aber nicht für die Fed, die sich schon längst vom dogmatischen Monetarismus verabschiedet hat.

Freitag, 17. April 2009

Fed kauft TIPS

Die amerikanische Notenbank (Fed) hat gestern gestützt auf ihre Politik der mengenmässigen Lockerung („quantitative easing“) erstmals für 1,5 Mrd. $
inflationsgeschützte Staatsanleihen
(sog. TIPS) gekauft. Marktteilnehmer sind jedoch enttäuscht, weil sie 1) mit einem Volumen von mind. 2 Mrd. bis 2,5 Mrd. $ gerechnet haben, und 2) die Käufe für das kurze Ende der Zinskurve galten. Die Fed hat nämlich TIPS mit 4 Laufzeiten erworben. Keine davon aber betrifft den Bereich von 5- oder 10-jährigen TIPS. Der Löwenanteil des TIPS-Kaufs fiel auf die Laufzeit von 2 Jahren. Der Rest ging in das lange Ende der Zinskurve.


TIPS (1Y), Graph: bloomberg.com

Die Massnahme ist aber dennoch förderlich für den TIPS-Markt. Worum geht es dabei? Fed-Chef Ben Bernanke will mit dem Aufkauf von Staatsanleihen (inkl. TIPS) auf dem Markt die Rendite am langen Ende der Zinskurve drücken. Die Fed hat seit dem 25. März Staatspapiere für rund 52,7 Mrd. $ erworben. Geplant ist ein Kauf-Volumen von 300 Mrd. $. Kauft die Fed weiter, werden die Staatspapiere teuerer, weil deren Preis steigt. Umgekehrt sinken die Renditen. Auf diese Weise wird sich die Nachfrage auf Unternehmensanleihen und mit Hypotheken besicherten Anleihen verschieben, weil diese, was die Rendite betrifft, attraktiver werden, wie Bradford DeLong argumentiert. Ziel der Fed ist, den Kreditmarkt wieder zum Auftauen zu bringen. Die ausserordentlichen Massnahmen (QE) waren notwendig, weil die Fed i.d.R. nur die Renditen am kurzen Ende direkt kontrollieren kann. Das Instrument dazu ist die Fed Funds Rate (FFR: Leitzins). Diese notiert mittlerweile mit der Bandbreite von 0% bis 0,25% nahe Null Prozent. Die effektive FFR beläuft sich sogar derzeit auf 0,15%. Der Leitzins kann aber nicht unter Null fallen, weil sonst die Bank A der Bank B keine 100 $ leihen würde, wenn sie im Gegenzug weniger als 100 $ zurückbekäme. Im Übrigen versucht die Fed mit dem Aufkauf von Treasuries und TIPS zugleich die Inflationserwartungen im Griff zu halten. Denn die Rendite der Treasuries ergibt sich aus der Zusammensetzung der Rendite der TIPS und der erwarteten Inflation, wobei die implizierten Inflationserwartungen wegen des Risikozuschlags (Risikoprämie) etwas weniger betragen als der aktuelle Spread zwischen der Rendite der Treasuries und der TIPS.

Türkei: Zinssenkungen beflügen Anleihen

Die türkische Zentralbank (CBT) hat ihre Leitzinsen seit Oktober 2008 um insgesamt 700 Basispunkte (d.h. 7%) gesenkt, um die negativen Auswirkungen der globalen Rezession auf die türkische Wirtschaft abzufedern. Mit dem gestrigen Entscheid der CBT notiert der Tagesgeldeinlagensatz (9,75%) nun erstmals in der Geschichte einstellig. Am stärksten hat bisher der Anleihenmarkt davon profitiert. Die Rendite der in der Landeswährung denominierten Staatspapiere ist auf ein historisches Tief gefallen. Die kräftige Zinslockerung kommt aber insbesondere Null-Kupon Anleihen zu Gute.


0% Rabobank Nederland 15 EMTN, Graph: UBS

Der Kurs der Null-Kupon-Anleihe Rabobank Nederland (TRY010, Valor: 2078409, Laufzeit: 03.03.2015) legte heute morgen um 6,10% zu. Der aktuelle Kurs beträgt 46,95% und die Rendite beläuft sich auf 14,88%. Die Duration: 5,881. Seit Jahresbeginn ist die Anleihe im Kurs um mehr als 11% gestiegen.

Donnerstag, 16. April 2009

Türkische Zentralbank: Leitzins erstmals in der Geschichte einstellig

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute ihren geldpolitischen Kurs kräftig weiter gelockert. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 75 Basispunkte von 10,50% auf 9,75% gesenkt. Die meisten Analysten hatten mit einer Zinssenkung um 50 Basispunkte gerechnet. Damit liegt der türkische Leitzins erstmals in der Geschichte einstellig. Die CBT hat zugleich auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 13,00% auf 12,25% reduziert.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT

Der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank begründete den heutigen Zinsentscheid mit dem Hinweis auf die weltweit anhaltende konjunkturelle Abschwächung. Es seien keine Anzeichen einer nachhaltigen Erholung auf den globalen Kreditmärkten zu erkennen, teilte die CBT mit. Die türkischen Währungshüter vertreten die Ansicht, dass die Wiederbelebung der Konjunktur noch auf sich warten lässt. Der Inflationsverlauf sei weiterhin abwärtsgerichtet. Der nächste Zinsschritt dürfte in diesem Marktumfeld massvoll erfolgen, um den geldpolitischen Kurs flexibel fortzusetzen.




Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz9,75%
Ausleihsatz12,25%


US-Dollar/TRY: 1,6116
Euro/TRY: 2,1218
CHF/TRY: 1,4037.

Österreich: Eine Frage des Staatsbankrotts?

Die österreichischen Banken haben bekanntlich jahrelang grosszüzige Kredite in Osteuropa vergeben. Die Summe beläuft sich auf mehr als 65% des BIP. Kein anderes Land der Welt hat sich in der krisengeschüttelten Region so weit aus dem Fenster gelehnt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Österreich längst vor verheerenden Folgen dieser Exposures gewarnt. Nachdem Paul Krugman am vergangenen Montag im Rahmen einer von Foreign Press Club organisierten Veranstaltung auf eine Frage keine günstige Prognose für Österreich abgab, entlied sich in der Alpenrepublik eine landesweite Empörung. Im Übrigen hat Nobelpreisträger neben Österreich mehrere andere Länder als "gefährdet" bezeichnet.


Claims of West European banks on East European countries, Graph: BIS

Der Wirtschaftswissenschaftler bemerkte daraufhin gestern in seinem Blog, dass er bloss das Offensichtliche gesagt habe, und Österreich nicht dem Untergang geweiht sei. Die Prämien für Credit Default Swaps für österreichische Staatsanleihen belaufen sich auf rund 240 Basispunkte. Das bedeutet, dass Investoren 2,40% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Wer also Staatspapiere Österreichs im Wert von 10 Mio. € für 5 Jahre gegen den Zahlungsausfall versichern will, muss 240'000 € berappen.

USA: Negative Inflation im März

Die Verbraucherpreise sind in den USA im März auf Jahresbasis um 0,4% gesunken. Das ist der erste jährliche Rückgang seit August 1955. Die Kernrate (d.h. ohne Energie- und Lebensmittelpreise) legte auf Jahressicht um 1,8% zu. Verantwortlich dafür war der Anstieg der Tabakpreise um 11%. Die aktuellen Daten signalisieren alles in allem Deflation.


Breakeven Inflation, Graph: bloomberg.com

Die USA befinden sich seit Dezember 2007 in einer Rezession. Der Preisverfall erhöht die Sorgen vor einer Deflation. Verbraucher halten sich daher mit Ausgaben zurück.

Overnight Repo on General Collateral: 0,09%
Fed Funds Rate: 0,125%
TIPS Inflation Spreads
5Y: 0,82%
10Y: 1,34%

Mittwoch, 15. April 2009

Kreditmärkte: Bernanke verbreitet Zuversicht

Fed-Chef Ben Bernanke ist zur Zeit redlich bemüht, die Transparenz über den geldpolitischen Kurs der Notenbank zu erhöhen. Vor dem Morehouse College sagte er gestern in einer Rede in Form eines Frage-Antwort-Katalogs, wie in einem Seminar an der Uni, dass der Abschwung sich verlangsame. Die
nachhaltige Erholung der Wirtschaft
hänge aber von der Stabilisierung des Finanzsystems und der Kreditmärkte ab.


3 M Libor $, Graph: bloomberg.com

Wie sieht es aber auf den Kreditmärkten aus?

Der TED-Spread (Spread für unbesicherte Kredite) ist von rund 1,02% vor einem Monat auf 0,9553% gesunken. Das Jahreshoch beträgt 4,64%. Ein Wert, der im Oktober 2008 verbucht wurde.

Der Libor-OIS-Spread (Spread für besicherte Kredite) liess von 1,08% vor einem Monat auf 0,920% nach. Mit 3,640% wurde im Oktober 2008 ein Rekordwert erreicht.

Der 3-Monats-Libor für US-Dollar ist von 1,32% auf 1,12% gesunken. Das ist der stärkste Rückgang des Libor seit Jahresbeginn. Der Libor (London Interbank Offered Rate) gilt weltweit als Benchmark für Anlageprodukte im Volumen von 360'000 Mrd. Dollar. Jeder Zinsswap und jede Anleihenemission richtet sich nach dem Libor.

Die A2/P2-Spreads, d.h. die Aufschläge zwischen non-financial Commercial Paper (30 Tage) niedriger und hoher Qualität (Rating), belaufen sich derzeit auf 89 Basispunkte. Im September 2008 hatte sich der Spread bis auf ein Rekordhoch von 511 Basispunkten ausgeweitet.

Der Markt für Commercial Papers (CP, Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von bis zu zwei Jahren) zeigt seit Jahresbeginn dank Hilfspaketen (CPFF, AMLF und MMIFF-Programms) der US-Notenbank (FED) eine erhöhte Kreditnahme der Unternehmen. Das Marktvolumen (CP outstanding) stieg seit dem Tiefstpunkt am 20. Oktober laut Morgan Stanley um 17% auf 1'700 Mrd. Dollar.

Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 europäische Unternehmen mit geringer Bonität (high-risk, high-yield credit rating) umfasst, gaben heute um 13 Basispunkte auf 867 Basispunkte nach. Das bedeutet, dass Anleger 867’000 Euro zahlen, um Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern. Der Index war am 3. Dezember 2008 erstmals auf 1'000 Basispunkte gestiegen. Vor dem Ausbruch der Krise hat der Index auf 189 Basispunkten notiert.

Fazit: Die Risikoaufschläge auf den Kreditmärkten lassen in der Tat „vorläufige Anzeichen“ erblicken, dass sich der heftige Abschwung verlangsamt. Es gibt aber derzeit keinen Grund, die Rezession für überwunden zu betrachten. Die Spreads sind nach wie vor von der Normalisierung entfernt. Die Gefahr einer Depression scheint jedoch gebannt. Das ist die gute Nachricht.

Dienstag, 14. April 2009

Goldman Sachs und Paradox of De-Leveraging

Die amerikanische Bank Goldman Sachs will die Staatshilfe (10 Mrd. $ aus TARP), die sie im Sog der Kreditmarktkrise bekommen hat, zurückzahlen. Zu diesem Zweck hat die Grossbank angekündigt, Aktien im Umfang von 5 Mrd. $ auszugeben. Die Absicht hat aber denkwürdige Konsequenzen: 1) Die Kapitalerhöhung wird die Anteile der bestehenden Aktionäre verwässern. Der Gewinn je Aktie wird sich also verringern. 2) Die Konkurrenz wird durch diese Massnahme in Zugzwang geraten. Denn wer will schon vom Staat abhängig geschäften? Und 3) Das Geld wird nicht lukrativ angelegt.


Goldman Sachs, Graph: yahoo.finance.com

In der Falle der „Schulden-Deflation“ versuchen alle Wirtschaftssubjekte ihre Schulden zurückzuzahlen. Banken, die überschuldet sind, wollen sich jetzt im Zuge der anhaltenden Krise vorerst sanieren, d.h. Schulden abbauen. Dadurch entsteht eine Abwärtsspirale, die zu einem anhaltenden Preisverfall bei Vermögenswerten führt. Da die Banken mit Bilanzbereinigung beschäftigt sind, findet keine Kreditvergabe statt. Unternehmen investieren nicht. Wer nicht investiert, stellt auch keine Leute ein. Die Arbeitslosigkeit steigt an. Wie die heute veröffentlichten Zahlen belegen, halten sich Verbraucher mit Ausgaben zurück. Die Einzelhandelsumsätze sind im März um 1,1% eingebrochen. Die Grosshandelspreise sind in diesem Monat auf Jahresbasis um 1,2% zurückgegangen. Die Deflationsgefahr wächst. Die Bemühungen, Bilanzen zu kürzen, verlängern schliesslich die Rezession.

Sonntag, 12. April 2009

Stress Test Stress

Die Ankündigung der US-Bank Wells Fargo, im ersten Quartal einen Rekordgewinn zu erwarten, hat an der Börse vor Ostern eine Kursrally ausgelöst. Ist um die Verfassung der Banken besser bestellt als bisher angenommen? Es sieht so aus, als ob alle 19 Banken, die von der Regierung überprüft werden, den Stresstest bestehen würden, kommentiert The New York Times. Die 4. grösste amerikanische Bank wird die Details am 22. April offenlegen. Weitere Termine: Am 14. April Goldman Sachs, 16. April JPMorgan Chase, 17. April Citigroup und 21. April Morgan Stanley.

Zur Erinnerung: Wells Fargo hat den Rivalen Wachovia gekauft. Die Dividende um 85% gekürzt und Geld aus dem TARP (Bankenrettungsprogramm) gegen Ausgabe von Vorzugsaktien bekommen. Die Aktie hat seit Jahresbeginn um mehr als 50% an Wert verloren.

Die Ergebnisse der Tests werden Ende April bekanntgegeben. Die US-Regierung will offenbar Investoren mitten in der Berichtssaison nicht verschrecken. Die Fed habe deswegen laut Bloomberg die Banken angewiesen, über die Ergebnisse der Stresstest „den Mund zu halten“. Die Banken haben 6 Monate Zeit, sich Kapital zu beschaffen, wenn die Prüfer befinden, dass Kapitalbedarf besteht.

Inzwischen kauft die Fed am offenen Markt weiter Staatsanleihen auf, um die Rendite am langen Ende der Zinskurve zu drücken. Teure Staatsanleihen sollen auf diese Weise die Nachfrage auf Unternehmensanleihen und Anleihen, die mit Hypotheken besichert sind, lenken. Das Ziel ist, über gesunkene Hypothekenzinsen die Umschuldung für Banken zu erleichtern. Denn die Banken werden ihre Abschreibungen auf Hypotheken Vermögenswerte fortsetzen, solange die Immobilienpreise sich im Fallen befinden.

Fazit: Wer nur auf den Aktienmarkt („greenshoots“) schaut, liegt falsch. Entscheidend ist die Lage auf dem Kreditmarkt, welcher der bessere Indikator dafür ist, wann der Abschwung zu Ende geht.

Gescheitert

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck: „Gescheitert“. Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert. Westend Verlag, München, 2009.


Heute verfügt die Politik über kein wirtschaftspolitisches Konzept. Und es gibt kaum Politiker mit ökonomischer Weitsicht in den Bundesministerien. Eine einzige Ausnahme ist Oskar Lafontaine, so urteilt Flassbeck in seinem neuen Werk. Lafontaine, der Name kommt in dem Buch unheimlich viel vor, war der Autor Ende der 1990er Jahren auf politischer Bühne begegnet und mit ihm zusammengearbeitet.

Heiner Flassbeck leitet seit 2003 als Direktor bei den Vereinten Nationen in Genf (UNCTAD) die Division on Globalization and Development Strategies. Von 1998 bis 1999 war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Seit März 2005 Honorarprofessor an der Uni für Wirtschaft und Politik Hamburg.


Flassbeck fordert volkswirtschaftliches Management, statt der herrschenden unternehmerischen Wirtschaft. Dieses Buch will daher aufzeigen, dass Demokratie und Marktwirtschaft gefährdet sind, wenn Politik und Gesellschaft in Grundfesten von der Unternehmerlogik dominiert werden. Regierung und Opposition bieten nämlich wirtschaftspolitisch keine Alternative. Nur volkswirtschaftliche Logik kann dabei Abhilfe schaffen. Weg mit der Angebotspolitik. Eine Nachfragepolitik muss her, lautet das Credo des Buches. Konkret: Deutschland und manche andere europäische Länder konzentrieren sich auf den Export zu Lasten der Binnennachfrage. Das Mittel dazu ist Lohndumping. Da der Monetarismus a la EZB jeden Versuch erstickt, durch Wachstum Beschäftigung zu fördern, entsteht regelmässig Rezession. Die EZB ist bekanntlich nur auf Inflation fixiert. Es ist deshalb keine Überraschung, dass auch die Wachstumsbremserin im Euro-Raum ihr Fett in diesem Buch abbekommt. Noch frisch in Erinnerung ist der fatale Zinsschritt der EZB im Sommer 2008. Die europäische Zentralbank hat im Vorfeld der grössten Wirtschaftskrise seit Menschengedenken ihre Leitzinsen erhöht, anstatt zu senken.

Die Regierungen fordern daraufhin „Reformen“. Das bedeutet im Klartext Lohnkostensenkungen. Die Lohnstückkosten seien hierzulande zu hoch, lautet die Behauptung vieler Experten auf Diskussionsrunden im Fernsehen. Weil sonst Kapital in Niedriglohnländer abwandern würde, muss der Arbeitsmarkt flexibler gestaltet werden, drohen die Befürworter. Kostensenkung ohne Innovation bringt aber der Gesellschaft nichts. Wie senkt heute ein Unternehmen überhaupt Kosten? Indem es dank seiner Marktmacht Vorleistungen verbilligt, Arbeitskräfte entlässt oder den Lohn seiner Mitarbeiter senkt. Im Lichte der anhaltenden Krise wird nun jedoch viel klarer sichtbar, dass die Rechnung dieser Art von „Sanierung“ nicht aufgeht. Es funktioniert nur, wenn der Staat die Kosten (Einkommenskürzung der Arbeitskräfte) durch höhere Defizite stabilisiert.
Dann behaupten aber Anhänger der vorherrschenden Marktideologie, dass die „Überregulierung“ (also „zu viel Staat“) das Wachstum hindere. Dabei gilt es umgekehrt. Nur Wachstum kann den Arbeitsmarkt wiederbeleben. Zahlen belegen dies: Während der Wachstumsbeitrag des privaten Verbrauchs in den USA 2,9% und in Grossbritannien 2,6% beträgt, liegt er in Deutschland lediglich 0,9%. Nur in Deutschland und Japan sind die Löhne pro Kopf weniger gestiegen als in anderen Ländern. Stagnieren die Reallöhne, stagniert der Absatz der Unternehmen. Daraufhin investieren Unternehmen weniger und stellen kaum Leute ein. Obwohl gar keine Lohn-Preis-Spirale besteht, fährt die EZB ihren restriktiven geldpolitischen Kurs weiter. Den Letzten beissen die Hunde. Fortlaufenden Kosten tragen Arbeitslose und Rentner. Das Lohndumping reisst alle Länder in die Abwärtsspirale, die mit dem Hochland Mitglied in einer Währungsunion sind oder ihren Wechselkurs fixieren. Alle brisanten Themen der gegenwärtig relevanten ökonomischen Themen werden in diesem Buch leidenschaftlich angeschnitten und konkret erläutert. Das Buch ist für politisch bewusste Bürger eine Pflichtlektüre.

Mittwoch, 8. April 2009

Der Schwarze Schwan und Kapitalismus 2.0

Nassim Nicholas Taleb, der Autor des bestverkauften Sachbuchs 2007, hatte bereits vor ein paar Jahren vorgeschlagen, das Finanzsystem auszuwechseln. Er vertrat vor dem Ausbruch der anhaltenden Krise die Meinung, dass die Wall Street das gesellschaftliche Wertesystem korrumpiert hat. In einem kurzen, aber hervorragenden Essay in FT von heute legt Taleb den Grundstein des Kapitalismus 2.0.



Laut Taleb sollte nichts so gross sein, um „too big to fail“ genannt zu werden. Alles, was zum Objekt einer Bail-out Massnahme wird, sollte verstaatlicht werden. Belohne den Manager eines Atomkraftwerkes oder deines Vermögens nie mit Leistungszulage („incentive bonus“), lautet sein Rat. Die komplexe Wirtschaft sei bereits eine Form des „leverage“: Leverage der Effizienz. Solche Systeme überleben nur dank Nachlässigkeit und Überflüssigkeit. Komplexe Derivate gehören verboten, weil niemand sie versteht Und vieles mehr.

Beim „Schwarzen Schwan“ geht es um extrem unwahrscheinliche Ereignisse, die häufiger vorkommen als man denkt. Das Fatale daran ist, dass ihre Folgen systematisch unterschätzt werden.

Greenshoots, Inflation und Fed’s Exitstrategie

Das Wort „Green Shoots“ (grüne Sprösslinge) ist plötzlich in aller Munde. Es herrscht Frühlingserwachen an den Aktienmärkten, als ob der Abschwung vorbei wäre. Anlass: Die Beschlüsse des G20-Gipfels in London wurden im Markt mit Begeisterung aufgenommen. Es gibt zwar im allgemeinen keinen Grund zur Euphorie. Aber das Vertrauen scheint zurückzukehren. Dennoch ist die dadurch ausgelöste Debatte über die Exitstrategie der Fed vollkommen verfrüht.

Denn es gilt: Inflation ist zur Zeit kein Thema, solange die Rezession anhält und das Finanzsystem nicht saniert ist. Die Gefahr sinkender Preise (Deflation) ist derzeit deutlich grösser als das Inflationsrisiko. Die Notenbanken werfen die Druckpresse an, um Liquidität in den Markt zu pumpen. Auf diese Weise nimmt das Geldangebot zu. Die monetäre Basis weitet sich aus, aber in dem Ausmass, wie die Geldmenge steigt, nimmt die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ab. Das bedeutet keine Inflationsgefahr, da das Preisniveau nicht ansteigt. Der Umlauf des physischen Geldes wird also nicht tangiert. Unternehmen können es sich ferner angesichts des weltweiten Einbruchs der Nachfrage nicht leisten, Preise zu erhöhen. Die Kapazitätsauslastung geht zurück. Die Investitionsneigung bleibt ziemlich gedämpft.

Die massiven Liquiditätsspritzen durch die Notenbanken sind nicht inflationär. Weil sie die enorme Nachfrage nach Liquidität decken. Wenn die Panik am Markt sich legt und die Überschussnachfrage nach Liquidität schrumpft, können die Zentralbanken die exzessive Liquidität wieder abschöpfen. Das ist technisch nicht schwierig. Zumal die neuen Fazilitäten der Fed kurzfristig ausgelegt sind und per definitionem auslaufen. Zweitens können Zentralbanken mit „reverse repo“-Geschäften die Bankreserven (Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) wieder abschöpfen. Dafür steht der Fed das neue „Supplementary Financing Program“ (SFP) zur Verfügung. Fed-Chef Ben Bernanke hat darauf an seiner Rede am 3. April vor dem „Credit Market Symposium“ besonders aufmerksam gemacht. Drittens könnten Zentralbanken, wenn notwendig, die Anleihen, welche sie am offenen Markt aufgekauft haben, verkaufen und den Erlös einstampfen.

Die Notenbanken würden nicht zulassen, dass die Finanzierungskosten der Bailout-Massnahmen für die Wirtschaft monetarisiert werden. Dadurch würden sonst die Inflationserwartungen steigen. Um das zu verhindern, müssten die Notenbanken die Geldpolitik radikal straffen. Wann aber entgegengesteuert werden soll, bleibt die entscheidende Frage.

Dienstag, 7. April 2009

SNB: Erweiterte Swap-Vereinbarungen

Die SNB, die BoE, die EZB, die Fed und die BoJ haben Swap-Vereinbarungen angekündigt. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Zentralbanken zusammenarbeiten, um den globalen Finanzmärkten Stabilität zu verleihen. Die Fed hat damit Zugang zu rund 285 Mrd. $ in €, Yen, £ und Schweizer Franken. Das heisst, dass die Fed in der Lage ist, US-Finanzinstitute mit Liquidität in Fremdwährung zu versorgen. Die Fed hat zwar nicht bekanntgegeben, wie die Fremdwährungen verteilt werden. Aber eine Möglichkeit wäre über das Diskontfenster.


$/CHF Exchange Rate (1Y), Graph: finance.yahoo.com

Die Swap-Vereinbarungen sind zeitlich begrenzt (i.d.R. 3 Monate). Und die Zentralbanken tragen kein Wechselkursrisiko, weil für die Rückbuchung derselbe Wechselkurs benutzt wird. Die Fed hat laut Bloomberg per 1. April 308,8 Mrd. $ Swap Liquidität.

Montag, 6. April 2009

Balance Sheet Recession

Mit dem Thema „Balance Sheet Recession“ beschäftigt sich heute Paul Krugman in seinem Blog. Er erläutert den theoretischen Hintergrund dazu und verspricht mehr dazu zu liefern.


Richard Koo, Nomura, „Balance Sheet Problems Forced Japanese Businesses to Pay Down Debt even with Zero Interest Rates”

Eine Bilanzrezession entsteht, wenn in einer Volkswirtschaft eine (Spekulations-) Blase der Vermögenswerte („asset price bubble“) platzt. Als Folge davon überwiegt die Summe der Verbindlichkeiten die der Vermögenswerte in der Bilanz des privaten Sektors. Um die Bilanz zu bereinigen, geht die Privatwirtschaft weg vom Ziel der Gewinnmaximierung hin zu Schuldenminimierung, schreibt Richard Koo in seinem viel zitierten Buch. Während der private Sektor sich mit De-Leveraging befasst, bleiben die Ersparnisse und Schuldenabbau trotz Null-Zinsen im Bankensystem stecken, da keine Kreditnahme stattfindet. In einer derartigen Rezession kommt es zu keinem sich selbst tragenden Aufschwung, bis die Bilanz der privaten Wirtschaft bereinigt ist.

Sonntag, 5. April 2009

The Holy Grail of Macroeconomics

Buchbesprechung:

Richard C. Koo: The Holy Grail of Macroeconomics. Lessons from Japan’s Great Recession. John Wiley & Sons , 2008.


Japans Wirtschaft war seit den 1950er Jahren durch ein relativ hohes Wachstum geprägt. Angetrieben wurde das reale Wirtschaftswachstum v.a. vom Exportsektor. Das Land erzielte hohe Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse. Begleitet wurde das phänomenale Wachstum von einem Boom auf den Aktien- und Immobilienmärkten. Japans Grosskonzerne haben nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Banken kontrolliert. Im Mittelpunkt dieses engen Netzwerks stand eine lockere Kreditvergabe, die anhand von persönlichen Absprachen in allen Sektoren (Stichwort: Kreuzbeteiligungen) der ganzen Wirtschaft stark ihren Stempel aufgedrückt hat. Japans Banken wiesen bis zu Beginn der 1990er Jahren im internationalen Vergleich eine sehr hohe Fremdkapitalquote auf. Mit der Zeit nahmen aber die Zweifel über die Stabilität des japanischen Finanzsystems zu. Und dann platzte die Spekulationsblase am Immobilienmarkt und die Aktienkurse haben sich innert neun Monaten halbiert.


Richard C. Koo ist Chief Economist der Nomura Research Institute in Japan. Davor war Koo als Volkswirt bei der Fed New York tätig. In diesem Buch setzt sich der Autor mit den Problemen des japanischen Wirtschafts- und Bankensystems auseinander. Der im Zuge der anhaltenden Krise in der Gegenwart meist zitierte Ausdruck „balance sheet recession“ (Bilanzrezession) stammt von ihm. Sein Hauptargument: Es kommt auf die Bilanzen an. Banken, die überschuldet und von der Insolvenz bedroht sind, müssen sich vorerst sanieren, d.h. Schulden abbauen. Wenn aber auch Haushalte, die hochverschuldet sind, weil sie von Eigenheim bis Autos alles auf Pump gekauft haben, dazu übergehen, ihre Schulden zurückzuzahlen, entsteht eine Abwärtsspirale, was zu einem anhaltenden Preisverfall bei Vermögenswerten führt. Koo vertritt die Meinung, dass daher die Weltwirtschaft heute nicht mit einer standardmässigen Rezession konfrontiert ist.


Richard Koo: The Holy Grail of Macroeconomics

Die Welt erlebte seit 1945 viele Rezessionen, die entweder auf Angebotsschocks oder verfehlte (antiinflationäre) Geldpolitik der Notenbanken zurückzuführen waren. Das Fatale bei einer Debt-Deflation ist aber, dass der reale Wert der Schulden umso mehr steigt, je mehr die Marktteilnehmer Wertpapiere, die sie auf Kredit (d.h. mit „leverage“) erworben haben, abstossen. Die steigenden Kurse haben den Vermögenswert nach oben getrieben. Bei fallenden Kursen wirkt jedoch die Hebelwirkung („leverage“) in umgekehrter Richtung. Die auf Kredit aufgebauten Vermögensposten rufen hohe Verluste hervor. Sinkende Preise wiederum verschlimmern die Finanzlage der Banken und Haushalte. Dieser Teufelskreis wird als „Paradox of de-leveraging“ genannt. Die Banken müssen sich also rekapitalisieren. Die gegenwärtige Finanzkrise weist deshalb laut Koo grosse Ähnlichkeiten mit der Krise, die in den 1930er Jahren die USA erfasst hat, auf. Doch welche Lehren sind heute aus der japanischen Erfahrung insgesamt zu ziehen? Koo schreibt zu Recht, dass die Ausgabenpolitik der japanischen Regierung nicht gescheitert sei, wie von manchen Experten derzeit behauptet wird. Aber sein Rat, die Nettoausfuhren steigern zu lassen, funktioniert heute nicht, da die Nachfrage global zum Erliegen gekommen ist. Japan ist zwar nicht in einer Depression versunken, aber die These, die zumindest in den westlichen Universitäten bislang unterrichtet wurde, dass eine Rezession verbunden mit Deflation in dieser Form im Westen nicht vorkommen würde, hat sich als krasse Fehleinschätzung erwiesen. Es ist heute ferner evident, dass der enorme Refinanzierungsbedarf der Banken und der Sachzwang, die Bilanzen zu verkleinern, zur Verlängerung der Rezession beitragen. Und die Debatte darüber, ob eine expansive Fiskalpolitik notwendig ist, deswegen völlig weltfremd ist. Denn die Nachfrage hat vier Komponenten: 1) Privatverbrauch, 2) Unternehmensinvestitionen, 3) Ausfuhren und 4) Staatsausgaben. Wenn die Quellen aus 1) bis 3) ausfallen, muss der Staat die Lücke schliessen. Heute darf deshalb Japans Fehler von 1997 nicht wiederholt werden, als man zu früh glaubte, der Abschwung sei vorbei, der Staat müsse sofort ihre Ausgaben radikal kürzen, weil sonst das Defizit ausufert. Japans verlorenes Jahrzehnt muss also der ganzen Welt heute nicht widerfahren. Die Regierungen sind aufgefordert. Aus makroökonomischer Sicht ein spannendes Buch.

Samstag, 4. April 2009

China: Gibt es eine Welt ohne US-Dollar?

Zunächst verlangte die chinesische Führung Garantie für ihren Bestand an US-Treasuries. Dann forderte die Zentralbank (PBOC) des Landes eine neue Leitwährung. Peking hat Angst, dass der US-Dollar im Sog der Weltwirtschaftskrise an Wert verliert. Chinas Ausfuhren sind im vergangenen Monat im Vergleich zum Vorjahr um 26% eingebrochen. Das Land hat in den vergangenen fünf Jahren einen enormen Handelsbilanzüberschuss aufgewiesen und einen gewaltigen Kapitalzufluss aus dem Ausland genossen. Die Devisenreserven haben mittlerweile einen Rekordstand von 2'000 Mrd. Dollar erreicht. Davon sind rund 70% in US-Dollar investiert. Nun will die chinesiche Führung ihre Abhängigkeit vom US-Dollar im internationalen Handel verringern und schlägt daher vor, die Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF als eine übernationale Reservewährung werden zu lassen.

Zunächst einmal handelt es sich bei den SZR um eine Recheneinheit, und nicht um ein reales Geld. Und zweitens bestehen die SZR aus einem Währungskorb ($, €, £ und Yen). Der US-Dollar Anteil am Korb beläuft sich gegenwärtig um ca. 42%.

Hätte China seine Landeswährung nicht an den US-Dollar fest gekoppelt, hätte es nicht ständig US-Dollar kaufen müssen, schreibt Paul Krugman in seiner Kolumne bei New York Times. China sei in eine Dollar-Falle geraten, hält der Nobelpreisträger fest. Jetzt trage die chinesische Führung die Konsequenzen ihrer verfehlten Investmentstrategie, urteilt Krugman. Kein Mitleid mit China, das unmittelbar zugibt, dass sein exportorientiertes Wachstumsmodell ausgedient ist? Das Land sitzt auf einem riesigen Berg an Währungsreserven. Was soll damit passieren? China soll die Dollars benutzen, um Waren zu kaufen, auch in den USA, empfiehlt Peter Bofinger in einem Interview mit der Zeit Online. Die Chinesen sollten ihre Reserven einsetzen, um etwas für ihre Umwelt zu tun oder ihr Gesundheitssystem, argumentiert Wirtschaftswissenschaftler von der Uni Würzburg. Das ist gar keine schlechte Idee.

Freitag, 3. April 2009

Türkei: Kernrate der Inflation im März rückgängig

Der Verbraucherpreis-Index (CPI) ist in der Türkei im März um 1,1% gestiegen. Das war etwas höher als erwartet. Annualisiert kletterte die Inflationsrate auf 7,89%. Abgesehen von den Nahrungsmittelpreisen weisen aber alle anderen Hauptkategorien einen negativen Inflationsverlauf auf. Grund ist der dramatische Nachfrageeinbruch wegen des globalen Abschwungs.

Die von der CBT als wichtiger erachtete Kerninflationsrate sendet weiterhin negative Signale. Auf Jahresbasis reduzierte sich die Kernrate im März auf 5,6%.

Januar bis März 2009:
CPI: 1,05%
PPI: 1,70%


Türkei: Inflationsentwicklung, Graph: Turkish Treasury

Fazit: Es ist mit einer Fortsetzung der Zinssenkungsrunde durch die türkische Zentralbank (CBT) am 16. April zu rechnen.

$/TRY: 1,5822
€/TRY: 2,1331
CHF/TRY: 1,3989.

SNB: Keine „beggar thy neighbour“ Politik

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 12. März im Rahmen ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung festgehalten, dass sich 1) die wirtschaftliche Lage seit Dezember 2008 deutlich verschlechtert hat und 2) die Deflationsrisiken gestiegen sind. Die Nationalbank hat daher die monäteren Bedingungen kräftig gelockert und den Kauf von Anleihen im offenen Markt angekündigt. Zugleich hat die SNB begonnen, Devisenkäufe am Markt zu tätigen. Warum? Weil durch die weltweite Rezession ausgelöste Unsicherheit zu einer starken Aufwertung des Franken geführt hat, was wiederum die expansiven Auswirkungen der Zinssenkungen „neutralisiert“ hat.


CH Zinsmarkt, Graph: SNB
rot: repo o/n, grün: 3-Monats-Libor, blau: Rendite der Bundesobligationen

Der Schritt der SNB, am Markt Devisen zu kaufen, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern, wurde im Ausland scharf kritisiert. Die Strategie der SNB ziele darauf hin, durch künstliche Abwertung der eigenen Währung Handelsvorteile auf Kosten des Auslands zu erlangen, hiess es. Unter anderem war die Rede von einem drohenden „Abwertungswettlauf“.

In einem Referat erläuterte Philipp Hildebrand, Vizepräsident der SNB gestern in Bern, dass die Devisenkäufe der Nationalbank „ein ergänzendes Notinstrument zur Bekämpfung der Deflationsgefahr“ sind. Damit die aussergewöhnlichen Massnahmen (z.B. „quantitative easing“) nicht schnell verpuffen, gilt es für die SNB, eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens zu verhindern. Es geht also keineswegs um eine „beggar thy neighbour“ Politik. Eine neuerliche Aufwertung des Franken berge laut Hildebrand die Gefahr einer nachhaltigen deflationären Dynamik in der Schweiz. Im Vergleich mit der EZB hat die SNB den Auftrag, nicht nur die Preisstabilität zu gewährleisten, sondern auch der konjunkturellen Lage Rechnung zu tragen. Das bedeutet, dass sowohl Inflation als auch Deflation vermieden werden sollen. Die SNB hat daher recht, in diesem widrigen Marktumfeld an ihrer Versicherungsstrategie festzuhalten. Es darf in diesem Zusammenhang angemerkt werden, dass es Osteuropa ist, das von der Abschwächung des Frankens profitiert, weil auf diese Weise die Schuldenlast der Region sinkt. Also keine Angst vor einem Währungskrieg. Eher sollten sich die Länder an der Nase fassen, die mit Lohndumping ihre Marktmacht ausnutzen, jährlich neue Exportrekorde zu brechen.