Freitag, 27. November 2020

Corona-Krise und Staatsverschuldung: Wer bezahlt das?

Die Corona-Krise hat praktisch alle Länder der Welt vor beispiellose Herausforderungen gestellt.

Was dabei auffällt, ist, dass der öffentliche Sektor sich nach besten Kräften bemüht, den privaten Sektor zu stützen; die Bürger, Unternehmen und die Beschäftigung.

Während die Regierungen die Ausgaben erhöhen, steigt aber die Staatsverschuldung. Die Frage, die daher immer wieder aufgeworfen wird, lautet, wer das alles bezahlen soll.

Die Kosten der Massnahmen, die zur Bewältigung der Corona-Krise ergriffen werden, werden zumeist über die berühmt-berüchtigte Formel „debt-to-GDP“, Verschuldung im Verhältnis zum BIP, gemessen.

Es ist aber nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im Allgemeinen falsch, die wachsenden Haushaltsdefizite als Ursache und nicht als Ergebnis der Schwäche der Realwirtschaft zu betrachten.

Zur Erinnerung: Der Staat verordnet aufgrund der Pandemie die Schliessung der Geschäfte („lockdown“), um die Gesundheit der Bürger zu schützen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fällt aus und die Beschäftigung wird abgebaut, Menschen werden arbeitslos. Und die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, da die Einnahmen fehlen. Das alles lastet folglich auf dem Wachstum.


Die Metrikdebt-to-GDP“ ist ein Bruch, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020 

Mittwoch, 25. November 2020

Sparer und negative Realzinsen

Die Future-Märkte rechnen tendenziell nach wie vor mit einer weiteren Senkung des Einlagenzinssatzes durch die EZB

Eine Anhebung der Einlagen-Zinsen um 10 Basispunkte ist demnach erst in der zweiten Jahreshälfte von 2025 zu erwarten, während die Future-Kontrakte eine Zinssenkung für Anfang 2022 einrechnen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die Schlagzeilen wie z.B. „deutsche Sparer werden bei Nullzinsen enteignet“ oder „der Weg aus der Krise geht über die Enteignung der Sparer“ immer noch das Schaufenster der Medien gestalten.

Doch stimmen die Behauptungen? Was sagt die empirische Evidenz dazu? Ist die Geldpolitik der EZB tatsächlich ein grosses Problem dabei?

Viele Menschen mögen überrascht sein zu erfahren, dass negative Realzinsen kein neues Phänomen sind, sagte Isabel Schnabel am Dienstag im Rahmen eines Vortrags in Frankfurt. 

In Deutschland zum Beispiel liegt der durchschnittliche Realzins für Spar- und Sichteinlagen seit der Einführung des Euro etwa auf dem Niveau des Durchschnitts der letzten zwei Jahrzehnte, wie die folgende Abbildung eindeutig vor Augen führt.  


Negative Realzinsen sind kein neues Phänomen, Graph: Isabel Schnabel, EZB, Nov 24, 2020

Sonntag, 15. November 2020

Atlas der Weltwirtschaft

Buchbesprechung

Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker und Stefan Dudey: „Atlas der Weltwirtschaft“ – Zahlen, Fakten und Analysen zur globalisierten Ökonomie, Westend Verlag, Frankfurt, November 2020


Ein Bild sagt wirklich mehr als tausend Worte. „Atlas der Weltwirtschaft“ ist ein mit viel Abbildungen, Diagrammen und Tabellen versehenes Nachschlagewerk zum Wissensbereich Wirtschaft. 

Genau wie die in der Kartografie gebräuchliche Wortbedeutung bietet diese Meisterleistung eine Sammlung inhaltlich, national und international zusammenhängender Themen (Aussenhandel, Arbeitslosigkeit, Sparen & Investieren, Wechselkurse, Löhne, Klimawandel usw.) in Buchform.

Wirtschaft prägt die Welt, in der wir leben. 

Angesichts der Dominanz der Ökonomie im öffentlichen Leben ist es keine Überraschung, dass sich so viele Uni-Studenten dafür entscheiden, einen kleinen Teil ihrer Ausbildung dem Studium der Volkswirtschaftslehre zu widmen.

Das Wirtschaftswachstum ist heute geringer als in den 25 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Einkommen fallen und die Löhne stagnieren. Die Unterbeschäftigung ist die neue Arbeitslosigkeit. Deflation ist eine ernstzunehmende Drohung. Die Zinsen verharren auf der Stelle, nahe „zero lower bound“. 

Nach dem spektakulären Scheitern der neoliberalen Ideologie brauchen wir eine neue „economic story“.

Donnerstag, 12. November 2020

Arbeitsmarkt, Löhne und Beschäftigung

Heiner Flassbeck pflegt zu sagen, dass der Arbeitsmarkt nicht wie der Kartoffelmarkt funktioniert. Im Grunde genommen ist der Arbeitsmarkt kein Markt. Denn das Angebot und Nachfrage sind nicht voneinander unabhängig.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu lesen, wie die Fed St. Louis in einem jüngst veröffentlichten Research-Paper („Lump of Labor“ Fallacy) die oben zitierte Aussage ausführlich bestätigt.

In Wirklichkeit ist die Nachfrage nach Arbeitskräften nicht fixiert. Veränderungen in einer Branche können durch das Wachstum in einer anderen Branche ausgeglichen oder überschattet werden. Und wenn die Erwerbsbevölkerung wächst, steigt auch die Gesamtbeschäftigung, erklären die Autoren der Forschungsarbeit.

Die Analyse enthält zudem zwei Lektionen, die die „lump of labor“ Fallacy widerlegen, und sie erläutert anhand eines einfachen Wirtschaftsmodells, wie die Wirtschaft funktioniert, und beleuchtet, wie Technologie und Einwanderung den Lebensstandard erhöhen können. 


Wirtschaftskreislauf (The Circular Flow Model), Graph: St. Louis Fed, Research, Nov 2020 

Montag, 2. November 2020

Fiskalischer Handlungsspielraum und empirische Evidenz

Die aktuellen Daten reflektieren, dass die Prognosen der gängigen Wirtschaftsmodelle kläglich gescheitert sind.

Die Behauptung, dass die „zu lockere Geldpolitik“ die Inflationsrate massiv in die Höhe treiben würde, hat sich jeder Grundlage entbehrt. 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mainstream-Ökonomen den grössten Wert auf die Geldpolitik legen, als wirksames Mittel zur Steuerung der wirtschaftlichen Schwankungen. 

Doch die empirische Erfahrung seit GFC 2007-2008 zeigt, dass es der Geldpolitik (allein) nicht gelungen ist, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Zur Evidenz der vergangenen zehn Jahre: 

Die QE-Politik (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) der Zentralbank hat nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt.

Aber auch eine langanhaltende Periode niedriger Zinssätze hat keine Inflation ausgelöst. 

Das bedeutet, dass es viel Raum für weitere fiskalische Anreize (fiscal policy) gibt, der Wirtschaft auf die Beine zu helfen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung abzubauen.


Die €STR-Swapsätze der EZB implizieren eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 für eine Senkung der Einlagen-Zinsen um 10 Basispunkte im Dezember. Dennoch rechnet Nordea Research Team damit, dass eine weitere Senkung des TLTRO-Satzes wahrscheinlicher ist, Graph: Nordea Markets, Oct 30, 2020