Samstag, 14. Oktober 2023

We Need to Talk About Inflation

Book Review – Buchbesprechung

Stephen D. King: We Need to Talk About Inflation – 14 Urgent Lessons from the last 2,000 Years, Yale University Press, 2023, UK.


Stephen King, erzählt uns eine interessante Geschichte der Inflation. Im Mittelpunkt steht “die inflationäre Rolle des Staates”. 

Vom alten Rom über den Amerikanischen Bürgerkrieg bis hin zu den heutigen Vermögensblasen ist die Inflation laut dem Chefökonom (von 1998 bis 2015) der HSBC Gruppe in London auf "politische Fehler" und einen kollektiven "Vertrauensverlust" in Währungen zurückzuführen.

Den gedanklichen Rahmen der gesamten Argumentation des britischen Ökonomen, der heute als Senior-Berater für die HSBC tätig ist, bildet die "Quantitätstheorie des Geldes". 

Es ist doch wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei "quantity theory of money" nicht um eine Theorie handelt, sondern um eine Gleichung mit vier Variablen. 

Aus dieser Gleichung (MxV = PxY) kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine Zentralbank die Geldmenge (M) steuern muss, um die Inflation, d.h. die Entwicklung von Preis (P), unter Kontrolle zu bringen.

Es überrascht daher, dass der Autor immer wieder den nichtssagenden Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preis hervorhebt, auch wenn er eingesteht, dass "die zusammengestellten Buchstaben nicht mehr als eine buchhalterische Identität sind und die Kausalität ebenso wie die Definitionen vorgeschrieben werden müssen."

Die Quantitätstheorie ist "zu simpel", und ihr Erfolg hängt davon ab, was genau die Umlaufgeschwindigkeit (V) beeinflusst (oder den Wunsch, Geld zu horten, anstatt es auszugeben), räumt King weiter ein. 

Und er fügt hinzu, dass die Inflation nicht nur durch die Druckerpresse ("money printing") verursacht werde, sondern könne auch die Folge eines "Vertrauensbruchs" sein: "Die Geld- und Finanzbehörden verlieren das Vertrauen der Menschen."

Es ist richtig, dass das Drucken von Geld keine Inflation schafft, sondern das Drucken von zu viel Geld Inflation schafft; d.h. dass die Geldnachfrage immer berücksichtigt werden muss.

Tatsache ist, dass die Quantitätstheorie des Geldes von der Bank of England (BoE) im Jahre 2014 widerlegt wurde. Drei Jahre später hat sich auch die deutsche Bundesbank von der Fiktion losgesagt und ähnlich erklärt, dass die Banken aus dem Nichts Kredit erzeugen können.

Ferner erinnert Kings Hinweis auf "Vertrauen" an den heftigen Diskurs über Haushaltsdefizite vor rund 12 Jahren unter Ökonomen im Social Media, v.a. in Begleitung von "Bond Vigilantes" und der "Vertrauensfee" ("Confidence Fairy”).

Unbestritten ist jedoch, dass Vertrauen, außer in extremen Fällen, nicht dazu führen kann, dass eine schlechte Politik gute Ergebnisse erzielt, und ein Mangel an Vertrauen nicht dazu führen kann, dass eine gute Politik schlechte Ergebnisse erzielt.

In der Tat wurde das Denkbild "Bond Vigilantes" von “Austerians” (d.h. Anhängern von fiscal and monetary austerity) ins Leben gerufen, die aus ideologischen Gründen die öffentlichen Ausgaben kürzen und den Staat im Allgemeinen zurückdrängen wollen.

Während fiskalische Extravaganzen die “Bond Vigilantes” angeblich in Aktion treten lassen, die Anleihemärkte hoch verschuldeter Staaten in Angriff zu nehmen, verspricht vorgeblich die "Vertrauensfee", fiskalische Sparsamkeit zu belohnen.

Hand aufs Herz: Das ist nichts anderes als "free-market cult".

Der Autor hält vor diesem Hintergrund nichts von z.B. 


der QE-policy (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik hat "den Weg für eine fiskalische Dominanz durch die Hintertür geebnet"), 

dem Anleihekauf-Program der EZB und 

der MMT (modern monetary policy).


Jede von ihnen hat laut dem Autor "ein erhöhtes Inflationsrisiko" geschaffen oder droht, es zu schaffen.

Die Kritik lautet weiter:

Die QE-Politik hat einen der wichtigsten Frühwarn-Indikatoren beseitigt: frei bewegliche Preise auf den Märkten für Staatsanleihen. Und QE hat auch die Disziplin der Haushaltspolitiker verringert.

Das "flexible durchschnittliche Inflationsziel" (AIT) der Fed schuf eine Dynamik, die eine höhere Inflationsrate als das offizielle 2 %-Ziel begünstigte. Die Tendenz zur Deflationsbekämpfung könnte unbeabsichtigt zu einer Tendenz zugunsten der Inflation geführt haben.

Stattdessen kann King seine Sympathie für den Goldstandard nicht verbergen. 

Auch die Idee von Preiskontrollen (wie z.B von Isabella Weber vorgelegt) weist er energisch zurück, weil "solche Kontrollen die Freiheiten, die wir in Friedenszeiten genießen, in inakzeptabler Weise einschränken". Wichtig sei, zu erkennen, dass die Kontrollen ohne monetäre Zurückhaltung scheitern würden.

Stephen D. King: We Need to Talk About Inflation – 14 Urgent Lessons from the last 2,000 Years, Yale University Press, 2023.


Die wichtigsten Triebkräfte der Inflation sind demnach keine zufälligen Ereignisse (externe Schocks, vorübergehende Störungen wie Pandemien und  Unterbrechung von Versorgungsketten usw.). 

Vielmehr sind es Schwächen sowohl der Ideen (z.B. MMT) als auch unserer Institutionen (z.B. Regierung). “Inflation ist nämlich ein Mechanismus, der Schuldner belohnt”, während er Gläubiger bestraft. Der größte Schuldner sei i.d.R. der Staat.

Auch die EZB bekommt in diesem Kontext die Quittung, da die europäische Zentralbank des Autors Ansicht nach das Überleben des Euro zu einem wichtigeren politischen Ziel als die Preisstabilität machte.

Die steigenden Inflationsraten sind daher sowohl auf die viel höheren Gaspreise als auch auf die von der EZB beschlossenen “quasi-fiskalischen Maßnahmen” zurückzuführen. 

Des Weiteren kreidet King die Euro-Krise den "so genannten schwachen Mitgliedern der Einheitswährung" an, weil sie mit großen Leistungsbilanzdefiziten aus der Reihe tanzen. Er lässt aber geflissentlich aus, die andere Seite der Medaille zu beleuchten: Den gigantischen Leistungsbilanz-Überschuss Deutschlands (ca. 200Mrd.EUR jährlich).

Zum Schluss hält der Autor fest, dass die Geldpolitik die Inflation eindämmen muss, während die Finanzpolitik die Aufgabe hat, die Wirtschaft zu stabilisieren. 

Eine solche Trennung der politischen Instrumente funktioniere jedoch nicht, da sie langfristig zu einer fiskalischen Dominanz führe und die Fähigkeit einer unabhängigen Zentralbank untergräbt, ihre Inflationsziele zu erreichen.

Die Währungsbehörde (Notenbank) muss deswegen über die Finanzbehörde (Schatzamt) herrschen, oder zumindest muss die Geldpolitik die Finanzpolitik dominieren.

Die Inflation sei nie erledigt, sie muss frühzeitig bekämpft werden, und zwar durch “eine ausreichend unangenehme monetäre Medizin”.

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