Donnerstag, 26. Mai 2022

Geldpolitik und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage

Rethinking Macroeconomic Policy after the Pandemic


Es scheint, dass das Blatt sich in Sachen Inflation ("peak inflation?") wendet. Das ist zumindest das Signal, welches von den Finanzmärkten ausgeht.

Die vom Anleihemarkt abgeleiteten Inflationserwartungen sind in den letzten Wochen stark gesunken, und zwar sowohl für die nächsten 10 Jahren als auch für die fünf Jahre ab dem fünften Jahr (5y5y forward breakeven), wie John Authers sie in seiner Bloomberg Kolumne mit einem Chart eindrucksvoll präsentiert.



US-Inflationserwartungen: Der 10-jährige UST-Breakeven-Satz steuert auf den größten monatlichen Rückgang seit 2020 zu, Graph: Bloomberg TV, May 25, 2022

Freitag, 20. Mai 2022

Energiekrise in Europa und die deutsche Industrie

Why is there an energy crisis in Europe?

Der grossangelegte Überfall Russlands auf die Ukraine hat u.a. gezeigt, in welchem Umfang die europäische Wirtschaft auf Importe angewiesen ist, um den Energiebedarf zu decken.

Die EU hat vor diesem Hintergrund beschlossen, die Energieimporte aus Russland zu beenden. 

Die Europäische Kommission hatte im Januar 2020 einen detaillierten Finanzierungsvorschlag vorgestellt, um den Klimawandel zu bekämpfen und den Übergang in eine Green Economy zu ermöglichen.

Der Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft erfordert massive Investition in saubere Energie-Technologien.

Der Einsatz zur Dekarbonisierung und die Dringlichkeit, Energiesicherheit zu gewährleisten, werden in der Eurozone sicherlich zu mehr Ausgaben führen.



Europäische Unternehmen investieren weniger in zukünftiges Wachstum als ihre US-Pendants, (Wachstumsinvestitionsquote), Graph: Goldman Sachs, May 19, 2022.

Dienstag, 17. Mai 2022

Bärenmarkt bei Aktien und Anleihen

Recession versus Stagflation

Das Narrativ der US-Notenbank (Fed) ist nach wie vor darauf ausgerichtet, das Tempo der geldpolitischen Straffung zu beschleunigen.

Vor dem Hintergrund der geplanten Reduzierung der Bilanzsumme und der hohen Inflation richten Investoren das Augenmerk auf das Potenzial für eine Wachstumsverlangsamung, wenn nicht gar eine Rezession.

Der Rezessionsindikator von Morgan Stanley zeigt eine Wahrscheinlichkeit von 27% für einen Abschwung in den nächsten 12 Monaten. Im März lag diese Wahrscheinlichkeit noch bei 5%. 

Dazu kommen Faktoren wie der starke US-Dollar, der Russland-Ukraine Krieg und die Zero-Covid Politik Chinas, welche die Situation verkomplizieren, wie Lisa Shalett von Morgan Stanley zusammenfasst.



Rezession Wahrscheinlichkeit Indikator, Graph: Morgan Stanley, May 16, 2022

Samstag, 14. Mai 2022

The New Economics

Buchbesprechung

Steve Keen: The New Economics – A Manifesto, Polity Books, 2022.


Queen Elizabeth II hat im November 2008 bei einem Besuch der London School of Economics die auf der Veranstaltung teilnehmenden Wirtschaftsprofessoren gefragt, wie es passieren konnte, dass niemand die Krise (Global Financial Crisis: GFC) vorhergesehen hat.

Es muss sicherlich eine äusserst peinliche Situation gewesen sein. Die Experten gingen im Wesentlichen dazu über, sich in Schweigen zu hüllen.

Das Epizentrum der GFC war jedoch das US-Finanzsystem selbst: Die Krise kam aus dem Inneren der Wirtschaft und nicht von außen. 

Gab es nicht doch Anzeichen? 

Es gab einige, die davor warnten, dass eine Krise nicht nur wahrscheinlich war, sondern unmittelbar bevorstand. Der niederländische Wirtschaftswissenschaftler Dirk Bezemer zum Beispiel nannte ein Dutzend Indizien. 

Der Punkt ist, dass niemand die Krise auf der Grundlage eines neoklassischen Rahmens vorhergesagt hat. 

Freitag, 13. Mai 2022

Normalisierung der Geldpolitik mit Nebenwirkungen

Finding the neutral nominal Fed Funds Rate

Ein wesentliches Merkmal der neuen Normalisierung der Geldpolitik ist, dass der neutrale Zinssatz, d. h. das Niveau der Fed Funds Rate, das mit einem Wirtschaftswachstum in der Nähe der Potenzialrate, Vollbeschäftigung und stabiler Inflation vereinbar ist, ungewiss ist.

«Wir können den neutralen Zinssatz nicht direkt beobachten, sondern nur schätzen.»

Das ist die Standard-Erklärung, die die Ökonomen liefern, wenn sie nach dem neutralen Gleichgewichtszinssatz gefragt werden.

Der natürliche Zinssatz ist ein von Wirtschaftswissenschaftlern verwendetes Konzept zur Beschreibung der Höhe der Realzinsen, die die Inflation konstant halten würden. Er wurde erstmals 1898 von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell in seinem Buch "Interest and Prices" beschrieben.

Das Niveau des neutralen Zinses ist über die Zeit variable und kann kaum je exakt bestimmt werden.


US-Inflationserwartungen, gemessen von Breakeven Zinssätzen für 10 Jahre (weiss) und 5 Jahre (blau) und 5y5y forward breakeven rate (lila), Graph: Bloomberg TV, May 12, 2022

Montag, 9. Mai 2022

Aktien und Anleihen fallen im Gleichschritt

Was für einen Unterschied ein Tag ausmacht!

Die Markteilnehmer sahen am Mittwoch in den Bemerkungen der Fed nach der Vorlage des Beschlusses zur Erhöhung des Benchmark-Zinses eine gewisse Vorhersehbarkeit und Stabilität. 

Doch am nächsten Tag hat es wie eine große Täuschung ausgesehen.

Erst stiegen die Aktien deutlich, und dann fielen sie kräftig.

Ein seltenes Jahr für die Märkte: Sowohl Aktien als auch Anleihen sind gleichzeitig im Minus.



Aktien und Anleihen fallen in einem Tempo wie seit Jahrzehnten nicht mehr, so dass es für die Anleger nur wenige Möglichkeiten gibt, sich vor der Markt-Vlatilität zu verstecken, Graph: Bloomberg TV, May 06, 2022

Samstag, 7. Mai 2022

Ein "Volcker Moment"?

Die US-Notenbank hat am Mittwoch den Leitzins (Fed Funds Rate) um 50 Basispunkte (0,50%) erhöht. Und Fed-Chef Powell hat unmittelbar dazu Stellung genommen, dass eine Erhöhung um 75 Basispunkten ausgeschlossen sei.

Ein Hoffnungsschimmer, dass die Fed in den kommenden Monaten wahrscheinlich keine restriktivere Haltung einnehmen wird?

Weiss der Geier.

Die Aktienkurse sind aber kräftig angestiegen. Und der US-Dollar hat weiter an Wert gewonnen.

Das Zielband beläuft sich damit auf 0,75% bis 1%. Eine Zinserhöhung um 0,50% gab es zuletzt vor rund 22 Jahren.



Und Powell sagte, dass auch für Juni und Juli Erhöhungen um einen halben Prozentpunkt zu erwarten seien. Neben der Verkleinerung des Anleihe-Portfolios der Fed, Graph: Bloomberg, May 05, 2022 

Montag, 2. Mai 2022

Sanktionen und Zahlungsunfähigkeit

Vor rund zehn Jahren war das Gerede «Staatsbankrott» in Bezug auf Südeuropa praktisch in aller Munde unter Mainstream-Ökonomen. Wem aber mit der Nichtbedienung staatlicher Schulden gedient werden sollte, wurde nie eindeutig geklärt.

Einem hohen Leistungsbilanz-Überschuss im Norden stand ein hohes Defizit im Süden der Eurozone gegenüber. Die Staatsschulden waren aber nicht die Ursache für die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit, sondern die Folge von Ungleichgewichten im Aussenhandel.

Die Anhänger der herrschenden Lehre bemühten sich trotzdem darum, aus der Finanzkrise eine Staatsschuldenkrise zu machen.

Das Thema «Zahlungsausfall» ist nun im Zusammenhang mit den international verhängten Sanktionen gegen Russland seit dem Einmarsch in die Ukraine wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. 

Das US-Finanzministerium hat es Moskau untersagt, die fälligen Zahlungen russischer Staatsanleihen aus den bei US-Banken gehaltenen Devisenreserven zu leisten.

Als Russland 1998 das letzte Mal in Verzug geriet, bedurfte es mehrerer Jahre schmerzhafter wirtschaftlicher Reformen, um die Gunst der internationalen Investoren wieder zu erlangen, berichtet das WSJ.



Produktionskosten von Staatsbankrotten (1800-1913), Graph: Prof. Barry Eichengreen in: “In Defense of Public Debt”, Oxford University Press, 2021. 

Sonntag, 1. Mai 2022

Warum die Inflation fallen wird

Die Unterbrechungen der Versorgungskette, hohe Energie- und Rohstoffpreise, die durch den Russland-Ukraine Krieg in die Höhe getrieben wurden, tragen dazu bei, dass die Inflation steigt.

Tatsächlich hat die Inflation in den USA im März mit 8,5% im Vergleich zum Vorjahresmonat ein neues Vier-Jahrzehnte-Hoch erreicht.

Die realisierte Inflation von 8,5% steht aber in krassem Widerspruch selbst zu den pessimistischsten Marktschätzungen für die Inflation. 

Man bedenke, dass die 5-jährige Breakeven-Rate bei 3,35%, die 10-jährige bei 2,94% und die 30-jährige bei 3,40% liegen. 

Ferner ist es bemerkenswert, zu beobachten, wie die Diskrepanz zwischen Aktien und Anleihen in der Grafik von Morgan Stanley deutlich zeigt, dass die realen S&P 500-Gewinne in fast 70 Jahren noch nie so niedrig waren.



S&P 500 reale Gewinnrendite, Graph: Morgan Stanley, Apr 25, 2022