Freitag, 22. Februar 2008

Die Simpsons und die Philosophie

Buchbesprechung:

William Irwin, Mark T. Conard und Aeon J. Skoble: „Die Simpsons und die Philosophie“. Schlauer werden mit der berühmtesten Fernsehfamilie der Welt. Tropen Verlag, 2007.


Ende November ist es wieder so weit. In den USA wird ein neuer Präsident gewählt. Zünglein an der Waage ist der amerikanische Mittelstand. Wie es um die psychische Verfassung der Mittelschichtfamilien bestellt ist, zeigt sich öfters in den TV-Soaps. Nach dem Zweiten Weltkrieg überwog dabei, wenn nicht eine harmonische, aber doch eine ganz eindeutig optimistische Stimmung. Es herrschte kein Mangel an Arbeitsstellen. Die Einkommensverteilung war ziemlich gleichmässig. Mann und Frau heitateten. Bald folgte der Nachwuchs. Dann wurde ein schönes Haus gebaut usw. Doch Anfang der 1970er Jahre stellten sich religiös-reaktionäre Denkfabriken unerbittlich gegen den New Deal. Mit der Amtsübernahme von Ronald Reagan in den 1990er Jahren radikalisierte sich die Lage. Die „Politik der Ungleichheit“ gewann Überhand. Die polarisierende G.O.P. legte die Haltung an den Tag: „Gut-oder-böse“, „Freund-oder-Feind“, „weiss-oder-schwarz“. Das Wohlstands- und Einkommensgefälle nimmt seitdem zu. Heute präsentiert die Unterhaltungsindustrie in Fernsehserien und Shows v.a. viel Zynismus, Gleichgültigkeit, und Trivialisierung aller zivilisatorischen Errungenschaften so hemmungslos, dass eine Trennung zwischen Schein und Sein schier unmöglich ist. Ein nihilistischer Verfall scheint um die Ecke zu lauern. Es gibt aber eine TV-Serie, die subtil aus der Reihe Tanz und die sozio-politischen Geschehnisse der Gesellschaft akkurat thematisiert: Die Simpsons, die amerikanische Zeichentrickfamilie aus Springfield. Die beste, die beliebsteste satirische Fernsehserie, welche seit 20 Jahren über die Mattscheibe flimmert und in mehr als 60 Ländern gezeigt wird. Homer, Marge, Lisa, Bart und Maggie. Keine der gelben Zeichentrickfiguren ist perse „gut“ oder „böse“. Sie verkörpern alle Persönlichkeiten, denen man in unmittelbarer Nachbarschaft begegnen kann. Elf Professoren für Philosophie schätzen die „Ironie, die Respektlosigkeit der Serie“ und erkennen drin „einen reichen und fruchtbaren Boden für philosophische Untersuchungen und Diskussion“. Und sie befassen sich tiefgründig in 11 glänzenden Essays mit der „heutzutage eine der intelligentesten und literarischsten Fernsehkomödien“. Was daraus kommt, ist ein erstklassiger Philosophie-Workshop mit praktischen Fallstudien aus dem Alltag, der an Scharfsinn und Witz nicht zu übertreffen ist. Bei der Charakteranalyse geht es u.a. um Aristotelische Tugendethik, Nietzsches Moraltheorie, Wittgensteins Tractatus usw. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Matt Groening, der Erfinder der Simpsons Philosophie studiert hat. Der Band besteht aus drei Teilen. Der erste nimmt die Figuren unter die Lupe. Im zweiten werden die Probleme der Ethik erläutert. Und im dritten Teil bieten unterschiedliche philosophische Schulen ihre Interpretation über den Zustand der Gesellschaft. Wer dieses Buch liest, hat entweder Interesse an Philosophie und an den Simpsons oder an beidem. In einer Welt aber, in der die Kommerzialisierung von Sex als Liebe vermarktet wird, hat die „Liebe zur Weisheit“ (nämlich die Philosophie) keinen einfachen Stand. Dennoch gelingt es diesem Buch, durch eine methodische Reflexion spielerisch aufzuzeigen, wie komplex es ist, unsere Umwelt richtig zu erkennen.

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