Freitag, 31. Juli 2009

Exit-Strategie: Welche Zentralbank beginnt als erste?

Das Tempo des Abschwungs hat sich spürbar verlangsamt. Das Schlimmste der Krise scheint überstanden. Analysten beginnen nun, Überlegungen anzustellen, welche Zentralbank als erste den Ausstieg aus der extralockeren Geldpolitik wagen dürfte. Zu den primären Kandidaten zählen die Bank of Israel ( BoI) und die Notenbank Norwegens (Norges Bank). Da die BoI am Montag mitgeteilt hat, ihr Aufkaufprogramm für Staatsanleihen nächste Woche zu beenden, rechnen manche Experten damit, dass sie als erste Zentralbank weltweit die Zinsen anheben wird. Die israelischen Währungshüter haben aber zugleich wissen lassen, dass sie die Anleihen, die sie aufgekauft haben, nicht verkaufen wollen und die (täglichen) Käufe von Devisen am offenen Markt fortsetzen werden. Auf diese Weise wird die Landeswährung geschwächt, um das Exportgeschäft zu unterstützen.


Norges Bank, Deposit Rate, Graph: Bloomberg.com

Norwegen ist der fünftgrösste Ölexporteur der Welt. Das Land wurde von der Krise relativ weniger erfasst als alle anderen europäischen Länder. Bloomberg zitiert eine Analyse der Deutschen Bank, wonach Oslo als erste unter den weltweit reichsten Volkswirtschaften beginnen werde, die Zinsen zu erhöhen, sobald die Krise abflaut und die Inflation über das Ziel der Norges Bank schiesse. Der inländische Preisdruck werde der wichtigste Grund, so die Analyse, warum die Norges Bank als erste in der industrialisierten Welt die Zinsen anheben wird. Der Markt preise bereits den ersten Zinsschritt zu Beginn des nächsten Jahres ein. Rekordtiefe Kreditkosten und das grösste Stimuluspaket in den vergangenen 30 Jahren hätten dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen der globalen Krise abzuschwächen. Nun bestehe die Gefahr einer Überhitzung der norwegischen Wirtschaft, so das Fazit der Analyse.

Türkei: Handelsbilanzdefizit verringert sich

Das türkische Schatzamt hat heute die aktuellen Zahlen für die Handelsbilanz bekanntgegeben. Die Ausfuhren sind im Juni um 29,2% zurückgegangen. Die Einfuhren sind um 35,9% eingebrochen. Das Handelsbilanzdefizit hat sich darauf hin im Vergleich zur Vorjahresperiode um 46,1% verringert. Zwischen Januar und Juni 2009 hat sich das Defizit der Handelsbilanz 60,7% reduziert.


External, Graph: Turkish Treasury, July 31, 2009


Die Ausfuhren in die EU fielen mit 3'978 Mio. $ 30,4% weniger aus als im Vorjahr in der Vergleichsperiode. Der Anteil der EU am türkischen Export ging von 48,6% 2008 auf 47,7% zurück. Deutschland war im Juni 2009 der Haupthandelspartner der Türkei. Waren im Wert von 793 Mio. $ gingen dorthin. Das ist ein Rückgang von 30,2%. Ferner betragen die Ausfuhren nach Frankreich 537 Mio. $, nach Italien 529 Mio. $ und nach Grossbritannien 517 Mio. $. Die Türkei hat im Juni 2009 am meisten Waren aus Russland eingeführt: 1'636 Mio. $. Aus Deutschland 1'204 Mio. $ (das ist ein Rekordwert). Aus China 1'096 Mio. $ und aus den USA 806 Mio. $.


Export & Import, Jan-June 2009, Graph: Turkish Treasury

Fazit: Good news: Das Handelsbilanzdefizit nimmt ab. Bad news: Das Handelsvolumen verringert sich.

US-BIP Zahlen im II. Quartal 2009

Die amerikanische Wirtschaft ist im II. Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 1,0% geschrumpft. Analysten hatten mit einem BIP-Rückgang von 1,5% gerechnet. Die weltgrösste Volkswirtschaft war im I. Quartal um 6,4% eingebrochen. Der Abschwung hat sich dank Staatskonsum verlangsamt. Die Ausgaben der Regierung legte zwischen April und Juni um 10,9% zu. Die USA stecken seit Dezember 2007 in der Rezession. Die Obama-Administration hat ein Konjunkturpaket im Wert von 787 Mrd. $ geschnürt, um die Krise zu bekämpfen. Die schwere Kontraktion der Wirtschaftsaktivitäten hinterlässt v.a. am Arbeitsmarkt tiefe Spuren. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf 9,5% geklettert.


US Real GDP, Graph: Fed St. Louis

Das BIP ist nun zum vierten Quartal in Folge zurückgegangen. Das ist einmalig seit Beginn der Datenaufnahme 1947.

Die Konsumausgaben, die rund 70% der Wirtschaftsleistung ausmachen, sind um 1,2% gefallen. Die privaten Investitionen sind um 20,4% eingebrochen, angetrieben durch die Kontraktion der Anlageinvestitionen um 29,3%. Die Ausfuhren sind um 7% zurückgegangen. Die Einfuhren fielen sogar um 15,1%.

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung beträgt nun laut Real Time Economics vom IV. Quartal 2007 bis zum IV. Quartal 2008 Minus 1,9%. Zuvor waren die Behörden von einem Minus von 0,8% ausgegangen. Das Bureau of Economic Analysis gibt an, dass die Wirtschaft während der Zeitperiode 1997-2008 um 2,8% gewachsen ist.

Fazit: Das Tempo des Abschwungs hat sich verlangsamt. Die Anzahl von Hiobsbotschaften nimmt spürbar ab. Das Schlimmste der Krise scheint vorbei zu sein. Die Gefahr einer zweiten Grossen Depression ist gebannt. Dennoch kann keine Rede von Normalisierung sein. Was bevorsteht ist eine Wirtschaftsaktivität, die in den kommenden Jahren deutlich unter dem Potenzialwachstum verlaufen dürfte. Bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Konsumnachfrage bedeutet das ein geringeres Gewinnwachstum für Unternehmen. In diesem Marktumfeld gibt es keinen Investment-Zauber, wie Pimco-Chef Bill Gross kürzlich knapp und treffend formuliert hat.

Zum Thema Vergütung

Damit keine Missverständnisse aufkommen. Dieses Blog hat nichts gegen leistungsabhängige Boni. Nur ist (war?) so, dass eine Mehrzahl der Banken ihre Mitarbeiter nach Umsatz vergütet hat. Das heisst, dass die Mitarbeiter umso mehr Bonuszahlungen bekommen, je mehr sie das eine oder andere Produkt an Kunden verkaufen. Unabhängig davon, ob der Bankkunde das Produkt versteht oder es seinen Bedürfnissen entspricht. Das ist pervers. Kein Wunder, dass die Banken immer länger keine Banker, sondern „nur“ Verkäufer suchen.

Die Zahlen (von Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo, New York) sprechen Bände:
Neun grosse US-Banken haben 2008
(1) fast 100 Mrd. $ an Verlusten erlitten,
(2) 175 Mrd. $ an Staatsgelder (von Steuerzahlern) bekommen und,
(3) an die eigene Mitarbeiter 32,6 Mrd. $an Boni ausgeschüttet.

PS: 4'793 Bankmitarbeiter wurden je mit mehr als 1 Mio. $ vergütet.

Bankmanager-Boni: Spiel ohne Grenzen

Mehr Boni als Gewinn. Die Bonuszahlungen haben bei einigen US-Banken im vergangenen Jahr die Gewinne überstiegen, so das Ergebnis einer Untersuchung des New Yorker Staatsanwalts. Fazit: Es gibt kein Leben ohne Boni. Für den Berufsstand Boni-Bezieher spielt es keine Rolle, ob Abschwung oder Aufschwung, ob Inflation oder Deflation, ob Rezession oder Depression vorherrscht. Denn die Steuerzahler finanzieren die Extra-Entschädigungen der Bankangestellten auf alle Fälle.

Amerikanische Grossbanken haben 2008 vom Staat zusammen 175 Mrd. $ bekommen. Zugleich wurde insgesamt 32,6 Mrd. $ an Boni ausgeschüttet. Bei Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan lagen die Prämien an Manager höher als der Gewinn der betreffenden Banken, so die Kritik von Andrew Cuomo.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Definition: Flash Orders, Dark Liquidity Pools, Naked Short Selling

In den USA befassen sich die Politik und die Aufsichtsbehörden zur Zeit mit der Frage, wie die Integrität des Marktes zu bewahren ist. Angetrieben durch einen Brief des demokratischen Senators Charles Schumer an die US-Börsenaufsicht (SEC), stehen drei Begriffe im Mittelpunkt der Debatte.

„Naked Short Selling“:

Die SEC hat am 27. Juli „ungedeckte Leerverkäufe“ als „potenziell missbräuchlich“ verboten. Eine vorübergehende Massnahme, die im Zug der anhaltenden Krise getroffen worden war, wurde nun als dauerhaft verfestigt. Bei „short selling“ verkaufen Investoren Aktien, die sie gar nicht besitzen, sondern sich gegen Gebühr leihen. Weil sie darauf wetten, dass die Aktienkurse fallen werden. Nach dem Verkauf kaufen sie die Aktien billiger zurück. Die Differenz ist ihr Gewinn. Bei „naked short selling“ verkaufen Investoren Aktien, die sie nicht besitzen, aber auch nicht leihen. Weil der Leerverkauf nicht mit geliehenen Aktien gedeckt ist, heisst es „naked“.

„Flash Orders“:

Flash Orders sind zuletzt zunehmend ins Blickfeld der SEC geraten, weil die Aufsichtsbehörden derzeit nach Wegen suchen, die sog. „Dark Pools“ zu regulieren. Es handelt sich dabei um anonyme Handelssysteme, wo v.a. kurzfristige Orders, die sog. Hochfrequenz-Orders plaziert werden. Senator Schumer will Flash Orders verbieten lassen, weil nur eine privilegierte Gruppe von Insidern eine bevorzugte Behandlung geniesst. Die Mitglieder solcher automatischen Handelssysteme bekommen börsenrelevante Informationen kurz bevor sie veröffentlicht werden. Im Hundertstel einer Sekunde wickeln sie dann dank dem leistungsfähigen Handelssystem Börsenaufträge ab, die Ihnen hohe Gewinne einbringen. Es ist nicht genau geklärt, wie hoch der Anteil des Hochfrequenz-Trades am Gesamtvolumen der Handelsaufträge ist. Manche Marktbeobachter reden davon, dass der Anteil mittlerweile 45% ausmache und im vergangenen Jahr einen Gewinn von 21 Mrd. $ abgeworfen habe. Die Zahl sieht nicht unrealistisch aus. Aber es gibt keine verlässliche Daten.

„Dark Liquidity Pools“

Das sind hochleistungsfähige Handelssysteme, wo die Kauf- und Verkaufsaufträge nicht sichtbar sind. Man nennt sie auch „Non-displayed Liquidity Service“. Die Anonymität des Händlers erlaubt, dass die Aufträge vor der Ausführung nicht in einem öffentlichen Orderbuch angezeigt werden. Die Blocktransaktionen eines Auftragsgebers gelangen also zum Handel, ohne die Marktteilnehmer erkennen können, ob es sich dabei um einen Kauf- oder Verkaufsorder handelt. Dark Pools automatisieren also den sog. „Upstairs-Market“, wo institutionelle Investoren Block- und Programmhandel betreiben.

Wirtschaftskrise und Konsumnachfrage: Bierverbrauch

„Bierkonsum in Deutschland ist auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung abgesackt“, berichtet faz.net heute. Der Bierabsatz fällt zusammen, obwohl die Verbraucherpreise in Deutschland erstmals seit 22 Jahren rückläufig sind. Der Konsumentenpreisindex beträgt im Juli annualisiert Minus 0,6% (Juni: Minus 0,1%). Auf Monatsbasis beläuft sich die Teuerungsrate auf Minus 0,1%. Schlechtes Wetter, eine alterne Gesellschaft, oder das Rauchverbot? Was ist Mitschuld? Der Staat ist derzeit der einzige Marktteilnehmer, der Geld ausgibt, da die aggregierte Nachfrage zum Erliegen gekommen ist. Das Halten von Geld bei Null Prozent Zins kostet nichts. Die Zentralbank hat sich daher indes zu einer Staatsbank mutiert, und vermittelt in dieser neuen Rolle als „lender of first resort“ zwischen den Geschäftsbanken.

Schwache Umsätze drücken auf die Gewinnmargen. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. Löhne sind ins Stocken geraten. Verbraucher geben kein Geld aus. Die Wirtschaft befindet sich nach wie vor in einer ernsten Notlage, obwohl das Tempo des Abschwungs inzwischen abgenommen hat. Die alternative Politik der „mengenmässigen Lockerung“ (QE) der Notenbanken und die Staatsausgaben (expansive Fiskalpolitik) helfen, damit keine Abwärtsspirale entsteht, wie Japan sie in den 1990er Jahren erlebt hat. Auch für Bier gilt: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

Investment Ausblick August 2009: Eine Zusammenfassung

Investment Ausblick für August 2009 von Bill Gross, dem Pimco-Chef für August 2009: Ein nominales BIP-Wachstum von 3% („neues Normal“) bedeutet laut Gross ein geringeres Gewinnwachstum, dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit, schwache Konsumnachfrage und eine zunehmende staatliche Intervention am Marktgeschehen, was den Charakter des amerikanischen Kapitalismus-Modell entscheidend ändern wird. Das ist ungefähr das Fazit des aktuellen Investment-Ausblicks von Pimco-Managing Director.

Highrisk-Anleihen, gewerbliche Immobilien und Anleihen von Gemeinden mit niedriger Bonität könnten mehr leiden als im Falle von zyklischen Ausfällen ("defaults"), falls sie vom Staat nicht unterstützt werden. Kursanstiege werden vom materiellen Gewinnwachstum abhängig sein, z.B. in Form von höheren Dividenden und nicht von sog. grünen Sprösslingen, urteilt Gross. Ein nominelles BIP-Wachstum von 3% bedeutet Abschläge („haircut“) für Vermögenswerte am oberen Ende des Risikospektrums, schreibt Gross in seinem Investment Outlook weiter. Es gebe in diesem Marktumfeld keinen Investment-Zauber, als in Anleihen und Aktien von Unternehmen mit grundsolider Bilanz und hohen Dividenden anzulegen, schlussfolgert Pimco-Chef. Er empfiehlt selektiv auch sog. Entwicklungsländer mit Waschstumsaussichten.

Einlagenzinsen: Fed’s neue Macht für Exit-Strategie

Bedenken, dass die US-Notenbank (Fed) die Inflation ausser Kontrolle geraten liesse, seien fehl am Platz, da die Fed über die Werkzeuge verfügt, um zu verhindern, dass die ausgeweitete Bilanz eine Inflation auslöst. Das sagte gestern New York Fed-Präsident William Dudley. Die Fed habe die neue Macht, den Zinssatz für Einlagen der Geschäftsbanken zu erhöhen, um auf diese Weise die Kreditvergabe der Banken unter Kontrolle zu halten. Dudley sagte weiter, dass die Kreditfazilität TALF dafür sorge, die Kreditspreads für Verbraucherdarlehen einzuengen.

Zur Erinnerung: Die Fed hatte im vierten Quartal 2008 vom US-Kongress die Befugnis bekommen, Zinsen auf Einlagen der Geschäftsbanken bei der Fed zu zahlen. Derzeit beträgt der Satz 0,25%. Steigt dieser, wird es für die Banken attraktiver, mehr Liquidität bei der Fed zu „parken“. Die Fed hatte von Anfang an gehofft, dadurch einen Boden für die Fed Funds Rate (FFR) festzumachen. Die Erwartung hat sich aber nicht erfüllt. Warum? Weil die staatlich geförderten Bankinstitute (GSE: Government Sponsored Enterprises) wie z.B. Fannie Mae und Freddie Mac keinen Zins auf ihre Einlagen bei der Fed bekommen. Sie verleihen daher Geld unter dem Einlagensatz. Das heisst, zu noch günstigeren Bedingungen. Das Instrument dient aber der Fed auf alle Fälle, ihre Bilanzsumme zu verringern, ohne Wertschriften für Schleuderpreise verkaufen zu müssen, wie die RGE Monitor von Nouriel Roubini hervorhebt. Will die Fed das Geldangebot einschränken, kann sie den Satz für Einlagen (Überschussreserven) erhöhen. Kein Wunder, dass Fed-Chef Ben Bernanke vergangene Woche dieses Instrument als „Nr. 1“ bezeichnet hat, als er zum Thema „Exit Strategie“ der Fed Stellung nahm.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Türkische Wirtschaft: Produktionslücke und Inflation

Der Verfall der Güterpreise hat in der Türkei zu einem stärker als erwarteten, annualisierten Rückgang der Inflation in Energie- und Nahrungsmittelpreisen geführt. Seit Oktober 2008 beträgt der Verfall der Preise für die Energiepreise 25%. Der Preisrückgang für die Nahrungsmittelpreise beträgt im selben Zeitraum 19%. Die Kontraktion der aggregierten Nachfrage und die temporären Steuersenkungen führten zu einem mehr als antizipierten Rückgang der Kernrate der Inflation. Mit 5,73% verläuft die Inflation im Juni unterhalb der Risiko-Bandbreite von 6,8% im zweiten Quartal. Die Kernrate der Teuerung ist auf 4,13% zurückgefallen.


Output Gap and Inflation, Graph: CBT, July 29, 2009

Die türkische Zentralbank (CBT) hat darauf mit allmählichen Zinsschritten reagiert. Flankiert von fiskalpolitischen Massnahmen haben die türkischen Währungshüter ihre Leitzinsen seit November 2008 um insgesamt 850 Basispunkte gesenkt. Obwohl die aktuellen Daten auf eine partielle Erholung der inländischen Nachfrage hindeuten, bleiben die Anspannungen an den Kreditmärkten bestehen und die Schwäche im Arbeitsmarkt hält an, so die CBT in einer Pressemitteilung von heute. Die externe Nachfrage bleibt schwach und die Frühindikatoren zeigen, dass die Erholung im Euroland "kraftlos“ und „schleppend“ vonstatten geht. Die Nachfrageschwäche und die niedrige Kapazitätsauslastung dürften daher laut CBT weiter auf der Realwirtschaft (Investitonen und Beschäftigung) lasten. Die Auswirkungen der Wechselkursentwicklung auf die Input Kosten werden ferner seit dem vierten Quartal 2008 durch den Rückgang der Einfuhrpreisen ausgeglichen. Selbst wenn die Zinsen für eine verlängerte Zeitperiode niedrig blieben, werde sich die Produktionslücke (output gap) nach revidierten Prognosen in den nächsten zwei Jahren nicht schliessen können. Der fiskalpolitischer Ausblick wird jedoch für die geldpolitische Strategie der CBT ein entscheidender Input sein, heben die Währungshüter hervor.

Fazit: Die CBT sieht noch Spielraum für weitere Zinssenkungen. Die Leitzinsen dürften zumindest bis 2010 auf niedrigem Niveau verharren.


Energy and Food Prices, Graph: CBT, July 29, 2009

China: Wachstumsmodell in Kritik

Chinas Beitrag zur globalen Wirtschaftsleistung beträgt laut Stephen Roach im zweiten Quartal 2009 rund 2 Prozent, und zwar inflationsbereinigt. Peking’s jüngster Wachstumsschub kommt jedoch zu einem hohen Preis, schreibt Roach heute in einem lesenswerten Essay in FT. Ängstlich, dass der jüngste Abschwung sich vertiefen würde, hat sich chinesische Führung "für Quantität über Qualität" entschieden, was die makroökonomische Ausrichung des Landes betrifft, analysiert Roach. Das Kernstück der Staatsausgaben stellt die Infrastruktur dar, finanziert durch einen enormen Anstieg der Bankkrediten, hebt Vorsitzender von Morgan Stanley Asia hervor.

Chinas Ausgaben für Infrastruktur machen rund 72% des gesamten Stimuluspakets (585 Mrd. $) aus. Roach hat Verständnis dafür, dass Entwicklungsländer mehr Bedarf an Infrastruktur haben. Aber China habe dies extrem übertrieben. Peking habe die Banken aufgefordert, das Konjunkturpaket zu finanzieren. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 beliefen sich die Darlehen der Banken auf 7'400 Mrd. Renminbi. Das bedeutet dreimal so hoch wie in der ersten Jahreshälfte 2008, bemerkt Roach. Das ist ein Rekordstand. Investitonen haben mittlerweile einen noch nie dagewesenen Anteil von 88% am chinesischen BIP-Wachstum erreicht. Das sei doppelt so hoch wie der Durchschnittswert von 43% in den letzten zehn Jahren. „Das ist nicht nachhalting, weder für China, noch für die Weltwirtschaft“, so Roach. China muss daher sein Wachstumsmodell weg von Ausfuhren ab in Richtung privaten Verbrauchs umstellen, so das Fazit des Essays. Das würde Peking kurzfristig einen Kompromiss abverlangen, was die „mengenmässige Dimension des Wachstums“ angeht. Aber langfristig würde das zu einem qualitativen Wirtschaftswachstum in China führen.

USA-China: Strategieforum

Immer öfters hört man in diesen Tagen das Argument, dass die US-Wirtschaft nun im Zuge der anhaltenden Krise stärker als zuvor vom Kapital aus dem Ausland abhängig geworden ist. M.a.W. seien die USA jetzt noch mehr auf chinesische Investitionen in US-Staatspapiere angewiesen. Grund: Die USA müssen mehr Treasuries ausgeben, um das zunehmende Fiskaldefizit zu finanzieren. Brad Setser berichtet, dass er damit nicht einverstanden ist. Er verweist darauf, dass (1) das amerikanische Handelsbilanzdefizit inzwischen erheblich abgenommen hat und (2) das Fiskaldefizit grossteils nicht von ausländischen Notenbanken finanziert wird.

Es ist unbestritten, dass die USA heute deutlich mehr Kredit aufnehmen als in den vorangegangene Jahren. Der ausstehende Bestand an handelbaren US-Treasuries ist gestiegen. Die Staatspapiere wurden emittiert, (a) um die Aktivitäten der US-Notenbank (Fed) als „lender of last resort“ zu finanzieren, (b) um das Fiskaldefizit zu finanzieren. Die Aufgliederung zeigt, dass die US-Behörden mehr langlaufende Anleihen verkauft haben als Papiere mit kürzerer Laufzeit. Während im Juni langlaufende Treasuries („notes“) im Wert von 220 Mrd. $ verkauft wurden, ging der ausstehende Bestand an Staatspapieren mit kürzerer Laufzeit („bills“) um 60 Mrd. $ zurück. „Das ist ein gutes Schulden-Management“, hält Setser fest. In einem Umfeld, wo die ausländischen Zentralbanken zurückhaltend sind, langlaufenden Treasuries zu erwerben, ist es den US-Behörden gelungen, Staatsanleihen an private Investoren zu verkaufen. Das bedeutet, dass die USA, während das Handelsbilanzdefizit zurückgeht und das Wachstum der Reserven von Notenbanken rückgängig ist, weniger auf die ausländischen Zentralbanken angewiesen sind. Nicht vergessen darf die Tatsache, dass, während die staatliche Kreditaufnahme steigt, die private Verschuldung signifikant zurückgeht. Die gesamtwirtschaftliche Verschuldung ist in den USA keineswegs gestiegen.

PS: China ist bekanntlich der grösste Gläubiger der USA, da Peking einen Bestand von rund 800 Mrd. $ an US-Staatsanleihen hat.

Repo-Satz für Übernachtgeschäfte

Die führenden Zentralbanken agieren seit der Zuspitzung der Krise nur noch als „lender of first resort“. Diese neue Aufgabe als primärer Anbieter von Liquidität hält noch an. Das belegen die Daten aus dem Geldmarkt. Der Repo-Satz für Übernachtgeschäfte (overnight repo on general collateral) lag gestern in den USA mit 0,11% unter der Target Fed Funds Rate von 0,125%.

Warum ist es so? Weil das Geschäft sich auf das besicherte Segment des Geldmarktes verlagert hat. Das Misstrauen unter Banken ist noch nicht verschwunden. Der gewöhnliche Interbankengeldmarkt funktioniert nicht mehr, obwohl der US-Dollar 3 Monatslibor mittlerweile unter 0,50% gefallen ist und die Risikoaufschläge sich erheblich zurückgebildet haben.

Fazit: Das Schlimmste am Geldmarkt scheint vorbei zu sein. Von einer Normalisierung kann aber noch immer keine Rede sein.

Dienstag, 28. Juli 2009

S&P/Case-Shiller Home Price Index:
US-Häuserpreise fallen langsamer

Wie die heute vorgelegten Daten von Standard & Poor’s Case/Shiller Index zeigen, hat sich das Tempo des Preisverfalls, obwohl immer noch negativ, den vierten Monat in Folge verlangsamt. Der 10-City und 20-City Composite Home Index fiel im Mai um 16,8% bzw. 17,1% zurück. Im April beliefen sich die Zahlen auf 18,0% bzw. 18,1%. Nach dem 16 Monaten anhaltenden Rückgang (beginnend im Oktober 2007 und endend im Januar 2009) zeigen die Indices nun den vierten Monat in Folge eine Verbesserung im annualisierten Rückgang. „Es gibt also einen klaren Wendepunkt gegenüber den Daten des Vorjahrs“, sagte Vorsitzender des Index-Komitees. Auf Monatsbasis berichten 13 von 20 Ballungsräumen erstmals seit dem Sommer 2006 positive Zahlen. Das heisst, erstmals seit 34 Monaten sieht man auf breiter Basis einen Anstieg der Häuserpreise.


S&P/Case-Shiller Index, Graph: Standard & Poor’s

Während Indikatoren Anzeichen einer Wiederbelebung im Immobilienmarkt signalisieren, ist in Erinnerung zu rufen, dass die Häuserpreise in den USA in den 20 grössten Ballungsräumen im Durchschnitt 17,1% niedriger notieren als im Vorjahr.


S&P/Case-Shiller Index, Graph: Standard & Poor’s

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Der Preisverfall am US-Immobilienmarkt gilt als Auslöser der Kreditmarktkrise.

Credit Default Swaps für israelische Staatsanleihen sinken weiter

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen sind vergangene Woche um 45 Basispunkte gefallen. Die Risikoaufschläge für 5-jährige Kontrakte sind damit im Juli auf 130 Basispunkte gesunken. Das heisst, dass Investoren 1,30% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 130’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.


Total Business Sector Debt, Graph: Bank of Israel, July 2009

Die Risikoprämien für CDS haben sich damit seit Februar halbiert. Der signifikante Rückgang hat mit einer Verbesserung der Wahrnehmung der Kreditqualität der israelischen Anleihen zu tun. In der vergangenen Woche besuchten die Vertreter von Ratingagenturen (darunter Moody’s, S&P und Fitch) Israel. Die S&P bestätigte das Rating am 17. Juli und sagte, dass der Ausblick „stabil“ bleibt. Im Markt wird spekuliert, dass die Länderbonität demnächst heraufgestuft werden dürfte.

Die ausstehenden Schulden haben sich im Wirtschaftssektor (abgesehen von Banken- und Versicherungen) im Mai um 9,5 Mrd. NIS auf 725 Mrd. NIS verringert, nachdem sie zwischen Januar und April um 7 Mrd. NIS angestiegen waren.

Leerverkauf: Naked Short-Selling wird verboten

Die US-Börsenaufsicht (SEC) hatte im Sog der Krise als erste Massnahme ein umfassendes Verbot für Leerverkäufe für rund 800 Finanzaktien eingeführt. Im Vorfeld der SEC-Entscheidung behaupteten manche Experten, dass die Short-Seller für die anrollende Finanzkrise verantwortlich sind. Leerverkäufern wurden eine Mitschuld am Zusammenbruch der US-Investmentbanken Bear Stearns und Lehman Brothers gegeben. Grundsätzlich bleiben Leerverkäufe zugelassen. Aber die
SEC will nun
die sog. ungedeckten Leerverkäufe („naked short-selling“) definitiv verbieten.

Bei Short-Selling verkaufen Investoren Aktien, die sie zum Zeitpunkt des Verkaufs gar nicht besitzen, sondern gegen eine Gebühr von Dritten leihen. Warum? Weil sie fallende Aktienkurse erwarten. Auf diese Weise können sie die Aktien billiger zurückkaufen. Die Differenz ist (abzüglich der Gebühr für das Leihen) dann ihr Gewinn. „Naked Short-Selling“ ist die schärfere Form von „Short-Selling“. Investoren wetten auf fallende Aktienkurse. Sie leihen sich aber keine Aktien für die Leerverkäufe. Die SEC hat nun vor, diese Art von Spekulationsgeschäften endgültig zu verbieten, da „naked short-selling“ nach Ansicht der Aufsichtsbehörde Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet.

Es mag zwar eine missbräuchliche Praxis sein, Aktien ungedeckt leer zu verkaufen, aber das Phänomen „naked short-selling“ hat mit dem Fall von Bear Stearns und Lehman Brothers nichts zu tun. Der Kollaps der Investmentbanken ist auf ihr eigenes Verschulden zurückzuführen. Wie Barry Ritholtz in seinem Buch „Bailout Nation“ hervorhebt, sind die Ursachen (1) exzessive Kreditaufnahme, (2) Unterkapitalisierung, (3) Mangel an Risikokontrolle, (4) schlechte Investitionen in mit Hypotheken besicherten Wertschriften und (5) Insolvenz.

Eine technische Fussnote: Leerverkäufe werden über ein „margin account“ abgewickelt, und zwar für eine jährliche Margingebühr von 9% und mehr.

Montag, 27. Juli 2009

Bilanzsumme der US-Notenbank schrumpft weiter

Die Bilanzsumme der Fed ist vergangene Woche um 33 Mrd. $ auf 2’080 Mrd. $ geschrumpft. Die Bestände der US-Notenbank an US-Treasuries, Agency und MBS sind laut Morgan Stanley zwar um 17 Mrd. $ gestiegen.

Die Summe von TAF ist aber um 36 Mrd. $ (nun total 238 Mrd. $) abgenommen. Auch die FX Swap (Devisen Swap Linien) haben sich um 22 Mrd. $ (nun 90 Mrd. $) zurückgebildet. Während ausländische Zentralbanken vergangene Woche US-Treasuries im Wert von 14 Mrd. $ gekauft haben, haben sie MBS und Agency im Wert von 9 Mrd. $ verkauft.

Bank of Israel: Zinsentscheid von heute

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute auf ihrer regulären Sitzung beschlossen, (1) ihren Leitzins für August 2009 bei 0,50% unverändert zu lassen und (2) das Programm, Staatsanleihen zu kaufen, am 5. August zu beenden sowie (3) den Kauf von Devisen fortzusetzen.

Die BoI teilte mit, dass sie nicht die Absicht habe, die von ihr erworbenen Staatspapiere wieder zu verkaufen.

Die BoI begründete den heutigen Zinsentscheid folgendermassen:


Israel CPI, Graph: Bloomberg.com

(1) Die Inflation ist im vergangenen Monat angesichts der Mehrwertsteuererhöhung und der von der Regierung kontrolierten Preise gestiegen. Die Inflationserwartungen bewegen sich nun um die höhere Grenze des Zielbereichs. Die Teuerungsrate dürfte in den nächsten zwei Monaten noch hoch verlaufen. Die Produktionslücke und die anhaltende Arbeitslosigkeit dürften aber dafür sorgen, dass der Preisdruck abnimmt.

(2) Die aktuellen Daten und Indikatoren deuten darauf hin, dass die Verringerung des BIP sich mässigt und tatsächlich beendet ist. In Anbetracht der Unsicherheit in Bezug auf die Entwicklungen in der globalen Wirtschaft ist es aber noch zu früh, festzuhalten, ob es sich dabei um einen konjunkturellen Wendepunkt handelt. Darüber hinaus leistet die rasche Erholung der Finanzmärkte einen Beitrag zur Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten.

(3) Viele Zentralbanken rund um die Welt halten ihre Leitzinsen niedrig und fokussieren auf den Einsatz von zusätzlichen geldpolitischen Mitteln.

„In dieser Situation will die BoI ihren Leitzins für August unverändert halten und das Programm für den Kauf von Staatsanleihen am sekundären Markt beenden. Das wird für ein Gleichgewicht sorgen zwischen dem Preisdruck, der erwartungsmässig abnehmen wird und der Einschätzung, dass die Wirtschaft noch nicht aus der Rezession ist“, so die BoI in der Pressemitteilung.

Die nächste BoI-Sitzung findet am 24. August statt.

Israelische Zentralbank: Leitzins bleibt unverändert bei 0,50%

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute auf ihrer regulären Sitzung beschlossen, ihren Leitzins für August 2009 bei 0,50% unverändert zu belassen. Das Programm, Staatsanleihen zu kaufen, wird am 5. August zu Ende geführt. Die BoI hat seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Angesichts der Wachstumsschwäche und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit verharrt die Base Rate nun auf dem rekordtiefen Niveau. Der Verbraucherpreisindex (CPI) ist im Juni um 0,9% gestiegen. Damit beträgt die Inflation seit Jahresbeginn 2,1%. Das bedeutet, dass die Inflationsrate im vergangenen Monat annualisiert auf 3,6% geklettert ist. Im Vergleich: Mai: 2,8%. Für den Preisanstieg sind v.a. „Housing“ und „Energie“ verantwortlich.


BoI Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Israel’s Wirtschaft ist im ersten Quartal um 3,7% geschrumpft. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion des BIP um 1,5% für 2009. BoI-Chef Stanley Fischer erwartet BIP-Wachstum zu Beginn des nächsten Jahres.

Libor fällt unter 0,50 Prozent

Nachdem der US-Dollar 3-Monats Libor im Mai erstmals unter 1% gefallen ist, hat sie heute auch die Marke 0,5% unterschritten. Der Liborsatz war am 10. Oktober 2008 nach der Lehman-Pleite auf ein Rekordhoch von 4,82% geklettert. Libor, London Interbank Offered Rate ist der Geldmarktzinssatz, zudem sich erstklassige Banken untereinander kurzfristige Einlagen ent- und/oder verleihen. Der Libor-Satz gehört wie TED-Spread und Libor-OIS-Spread zu den wichtigsten Krisenbarometern.


$ 3 M Libor, Graph: Bloomberg.com

Der Libor gilt weltweit als Benchmark für Anlageprodukte im Wert von rund 360'000 Mrd. Dollar. Der Rückgang des Libors hat signifikante Auswirkungen auf die folgenden Risikoaufschläge am Geldmarkt:

TED-Spread (Risikoaufschlag für unbesicherte Kredite): 0,3086%
Das ist die Differenz zwischen dem 3 Monats Libor und der Rendite der 3 Monats US-Treasury Papiere
Jahreshoch: 4,64% im Okt.,
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,31%.

LIBOR-OIS-Spread (Risikoaufschlag für besicherte Kredite): 0,3022%
Das ist die Differenz zwischen dem 3 Monats Libor und dem OIS-Satz
Jahreshoch: 3,640% im Okt.,
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,11%.

A2/P2-Spreads: 0,65%
Das repräsentiert den Risikoaufschlag zwischen non-financial Commercial Paper (30 Tage) niedriger und hoher Qualität. Der Aufschlag steigt während einer Rezession, weil das Risiko eines Ausfalls (Default) für Papiere mit niedriger Bonität zunimmt. Die Risikoprämie erreichte im Vorjahr Rekordwerte über 5,00%.

PS: Der Libor-Satz tendierte vor dem Ausbruch der Kreditmarktkrise (im August 2007) im Durchschnitt rund 22 Basispunkte über dem Leitzins (FFR) der US-Notenbank. Die Fed Funds Rate beträgt aktuell 0,125%. Das bedeutet, dass der Libor sich nach bisher erheblicher Entspannung allmählich der Normalisierung nähert.

US-Treasury Markt: Realrenditen steigen

Das US-Finanzministerium braucht sich im Vorfeld der anstehenden Versteigerungen neuer Anleihen (115 Mrd. $) in den kommenden Tagen keine Sorgen zu machen. Es wird zwar zur Zeit aufgrund der anhaltenden Rally an den Aktienmärkten aus Anleihen in Aktien umgeschichtet. Aber die Rentenpapiere dürften die vergangenen Kursavancen weiter verteidigen. Grund: Hohe Realrenditen. Die Renditen verlaufen derzeit auf 15 Jahreshoch. Die Realrendite, d.h. die Differenz zwischen den Renditen der US-Treasuries und der Inflationsrate beträgt heute laut Bloomberg 5,07%. Im Vergleich: Im Durchschnitt lag die Real-Rendite bei 2,74% in den vergangenen 20 Jahren.


Real Yield, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends

Rendite 10-jähriger US-Treasuries – Inflation (CPI) = Realrendite
3,691% - (-1,4%) = 5,0910%

Die Gesamtperformance der US-Staatsanleihen lässt jedoch seit Jahresbeginn zu wünschen übrig. Mit Minus 4,8% verbucht die Wertentwicklung den tiefsten Rückgang seit 1978. Das US-Schatzamt will 2009 Anleihen für rund 2'000 Mrd. $ ausgeben. Ausländische Investoren (als Käufer) haben am gesamten Markt für US-Staatspapiere (Wert: 6'600 Mrd. $) einen Anteil von rund 50%. Im Vergleich: Der Anteil betrug 2000 rund 35%. Das heisst, es ist auf ausländische Investoren weiterhin Verlass.


US-Treasury Market, Graph: Bloomberg.com

Ben Bernanke: Soll Fed-Chef wiedergewählt werden oder nicht?

Die Amtszeit des gegenwärtigen US-Notenbankchefs Ben Bernanke geht Ende Januar 2010 zu Ende. Wird Bernanke eine zweite Amtszeit bekommen oder nicht? Soll Präsident Obama ihn erneut nomieren oder nicht? Nouriel Roubini ist dafür. Anna Jacobson Schwartz ist dagegen. Der 55-jährige US-Notenbankchef ist nicht unumstritten. Er hat gegen die schwerste Krise seit der Grossen Depression 1929/30 mit unorthodoxen Schritten angehen müssen. Zur Zeit steht Bernanke mit dem Rücken zur Wand.

Nouriel Roubini vertritt in einem Essay in The New York Times die Meinung, dass Bernanke eine Wiederwahl verdient. Der Fed-Chef habe eine Beinahe-Depression verhindert. Aus der Grossen Rezession 2008/09 wurde dank seinem aggressiven Kurs der Geldpolitik keine Grosse Depression. Dennoch verweist Roubini auf drei Hauptfehler, welche Bernanke und die Fed gemacht haben: (1) Zu Beginn der Subprime-Krise habe Bernanke argumentiert, dass die Rezession im Immobilienmarkt bald vorbei wäre. Die Krise hält seit drei Jahren an. (2) Das Subprime-Problem wäre ein beschränktes Problem. In Wahrheit war es ein Symptom der grössten Kredit-Blase und exzessiver Kreditaufnahme (leverage) in der US-Geschichte. (3) Bernanke habe die Ansicht vertreten, dass der Zusammenbruch des Immobilienmarktes nicht zu einer Rezession führen würde, obwohl ein Drittel der Stellen, die im vergangenen Aufschwung geschaffen wurde, auf den Immobilienmarkt zurückzuführen ist. Bernankes Analyse sei darüber hinaus irreführend gewesen, als der Fed-Chef die Ansicht vertrat, dass die Geldpolitik nicht zur Kontrolle von spekulativen Vermögensblasen eingesetzt werden sollte. Dennoch sei der springende Punkt der folgende: Die Fed habe mit ihren kreativen und aggressiven Massnahmen die Risiken einer Beinahe-Depression verhindert. Allein aus diesem Grund verdiene Bernanke, wiedergewählt zu werden, sodass er den Ausstieg aus der radikalsten Geldpolitik seit der Gründung der US-Notenbank bewältigen kann.

Frau Schwartz spricht sich in einem Essay dafür aus, dass der Fed-Chef („Mann ohne Plan“) ersetzt werden sollte, weil Bernanke versagt habe, die zentralen Ziele der Notenbank klar zu artikulieren. Sie mokiert sich, dass Bernanke angeblich nur zwei Zahlen kenne: Null (Null-Zinsen) und Billionen (Liquidität). Sie beschuldigt die Fed, die Investoren nicht vor der Gefahren von mit Hypotheken besichertern Wertschriften gewarnt zu haben. Die Investoren haben teilweise auf diese Wertpapiere gesetzt, weil die Fed sich in Schweigen gehüllt habe. Als die Kreditmärkte zum Erliegen kamen, habe die Fed auf der Annahme bestanden, dass mehr Liquidität erforderlich sei. Das eigentliche Problem sei aber Insolvenz gewesen. Niemand habe gewusst, wegen der mysteriösen neuen Finanzprodukte, welche Unternehmen, deren Papiere man gekauft habe, solvent und welche nicht solvent gewesen sind.

Frau Schwartz ist Ökonomin bei National Bureau of Economic Research (NBER) und die Autorin (mit Milton Friedman zusammen) des Buches „A Monetary History of the United States, 1867 to 1960“. Das berühmte Buch, in dem der Monetarismus theoretisch begründet und Keynesianismus scharf kritisiert wird.
Roubini ist Wirtschaftsprofessor an der New York University Stern School of Business und Vorsitzender der Wirtschaftsforschungsfirma, RGE-Monitor.
Ben Bernanke ist ein langjähriger Wirtschaftsprofessor an der Princeton University.

Sonntag, 26. Juli 2009

Israelische Zentralbank: Bleibt Leitzins bei 0,50%?

Die israelische Zentralbank (BoI) wird morgen auf ihrer regulären Sitzung über die Geldpolitik beraten. Laut einer von Bloomberg durchgeführten Umfrage rechnen acht von insgesamt neun Ökonomen damit, dass die BoI ihren Leitzins bei 0,50% unverändert belassen wird, um die Wirtschaft weiter zu stützen. Die BoI hat seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Angesichts der Wachstumsschwäche und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit dürfte die Base Rate auf dem rekordtiefen Niveau noch eine Weile verharren.


BoI Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Israel’s Wirtschaft ist im ersten Quartal um 3,7% geschrumpft. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion des BIP um 1,5% für 2009. Das wäre die schlechteste Performance seit 1948. Die Arbeitslosigkeit ist im Mai auf 8,4% gestiegen. Das ist der höchste Stand seit drei Jahren. Die Inflationsrate ist im Juni annualisiert auf 3,6% geklettert. Im Vergleich: Mai: 2,8%. Die Zielvorgabe der Regierung ist 1 bis 3%. Die Rendite der Benchmark Anleihe (Laufzeit: 2017) ist vergangene Woche auf 4,97% gefallen. Der Schekel wird derzeit zum US-Dollar bei 3,8698 ILS gehandelt.

Frühindikatorenindex: Index of Leading Economic Indicators (LEI)

Nähert sich die Rezession langsam dem Ende? Laut Floyd Norris signasiliert der Index der Frühindikatoren das Ende der Misere. Der Index of Leading Economic Indicators (LEI), welche Signale über die Wendepunkte in der Wirtschaft sendet, steige derzeit mit einer Rate, die seit 1959 genau auf das Ende einer jeden Rezession hingedeutet hat, kommentiert Norris in The New York Times. Norris macht darauf aufmerksam, dass der Index im Juni zum dritten Mal in Folge gestiegen sei, und zwar annualisiert mit 12,8% in den vergangenen drei Monaten. Sechs der sieben Rezessionen seit 1960 endeten entweder in dem Monat, in dem der Indikator einen annualisierten Anstieg von 12% anzeigte, oder ein oder zwei Monate später. Die Ausnahme war die Rezession von 1990/91, der die langsamste Erholung folgte. Offiziell ging die Rezession im März 1991 zu Ende. Aber die Erholung war so lau, dass das Economic Research Bureau das Ende erst im Dezember 1992 proklamierte.

Die Zuverlässigkeit des LEI-Index gilt jedoch als mittelmässig, da die Daten häufig revidiert werden. Der Index der Frühindikatoren besteht aus 10 Komponenten: Die ersten sieben sind nicht-finanzieller Natur: (1) Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, (2) durchschnittliche Wochenarbeitszeit im verarbeitenden Gewerbe, (3) Auftragseingänge für Konsumgüter, (4) Lieferfristen (aus der ISM-Umfrage), (5) Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe (für nicht-militärische Kapitalgüter), (6) private Baugenehmigungen und (7) Erwartungskomponente des Konsumklimas der Uni of Michigan. Die restlichen drei Komponente sind finanzielle Indikatoren: (8) S&P-500 Index, (9) Geldmenge M2 und (10) Zinsspread (zwischen den 10jährigen US-Treasuries und dem Zinssatz der Fed Funds Rate).

Der Index of Leading Indicators (LEI) wird jeden Monat vom Conference Board, einer privaten Wirtschaftsforschungsgruppe in New York City, veröffentlicht. Norris bemerkt, dass zwei von zehn Komponenten, und zwar die Geldmenge und die Auftragseingänge für Konsumgüter zur Zeit einen Rückgang zeigen.

US-Notenbank: Frühwarnsystem für das systemische Risiko

Das jüngste Weissbuch des US-Schatzamtes zur Regulierung der amerikanischen Finanzdienstleistungspolitik strebt an, dass die US-Notenbank (Fed) die Aufsicht über alle Unternehmen, die eine Gefahr für die finanzielle Stabilität darstellen, auch wenn sie keine Banken sind, bekommt. Das würde bedeuten, dass die Fed eine Regulierungsbehörde fürs systemische Risiko wird und damit über viel mehr Macht verfügt als je zuvor. Das ist gegenwärtig ein heftig diskutiertes Thema in den USA. Es gibt pros und contras. Sollten die USA eine Regulierungsbehörde für ein systemisches Risiko haben? Wenn ja, sollte es die Fed sein? Und wenn ja, gibt es andere Befugnisse, die die Fed im Gegenzug aufgeben sollte? „Meine Antworten sind ja, ja und ja“, schreibt Alan Blinder, der ehem. Vize-Fed-Chef in einem lesenswerten Essay in The New York Times.

Ein Frühwarnsystem soll aufkommende Gefahren, und auch diejenigen, die Grenzen überschreiten, frühzeitig erkennen und darüber möglichst schnell informieren. Gefahren sollten abgewendet oder zumindest gemildert werden. Kann diese Arbeit aber vollkommen erledigt werden? „Nein“, sagt Blinder. Ist es aber wert, zu versuchen? „Ja“, hält Wirtschaftsprofessor an der Universität Princeton fest. Blinder vertritt die Meinung, dass die Fed diese Aufgabe übernehmen soll. Er sei sehr skeptisch, dass ein Konsortium oder ein Aussschuss erfolgreich das systemische Risiko überwachen kann. „Hätte eine solche Regulierungsbehörde 2005 existiert, hätte sie ein wachsames Auge darauf gehabt, dass riskante Wohnhypotheken von Nicht-Banken-Kreditgebern vergeben worden sind, und zwar ohne Aufsicht der öffentlichen Hand“, bemerkt Blinder. „Das hätte die Regulierungsbehörde gesehen, was die Bank-Agenturen verpasst haben“.

Samstag, 25. Juli 2009

Bernanke gegen Verbraucherschutz-Agentur

US-Notenbank-Chef Ben Bernanke hält es nicht für nötig, eine Agentur zum Verbraucherschutz für riskante Finanzprodukte einzurichten. Fed-Präsident sagte gestern in seiner Anhörung vor dem Ausschuss des US-Senats, dass es schwer wäre, Fed’s Know-How in einer neuen Agentur zu ersetzen. Die Obama-Administration hat bekanntlich vor, eine Verbraucherschutzagentur aufzubauen, um die Bürger vor riskanten Finanzprodukten zu schützen.

Nun entsteht eine ziemlich delikate Situation, da die Amtszeit von Bernanke im kommenden Jahr zu Ende geht und es noch nicht feststeht, ob Präsident Obama den Fed-Chef im Amt bestätigen oder ersetzen will.

Consumer Financial Protection Agency soll v.a. betrügerische Praktiken im Geschäft mit Kreditkarten, Hypotheken und anderen Produkten überwachen. Sollte das Vorhaben durch den Kongress genehmigt werden, könnte die CFPA eine Reihe von zweifelhaften, aber äusserst lukrativen Bank-Praktien einschränken oder verbieten. Dazu gehören sog. „Ballooning“ von Hypothekendarlehen, übermässige Sollzinsen für Kreditkarten und Überziehungsgebühren.

Der regulatorische Rahmen für das Geschäft mit den Immobiliendarlehen hat sich im Sog der anhaltenden Krise als total uneffektiv und v.a. veraltet erwiesen. Es kam im Zuge des Einzugs der Finanzinnovationen nicht nur auf den Kapitalmärkten, sondern auch im Immobilienmarkt zu Exzessen und Ausuferungen. Das ehemalige Fed-Board Member Edward M. Gramlich hatte bereits im Mai 2004 vor „trügerischen, irreführenden Praxis“ im Häusermarkt gewarnt. Er schrieb in einer Studie, dass die zunehmende „Subprime-Kreditvergabe mit einem hohen Niveau von Kriminalität, Zwangvollstreckungen und ja sogar in manchen Fällen mit missbräuchlicher Praxis“ einhergehe. Im Subprime-Segment herrschten Wildwest-Verhältnisse. Mehr als die Hälfte der Kredite, die durch Hypotheken gesichert sind, wird von unabhängigen Kreditgebern vermarktet, die keiner staatlichen Aufsicht unterliegen. Die Fed, bzw. der damalige Fed-Chef Alan Greenspan hat aber auf Gramlich nicht gehört.

PS: Siehe auch den Betrag „Immobilienmarkt und Geldpolitik“ meiner Wenigkeit in „Finanz und Wirtschaft“, Ausgabe 8, Seite: 22, vom 30 Januar 2008.

US-Bankpleiten: FDIC schliesst weitere sieben Banken

Der öffentliche Einlagensicherungsfonds (FDIC=Federal Deposit Insurance Corp) hat gestern in den USA 6 Banken in Georgia und eine kleine Bank in New York geschlossen. Seit Jahresbeginn sind damit die Anzahl der Banken, die in den USA im Sog der Wirtschaftskrise zusammengebrochen sind, auf insgesamt 64 angestiegen. Die sechs Security Banken verfügen über 2'800 Mrd. $ Vermögenswerte und 2'400 Mrd. $ Kundeneinlagen. Im US-Staat Georgia sind in diesem Jahr insgesamt 16 Banken in die Knie gegangen, so hoch wie in keinem anderen US-Staat.

Bankpleiten:
2009: 64 Banken (bisher)
2008: 25
2007: 3

Die staatliche Einlagensicherungsbehörde schätzt die Kosten der sechs gebeutelten Banken für die öffentliche Hand auf 807 Mio. $. Die Anzahl der Banken, die auf der Problemliste der FDIC figurieren, sind im ersten Quartal auf 305 (von 252 im vierten Quartal) geklettert. Das ist die höchste Zahl seit 1994 während der „savings and loan“-Krise. Die Einlagensicherungsbehörde schätzt die Kosten der Sicherung auf rund 70 Mrd. $ bis 2013.

Freitag, 24. Juli 2009

US-Verbraucherstimmung sinkt erstmals seit fünf Monaten

Die Stimmung unter amerikanischen Konsumenten hat sich im Juni stark eingetrübt. Der Verbrauchervertrauensindex der Universität Michigan fiel auf 66,0 Punkte von 70,8 Zählern im Vormonat. Das ist der tiefste Stand seit April. Die Konsumausgaben machen rund 70% der Wirtschaftsleistung in den USA aus. Die Rezession hält seit Dezember 2008 an. Die US-Wirtschaft hat seither 6,5 Mio. Jobs verloren. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes veranlasst die US-Bürger, den Konsum einzuschränken. Das lastet auf der Realwirtschaft. Folglich schrumpft der Welthandel, wie Nouriel Roubini analysiert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wirkt sich aber auch auf die Immobilienmärkte und den Finanzsektor negativ aus. Banken drohen nun Kreditausfälle bei Eigenheimhypotheken und Kreditkarten.


Consumer Sentiment, Graph: Fed St. Louis

Im Euroland steht die Krise am Arbeitsmarkt noch bevor. Die Reallöhne stagnieren seit Jahren und die EZB glaubt daran, dass die Arbeitslosigkeit ohne Lohnzurückhaltung nicht abgebaut werden kann.


Employment, Graph: Fed St. Louis


Duration of Unemployment, Graph: Fed St. Louis

Britische Wirtschaft: Grüntee statt grüne Sprösslinge

Die britische Wirtschaft ist im zweiten Quartal stärker geschrumpft als erwartet. Die Wirtschaftsleistung ging zum Vorquartal um 0,8% zurück. Erwartet worden war ein Rückgang um 0,3%. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist das britische BIP um 5,6% gesunken. Die Experten hatten mit einem Minus von 5,2% gerechnet. Das ist der stärkte Rückgang des BIP seit Beginn der Datenaufnahme im Jahre 1955 und bedeutet die 5. Kontraktion im Quartal in Folge. Der Dienstleistungssektor sackte um 0,6% ab. Annualisiert entspricht das einem Minus von 3,8%. Der Industrie-Output ist auf Jahresbasis um 12% eingebrochen.


British GDP Growth, Graph: statistics.gov.uk

Der aktuelle Datenkranz zerstört nicht nur die Hoffnungen auf eine baldige Erholung der Wirtschaft in Grossbritannien, sondern auch im Rest Europas. Steigende Arbeitslosigkeit und Produktionslücke belasten die Wirtschaft nach wie vor über Gebühr. Die Rezession dürfte vor Jahresende nicht vorbei sein. Die konjunkturelle Wende wird allem Anschein nach langsam erfolgen und das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren unter dem langfristigen Trend verlaufen.

Verbraucherschutz: Simon Johnson bricht dafür eine Lanze

In einem lesenswerten Essay in The New York Times befasst sich Simon Johnson mit der Relevanz des Verbrauchervertrauens. „Unsere Wirtschaft wird weitgehend von Konsumenten angetrieben. Auch wenn ein gewisser Anstieg der Ersparnisse derzeit gerechtfertigt erscheint, würde es, wenn wir alle kollektiv sparen, und zwar „zu viel und zu schnell“, folglich ein schleppendes Wachtum und eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit bedeuten“, schreibt der ehemalige Chefökonom des IWF (Internationaler Währungsfonds). Johnson deutet m.a.W. auf ein delikates Phänomen, bekannt als Spar-Paradoxon hin.

Zugleich sei es aber auffällig, dass viele der führenden Unternehmen und deren Lobbyisten ihre Entschlossenheit unterstreichen, die von der Obama-Administration vorgeschlagene Einrichtung einer Verbraucherschutzagentur (CFPA= Consumer Financial Protection Agency) zu vereiteln. Diese Agentur würde als eine Form der Sicherheitskommission für Finanzprodukte agieren, mit Blick darauf, diverse Arten von Missbräuchen zu verhindern, wie es in der Vergangenheit mit Hypothekendarlehen, Kreditkarten und anderen Finanzdienstleistungen geschehen ist. Johnson, Wirtschaftsprofessor an der MIT’s Sloan School of Management lobt ferner die Arbeit von Elizabeth Warren, die sich als Vorsitzende des Aufsichtspanels im US-Kongress für die Etablierung der CFPA einsetzt. Die Verbraucherschutzagentur werde die Schaffung von neuen Produkten durch den privaten Sektor nicht verhindern. Sie wird vielmehr dafür sorgen, dass die Produkte, die die Menschen benutzen, nicht giftig sind, in der gleichen Art und Weise, „wie wir uns um die Krippen oder Medikamente kümmern“, versichert Johnson. Gerade das würde sinnvolle Formen der Innovation fördern.

US-Börsen auf Höhenflug

Der Dow Jones Index der Standardwerte übersprang gestern erstmals seit Jahresbeginn wieder die Marke von 9'000 Punkten. Das bedeutet der höchste Schlussstand seit Ende Oktober 2008. In den vergangenen sechs Monaten durchlief die Börse eine Achterbahnfahrt. Es gab „grüne Sprösslinge“, die sich inzwischen als „welkes Unkraut“ erwiesen haben. Deshalb lautet die Frage jetzt: Sind die Aktien überkauft? Was folgt nun?


Dow Jones Index, Graph: finance.yahoo.com

Das Tempo der ökonomischen Kontraktion hat sich zwar indes verlangsamt, aber die aggregierte Nachfrage ist nach wie vor lahm. Angesichts der Produktionslücke (output gap) besteht für 2010 und 2011 ein Deflationsrisiko. Der Schuldenabbau (deleveraging) hält noch an. Die Erwartungen einer V-förmigen Erholung berücksichtigen die der US-Wirtschaft zugrunde liegenden Schwächen nicht, wie Nouriel Roubini hervorhebt. Prognosen für Unternehmensgewinne sind daher nicht realistisch. Anleger sind gut beraten, Vorsicht walten zu lassen.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Israel: State-of-the-Economy Index steigt im Juni

Der State-of-the-Economy Index legte im Juni um 0,2% zu. Das ist der erste Index-Anstieg seit Juli 2008. Es ist jedoch zu früh, zu urteilen, ob diese Entwicklung auf einen Wendepunkt im Konjunkturverlauf hindeutet. Doch die aktuellen Daten reflektieren eine Zunahme in den Aussenhandelskomponenten (Ausfuhren sowie Einfuhren) des Index.


State-of-the-Economy Index, Graph: Ministery of Finance

Die israelische Zentralbank (BoI) hat ihren Leitzins auf ihrer Sitzung vom 22. Juni bei 0,50% unverändert belassen, um die Wirtschaft weiter zu stützen. Die BoI hatte seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Der Leitzins bleibt somit den vierten Monat in Folge unverändert. Angesichts des Rückgangs der Inflationsrate und des stabilen Verlaufs der Inflationserwartungen befürchten die Währungshüter keinen Preisdruck. Das BIP ist im ersten Quartal um 3,9% eingebrochen. Der Konsumentenpreis-Index (CPI) kletterte im Mai um 0,4%. Die Inflationsrate beträgt seit Jahresbeginn 1,2%.


BoI Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Die nächste Sitzung der BoI wird am 27. Juli stattfinden.

Türkei: Anzahl Touristen im Juni

Die Anzahl der Touristen, die die Türkei besucht haben, hat im Juni 3'263'089 betragen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Rückgang von 1,29%.


Total Number of Tourists (y/o/y), Graph: Turkish Treasury

Insgesamt haben 10'590'631 Touristen die Türkei zwischen Januar und June 2009 besucht. Das entspricht einem Minus von 0,90% im Vergleich zu der Periode 2008.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Schweizer Wirtschaft: Aktuelle Zinssätze

Das SNB-Zielband: 0,00 – 0,75%.

Aktuelle Zinssätze:

Repo Overnight: 0,02%
3-Monats-Libor: 0,37%,
Rendite der Bundesobligationen (10 J.): 2,36%,


CH Zinsmarkt, Graph: SNB
rot: repo o/n, grün: 3-Monats-Libor, blau: Rendite der Bundesobligationen


Zielband der SNB, Graph: SNB

Exit-Strategie der SNB

Die SNB verfügt über die notwendigen Instrumente, um die Exit-Strategie durchzuführen. Die Zeit für eine Korrektur ist jedoch laut SNB noch nicht gekommen. Die SNB will daher ihre expansive Geldpolitik fortführen. Die Schweizer Währungshüter rechnen mit einer negativen Inflation für 2009. Für die Jahre 2010 und 2011 wird ein Deflationsrisiko prognostiziert. Der rechtzeitige Ausstieg aus der extralockeren Geldpolitik ist technisch kein Problem.

S&P-500 Index: KGV von 130

Die folgende Abbildung verdeutlicht, wie schwer die anhaltende Krise auf Gewinnentwicklung von Unternehmen lastet. Der S&P-500 Index, der die Aktien von 500 grössten, börsennotierten US-Unternehmen erfasst, hat heute bei einem Stand von 953 Punkten ein KGV von rund 130. Vor einem Jahr wies der Index bei 1'360 Punkten ein KGV von 21,85 auf!


S&P-500 Index, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, Aug. 2009

Die Gewinne müssten massiv zulegen, damit sich das KGV von S&P 500 Index wieder normalisiert.

KGV, genannt auch Price-Earning-Ratio ist eine Kennzahl zur Beurteilung von Aktien: Aktienkurs / Gewinn je Aktie. Im allgemeinen gilt, je niedriger das KGV, desto günstiger erscheint die Aktie. Der Wert gewinnt an Aussagekraft v.a. im Vergleich mit dem KGV von anderen Aktien.

Wirtschaftskrise: Ökonomen in der Krise

Hier ist ein lesenswerter Essay von Prof. Paul De Grauwe in FT zur aktuellen, mit harten Bandagen geführten Debatte zwischen Ökonomen unterschiedlicher Schulen (Ricardians vs. Keynesians) über die Mittel und Wege, die anhaltende Wirtschaftskrise anzugehen.

De Grauwe ergreift Partei für Keynesianer. Es bestehe derzeit keine Inflationsgefahr. Der Anstieg der Staatsverschuldung sei notwendig, um die Deflation zu bekämpfen. Ein Versuch, das Haushaltsdefizit jetzt zurückzufahren, würde deflationäre Kräfte in der Wirtschaft beschleunigen und dazu führen, dass die Rezession verlängert werde, schreibt Wirtschaftsprofesser, der an der University of Leuven unterrichtet. Der gegenwärtige Disput über das Thema „Hyperinflation vs. Deflation“ sei nicht nur für die Marktteilnehmer von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Politiker. Bei so viel Uneinigkeit unter Makroökonomen sei es nicht verwunderlich, dass Politiker unsicher werden und schwanken. In einigen Ländern wie den USA und Frankreich gehen die Entscheidungsträger dem Konzept von Keynes nach. In anderen wie Deutschland vertrauen die Politiker in Konzepte a la Ricardo („klassische Nationalökonomie“). Laut De Grauwe liegen aber die Keynesianer richtig. Der Punkt sei, dass die Kakophonie der Analyse zu erklären helfe, warum Politiker auf die gleiche Krise auf unterschiedliche Art und Weise reagieren und warum es so schwer fällt, sich auf ein koordiniertes Vorgehen zu einigen.

Wie soll aber die Krise der Makro-Ökonomie gelöst werden? Das Feld muss grundlegend erneuert werden, urteilt De Grauwe. „Einige der Mängel sind offensichtlich. Vor der Finanzkrise waren die meisten Makroökonomen von der Idee geblendet, dass die effizienten Märkte für Selbstdisziplin sorgen würden. Die Ökonomen dieser Schule haben sich nicht darum gekümmert, Finanzmärkte und den Bankensektor in ihre Modellwelt einzubauen. Dies ist ein großer Fehler“, hält De Grauwe fest.

Exit-Strategie: Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik

Notenbankchef Ben Bernanke steht vor dem US-Kongress Rede und Antwort. Es geht darum, (1) wann und (2) wie die Fed zum konventionellen Kurs der Geldpolitik zurückkehren wird. Das dritte Thema betrifft die Frage, ob die Staatsschulden monetarisiert werden oder nicht.

Bernanke erklärte gestern, dass der Konjunkturabschwung sich allem Anschein nach erheblich verlangsamt habe. Er sieht aber bei Nachfrage und Produktion keine Stabilisierung. Vor allem verschlechtere sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt, so Fed-Chef. Der Leitzins werde daher für längere Zeit voraussichtlich aussergewöhnlich niedrig bleiben. Bernanke hat also (1) kein konkretes Ausstiegsdatum aus der expansiven Geldpolitik genannt. Darüber, wie (2) die Liquidität wieder aufgesaugt werden kann, hat Fed-Chef folgende Instrumente aufgezählt:

(I) Reverse Repo (Repurchase Agreement): Ein Wertpapiergeschäft, wo die Geldnehmerin (hier: Die Fed) Wertpapiere an den Geldgeber (hier: Banken, GSEs u.a.) mit der gleichzeitigen Vereinbarung verkauft, diese zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukaufen.

(II) Emission von Anleihen durch das US-Schatzamt

(III) Fed zahlt mehr Zinsen auf Reserven, die Banken bei der Fed halten.

(IV) Fed verkauft Wertpapieren mit längerer Laufzeit im offenen Markt.

Fazit: Bernanke hat bekräftigt, dass der Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes „reibungslos“ und „rechtzeitig“ erfolgen wird. Es stellt technisch kein Problem dar.

Zur dritten Frage: Während Notenbanken angesichts der schwersten Rezession seit Jahrzehnten ihre Leitzinsen aggressiv senkten, verabschiedeten Regierungen milliardenschwere Stimulus-Programme, um die Nachfrage zu beleben. Sie schnürten ausserdem Bankenrettungspakete, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Die Grösse und die Gestalt der Bilanzsumme der Fed ist folglich angeschwollen. Die US-Notenbank ist damit dem politischen Druck ausgesetzt, die Schulden der öffentlichen Hand zu monetarisieren. Nach dem Abklingen der Krise dürfte daraus ein Zielkonflikt für die Fed im Hinblick auf die Preisstabilität entstehen: „Ein wahrgenommener Verlust der geldpolitischen Unabhängigkeit könnte Befürchtungen über die künftige Inflation aufkommen lassen, was zu höheren langfristigen Zinsen führen und die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität beeinträchtigen könnte“, sagte Bernanke gestern in seiner Anhörung. „Wir werden auch weiterhin mit dem Kongress zusammenarbeiten, die notwendigen Informationen zu besorgen, damit unsere Aktivitäten wirksam überwacht werden, und zwar in einer Art und Weise, welche die geldpolitische Unabhängigkeit (der Fed) nicht gefährdet“.

Dienstag, 21. Juli 2009

SNB: Notenbankgeldmenge

Die Entwicklung der Notenbankgeldmenge in der Schweiz:
(In Millionen Franken)

2007: 44’198
2008: 77’418
2009 (März): 100’320
2009 (April): 117’953
2009 (Juni): 107’312

Die Notenbankgeldmenge setzt sich zusammen aus: Währungsreserven + Wertschriften + Devisenswaps + Geldmarktgeschäfte - Sonstiges.


Notenbankgeldmenge (Entstehung), Graph: SNB, July 21, 2009

Währungsreserven beinhalten Gold und Forderungen aus Goldgeschäften + Devisenanlagen (ohne Devisen-Swaps) + Reservepositionen beim IWF + internationale Zahlungsmittel + Währungskredite.
Geldmarktgeschäfte umfassen Forderungen aus Repo-Geschäften in CHF + inländische Geldmarktforderungen + Lombardvorschüsse.
Sonstiges bedeutet Saldo der verbleibenden Bilanzpositionen (ab April 1998 inkl. Girokonten ausländischer Banken und Institutionen).

Auf der Seite der Verwendung sieht die Entwicklung so aus:
(In Millionen Franken)


Notenbankgeldmenge (Verwendung), Graph: SNB, July 21, 2009

Notenumlauf:
2007: 38’943
2008: 41’306
2009 (März): 45’596
2009 (April): 45’788
2009 (Juni): 44’859

Girokonten inländischer Banken:
2007: 5’255
2008: 8’256
2009 (März): 54’724
2009 (April): 72’165
2009 (Juni): 62’453

Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken = Notenbankgeldmenge
44'859 + 62'453 = 107’312.

Schuldenbremse: Warum Sparen jetzt die Krise verschärfen würde

Die Regierungen sind derzeit die einzigen Marktteilnehmer, die Geld ausgeben, um erstens die aggregierte Nachfrage zu stimulieren und zweitens das Finanzsystem zu stabilisieren. Zugleich steigt aber das Haushaltsdefizit. Deshalb werden Stimmen laut, die zur Sparsamkeit auffordern. Die Staatsverschuldung steigt empirisch gesehen in den Rezessionen, während das Kreditvolumen im privaten Sektor in diesen Zeiten abnimmt. Wenn Haushalte und Unternehmen Schulden abbauen (deleveraging), nimmt die Kreditaufnahme des Staates zu. Wie gefährlich es ist, wenn alle gleichzeitig (Spar Paradoxon) dazu übergehen, zu sparen, erklärt Paul de Grauwe in einem Interview mit der FAZ (faz.net). Lesenswert.

Paul de Grauwe ist Professor an der Katholischen Universtität Leuven und Research Fellow des Centre for Economic Policy Research in London.

Bailout-Kosten: 23'700 Mrd. US-Dollar

Die Rettungspakete kosten 23'700 Mrd. $. Das ist die Summe, worauf Neil Barofsky (oversight czar), der das Bankenrettungspaket TARP beaufsichtigt, gekommen ist. Der Aufsichtsbeamte mit speziellem Auftrag wirft ausserdem dem US-Schatzamt „Intransparenz“ vor, was die Verteilung der Gelder betrifft.

Beamte des US-Treasury haben die Zahl bereits als „aufgeblasen“ zurückgewiesen. Die Berechnung ignoriere laut US-Finanzministerium die Gebühren und Zinserträge, welche der öffentlichen Hand zu Gute kommen, um das Risiko für Steuerzahler zu minimieren. Der Generalinspekteur von TARP wird heute vor dem US-Kongress Zeugnis ablegen.

Ben Bernanke erläutert Exit-Strategie

Die amerikanischen Banken haben in den vergangenen Wochen überraschend hohe Gewinne für das zweite Quartal vorgelegt. Deshalb wird im Markt nun die Frage aufgeworfen, ob die Krise die Endphase erreicht hat. Nur noch knapp 10 Monate nach der Lehman-Pleite erhöhen viele Experten den Druck auf die US-Notenbank, ihre expansive Geldpolitik rückgängig zu machen. Die entscheidende Frage ist aber nicht ob, sondern wann genau die Fed zum konventionellen Kurs der Geldpolitik zurückkehren wird. Fed-Chef Ben Bernanke scheint derzeit viel Stress zu haben. Er hat heute vor seiner Anhörung vor dem US-Kongress in einem Beitrag für das Wall Street Journal dargelegt, wie die Exitstrategie der US-Notenbank aussehen mag.

Der Schuldenabbau (deleveraging) und die anhaltende Schwäche im Produktionssektor lasten weiter auf der Realwirtschaft, was die Beschaffung von neuen Stellen erheblich erschwert. Das belastet den privaten Verbrauch und wirkt sich auch auf die Finanzmärkte negativ aus. Banken drohen demnächst Kreditausfälle. Die Produktionslücke dürfte sich daher nicht so schnell schliessen lassen. Das bedeutet, dass die konjunkturelle Erholung nicht rasch erfolgen wird.

Montag, 20. Juli 2009

Bilanzsumme der US-Notenbank nimmt zu

Die Bilanzsumme der Fed ist vergangene Woche durch die Anleihenkäufe um 81 Mrd. $ auf 2’110 Mrd. $ angeschwollen. Die Bestände der US-Notenbank an US-Treasuries, Agency und MBS sind laut Morgan Stanley weiter angestiegen, v.a. angetrieben von MBS-Abwicklungen.

Der Umsatz der ausländischen Zentralbanken war vergangene Woche im Hinblick auf US-Treasuries flau, während der Erwerb von MBS und Agency um 4 Mrd. $ zurückging.

CIT-Group und die Bailout-Frage:
Wirtschaft vs. Politik

Die CIT-Group steht vor dem Ruin. Die Behörden haben abgelehnt, die Mittelstandbank mit dem Geld der Steuerzahler vor dem Zusammenbruch zu retten. Im Dezember hatte das hochverschuldete Geldinsitut, das rund 1 Mio. kleine und mittelgrosse Unternehmen in den USA mit Darlehen betreut, vom Staat 2,33 Mrd. $ bekommen. Ob die CIT-Group die zweitgrösste Bankpleite nach dem Lehman-Kollaps darstellen wird oder nicht, mag zur Stunde dahingestellt sein. Die bewegende Frage ist, warum manche Banken von der öffentlichen Hand gerettet werden und manche nicht? Ist die Bailout-Frage wirtschaftlicher oder politischer Natur?

Bemerkenswert ist, dass CIT-Chef Jeffrey Peek die republikanische Partei unterstützt. Lehman Brothers war lange Zeit der Hauptrivale von Goldman Sachs. Hank Paulson, der ehemalige Chef des US-Schatzamtes war davor CEO von Goldman Sachs. Das alles mag ein Zufall sein. Aber die Antwort liegt nahe daran, dass der „too big to fail“-Fall eher ein politisches als ein wirtschaftliches Problem ist. Wird also eine eventuelle Insolvenz der CIT-Group zu einem Testfall? Ein Bailout sendet auf alle Fälle falsche Signale an den Markt. Eine implizite und/oder explizite staatliche Garantie erhöht die Bereitschaft der Marktteilnehmer, mehr Risiken einzugehen („Moral Hazard“). Der grössere Fehler war die Rettung von zu vielen Unternehmen als von zu wenigen, schreibt Russel Roberts in einem kurzen Essay in The New York Times. Der Kapitalismus ist ein Gewinn- und Verlust-System, bemerkt Wirtschaftsprofessor an der Standford University’s Hoover Institution weiter: „Die Gewinne bestärken die Risikobereitschaft, die Verluste die Vorsicht“. Der „too big to fail“-Ansatz erzeugt systemisches Risiko im Finanzsystem. Die konsequente Rettung der Gläubiger erhöht (1) die Bereitschaft, exzessive Risiken einzugehen, zerstört (2) die natürlichen Rückkopplungsschleifen des Marktes, was Vorsicht betrifft, und belohnt (3) Rücksichtslosigkeit, sät (4) das Saatgut für die nächste Krise und vermittelt (5) den Eindruck der Vetternwirtschaft.
Was ist also zu tun, damit Gewinne nicht wie bisher privatisiert und Verluste sozialisiert werden? Von Fall zu Fall entscheiden, wer zu retten ist und wer nicht? Das würde aber die Unsicherheit im Markt unnötig erhöht werden. Man kommt daher an der Frage der Regulierung nicht vorbei, um zu verhindern, dass private Institute den Staat in die Lage versetzen, wo den Behörden nichts anderes übrig bleibt, als die entsprechenden Unternehmen mit staatlicher Unterstützung zu retten. Es darf eigentlich den „too big to fail“ Fall von Anfang an nicht geben. Mark A. Calabria schlägt die Einrichtung von speziellen Gerichten für „too big to fail“-Fälle, damit die Insolvenz von solchen Unternehmen/Banken mit mehr Sicherheit und ohne Gelder der Steuerzahler abgewickelt werden können. Oder soll man die Fähigkeit der Zentralbank und des Schatzamtes einschränken, für solche Fälle Steuergelder einzusetzen?

Aktive Fiskalpolitik

Auch Robert Shiller spricht sich für ein zweites Stimulus-Paket aus. „Wir benötigen rasche und quantitativ starke fiskalische Anreize“ sagt Yale-Ökonom in einem aktuellen Interview mit dem Handelsblatt.

Prof. Shiller's Buch: "Animal Spirits".

Stimulus-Paket und Produktionslücke

Es ist unumstritten, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit und sinkende Einkommen sich negativ auf die Wirtschaft auswirken. Verbraucher sind verunsichert. Das Sparverhalten der Haushalte hat sich daher inzwischen vollkommen verändert. Die aktuellen Daten (Mai 2009) zeigen, dass amerikanische Haushalte rund 6,9% des verfügbaren Einkommens sparen. Das ist der höchste Stand seit 15 Jahren. Volkswirte und Politiker diskutieren nun über die Grösse des US-Stimulus-Pakets. Nobelpreisträger Paul Krugman vertritt die Ansicht, dass das Stimulus-Programm nicht gross genug ist, die Produktionslücke (output gap) zu schliessen. Das Fiskalpaket müsse laut Krugman aggressiv genug sein, um etwas nahe der Vollbeschäftigung zu erreichen. Auch Nouriel Roubini findet das Fiskal-Stimulus-Paket „zu klein“.


Okun’s Law: The Output Gap, Graph: Arnold, Fed St. Louis Review, July/August 2009

Der Ausgangspunkt ist das Okun’sche Gesetz, welches die Wechselwirkung zwischen dem realen BIP und der Arbeitslosigkeit beschreibt. Die Hauptaussage lautet, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn das Wirtschaftswachstum niedriger ist als das potenzielle Wachstum. Anhand der Koeffizienzrate des Okun’schen Gesetzes lässt sich dann errechnen, um wieviel Prozent das reale BIP steigen muss, um die Arbeitslosigkeit dementsprechend zu reduzieren. Beträgt der Koeffizient 2, bedeutet dies, dass ein Anstieg des BIP um 2% die Arbeitslosigkeit um 1% reduziert.

Potenzialwachstum ist vereinfacht formuliert das reale Bruttoinlandprodukt (BIP), welches bei Normalauslastung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital erreichbar ist. Mit Hilfe des Potenzialwachstums wird auch die Produktionslücke (output gap) geschätzt. Der potenzielle Output kann eben nicht direkt beobachtet werden, er muss geschätzt werden. Bestimmungsfaktoren des Potenzialwachstums sind (1) das Arbeitsangebot, (2) die Produktivität und (3) der Kapitaleinsatz.

Ein aktueller Essay der Fed St. Louis („The Challenges of Estimating Potential Output in Real Time”) befasst sich mit dem Thema. Der Autor beschreibt die von CBO (Congressional Budget Office; eine Behörde des US-Kongresses) verwendete Methode, um das Potenzialwachstum zu schätzen. Er skizziert einige Vor- und Nachteile des CBO-Ansatzes und stellt Herausforderungen im Zusammenhang mit der Schätzung und der Projektion des Produktionspotenzials dar. Das CBO-Modell zur Schätzung des Potenzialoutputs basiert allerdings auf einem neoklassichen Wachstumsmodell (Solow), einschliesslich einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion für den ausserlandwirtschaftlichen Sektor mit zwei Input-Faktoren (Arbeit und Kapital).