Samstag, 25. November 2023

The Illusion of Control

Buchbesprechung

Jón Daníelsson:The Illusion of Control” – Why Financial Crises Happen, and What We Can (and Can’t) Do About It, Yale University Press, June 2022, UK.


Wir sind gut darin, die Risiken von heute zu managen, aber auf Kosten von Aussichten und Bedrohungen, die in Zukunft liegen, welche wir ignorieren. Das ist die Illusion der Kontrolle.

Die Art und Weise, wie wir heute finanzielle Risiken messen, um wichtige Entscheidungen zu treffen, stützt sich in der Tat erstens auf unvollkommene Modelle und zweitens auf ungenaue Messungen.

Der Schwerpunkt unserer Wahrnehmung liegt laut dem Autor auf der jüngsten Vergangenheit und kurzfristigen Risiken. 

Der Grund dafür ist einfach. Schliesslich steht dafür eine Fülle von Daten zur Verfügung, und es handelt sich dabei um das am einfachsten zu messende Risiko.

Wir verwenden solche Modelle trotzdem, wohlwissend, dass sie nicht besonders gut funktionieren. 

Die Gründe dafür liegen im Zusammenspiel zweier komplexer Themen, der Schwierigkeit der Risikomessung und dem menschlichen Erfindungsreichtum, argumentiert Jón Daníelsson, Professor für Finanzen und Direktor des Systemic Risk Centre an der London School of Economics.

Zur Erinnerung: 

Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich.

Sonntag, 12. November 2023

Toxische Straffung der Geldpolitik

Fed Chair Powell is busking: Higher for Longer


Die Anleger hatten es in den vergangenen zwei Wochen gewagt, schon wieder von einer schnellen Zinssenkung zu träumen.

Doch dann wurde ihnen vom Vorsitzenden der Fed Jerome Powell ein böses Erwachen bereitet. Er sagte zwar, dass die Zentralbank vorsichtig bleiben werde, warnte aber auch, dass sie nicht zögern werde, die Zinssätze bei Bedarf wieder anzuheben.

Mit anderen Worten wiederholt Powell die Botschaft “hohe Zinsen für längere Zeit” (“higher for longer”) für die Wall Street quasi mit der Lyric von Bruno Mars: “I'ma leave the door open, hoping and I'm hoping, hoping”.

Einige Anleger glauben jedoch, dass die finanziellen Bedingungen für die Fed zu locker werden könnten, wenn die Renditen weiter sinken und die Zentralbank gezwungen wäre, die Zinsen länger hochzuhalten, um einen Anstieg der Inflation zu verhindern.

Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sind tatsächlich von ihren Höchstständen um fast 50 Basispunkte gefallen, während sich der S&P 500 in diesem Zeitraum um etwa 6,5 % erholt hat.


US Lohn-Wachstum, Graph: Jerome Powell, Fed, Nov 09, 2023


Montag, 6. November 2023

Das Ende der japanischen Zinskurvensteuerung

Reflation in Japan: BoJ and YCC


Die Bank of Japan (BoJ) ist nun fest auf dem Weg, die Zinskurven-Kontrolle (YCC: Yield Curve Control) abzuschaffen.

Der Schritt dürfte auch Auswirkungen auf die Märkte für US-Unternehmensanleihen entfalten: ausländische Investoren – allen voran Japan – waren im letzten Jahrzehnt massive Rendite-Touristen und kauften haufenweise US-Anleihen, wie FT Alphaville berichtet.

Der Spread zwischen der 10-jährigen UST-Rendite und der 10-jährigen JGB-Rendite hat sich inzwischen auf ein 22-Jahres-Hoch ausgeweitet.

Die YCC-Politik der BoJ ist ein geldpolitischer Ansatz, der darauf abzielt, die Renditekurve japanischer Staatsanleihen (JGBs) zu kontrollieren und zu beeinflussen, um bestimmte wirtschaftliche und finanzielle Ziele zu erreichen.


Der Gouverneur der BOJ, Kazuo Ueda, will die ultralockere Geldpolitik der Zentralbank weiterhin nur schrittweise abbauen und versuchen, irgendwann im nächsten Jahr aus dem jahrzehntelangen akkommodierenden Regime auszusteigen, Graph: Reuters, Nov 02, 2023.



Samstag, 4. November 2023

Zinskosten, Liquiditätsengpass und Unternehmensgewinne

Interest Costs as a Percent of Profits


Die empirische Erfahrung legt nahe, zuversichtlich zu erwarten, dass sich die Geldpolitik mit Verzögerung auf die Zinskosten auf der Angebotsseite auswirkt.

Und akademische Studien deuten darauf hin, dass der sog. "Liquiditätsengpass" i.d.R. 6 bis 9 Monate nach der letzten Zinserhöhung durch die Fed eintritt.

Was aber dabei zu beachten ist, dass solche Recherchen zumeist vor dem Niedrigzinsumfeld der letzten zwei Jahrzehnte durchgeführt wurden. 


Zinskosten in Prozent des Gewinns. Nettozinszahlungen nichtfinanzieller Unternehmen, Unternehmensgewinne (vor Steuern), 4Q1979 – 2Q2023, Graph: JPMorgan AM, Oct 31, 2023.


Sonntag, 29. Oktober 2023

Visions of Inequality

Buchbesprechung

Branko Milanovic: Visions of Inequality – From the French Revolution to the End of Cold War, Harvard University Press, October 2023, London, UK.


Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Wahrnehmung von Ungleichheit sich im Laufe der Zeit ändert. Jede Ungleichheit (bezüglich Einkommen, Rasse, Geschlecht usw.) ist ein historisches Phänomen. Wir können daher nur von spezifischen Merkmalen jeder Ungleichheit sprechen.

Vor diesem Hintergrund bemüht sich Branko Milanovic redlich, die Entwicklung des Denkens über wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten zwei Jahrhunderten empirisch nachzuzeichnen. 

Es geht um die Ideengeschichte. Ziel ist es, die Ansichten der besprochenen Autoren über die Einkommensverteilung in den Kontext ihrer Zeit einzuordnen.

Der Ansatz des an der City University of New York forschenden Wirtschaftsprofessors hat bestimmte Merkmale, wie zum Beispiel:


Sonntag, 22. Oktober 2023

Energiewende mit Deflation

The Rise of Green Electric Power


Grüne Energie ist jede Energieart, die aus natürlichen Ressourcen wie Sonnenlicht, Wind oder Wasser gewonnen wird.

Der Schlüssel zu diesen Energieressourcen ist, dass sie die Umwelt nicht durch Faktoren wie die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre schädigen.

Die Energiepläne der EU und die durch den US Inflation Reduction Act (IRA) mobilisierten Ausgaben lassen auf einen  Markt von mehr als 6 Billionen Dollar schließen.

Nach 300 Jahren, in denen Kohlenwasserstoffe die Weltwirtschaft angetrieben haben, erlebt dieses Jahrhundert den Aufstieg der grünen Elektrizität als primäre Energiequelle. 


Die Elektrifizierung Europas könnte bis zum Ende des Jahrzehnts stark deflationär sein. “Elektrifizierungs-Kostenkurve” 2023E: Öl-Äquivalentpreis ($/boe) nach Technologie und angenommenem Ölpreis (80 $/Barrel, gepunktete Linie), Graph: Goldman Sachs, Oct 19, 2023.


Samstag, 14. Oktober 2023

We Need to Talk About Inflation

Book Review – Buchbesprechung

Stephen D. King: We Need to Talk About Inflation – 14 Urgent Lessons from the last 2,000 Years, Yale University Press, 2023, UK.


Stephen King, erzählt uns eine interessante Geschichte der Inflation. Im Mittelpunkt steht “die inflationäre Rolle des Staates”. 

Vom alten Rom über den Amerikanischen Bürgerkrieg bis hin zu den heutigen Vermögensblasen ist die Inflation laut dem Chefökonom (von 1998 bis 2015) der HSBC Gruppe in London auf "politische Fehler" und einen kollektiven "Vertrauensverlust" in Währungen zurückzuführen.

Den gedanklichen Rahmen der gesamten Argumentation des britischen Ökonomen, der heute als Senior-Berater für die HSBC tätig ist, bildet die "Quantitätstheorie des Geldes". 

Es ist doch wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei "quantity theory of money" nicht um eine Theorie handelt, sondern um eine Gleichung mit vier Variablen. 

Aus dieser Gleichung (MxV = PxY) kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine Zentralbank die Geldmenge (M) steuern muss, um die Inflation, d.h. die Entwicklung von Preis (P), unter Kontrolle zu bringen.

Es überrascht daher, dass der Autor immer wieder den nichtssagenden Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preis hervorhebt, auch wenn er eingesteht, dass "die zusammengestellten Buchstaben nicht mehr als eine buchhalterische Identität sind und die Kausalität ebenso wie die Definitionen vorgeschrieben werden müssen."

Die Quantitätstheorie ist "zu simpel", und ihr Erfolg hängt davon ab, was genau die Umlaufgeschwindigkeit (V) beeinflusst (oder den Wunsch, Geld zu horten, anstatt es auszugeben), räumt King weiter ein.