Sonntag, 21. Juli 2024

Besessenheit mit Schuldenbremse: Deutschland steckt die Schweiz an

Eine unverhohlene Paranoia wegen Defizit


Die giftige Besessenheit von der Schuldenbremsedebt brake») scheint sich von Deutschland auf die Schweiz auszubreiten.

Wie Yves Wegelin in Republik Magazin ausführlich berichtet, hat das Schweizer Finanzdepartement im Frühling eine «Expertengruppe» zur «Bereinigung des Bundeshaushaltes» beauftragt.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) will herausfinden, wo der Staat sparen soll. Lobbyisten, angeführt von einer privaten Denkfabrik warnen vor angeblich ausufernden Staatsausgaben in der Schweiz.

Die Ausgaben des Bundes mögen zwar seit 1990 stark gestiegen sein. Aber das gilt nur in absoluten Zahlen. Denn auch die Schweizer Wirtschaft (gemessen am BIP) ist seither stark gewachsen.


Öffentliche Investitionen in der Schweiz und in Deutschland, Graph: FT, July 17, 2024.

 

Samstag, 20. Juli 2024

Money Capital

Buchbesprechung: 

Money Capital: New Monetary Principles for a More Prosperous Society. By Patrick Bolton and Haizhou Huang, July 16, 2024 (UK), Princeton University Press, London.


Wenn es um die Preisstabilität geht, geht es im Allgemeinen auch darum, zu ergründen, wie viel Papiergeld der Staat bereitstellen sollte. 

Doch die Monetaristen haben keine vollständige Antwort auf diese Frage. Das typische Argument, das angeführt wird, bezieht sich auf die «Friedman-Regel»: Die optimale Wachstumsrate der Geldmenge ist negativ.

Bemerkenswert ist, dass die Friedman-Regel u.a. auch das Denken hinter den Bemühungen zur Schaffung von Krypto-Währungen beeinflusst hat:

Das Design von Bitcoin zielt nämlich darauf ab, sein Wachstum durch «Mining» zu begrenzen, um seinen Wert zu steigern und so einen Anreiz für Investoren zu schaffen, den unverzinslichen Token zu halten.

Doch die Frage, ob die Gesamtmenge an Bitcoin ausreicht, um die Nachfrage nach Transaktionsdiensten zu decken, wird nicht wirklich beantwortet.

Zur Erinnerung: Der Grundgedanke des Monetarismus beinhaltet eine 1-zu-1-Beziehung zwischen Geldmenge- und Preisniveau-Veränderungen. 

Empirisch zeigt sich jedoch, dass dies in den Daten nach 1964 weder für die USA noch für andere Länder gut zu erkennen ist. Außerdem kann der Monetarismus einige neuere Entwicklungen nicht erklären, darunter die Folgen der Finanzkrise von 2008 (GFC) und die wirtschaftliche Entwicklung Chinas.

Samstag, 13. Juli 2024

Währungssouveränität, hohe Defizite und finanzpolitische Falken

US-Dollar und seine Stabilität als globale Währung


China spielt in den globalen Produktionsketten nach wie vor eine herausragende Rolle. Wenn Chinas Exportpreise sinken, werden seine Exporte wettbewerbsfähiger, was sich auf die lokale Industrie in den Ländern auswirkt, die chinesische Waren importieren.

Ein wichtiger Faktor zudem ist, dass in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den letzten Jahren eine Politik des "de-risking" und "on-shoring" gefördert wird.

Und zwar in Form von erstens Bildung von Handelsblöcken und zweitens der Diversifizierung der Zentralbank-Reserven weg vom US-Dollar.

Mit anderen Worten nehmen Bemühungen um sog. «Entdollarisierung» («dedollarization») derzeit zu, während nach wie vor rund 60% aller Devisenreserven in der US-Währung gehalten werden. 


Der Wert des Dollars wird durch relative Zins- und Wachstumsunterschiede zwischen den USA und dem Rest der Welt beeinflusst, Graph: Morgan Stanley, July 09, 2024.


Dienstag, 9. Juli 2024

Euro: Eine Währung ohne Land

Frankreich und EZB: “Lender of Last Resort” versus Vormachtstellung der Finanzmärkten


Bundesfinanzminister Christian Lindner hat bei einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München gesagt, dass er ein mögliches Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtlich prüfen lassen würde, sollte der Ausgang der französischen Parlamentswahlen einen massiven Ausverkauf von Staatsanleihen des Landes auslösen.

Zur Erinnerung: Die überraschende Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron vom 9. Juni, in Frankreich Neuwahlen einzuberufen, hat die Anleiheinvestoren verunsichert und dazu beigetragen, dass der Rendite-Aufschlagspread») der französischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit gegenüber deutschen Bundesanleihen kräftig gestiegen ist.


Euro-Renditespreads Frankreich - Deutschland: Der "Chuck-Norris-Effekt" der Geldpolitik bedeutet, dass eine Zentralbank kein Geld drucken muss, um den geldpolitischen Kurs zu lockern, wenn es sich um eine glaubwürdige Zentralbank mit einem glaubwürdigen Ziel handelt, Graph: John Authers, Bloomberg July 2024.

Dienstag, 2. Juli 2024

Wirtschaftspolitik: USA ("go big, go early") vs. EU ("depression nap")

Eine Hochdruck-Wirtschaft - keine Überhitzung


Joe Biden (82) hat im CNN-Fernsehstudio in Atlanta ohne Zweifel enttäuscht. Doch sein Herausforderer war auch nicht besser. 

Donald Trump (78) schreckt davor nicht zurück, Unsinn zu behaupten und Unwahrheiten zu verbreiten. Eindämmung von Migration ist ohne Zweifel der Schwerpunkt der Wahl-Kampagne von Trump. 

Die «Gefahr der Überfremdung» ist praktisch das zentrale Thema aller rechtspopulistischen Strömungen auch in Europa. Aus Zuwanderung werden alle aktuellen wirtschafts- und sozialpolitisch begründeten Probleme abgeleitet.

Mit keinem Thema betreiben die Republikaner so lustvoll Polemik wie mit der Behauptung, dass Biden Amerika "zerstöre", indem er eine "Invasion" von Migranten zulasse, so die Zeit aus Hamburg.


Die Produktivität in den USA nach der Pandemie übertrifft die der anderen Länder, Graph: FT, June 28, 2024 


Mittwoch, 26. Juni 2024

Japan: Der Wandel von Deflation zu Reflation.

Japans nominales Wachstum übertrifft zum ersten Mal das Chinas


Während Japans Wirtschaft sich normalisiert, tritt die chinesische Wirtschaft in eine Phase strukturell trägeren Wachstums und schwächerer Inflation ein.

Die Wachstumslücke zwischen den beiden asiatischen Giganten scheint zu schrumpfen. 

Welche wirtschaftlichen Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden?

Japan steht kurz davor, eine scheinbar fest verankerte Deflationsspirale zu durchbrechen. Das ist eine begrüssenswerte Leistung: Deflation kann nämlich eine Wirtschaft auf verhängnisvolle Weise in den Griff bekommen.

Da Unternehmen und Verbraucher mit sinkenden Preisen rechnen, schieben sie ihre Ausgaben auf, und die Wirtschaftstätigkeit schwächt sich weiter ab. Und dies war im Wesentlichen das Schicksal Japans für zwei Jahrzehnten.


Japan hat laut dem japanischen Finanzministerium für den Zeitraum 2021–2023 4 Billionen Yen für Investitionen in die Halbleiter- und Digitalindustrie veranschlagt. Das ist ein größerer Anteil des BIP als die Bemühungen der USA, ihre eigene inländische Versorgung mit Halbleitern auszubauen, Graph: JPMorgan AM, June 21, 2024.


Mittwoch, 19. Juni 2024

"Sanfte Landung" und inverse Rendite-Kurve

Der Juni ist der 23. Monat in Folge mit inverser Zinskurveinverted yield curve») ohne Rezession, die längste Phase seit Beginn der Aufzeichnungen.

Eine inverse Zinskurve, auch invertierte Zinskurve genannt, entsteht, wenn die langfristigen Zinssätze unter die kurzfristigen Zinssätze fallen. 

Dies steht im Gegensatz zur normalen Zinskurve, bei der die langfristigen Zinssätze höher sind als die kurzfristigen Zinssätze, was das höhere Risiko und den Zeitwert des Geldes über einen längeren Zeitraum widerspiegelt.

In der Vergangenheit wurde eine Inversion zwischen 2- und 10-jährigen Staatsanleihen (UST) als Warnsignal für einen wirtschaftlichen Abschwung angesehen, aber dieses Mal scheint es vorerst anders zu sein, wie JPMorgan Research Team unterstreicht.


Die invertierte Zinsstrukturkurve, Graph: JPMorgan AM, June 18, 2024.