Sonntag, 31. Oktober 2010

Die Rolle der Schulden in der gegenwärtigen Wirtschaftslage

Der Hintergrund der Weltwirtschaftskrise ist ein längerer Zeitraum steigender Verschuldung. Die Schulden eines Menschen ist immer die Vermögen eines anderen. Der Anstieg der Schulden macht also die Welt als Ganzes weder reicher noch ärmer, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog. Die Kreditnehmer sind jedoch zunehmend verschuldet verblieben. Dann kam es zum „Minsky Moment“. Plötzlich waren die Investoren nicht mehr bereit, Kreditlinien der stark fremdfinanzierten Spieler zu erneuern, geschweige denn zu verlängern. Diese Spieler sind auf diese Weise gezwungen, die Schulden abzubauen“, erklärt der Nobelpreisträger weiter. Der Prozess des Schuldenabbau folgt jedoch zwei Regeln: (1) Diejenigen, die Schulden zurückzahlen, müssen das so tun, indem sie weniger als ihr Einkommen ausgeben, (2) für die Welt als Ganzes gilt, dass Ausgaben gleich Einkommen sind, und daraus folgt, dass (3) diejenigen, die nicht gezwungen sind, Schulden zurückzuzahlen, mehr ausgeben müssen als ihr Einkommen, so Krugman.

Wie unsinnig Fiscal Austerity ist, zeigt sich an der EU-Peripherie

Die Haushaltsdefizite sind trotz ernsten Bemühungen der Austerians nicht rückläufig. Viel mehr nehmen die Steuereinnahmen ab, sodass die Ex-post Identitäten in Kraft bleiben, bemerkt Peter Dorman in seinem Blog. Solange der private Sektor weiterhin Schulden abbaut („deleverage“), werden weitere Anstrengungen, „verantwortbare“ Defizite zu erreichen, zu geringeren Steuereinnahmen und weiteren Ausgabenkürzungen führen, und zwar in einer Abwärtsspirale sinnlosen Elends, erklärt Dorman. Mit wirtschaftlichen Bedingungen, die schwächer ausfallen als erwartet, kommen die Steuereinnahmen in Teilen Europas zu kurz, berichtet NYT. Folglich werden die Länder, die hohe Defizite aufweisen, mit der Aussicht konfrontiert, dass sie die Haushaltsdefizitsziele in diesem Jahr verfehlen werden. Es sieht so aus, als ob Griechenland 2010 ein Haushaltsdefizit von mehr als 8,1% des BIP einfahren würde. Das ist der Wert, welcher im Rahmen eines 150 Mrd. Dollar schweren Rettungspakets des IWF und der EU vereinbart wurde.

Schweizer Immobilienmarkt: Spekulationsblase in Sicht

Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat bereits vor einiger Zeit gewarnt, dass die Entwicklung rund um den Schweizer Immobilienmarkt besorgniserregend ist. Der Preisanstieg über die letzten Jahre scheint laut SNB bisher mit wenigen Ausnahmen durch Fundamentalfaktoren erklärtbar zu sein. Die Risiken, auf die SNB hinweist, leiten sich in erster Linie aus der Hypothekarkreditvergabe ab. Bei Bedarf werden die Behörden nicht zögern, gezielt Korrekturmassnahmen zu ergreifen, teilte Philipp Hildebrand, SNB-Präsident am Freitag an einem Vortrag in Lugano mit. Die Preise für Schweizer Wohnimmobilien sind seit der Jahrtausendwende kontiniuerlich angestiegen. „Die jährlichen Preissteigerungsraten liegen in den meisten Regionen zwischen 1% und 4%. Sie sind damit insgesamt eher moderat“, erklärt Hildebrand. Es gibt aber einige Ausresisser mit deutlich höheren Wachstumsraten: Zürich und Genf und deren direkt angrenzede Gemeinden. In diesen Regionen trifft laut Hildebrand ein knappes Wohnungsangebot auf eine starke Nachfrage.


Wohneigentumspreise in der Schweiz, Graph: Philipp Hildebrand, SNB

Samstag, 30. Oktober 2010

US-Wirtschaftswachstum: BIP legt im III. Quartal 2010 um 2,0% zu

Das amerikanische BIP legte von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet nur um 2% zu. Während die Ausfuhren und die Investitionen sich abschwächten, kletterte der private Verbrauch, der rund 70% der amerikanischen Wirtschaftsleistung ausmacht, um 2,6%. Das entspricht dem grössten Zuwachs seit dem IV. Quartal des Jahres 2006. Im II. Quartal war das BIP um 1,7% gewachsen. Die Veränderung der privaten Vorräte hat zum BIP-Wachstum im III. Quartal 1,44% beigetragen. Der Beitrag der Lagerveränderungen hatte im Vorquartal 0,82% betragen, wie Calculated Risk hervorhebt. Private Unternehmen haben ihre Vorräte im III. Quartal um 115,5 Mrd. $ erhöht, nach einem Anstieg von 68,8 Mrd. $ im II. Quartal. Im I. Quartal lag der entsprechende Betrag bei 44,1 Mrd. $. Ohne Lagerinvestitionen wäre das BIP im III. Quartal kaum positiv ausgefallen.


USA BIP (real annualisiert), Graph: Calculated Risk

Schwellenländer: Status und Macht als Netto-Gläubiger

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Gewicht der Schwellenländer in der Weltwirtschaft signifikant zunimmt. Die aufstrebenden Länder setzen den Wachstumskurs auch in der Nach-Finanzkrise-Phase fort. Die Relevanz ihres Stellenwertes in der globalen Wirtschaft wächst weiter, was sich in der Leadership-Verlagerung von G-7 zu G-20 deutlich widerspiegelt. Die Entwicklungsländer haben zwei Primärziele, welche zunehmend in einem Widerspruch zu einander stehen, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („The New Global Creditors and Instability“) in NYT: (1) grosse Bestände an US-Dollar halten und (2) die Strömung von Kapital aus dem Ausland abwehren. Die beiden Ziele laufen darauf hinaus, den kürzlich erreichten Status als kollektiven Netto-Gläubiger zu behalten, erklärt Johnson. „Leider trägt das zu einer ernsten Gefährdung der Weltwirtschaft bei, weil wir auf den nächsten Kreditzyklus zusteuern“, argumentiert der ehem. Chefökonom des IWF. Die Schwellenläner wollen Fremdwährungsreserven als Puffer gegen künftige Schocks halten. Sie geniessen den Status und die Macht, welche mit der Funktion eines Netto-Gläubigers verbunden sind, legt Johnson dar. Der Status des US-Dollars als die „Leitwährung“ bedeutet, dass private und öffentliche Investoren auf der ganzen Welt für „schlechte Tage“ Dollar halten.


Schwellenländer, Ratings, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 29. Oktober 2010

Finanzkrise: Warum Behörden das „F-Word“ vermeiden

US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Gastauftritt auf der „The Daily Show“ von Jon Stewart, dem amerikanischen Kult-Satiristen gesagt, dass Larry Summers „a heckuva job“ getan hat. Sollte das lustig sein? Denn die berühmt-berüchtige Phrase geht auf George W. Bush zurück. Der Vorgänger von Obama hatte nämlich den Ausdruck mit Bezug auf Michael Brown, dem FEMA-Chef während der Hurrikan Katrina-Katastrophe geäussert. Brown wurde damals schweres Versagen nachgesagt. Daran anknüpfend nimmt William K. Black in einem lesenswerten Essay („No Mr. President, Larry Summers Did Not Resolve the Financial Crisis for a Pittance, He Just Papered Over the Problem“) in Huffington Post zu Larry Summers Rolle als Chefökonom des Beraterteams des US-Präsidenten Stellung. Black, Rechtsprofessor an der University of Missouri erinnert daran, dass Summers bereits zum Zeitpunkt seiner Einstellung „rote Tinte finanzieller Art“ in seinen Händen hatte. „Er war Rubins Chef-Protegé in erfolgreichen Bemühungen, um eine wirksame Finanzmarktregulierung und Aufsicht zu vereiteln. Summers war  nicht einfach falsch, sondern auch arrogant und brutal daran, eine wirksame Regulierung durch die SEC (US-Börsenaufsicht) und die CTFC (Commodity Futures Trading Commission) zu blockieren“, erklärt Black.

Unkonventionelle Geldpolitik und US-Dollar

Die für die nächste Woche erwartete Ankündigung der US-Notenbank (Fed), die unkonventionelle Art der Geldpolitik in Form von QE (quantitative easing) fortzusetzen, beflügelt die Phantasie der Marktbeobachter. Die Fed wird am offenen Markt Staatsanleihen ankaufen. In welchen Umfang? Wie weit wird der US-Dollar abrutschen? Wobei anzumerken ist, dass das Interesse an US-Treasury Bonds nach wie vor recht stark ist. Eine kräftige Ausweitung der Geldbasis in den USA könnte aber den Dollar weiter nach unten schicken. Die Schwellenländer, die unter Deflationsdruck geraten, sind alarmiert. Brasilien beispielsweise hat bereits Kapitaleinfuhrbeschränkungen eingeleitet. Auch die japanische Notenbank (BoJ: Bank of Japan) bereitet sich darauf, auf das milliardenschwere Konjunkturpaket der Fed zu reagieren. Die BoJ zeigt sich fest entschlossen, die negativen Auswirkungen einer weiteren mengenmässigen Lockerung der amerikanischen Geldpolitik abzumildern.


US-Dollar, handelsgewichtet, Graph: Ron Leven, Morgan Stanley

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Was ist der Unterschied zwischen „Market Making“ und „Eigenhandel“

Die Banken wie z.B.  Goldman Sachs, Bank of America und UBS schicken sich derzeit an, die Volcker-Regel zu adaptieren, berichtet NYT. Die Volcker-Regel verbietet den Banken den Handel auf eigene Rechnung, bekannt als Eigenhandel (proprietary trading). Was daran faul ist, hat Michael Lewis neulich deutlich dargelegt. Der Autor des Best-Sellers („The Big Short“) bezeichnet die Aktivitäten der Banken mit Bezug auf die Anpassung an die Volcker-Regel als symbolische Gesten und symbolische Opfer, um einen tieferen Trend zu verdecken: Die Banken hecken aus eigenem Antrieb weiterhin Geschäfte aus soviel wie vor der Krise, aber unter einem anderen Namen und mit stillschweigender Einwilligung der Behörden.

Wo ist der Hai hin?, Graph: Jaws, Universal Studios (1975)

QE2 aus Sicht des ehemaligen Budget-Direktors

Peter Orszag schlägt in einem Kommentar („Sailing the Wrong Way with QE2“) in NYT einen dreiteiligen Wandel in der Politik vor, um die Wirtschaft anzukurbeln: (1) Mehr expansive Fiskalpolitik, d.h. mehr Stimulanz, (2) Viel mehr Defizitabbau, jetzt zu beschliessen, um in zwei bis drei Jahren wirksam zu werden und (3) Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Regierung und dem Staat. „Der aktuelle Antagonismus, auch wenn nicht es nicht die primäre Erklärung für die schwache Einstellung und träge Investitionen ist, scheint tatsächlich die Einstellungspolitik und andere Verhalten der Unternehmen zu beeinflussen“, bemerkt der ehem. Direktor des „Office of Management and Budget“ der Obama-Regierung von Januar 2009 bis August 2010. „Der notwendige Schritt in der Fiskalpolitik scheint angesichts der Anspannungen zwischen der Geschäftswelt und der Regierung extrem unwahrscheinlich. Wir sind daher auf die Geldpolitik angewiesen, insbesondere auf die erwartete zweite Runde der QE2 (mengenmässige Lockerung), die jedoch mehr Probleme schaffen würde, als Lösungen zu bieten“, hält Orszag fest.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

„Sammy Scheme“: Ist QE eine Art „Ponzi-System“?

Bill Gross von Pimco, dem weltgrössten Bondinvestor bezeichnet in seinem  Investment Outlook November 2010 die QE2, die voraussichtlich nächste Woche am Mittwoch durch die Fed angekündigt werden soll, als eine höfliche Form der Tarnung für „Scheck-Ausstellung“. Es ist so, wie wenn ein Truthahn sich auf  „Thanksgiving Day“ (Erntedankfest) freuen würde, bemerkt er weiter. „Scheck schreiben ist nicht Freund der Anleihegläubiger. Es ist inflationär, und um die Wahrheit zu sagen, so etwas wie ein Ponzi-System“, argumentiert Gross. „Die öffentliche Verschuldung hatte tatsächlich immer schon eine Ponzi-artige Charakteristik. Zugegeben haben die USA bisweilen ihre nationalen Schulden bezahlt. Aber es war immer die Annahme dabei, dass, solange Gläubiger gefunden werden kann, bestehende Schulden am Ende der Fälligkeit verlängert werden. Das Spiel konnte ewig weitergehen“, so der Manager des grössten Anleihefonds in seinem aktuellen Marktkommentar.

Rendite der inflationsgeschützten US-Staatsanleihen mit 5 Jahren Laufzeit, Graph: Bill Gross, Pimco

Türkei: Aussenhandel im September 2010

Die Türkei hat ihre Ausfuhren im September im Vergleich zur Vorjahresperiode um 5,5% auf 8'950 Mio. $ gesteigert. Die Einfuhren sind um 25,3% auf 15'650 Mio. $ gestiegen. Das Handelsbilanzdefizit hat sich folglich um 67,3% ausgeweitet: Minus 6'700 Mio. $. Zwischen Januar und September ist das Defizit im Aussenhandel im Vergleich zur Vorjahresperiode um 77,3% auf 48'639 Mio. $ gestiegen, wie das Turkish Statistical Institute heute mitgeteilt hat. Im September decken die Ausfuhren 57,2% der Einfuhren. Im Vorjahr lag die Quote bei 67,9%.

Deutschland war im September 2010 für türkische Ausfuhren mit 1'008 Mio.$ das wichtigste Handelspartnerland. Das entspricht einem Anstieg um 19,6%.


Türkei Aussenhandel, Jan.-Sept. 2010, Graph: Turkish Statistical Institute

Lockere Geldpolitik führt nicht zwangsläufig zu Spekulationsblasen

Adam Posen, ein amerikanischer Ökonom im Dienste der britischen Zentralbank (BoE: Bank of England) hat gestern in einem  Vortrag in Queen’s University, Belfast gesagt, dass die Politik des billigen Geldes nicht zwangsläufig zu Spekulationsblasen führt. Ziel der Rede waren die Überschussländer weltweit, welche Posen zufolge mehr akkommodierende Geldpolitik wagen sollen, um die Binnennachfrage zu stimulieren. Das Argument, dass akkommodierende Geldpolitik keine Spekulationsblase verursacht, beruhe auf einer empirisch gestützten Annahme, dass es auf private Kapitalströme und die Unterschiede in Produktivität ankommt, welche zum grössten Teil auf die Leistungsbilanz (und die Preise von Vermögenswerten) auswirken, erklärt Posen. Die Instrumente, über die Zentralbanken verfügen, wie kurzfristige Zinsen und Bankeinlagen, haben wenig nachhaltige Auswirkungen auf die Leistungsbilanz, hebt Posen hervor.


Beiträge zum japanischen BIP-Wachstum (1991-1999), Graph: Adam Posen, May 2010

Dienstag, 26. Oktober 2010

Paradox der makroökonomischen Politik

„Die US-Regierung hat 2008 und 2009 schwere finanz- und geldpolitische Artillerie bereitgestellt, um Grosse Depression 2.0 abzuwehren. Die Steuern wurden gekürzt. Die Ausgaben wurden erhöht. Und die Fed hat die Fed Funds Rate bis auf nahezu Null gesenkt. Es hat funktioniert“, schreibt Alan Blinder in einem lesenswerten Essay in WSJ. Das war damals. Und das ist jetzt. „Heute braucht die Wirtschaft noch einen Schub. Die Wirtschaft scheint aber festzusitzen“, bemerkt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor, was er das Paradox der makroökonomischen Politik („paradox of macroeconomic policy“) nennt: Die Politik, die funktionieren dürfte, wird nicht versucht und die Politik, die versucht wird, dürfte nicht funktionieren“, legt der ehem. Vize-Präsident der US-Notenbank (Fed) dar. „Es klingt unvernünftig, aber gut, Sie haben die Nachricht bekommen“, so Blinder. Es bleiben noch viele mächtige Waffen der Fiskalpolitik übrig. Dem Kongress sind aber parteipolitisch die Hände gebunden. Die Fed steht andererseits bereit, zu handeln, aber sie hat ihre mächtigsten Waffen bereits eingesetzt. Das ist laut Blinder paradox. Wie könnte aber die Fiskalpolitik das Wachstum ankurbeln?

Zwangsräumungen: Eine Bank räumt Fehler ein

Bank of America hat nun einem Bericht von  WSJ zufolge Unregelmässigkeiten in ihren Unterlagen zu Zwangsvollstreckungen eingeräumt, wie Reuters berichtet. Die Bank habe bislang Fehler in 10 bis 25 Fällen gefunden. Ben Bernanke, der Präsident der US-Notenbank hat gestern auf einer Konferenz im Bundesstaat Virgina gesagt, dass die Fed die Praktiken der grossen Finanzinstitute im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungen untersuche und im November einen Bericht veröffentlichen will. Die  Fed hat ferner eine Initiative angekündigt: MORE (Mortgage Outreach and Research Efforts). Zu spät, zu zaghaft. In einem sehenswerten Interview befragt Dylan Ratigan in  msnbc.com zwei Experten: Lisa Epstein und William Black zum Thema „Zwangsräumungen“. Black, Rechtsprofessor an der University of Missouri Kansas City zitiert am Anfang seiner Stellungnahme Joseph Stiglitz. Der Nobelpreisträger hat nämlich gesagt, dass die ganze Krise auf Betrug beruhe. Paul Krugman zögere noch, das „F-Word“ auszusprechen, so Black.


Dylan Ratigan Show

Zwangsvollstreckungen: Was ist zu tun?

The Economist fragt, ob die Regierung die Banken ermutigen soll, die Hypotheken, die „unter Wasser“ sind, abzuschreiben? Wenn ja, wie? „Unter Wasser“ bedeutet, wenn der Hauswert inzwischen geringer ist als das Darlehen. „Solange für den Steuerzahler keine Kosten entstehen, sicher, warum nicht“, antwortet Mark Thoma. Er ist überzeugt, dass eines der grossen Probleme mit dem Rettungspaket die Wahrnehmung ist, das diejenigen, die es nicht verdienen, Hilfe bekommen und diejenigen, die es verdienen, die Zeche zahlen müssen, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftprofessor. Es ist für typische Haushalte schwer, zu sehen, wie die Bailout solche Leute bevorzugt. „Um ähnliche Problem zu vermeiden, müssen diejenigen, die die Rechnung präsentiert bekommen, überzeugt werden, dass sie davon durch die Linderung der Rezession profitieren, wenn Anreize geschaffen werden sollten, die Hypotheken, die unter Wasser sind, abzuschreiben“. Das ist aber eine schwierige Aufgabe, betont Thoma.


Cartoon: Nate Beeler, (h/t The Big Picture)

Montag, 25. Oktober 2010

US-Treasury Bonds Auktion: Erstmals negative Rendite für TIPS

Heizt die Fed die Inflationserwartungen an? Die Andeutung der US-Notenbank, auf ihrer nächsten Sitzung am 2./3. November eine zweite Auflage der mengenmässigen Lockerung (genannt QE2, quantitative easing), anzukündigen, scheint Wirkung zu zeigen. Bei der Versteigerung der  5-jährigen Treasury Inflation Protected Securities (TIPS: inflationsgeschützte US-Staatsanleihen) im Wert von 10 Mrd. $ hat sich heute laut Bloomberg erstmals auf einer Treasury Bonds Auktion eine negative Rendite ergeben: Minus 0,55%. Investoren gehen offensichtlich davon aus, dass die US-Notenbank die Deflation erfolgreich abwehrt. Der Renditeunterschied zwischen US-Treasury Bonds und TIPS gilt als Mass für die Inflationserwartungen. Der auch Break-even genannte Spread spiegelt die Real-Rendite wider.


5 Jahre TIPS Auktionen, Graph: Jim Caron & Igor Cashyn, Morgan Stanley

Lohnentwicklung in den USA: Erschreckende (neue) Daten

Einer von 34 Amerikanern, die im Jahre 2008 Lohn bezogen hat, im Jahre 2009 absolut nichts verdient: keinen Cent. Diese atemberaubende Zahl wurde Anfang dieses Monats freigegeben, aber ging anscheinend irgendwie unter, berichtet zu werden. Heute meldet sie David Cay Johnston, der Pulitzer-Preisträger auf Tax.com, wie Huffington Post mitteilt. Auch Mark Thoma verweist auf Johnstons Zusammenfassung, dass der 34. Lohnempfänger in den USA im Jahre 2008 für das gesamte Jahr 2009 leer ausgegangen ist, ohne einen einzigen Dollar zu verdienen. Das zeigen die neuen Daten der Social Security Administration. Die Summe der Löhne, Median-Löhne und Löhne im Durchschnitt sind alle gesunken. Doch an der Spitze haben sich die Gehälter verfünffacht.

Median-Lohn, Graph: David Cay Johnston

Expansive Fiskalpolitik: Warum Schulden nicht gleich Schulden sind

Eines der häufigen Argumente gegen die Fiskalpolitik, die sich vernünftig anhören mag, ist zur Zeit, dass die Verschuldung das Problem ist: Wie kann also Verschuldung die Lösung sein? Haushalte haben sich zu stark verschuldet. Soll also der Staat nun zu viele Schulden aufnehmen? Etwas stimmt aber mit diesem Argument nicht. Was? Es wird implizit davon ausgegangen, dass Schulden Schulden sind, d.h. es keine Rolle spielt, wer das Geld schuldet, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog. Das kann aber nicht sein, bemerkt der Nobelpreisträger. „Sollte das stimmen, hätten wir an erster Stelle nicht ein Problem“. „Nach allem, als eine erste Annäherung, sind die Schulden das Geld, das wir uns selbst schulden. „Ja, die USA schulden China Geld. Aber das ist nicht der Kern des Problems“, erklärt Krugman. Ignoriert man die ausländische Komponente oder blickt auf die Welt als Ganzes, machen die Schulden keinen Unterschied zum aggregierten Vermögen. Die Schulden einer Person ist das Vermögen einer anderen Person, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.


Verschuldung und Depression, Graph: Prof. Paul Krugman
Die blaue Linie: Gesamtverschuldung (öffentlich + private) in Mrd. $ und die rote Linie: Verschuldung als Prozent des BIP.

Fed und Inflationsziel

Ben Bernanke, der US-Notenbankchef hat in einer Rede vergangene Woche Überlegungen über ein numerisches Inflationsziel angestellt, schreibt Frederic Mishkin in einem lesenswerten Essay („The Fed must adopt a inflation target“) in FT. Wenn es jemals eine Zeit gab, um so eine transparente und glaubwürdige Verpflichtung im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel zu schaffen, dann ist es jetzt, bemerkt ehem. Mitglied des „Board of Governors“ der Federal Reserve System. Die Fed hat ein doppeltes Mandat (dual mandate), um Preisstabilität und nachhaltige Beschäftigung zu erzielen. „Im Moment aber fehlen beide Ziele“, hält Mishkin fest. Die Inflation ist deutlich unter 2 Prozent. Eine schleppende Wirtschaft bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit nur langsam vom derzeitigen Niveau von 10% zurückgehen dürfte. Diese Kombination aus konjunktureller Flaute und niedriger Inflation erhöht die Möglichkeit, dass die Inflationserwartungen sich zurückbilden werden“, argumentiert der an der University of Columbia lehrende Wirtschaftsprofessor.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Haushaltsdefizit und Wirtschaftswachstum

Das Geschrei nach Kürzung des Haushaltsdefizits ist ohrenbetäubend, schreibt Christina Romer in einem lesenswerten Essay („Now Isn’t Time to Cut the Deficit“) in NYT, der Sonntagsausgabe. „Blue Dog Demokraten, Tea-Party Republikaner und Doomsday-Ökonomen fordern sofortiges Handeln. Und die Forderungen für Sparmassnahmen aus dem Ausland sind sogar noch lauter“, bemerkt die an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessorin. „Keine Frage: anhaltend hohe Haushaltsdefizite sind ein erhebliches Problem. Und unsere projizierten langfristigen Defizite sind einfach unhaltbar“, argumentiert Romer. Die Frage ist also nicht, ob wir unser Defizit reduzieren müssen, sondern wann, hält die ehem. Vorsitzende des „Council of Economic Advisiers“ des US-Präsidenten Obama fest. Jetzt ist die Zeit nicht. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch bei nahe 10% in den USA und in Europa. „Sofortige Massnahmen, um das Haushaltsdefizit wesentlich zu reduzieren, würden in einem Double-dip wie im Jahr 1937 münden, weil wir derzeit damit ringen, aus der Grossen Rezession zu kommen“, legt Romer dar. Einige Befürworter von Fiscal Austerity argumentieren, dass Sparmassnahmen die langfristigen Zinssätze reduzieren und das Vertrauen verbessern würden, sodass die Auswirkungen positiv wären. Aber eine ehrgeizige neue Studie (World Economic Outlook) des IWF bestätigt, dass eine Haushaltskonsolidierung das Wirtschaftswachstum erheblich reduziert.

US-Notenbank: Was nutzen weitere Staatsanleihekäufe?

Die Fed befürchtet Deflation und schickt sich daher an, ihr Ankaufsprogramm der langlaufenden Staatsanleihen auszuweiten, um das reale Renditeniveau zu drücken. Einige Fed-Banker haben sich in den vergangenen Wochen energisch dafür ausgesprochen, mit mehr Liquidität die schwache Wirtschaft anzukurbeln. Paul Krugman gibt sich jedoch über die Auswirkungen einer zweiten Auflage der mengenmässigen Lockerung (genannt QE2: Quantitative Easing 2) nicht zuversichtlich, wie er in seinem Blog ausdrückt. Die Fed wird mit QE2 versuchen, die Restlaufzeit der ausstehenden langfristigen Treasury-Bonds zu verkürzen, indem sie sich kurzfristig verschuldet. Das soll die Zinsen am langen Ende der Renditekurve senken. Aber um wie viel?, fragt Krugman. Wie kommen wir zu der Ansicht? Denken wir an die Bilanz der Fed: Die Verbindlichkeiten der Fed bilden die monetäre Basis, d.h. Notenumlauf + Giroguthaben der Banken bei der Fed. Diese Reserven bedeuten im Wesentlichen kurzfristige Kreditaufnahme, argumentiert Krugman. Die Fed zahlt einen geringen Zins darauf, welcher mit der Verzinsung von Treasury Bills (Schatzwechsel) vergleichbar ist.

Samstag, 23. Oktober 2010

Was ist Obamas Vision? Was wollen die Demokraten?

Was will Präsident Obama? Welche Ziele verfolgt seine Regierung? Welche Vision hat sich sein Team auf die Fahnen geschrieben? Es fällt auf, dass sich in der Blogosphäre gegenwärtig etwas Unmut über den derzeiten politischen Kurs der Demokraten verbreitet. „Was ist die grosse Idee?“, fragt Mark Thoma in  seinem Blog. Es gibt keine Stimme, welche die Demokraten vertritt, klagt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Zumindest keine, die man hört. „Es gibt viele Demokraten, die ihre Stimmen laut erheben. Aber es ist keine Leadership“ vorhanden, welche diese Stimmen koordiniert und sie in ein harmonisches Ganzes formt, um die breite Basis anzusprechen“, argumentiert Thoma. „Wir haben endlich die Kontrolle über das Schiff. Aber der Kapitän ist ziellos“, beschreibt der einflussreiche Blogger: „Was ist Obamas Vision?“. „Was ist die grosse Idee dahinter, die uns einigen soll?“. „Ohne eine effektive Leadership wird die einheitliche Vision, die die Partie braucht, um erfolgreich zu sein, sich von vielen starken Stimmen nicht entwickeln, um die Richtung zu bestimmen, die der Demokratischen Partei zu fehlen scheint“, so Thoma. „Das Problem ist, dass wir nicht wissen, ob die zentristische, überparteiliche Sichtweise Obama kompromittiert. Obama, wie wir gesehen haban, kann eigentlich eine umgreifende Vision umschliessen“, erläutert Thoma. „Obama scheint aber Angst zu haben, ein Demokrat zu sein, als ob kompromisslos Stehen für eine Idee die Leute verscheuchen würde, anstatt anzuziehen“. Das muss sich ändern“, schlussfolgert Thoma.

Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts

Buchbesprechung:


Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Westend Verlag, Frankfurt, 2010.

Nachdem Ausbruch der Finanzkrise hat die Politik weltweit energisch eingegriffen. Der Staat agierte als Retter in der Not. Doch bis zu diesem Zeitpunkt herrschte ein fester Glaube an die Selbstheilungskräfte des Marktes vor. „Der Staat ist Problem, der Markt ist Lösung“, lautete der volkswirtschaftlich falsche Slogan, der von Mainstream-Medien und -Ökonomen verbreitet wurde. Wenn zu viele zu hoch verschuldet sind und zur gleichen Zeit versuchen, ihre (Wett-)Schulden abzubauen, reissen sie das System in die Tiefe. Um die Wirtschaft zu stabilieren, hat der Staat intervenieren müssen. Nur durch massive Zinssenkungen durch die Notenbanken und die Kreditaufnahme des Staates war es möglich, die Abwärtsspirale zu stoppen. Nun wollen aber unwissende Politiker und schlechte Berater wieder auf Sparen umschwenken, als wäre die ganze Übung für die Katze. Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik hat sich in den letzten 25 Jahren als nicht lernfähig erwiesen, hält Heiner Flassbeck fest.

FDIC: Anzahl Bankschliessungen steigt weiter auf 139

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Washington Post sieben Banken (in Florida, Georgia, Illinois, Kansas und Arizona) geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 verstaatlicht wurden, auf 139 gestiegen. Die 7 verstaatlichten Banken verfügen über ein Anlagevermögen von insgesamt 2'372,7 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen  sieben Banken beträgt für die öffentliche Hand 478 Mio. $.

Bankpleiten:
2010: 139
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 22. Oktober 2010

Neue Stresstests nach betrügerischen Zwangsvollstreckungen?

Wie viel Schaden ist aus dem Zwangsvollstreckungsmorast für das Finanzsystem zu erwarten?, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Time for Some New Stress Tests for Banks“) in NYT. Eine Entwicklung, in der es um Anschuldigungen des systematischen und bewussten Fehlverhaltens der Banken geht, welche durch sog. „robo-signing“ (oder auch „robo-dockets“ genannt) wie am Fliessband täglich mehrere hundert Dokumente zur Zwangsräumung angefertigt haben, um Kunden unrechtmässig aus ihren Häusern zu vertreiben. Der Schaden für den Ruf der Banken ist unermesslich, bemerkt der ehem. Chefökonom des IWF: „Die Banken haben Eigentumsrechte untergraben und die Kunden in einer völlig inakzeptabler Weise misshandelt“. Wenn die Leute die Notwendigkeit einer neuen Verbraucherschutz-Behörde im Umgang mit Finanzprodukten und die Bedeutung einer klar denkenden Reformerin wie Elizabeth Warren auf deren Spitze bisher bezweifelt haben, sind sie jetzt vermutlich durch die jüngsten Ereignisse zum Schweigen gebracht worden, argumentiert Johnson.


Eine systemische Krise („Foreclosure Fraud For Dummies“), Graph: Mike Konczal in Rortybomb

Globale Ungleichgewichte: Leistungsbilanz und Ersparnisse

Eine koordinierte fiskalische Expansion (5'000 Mrd. $) der weltweit führenden Regierungen hat den Abschwung aufgehalten, aber einen stabilen Aufschwung nicht herbeiführen können, schreibt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay („The Wars of Austerity“) in Project Indicate. Es gibt zwei Gründe, pessimistisch zu sein, bemerkt der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre an der Warwick University: (1) Die vorzeitige Rücknahme der Stimulierungsmassnahmen, die die G-20 im April 2009 in London vereinbart haben, (2) Das Problem der Leistungsbilanzungleichgewichte, welches nicht angegangen wird. Das Problem der Leistungsbilanzungleichgewichte ist eng mit der Existenz eines weltweiten Überangebots an Ersparnissen verbunden. China verdient mehr, als es ausgibt, während die USA mehr ausgeben, als sie verdienen, erklärt das Mitglied des britischen Oberhauses.

Grossbritannien: Sparprogramm als Dogma

Die von Konservativen und Liberaldemokraten gebildete britische Koalitionsregierung hat rigorose Sparmassnahmen beschlossen. Schatzkanzler George Osborne und Premierminister David Cameron wollen das Haushaltsdefizit bis 2014/15 um 9% des BIP senken, in erster Linie zu Lasten der sozial Schwachen. Es handelt sich dabei um die radikalsten Kürzungen der Staatsausgaben seit fast einem Jahrhundert. Eine halbe Million Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst werden den radikalen Sparmassnahmen (83 Mrd. Pfund, d.h. ca. 93,7 Mrd €) zum Opfer fallen. Einschnitte wie ideologische Ziele: Entstaatlichung, Sozialabbau und Umverteilung von unten nach oben. „Die britischen Konservativen haben keine Theorie“, schreibt Brad DeLong dazu in  seinem Blog. „Schande über David Cameron. Schande über Nick Clegg. Schande über George Osborne“, bemerkt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.


BIP, Grossbritannien, Graph: Office for National Statistics

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Price Level Targeting (PT) vs. Inflation Targeting (IT)

Die Würfel sind gefallen, schreibt Spyros Andreopoulos, Morgan Stanley in seiner aktuellen Analyse. Die Fed schickt sich an, nach der November Sitzung QE-II (Wiederauflage der mengenmässigen Lockerung) einzuleiten. Die Fed sucht nach Wegen, die Anleihenkäufe mit einer angemessenen Kommunikationsstrategie zu begleiten. Andreopoulos hält price level targeting (PT) für eine mögliche Kommunikationsstrategie. Die PT (Preisniveau Steuerung) könnte sich als eine vernünftige Vorgehensweise erweisen, wenn v.a. Abwärtsrisiken auftauchen: Die Verhinderung der Deflation ist besser als die Bekämpfung der Deflation, so  Andreopoulos. Der Unterschied zwischen PT und inflation targeting (IT) ist, dass eine Zentralbank unter PT das verfehlte Inflationsziel zurechtbiegen muss, während IT das Vergangene vergangen lässt. Und genau darauf kommt es in kritischen Zeiten.


Wie Price Level Targeting (PT) funktioniert, Graph: Spyros Andreopoulos, Morgan Stanley

Interview: Prof. Susan Wachter, The Wharton School

Susan M. Wachter is Richard B. Worley Professor of Financial Management University of Pennsylvania


Was the Housing Bubble an issue of supply-side or demand-side economics?

The pricing dynamics imply that this was a supply-side phenomenon. As risk increased, with and increasingly risky book of business, and less well underwritten mortgages,  the price of risk (relative to treasuries) declined.


There have been apparently no regulatory rules for the private MBS market, where the excess are assumed. What role did the regulation play here?

Prime loans which could be securitized through Fannie and Freddie were regulated by OFHEO.  Wall Street securitized loans which did not meet these standards and there were no regulatory standards in place. Later Fannie and Freddie also purchased this paper. In fact deregulation played an important role first in precluding state insurance regulators from requiring provisions by insurers selling CDS (as long as they were rated triple A) and second allowing investment banks to increase leverage.

Mainstream-Medien, Betrugsfälle und Zwangsversteigerungen

Dan Froomkin klagt in einem lesenswerten Essay („The Press Is Underreporting – Fraud, Fraud And More Fraud“) in Huffington Post, dass die Mainstream-Medien in Sachen Zwangsversteigerungen im grossen und ganzen die „Punkte immer noch nicht verbunden“ haben. Wenn es nicht schon blendend klar war, dass im Herzen der Finanzkrise und der damit verbundenen Katastrophe der Zwangsversteigerungen ein tiefgreifender Betrug lag, müsste man denken, dass die neuesten Nachrichten nun alles endgültig klarstellen, dass die Banken routinemässig gelogen haben, um die Hausbesitzer aus ihren Häusern zu vertreiben, zu deren Kauf sie diese Menschen arglistig bewogen haben. „Was wir jetzt überall sehen, ist die anhaltende Wirkung eines grossen kriminellen Unternehmens, welches nie zur Rechenschaft gezogen worden ist“, beschreibt Froomkin, und zwar „mittels eines Prozesses, welcher Fälschung, Geldwäscherei und Hehlerei mit sich bringt“, genau so wie James Galbraith erklärt.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Hypothekenskandal: Zwangsversteigerungen

Wer will was von wem woraus? Eine Gruppe von Investoren (Pimco, Blackrock, Freddie Mac usw.) will laut  Bloomberg Bank of America (BoA) zwingen, faule Hypotheken zurückzukaufen. Es handelt sich dabei um ausfallgefährdete Hypotheken-Kredite (RMBS: Residential Mortgage-Backed Securities) im Wert von rund 47 Mrd. $. Der Vorwurf lautet, dass Countrywide, eine Tochter der BoA, welche die Hypotheken in strukturierte Papiere verpackt und verkauft hat, dabei Fehler begangen hat, wie z.B. unzureichende oder gar gefälschte Aufzeichnungen. Die Hypotheken, die von den Banken verkauft worden sind, haben sich im Nachhinein als „qualitativ minderwertig“ erwiesen. Die Bank of New York Mellon (BNYM), die als Treuhänderin (trustee) der Anleihen agierte, scheint inzwischen, wie FT Alphaville berichtet, dem Rampenlicht entkommen zu sein. „Was wir als Treuhänderin tun, ist, cash zu bekommen, und cash wieder an die Anleihengläubiger zu zahlen. Für die meisten Deals agieren wir als „Dokument Depotbank“ (documentation custodian), wobei wir Darlehen Datein erhalten und an die Serviceagenturen und Originators berichten, falls die Dateien nicht vollständig sind. Wir haben gute Verträge, um unsere Rolle einzuschränken, sodass wir keine Haftung im Zusammenhang mit der bisherigen Zwangsvollstreckungsproblematik voraussehen“. BNYM war laut  Thomson Reuters die grösste Treuhänderin für die amerikanischen Asset-Backed Securities Ende 2008, gefolgt von der Deutschen Bank und US Bancorp.

Housing Bubble: Angebotskurve vs. Nachfragekurve

James Kwak macht in The Baseline Scenario auf ein lesenswertes, aktuelles Research-Paper („Explaining the Housing Bubble“) von Adam Levitin (Georgetown University, Law Center) und Susan Wachter (University of Pennsylvania, Real Estate Department) aufmerksam. Das Hauptargument ist, dass ein Überangebot an Housing Financing die treibende Kraft hinter der Kreditblase steckt. Mit anderen Worten: Das grosse, böse Bankgewerbe. Levitin und Wachter liefern wichtige Beweise, dass der Preis von Wohn-Hypothekenschulden (residential mortgage debt) 2004-2006 am Fallen war, auch wenn das Volumen an Schulden stieg. Das kann nur geschehen, wenn die Angebotskurve sich nach aussen verschiebt, nicht wenn die Nachfragekurve sich nach aussen verschiebt, was passieren würde, wenn es die Schuld der gierigen Kreditnehmer wäre, die Häuser nur zu spekulativen Zwecken kaufen.


Haus-Hypotheken Zwangsvollstreckungsrate, Graph: Adam Levitin and Susan Wachter, 2010.

China erhöht Zinsen erstmals seit 2007

China hat erstmals seit 2007 die Zinsen erhöht. Während der Satz für Einlagen (the deposit rate) bei der Zentralbank mit 1 Jahr Laufzeit von 2,25% auf 2,50% angehoben wurde, wurde der Satz für Ausleihungen (the lending rate) mit 1 Jahr Laufzeit von 5,31% auf 5,56%. Die chinesische Bank (PBOC) hatte bereits vergangene Woche die Mindestreserveanforderung für sechs Banken erhöht.

China bekämpft Inflation.
Die USA wollen Deflation abwehren.
China will die Landeswährung nicht aufwerten lassen.
Der Nebeneffekt der US-Politik ist, dass der US-Dollar zur Schwäche neigt.
China versucht, die Nachfrage zu dämpfen.
Die USA bemühen sich, die Nachfrage wiederzubeleben.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Wiederbelebung der US-Wirtschaft durch Fiskalpolitik

In gewissen Kreisen ist es Mode geworden, zu argumentieren, dass die Geldpolitik als ein hervorragendes Instrument der Fiskalpolitik überlegen ist, berechenbarer, schneller und ohne negative langfristige Folgen, die durch höhere Verschuldung hervorgerufen werden, schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten Essay („It is folly to place all our trust in the Fed“) in FT. Einige Befürworter sind in der Tat so begeistert, dass sie die jüngsten Sparmassnahmen in vielen europäischen Ländern unterstützen, mit dem Argument, dass, wenn es unerwünschte Effekte gibt, diese durch die Geldpolitik rückgängig gemacht werden können, beschreibt Stiglitz weiter. Was immer auch die Verdienste dieser Position sind, ist es in der aktuellen Situation ein Unsinn.

Kerninflation: USA vs. Japan

Mark Thoma macht uns auf ein neues Research-Paper von Mary Daly, Fed San Francisco aufmerksam, wo in einer bemerkenswerten Abbildung der Verlauf der Kerninflation in zwei Episoden zu sehen ist: „Wir stehen der Gefahr einer lang anhaltenden Disiflation gegenüber“, schreibt die Vize-Präsidentin der Fed San Francisco. Das hört sich wie ein starkes Argument für eine weitere Runde der mengenmässigen Lockerung (quantitative easing), oder was auch immer der Wirtschaft helfen kann, bemerkt Thoma dazu.


Kerninflation USA vs. Japan, Graph: Mary Daly, Fed San Francisco

Abwertungswettlauf: USA – Wir sind nicht China

Während der IWF vor einem internationalen „Währungskrieg“ warnt, beschwert der amerikanische Finanzminister, dass China sich weiterhin weigert, den Renminbi aufzuwerten. Die Europäer hingegen vertreten den Standpunkt, dass die Fed mit ihrer Politik der mengenmässigen Lockerung (quantitative easing) die Dollar-Abwertung vorantreibe. Sind die Beschwerden vergleichbar? Es gibt keine Äquivalenz, schreibt Paul Krugman in seinem Blog, was offensichtlich sei, wenn man über die Grundlagen nachdenke. Was die USA tun, ist eine expansive Geldpolitik angesichts einer depressiven Wirtschaft und der Deflationsgefahr. Was sollen wir sonst tun?, bemerkt Krugman. Ein Effekt dieser Politik, was mit Ausland nicht gut abgestimmt ist, ist die Dollar-Schwäche, legt der Nobelpreisträger dar. Das ist aber nicht das Ziel der Politik, argumentiert Krugman weiter.

Price-level targeting (Preisniveau-Steuerung): Neues Ziel der Fed?

Helfen höhere Preise aus der konjunkturellen Flaute? Das gegenwärtige Problem ist, sagte Charles Evans, Chicago Fed-Präsident laut Huffington Post am Samstag, dass die Leute, obwohl die Zinssätze nahe Null Grenze sind, zumeist sparen, anstatt auszugeben. Diese Situation ist bekannt als „Liquiditätsfalle“, wo die Geldpolitik nicht wirksam ist. Zusätzlich zu einer neuen Runde der mengenmässigen Lockerung (QE: quantitative easing) könnte die Fed Preisniveau-Steuerung (price-level targeting) verfolgen, so Evans. Anstatt ein bestimmtes Niveau der Inflation anzustreben, wie der Name schon sagt, würde das Ziel eines bestimmten Preisniveaus und die Nutzung von erforderlichen inflationären Mitteln helfen, dorthin zu gelangen, erklärt der Chicago Fed-Präsident.


Price-level targeting, Graph: Charles Evans, Fed Chicago

Montag, 18. Oktober 2010

Israel: Entwicklung der Reallöhne

Der Ausblick für die israelische Wirtschaft bleibt angesicht der im allgemeinen soliden Fundamentaldaten positiv. Es zeichnet sich sogar seit der Rezession im Vorjahr eine Verbesserung ab. Die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 0,9% gewachsen. Das Hauptrisiko fürs Wachstum rührt von der externen Nachfrage her. Niedrige Zinsen und steigende Investitionsausgaben sorgten aber dafür, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass die Arbeitslosenqute mit 6,2% auf das Vor-Krise-Niveau zurückfällt. Trotz der Tatsache, dass in der Wirtschaft fast Vollbeschäftigung herrscht, verharrt das reale Lohnwachstum bisher unter dem Niveau der Zeit vor der Krise, wie Tevfik Aksoy, Morgan Stanley aus einem Besuch in Israel berichtet.

Entwicklung der Reallöhne in Israel, Graph: Tevfik Aksoy, Morgan Stanley

„Leitkultur“-Debatte: Menschenbild

Wer das christliche Menschenbild nicht akzeptiere, sei fehl am Platz, sagte Angela Merkel, Bundeskanzlerin.

Dazu eine ausgezeichnete Stellungnahme in NachDenkSeiten.

Warum das Defizit gestiegen ist

Während die Staatsausgaben in den USA mehr oder weniger im Vor-Krise-Trend weiter gestiegen sind, sind die Staatseinnahmen eingetaucht. Warum? Wegen der depressiven Wirtschaft, erklärt Paul Krugman in seinem Blog mit der folgenden aussagekräftigen Abbildung.


Staatsausgaben vs Staatseinnahmen (USA), Graph: Prof. Paul Krugman

Steigende Einkommensungleichheit: Eine Frage für Moralphilosophen?

Während der letzten drei Jahrzehnten hat sich alles nennenswerte Einkommenswachstum am oberen Ende der Skale konzentriert. Doch viele Ökonomen sind ungern bereit, sich der zunehmenden Einkommensungleichheit direkt gegenüberzustellen, schreibt Robert H. Frank in einem lesenswerten Essay („Income Inequality: Too big to Ignore“) in NYT am Sonntag. Sie sagen nicht, ob dieser Trend gut oder schlecht ist. Das geforderte Werturteil wird Philosophen überlassen, bemerkt der an der Cornell University lehrende Wirtschaftsprofessor. Dieser Haftungsausschluss wirkt heuchlerisch. Wirtschaft ist schliesslich von Moralphiolosophen gegründet worden, argumentiert Frank weiter. Adam Smith, der Vater der modernen Wirtschaftswissenschaften war ein Professor der Moralphilosophie. „Wealth of Nations“ war gespickt mit pointierten moralischen Analysen. Einige Moralphilosophen adressieren Ungleichheit unter Berufung auf Prinzipien der Gerechtigkeit und Fairness, erklärt Frank.


Zunahme des Einkommens (nach Steuern) nach Einkommensgruppen; 1979-2006, Graph: extreme inequality

Sonntag, 17. Oktober 2010

Kaum Anstieg der Staatsausgaben

Es stimmt einfach nicht, dass die Staatsausgaben unter Obama gestiegen sind, wie viele unwissende Politiker und schlechte Wirtschaftsberater es immer wieder behaupten. Ein Rechenbeispiel dürfte mehr Licht in die Angelegenheit bringen. Paul Krugman zeigt in seinem Blog auf, was wir in den nächsten 3 Jahren erwarten würden, was die gesamten Staatsausgaben betrifft, wenn es keine Krise gäbe. Eine erste Annäherung wäre gewesen, dass die Ausgaben mit dem Trendwachstum der Wirtschaft wachsen würden. Das bedeutet: Ein reales BIP-Wachstum mit Potenzialwachstum und Zunahme der Ausgaben beim realen BIP plus Inflation. Im Zeitraum 2000-2007 (d.h. von der Spitze des Konjunkturzyklus auf die Spitze des Konjukturzyklus) ist das reale BIP um 2,4% jährlich gewachsen. Einer vernünftigen Schätzung zufolge beträgt das Trendwachstum 2,4% oder 7,3% seit 2007. Für die Inflation verwenden wir den BIP-Deflator, der vom II. Q. 2007 bis zum II. Q. 2010 um 4,1% gestiegen ist. Legen wir beide zusammen, hätte das „normale“ Wachstum der Staatsausgaben 11,7% in den vergangenen 3 Jahren betragen.


Staatsausgaben, Graph: Prof. Menzie Chinn, in Econbrowser

In der Abbildung: Gesamte Staatsausgaben (Einkäufe, Transfers und Zinszahlungen) dividiert durch das Potenzial-BIP (blau), Konsum (rot) und Transfers (grün). Rezessionen (nach NBER-Definition) sind grau unterlegt.