Freitag, 28. November 2008

Interview: Willy Hautle, ZKB

Herr Dr. Willy Hautle ist Chefökonom der Zürcher Kantonalbank (ZKB)

Wir erleben gegenwärtig die zweite Weltwirtschaftskrise. Warum hat kein Ökonom an der Bahnhofstrasse das Entstehen der Spekulationsblase am amerikanischen Immobilienmarkt übersehen, und mit einer absurden Abkopplungs-Theorie die Wirkung der Finanzmarktkrise auf Europa bis vor ein paar Monaten noch völlig verharmlost?

Die Ökonomen haben nicht übersehen, dass sich der US-Häusermarkt in einer Übertreibungsphase befindet. Die Entwicklung der Häuserpreise (nominell und real, in Beziehung gesetzt zu den Einkommen und zu den Mieten etc.) haben eine sehr deutliche Sprache gesprochen. Ebenfalls nicht übersehen wurde der Tatbestand, dass sich in den USA die Verschuldung der Haushalte (in % des Einkommens) massiv nach oben bewegt hat und irgendwann eine Deleveraging-Phase bevorsteht. Was die Ökonomen nicht vorausgesehen haben (und nicht voraussehen konnten) war die Art und Weise, wie sich die gegenwärtige Krise entfaltete. (Konkurs und anschliessende Zwangsvollstreckung zigtausender Haushalte, Abschreibungen bei Banken und Versicherungen im Umfang von bisher 800 Mrd USD, Konkurs von Lehman Brothers und anschliessender totaler Vertrauensverlust im Bankensystem, totales Verschwinden der Liquidität aus den Kreditmärkten etc).

Es war denn auch diese nicht-lineare, chaotische Entwicklung der Krise im Bankensystem, welche dann letztlich auch auf Europa und die Schwellenländer überschwappte. Ohne die scharfe Krise im Bankensystem wäre Europa und die Schwellenländer mit der US-Häusermarktkorrektur einigermassen gut klar gekommen.

Die aktuelle Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist niederschmetternd. Der IWF erwartet, dass die Industrieländer erstmals seit dem II. Weltkrieg gemeinsam in eine Rezession gleiten. Wie tief und lang dürfte die Rezession Ihrer Meinung nach ausfallen?

Die Rezession wird tief ausfallen und einige Quartale anhalten. Es besteht sogar ein Restrisiko, dass sich eine Deflation mit extrem negativen Folgen entwickelt. Dieses „Worst-Case“ Szenario entspricht aber nicht unserem Basisszenario. Wir werden eine starke, international einigermassen koordinierte Politikantwort erhalten, d.h. expansive Geld- und Fiskalpolitik. Wir wissen grundsätzlich, was wir tun müssen, um eine eigentliche Deflation abzuwenden. Das Abwehrdispositiv der Regierungen gegen einen drohenden Kollaps des Bankensystems wird unserer Ansicht nach halten. Die Staaten realisieren, dass sie in einem Boot sitzen und sie werden auf Protektionismus verzichten (letzteres war während der Grossen Depression in den 30er Jahren nicht der Fall).

Die Zentralbanken stemmen sich mit aggressiven Zinssenkungen gegen eine Verschärfung des Konjunkturabschwungs. Sogar ein Nullzinsniveau scheint in diesem Marktumgfeld nicht abwegig. Wie weit wird die SNB ihr Zielband für den 3-Monats-Libor senken?

Die momentane Krise ist viel komplexer als diejenige 2001 – 03. Damals ging der Zielsatz für den 3-Monats Libor der SNB bis auf 0.35. Wir rechnen damit, dass die SNB den Zins weiter bis auf 0.25 senken wird.

Vielen Dank.


Dr. Willy Hautle, Chefökonom der ZKB.

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