Donnerstag, 30. Juni 2016

Neue Unsicherheit und Geldpolitik der US-Notenbank

Das britische Referendum, die EU zu verlassen, scheint die globale Wirtschaft einem makroökonomischen Schock auszusetzen. Die möglichen Konsequenzen hängen natürlich von der wirtschaftspolitischen Reaktion ab. Wenn sich aber die Situation an den Finanzmärkten verschärft, lassen sich die Rückschläge an den Märkten nicht lange auf sich warten.

Wenn z.B. die GBP-Abwertung eine EUR-Abschwächung nachzieht, dürfte eine übermässige USD-Aufwertung auf dem amerikanischen Wirtschaftswachstum lasten und damit auch den Inflationsausblick einer Revision unterziehen lassen.

Schenkt man den am Geldmarkt gehandelten Derivativen-Instrumenten Glauben, findet die nächste Zinserhöhung durch die Fed erst am 31. Januar 2018 statt, wie Bloomberg meldet.

Die Händler sagen heute im Sog des britischen EU-Referendums keine Zinserhöhung, sondern eine Zinssenkung durch die US-Notenbank in den kommenden FOMC-Sitzungen voraus. 

Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung beträgt demnach bis zum Anfang von 2018 weniger als 50 Prozent. Und bis Ende des IV. Quartals 2016 wird am Markt nicht einem Zinsanstieg gerechnet.



(Nach "Brexit") Die Wetten, dass die Fed demnächst die Zinsen erhöht, fallen rasch: Und die Händler gehen jetzt sogar von einer Zinssenkung aus, Graph: Bloomberg

Mittwoch, 29. Juni 2016

Verlauf der Renditen auf beiden Seiten des Atlantiks

Während die europäische Wirtschaft schwer angeschlagen ist, geht es der amerikanischen Wirtschaft relativ besser.

Warum sind aber die Renditen der amerikanischen Staatsanleihen höher als die der europäischen Staatsanleihen? Befürchten die Investoren etwa einen Ausfall (default) in den USA? Natürlich nicht.

Die nominalen Renditen betragen in USD für 5 Jahre 1,01% und für 10 Jahre 1,46%; für Deutschland hingegen für 5 Jahre minus 0,56% und für 10 Jahre minus 0,12%.

Nun zum Wesentlichen:

Wir haben erstens zwei verschiedene Währungen: USD versus EUR. Und zweitens ist die Inflation im Euro-Raum niedriger als in den USA, ja sogar viel zu niedrig, was das Inflationsziel der EZB betrifft.

Während die realen Renditen für US-Staatsanleihen mit 10 Jahren 0,07% betragen, belaufen sie sich für deutsche Staatsanleihen mit der entsprechenden Laufzeit auf minus 0,83%.

Drittens kommt es hinzu, dass die Fed im Dezember 2015 zum ersten Mal seit beinahe 10 Jahren die Zinsen erhöht und weitere Erhöhungen im Verlauf des Jahres 2016 in Aussicht gestellt hat.

Das würde bedeuten, dass die realen Renditen aufgrund der höheren Nominalzinsen in USD fallen würden (Real = Nominal – Inflation). Und das ist für die Investoren ein entscheidender Faktor.


Inflationserwartungen (5 Jahre) gemessen an Inflation Swaps, Graph: Greg Ip in: WSJ
Für die USA: 1,47%, für den Euro-Raum: 0,68%.

Dienstag, 28. Juni 2016

Wo sind die sog. Bond Vigilantes?

Der Verlust an den globalen Aktienmärkten beläuft sich in den letzten Handelstagen auf einen Rekordwert von 3'000 Mrd. USD. Das ist, was das britische Referendum, die EU zu verlassen, in den weltweiten Börsenplätzen ausgelöst hat.

Bemerkenswert ist aber, dass sich der Kapitalzufluss in die Anleihemärkte fortsetzt. Die Renditen der als sicher geltenden Staatspapiere verharren weltweit auf einem historisch rekordtiefen Niveau. Der Wert der Staatsanleihen, die mit einer Negativ-Rendite gehandelt werden, ist inzwischen auf rund 9'000 Mrd. USD geklettert.

In Deutschland, wo die Politik eine „Schwarze Null“-Politik auf die Fahne geschrieben hat, ist die Rendite der German Bunds mit 10 Jahren Laufzeit gestern auf minus 0,17% gesunken. Das ist der tiefste Wert seit der Daten-Sammlung durch Bloomberg seit 1989. Und auch die Rendite der zweijährigen deutschen Staatspapiere fällt weiter. Mit minus 0,74% markieren sie einen neuen Rekordwert.

Wo sind aber die sog. „Bond Vigilantes“?

Wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen, führt ein Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) nicht zu einem Anstieg der Zinsen. Das sagt die Theorie der Liquiditätsfalle. Das Haushaltsdefizit löst in einer Depression kein crowding-out aus. Und die fiskalischen Multiplikatoren sind viel höher als sonst.



Der Wert der Staatsanleihen, die derzeit mit einer Negativ-Rendite gehandelt werden, Graph: Bloomberg

Montag, 27. Juni 2016

BIS bringt „leaning against the wind“-Geldpolitik ins Spiel

Die europäische Wirtschaft ist schwer angeschlagen. Die EZB unterläuft das eigene Inflationsziel (von „knapp unter 2%) seit mehr als drei Jahren.

Die nominalen Zinsen liegen an der Nullzins-Grenze (zero lower bound). Der Einlagesatz der EZB beträgt minus 0,40%. Und der Hauptrefinanzierungssatz liegt auf Null Prozent. Der Spitzenrefinanzierungssatz beläuft sich auf 0,25%.

Das bedeutet, dass selbst die Zinsen nahe null nicht dazu beitragen können, die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Während die Produktionslücke geöffnet bleibt, führt auch der Anstieg der Notenbankgeldmenge (ausgelöst durch das Anleihekaufprogramm der EZB) nicht zu einem rasanten Anstieg der Inflation.

Ganz im Gegenteil: Die Rendite der deutschen Staatsanleihen ist vergangene Woche erstmals in der Geschichte ins Negative gerutscht. Das bedeutet, dass die Marktteilnehmer deficit spending nicht als problematisch betrachten.

Angesichts der Tatsache, dass die Löhne im Euro-Raum kaum vom Fleck kommen und die Einkommenserwartungen der privaten Haushalte negativ bleiben, ist es nicht schwer, zu beobachten, dass es in Europa an Nachfrage mangelt.

Auf der politischen Agenda der EU-Behörden steht aber eine Strukturreform als Abhife. Das heisst Massnahmen auf der Angebotsseite.



Die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Freitag, 24. Juni 2016

Das britische EU-Referendum und die Geldpolitik in Europa

Das Ergebnis des britischen Referendums, die EU zu verlassen, hat sicherlich eine Vielfalt von finanziellen, ökonomischen und politischen Auswirkungen.

Das britische Forschungshaus, National Institute of Economic and Social Research aus London prognostiziert folglich einen Rückgang des BIP, der Reallöhne und des privaten Konsums in Grossbritannien.

Denn jede künftige Vereinbarung mit den EU-Behörden wird für das Vereinigte Königreich weniger vorteilhaft als die gegenwärtige Binnenmarkt-Anordnung sein. 

Es wird demnach eine geringere Nachfrage nach britischen Exporten geben und es ist mit einer Abwertung der britischen Landeswährung zu rechnen. Dies wird auf Lohnwachstum und dem privaten Verbrauch lasten.

Während die aktuellen Ereignisse auch die SNB unter Druck bringen, sieht die wirtschaftliche Entwicklung in Europa insgesamt nicht gut aus, um es milde auszudrucken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen in nächster Zeit erhöht, dürfte nun deutlich abnehmen.

Kathry Holston und Thomas Laubach deuten in einer neulich vorgelegten und lesenswerten Forschungsarbeit („Measuring the Natural Rate of Interest“) nachdrücklich auf die Vorteile einer international abgestimmten geldpolitischen Koordination hin, vor allem im Umfeld von besonders niedrigen Gleichgewichtszinssätzen (natural rate of interest), wo die sog. Spillovers sich verstärken, wenn die nominalen Zinsen nahe Null Prozent (zero lower bound) liegen.




Euro-Raum; Produktionslücke (output gap) und der natürliche Zinssatz, Graph: Kathry Holston und Thomas Laubach in: „Measuring the Natural Rate of Interest“, June 2016.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Produktivitätswachstum und das künftige Zinsniveau

Was in der folgenden Abbildung auffällt, ist, dass sich die grossen Volkswirtschaften immer noch die Wunden lecken, obwohl der Ausbruch der Finanzkrise sieben Jahre zurückliegt.

Warum? (1) Es mangelt an Nachfrage, (2) die Produktionslücke bleibt geöffnet und (3) es gibt viel Unterbeschäftigung in der gesamten Wirtschaft.

Bemerkenswert ist, dass die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum trotz eines hohen Leistungsbilanzüberschusses nach wie vor über 10% liegt. Das heisst, dass das exportorientierte Wirtschaftskonzept in die unteren Schichten der Gesellschaft nicht durchsickert.

Alles in allem scheint die Konjunktur einer hohen Anzahl von grossen Volkswirtschaften derzeit von (a) Schuldenabbau (deleveraging), (b) von Disinflationsdruck und (c) von einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geplagt.



Die gegenwärtige Inflation im Vergleich zum Zielwert der jeweiligen Zentralbank, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 22. Juni 2016

Was die Anleihemärkte heute signalisieren

Mario Draghi hat gestern mit Hinweis auf TLTRO II gesagt, dass weiterer geldpolitischer Stimulus im Euro-Raum in Vorbereitung ist.

Ohne die gegenwärtige Geldpolitik der EZB wären sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation deutlich niedriger, hat EZB-Präsident vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europa-Parlaments unterstrichen.

Allerdings hat Draghi auch nicht verschwiegen, dass die Investitionen (*) im Euro-Raum immer noch 10% unter dem Vorkrisenniveau verbleiben und daher Stimulus weiterhin notwendig sei.

Die EZB hat zwar das Mandat, die Preisstabilität zu gewährleisten. Aber die Inflationsrate liegt heute bei rund null Prozent und damit deutlich unter dem Zielwert von 2 Prozent.

In den vergangenen 10 von 18 Monaten lag die Inflation im Euro-Raum nach Angaben von Bloomberg auf null oder unter null.

Die EZB versucht daher, mit der Akkommodation der Geldpolitik (in Form von QE-policy) die Erwartungen zu steuern, dass die Inflation sich wieder dem Zielwert nähert. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat gestern die Beschwerde der Gegner des Anleihekaufprogramms zurückgewiesen.



EUR Ertragskurve (yield curve), Graph: FT

Dienstag, 21. Juni 2016

Karlsruhe versus Liquiditätsfalle

Die europäische Wirtschaft steckt tief in der Liquiditätsfalle. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist so schwach, dass nicht einmal die Zinsen, die nahe null Prozent liegen, Investitionen und Ausgaben ankurbeln können, was notwendig wäre, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen.

Mario Draghi versorgt die Geschäftsbanken via Anleihekaufprogramm (einer Art Offenmarktpolitik als ein Instrument der Geldpolitik) mit Liquidität. Die EZB kauft am offenen Markt Wertpapiere. Wenn eine Geschäftsbank Wertpapiere an die EZB verkauft, bekommt sie im Gegenzug (trade-off) Zentralbankgeld gutgeschrieben; elektronisch.

Es ist insofern ein trade-off (d.h. ein Tausch), als die Banken für das Geld, das keine Zinsen abwirft, Liquidität erhalten. Je mehr Liquidität aber die Zentralbank zur Verfügung stellt, desto mehr davon halten die Banken zurück, wegen der entgangener Gewinne, womit die Zinsen noch tiefer gedrückt werden.

Wenn die Zinsen aber nahe null Prozent liegen, kostet die Haltung von Liquidität nichts. Und die Banken halten das Geld als Wertaufbewahrungsmittel, was im Wesentlichen einem kurzfristigen Schuldtitel gleichkommt. Und das Offenmarktgeschäft der Zentralbank, Geld für Wertpapiere zu tauschen, ändert nichts. Die (konventionelle) Geldpolitik verliert also an Zugkraft.

Die Kehrseite ist, dass sich das ganze Gerede darüber, dass die Inflation durch die Decke schiesst, weil die Zentralbank mit QE-Policy (Anleihekaufprogramm) Geld druckt, als falsch erweist.



Die von der EZB gepumpte Liquidität im Euro-Raum, Graph: Bloomberg

Sonntag, 19. Juni 2016

Verfehlte Erwartungen und Arbeitslosigkeit im Euroraum

Die Arbeitslosenquote (April 2016: 10,2%) mag in Europa zuletzt gesunken sein (April 2015: 11,0%). Aber es gibt immer noch 21,2 Millionen Männer und Frauen ohne Job in der EU28. Und die Zahl der arbeitslosen 15-24-jährigen beläuft sich per April auf 4,3 Millionen Personen. Warum?

Weil die Wirtschaft unter ihrem Potenzial wächst. Das heisst, dass es eine Produktionslücke (output gap) gibt. Die Menschen haben grosse Mühe, eine neue Stelle zu finden, wenn sie arbeitslos werden.

Es gibt nach dem Lehrbuch mehrere Faktoren, die dazu beitragen, dass das Potentialwachstum einer Wirtschaft erhöht wird; wie z.B. durch bessere Bildung und Gesundheit, mehr Investitionen, Steuerpolitik usw.

Eine Möglichkeit ist aber sicher, wenn man dafür sorgen will, dass die Wirtschaft ihr Potential voll verwendet und die Menschen damit wieder eine feste Arbeit haben und ihren Lebensunterhalt verdienen: Ausgaben (spending).

Doch die EU-Behörden schreiben vor, die Gürtel überall in der Wirtschaft enger zu schnallen. Im Ergebnis sparen alle Sektoren gleichzeitig: Die privaten Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand. Nur das Ausland soll Schulden aufnehmen und unsere Güter und Dienstleistungen kaufen. Und das ist praktisch, wie die Wirtschaftspolitik der EU-Behörden heute kurz zusammengefasst aussieht.


Europas wachstumsdämpfende Austeritätspolitik, Graph: Brad DeLong in: „The Confidence Fairy in Historical Perspective“, June 17, 2016.

Samstag, 18. Juni 2016

Negativ-Renditen und Notenumlauf

Am vergangenen Dienstag ist die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit erstmals in der Geschichte unter Null Prozent gerutscht: Minus 0,004%. Das bedeutet, dass die Anleger bereit sind, eine Art Gebühr dafür zu zahlen, um Deutschlands Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zu besitzen.

Für eine lange Zeit war es aus Sicht der Ökonomen fast ausgeschlossen, dass die Anleger, statt Zinsen zu bekommen, belastet würden, um Staatspapiere zu halten. Der Grundgedanke war, dass die Anleger aufgrund der negativen Verzinsung dazu neigen würden, Bargeld zu Hause zu horten.

Doch die Zentralbanken in Dänemark, Schweden, der Schweiz und Japan haben die Zinsen tatsächlich unter die Null-Marke gesenkt und damit quasi die Welt auf den Kopf gestellt. Ein Viertel der Weltwirtschaft erlebt derzeit Negativ-Zinsen.

Anna Malinovskaya und David Wessel unterstreichen in einem lesenswerten Beitrag im Brookings Blog, dass nach den gegenwärtig verfügbaren Daten kein Horten von Bargeld in den Volkswirtschaften mit Negativ-Renditen festzustellen ist.



Negativ-Zinsen und Notenumlauf in Volkswirtschaften, Graph: David Wessel in: Brookings

Freitag, 17. Juni 2016

Geldpolitik und Negativ-Renditen

Der Absturz der Rendite der Staatsanleihen setzt sich unerbittlich fort. Nach der Schweiz und Japan werfen nun auch Deutschlands Obligationen mit 10 Jahren Laufzeit eine Negativrendite ab.

In der Schweiz ist gestern auch die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen erstmals unter null gefallen. Damit rentiert fast der gesamte Markt für schweizerische Staatsanleihen negativ.

Und auch in den USA fallen die Renditen: Die Rendite der US-Treasuries mit 30 Jahren Laufzeit ist inzwischen auf den niedrigsten Wert seit Februar 2015 gesunken: 2,40%.

Warum fallen aber die Renditen? Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass die Negativ-Renditen nicht das Problem sind, sondern ein Symptom. Die Renditen fallen zumindest seit 2008, wenn nicht noch länger. Die Zentralbanken sind daher nicht die primäre Ursache dafür.

Die Notenbanker verweisen hierbei (z.B. zuletzt die EZB) auf den Rückgang des sog. neutralen Zinses (natural real interest rate). Das ist der Zinssatz, wo die Wirtschaft das Wachstumspotential so verwendet, dass es Vollbeschäftigung gibt und die Preisstabilität gewährleistet ist.


Die Rendite der Schweizer Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit ist gestern unter null gefallen und damit erstmals in der Geschichte negativ, Graph: Bloomberg

Donnerstag, 16. Juni 2016

Ohne Nachfrage keine Beschäftigung

Die Politiker und die geldpolitischen Entscheidungsträger im Euro-Raum werden nicht müde, auf die Arbeitsmarktreform in Portugal und Spanien hinzuweisen, als Faktor zur Unterstützung des Beschäftigungswachstums.

Spanien hat aber immer noch eine sehr hohe Arbeitslosenquote (zuletzt 20,1%). Ist das ein Mysterium? Nein, schreibt Brad Setser im Blog „Follow the Money“.

Ein Blick auf die Daten bringt zum Vorschein, dass die Beschäftigung in Spanien heute 10% niedriger liegt als das Niveau vor der Krise. Trotz der Erholung sind heute über 2,5 Millionen von Menschen weniger beschäftigt als im Jahr 2007.

Und auch die Binnennachfrage ist heute deutlich mehr als 10% niedriger als damals. Da wundert es sich also nicht, warum der spanische Arbeitsmarkt so schwach ist.

Die Nachfrage fällt, wenn das Einkommen fällt. Wenn die Löhne (internal devaluation) gekürzt werden, steigt die Arbeitslosigkeit, wie in der folgenden Abbildung von Setser deutlich zu sehen ist.



Spanien: Binnennachfrage und Beschäftigung, Graph: Brad Setser in: "Follow the Money"

(Der Chart zeigt zugleich die negativen Nachfrageeffekte sinkender Löhne)

Mittwoch, 15. Juni 2016

Schwaches Wachstum und Hysterese-Effekt

Nun ist auch die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit unter null Prozent gefallen. In der Schweiz und in Japan gehören Negativ-Renditen auf Staatspapiere bereits seit längerer Zeit zum Alltag.

Die gegenwärtige Neigung der Rendite-Kurve (yield curve) deutet darauf hin, dass es der unkonventionellen Geldpolitik (QE-policy) mit dem Ankauf von Anleihen schwer gelingt, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Inflation auf den Zielwert („knapp unter 2%“) zurück zu bringen.

Die Indizien legen nahe, dass es aus Sicht einer makroökonomischen Gesamtstrategie einer Kooperation von Geld- und Finanzpolitik bedarf, v.a. wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist und die Nominal-Zinsen nahe null liegen.

Während aber Politiker in Deutschland auf den Rückgang der Arbeitslosenquote im Euro-Raum hinweisen, warnt Mario Draghi vor der Gefahr des sog. Hysterese-Effekts.

EZB-Präsident hat in seinem Referat am 9. Juni in Brüssel gesagt, dass die Arbeitnehmer, die zu lange arbeitslos bleiben, während ihres gesamten Lebens darunter leiden können, in Form von reduzierter Arbeitsfähigkeit, geringerer Produktivität und des gekürzten Einkommens.

Und das gelte insbesondere für jüngere Arbeitnehmer, die während aller wichtigsten, prägenden Jahre ihrer Karriere arbeitslos sind.

Die Gefahr wird umso grösser, je länger die Wirtschaft unter dem Potential wächst, d.h. dass die Produktionslücke geöffnet bleibt.



Inflation und Lohnstückkosten, Graph: Heiner Flassbeck in: Makroskop


Dienstag, 14. Juni 2016

W-Was? Eine negative Laufzeitprämie für Staatsanleihen?

Die Laufzeitprämie (term premium) für US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit hat derzeit einen negativen Wert: minus 0,46%. Das ist aussergewöhnlich. Warum? Weil es bedeutet, dass die Investoren am (längeren) Horizont kein Risiko erkennen und keine Extra-Entschädigung verlangen.

Denn die Laufzeitprämie (term premium) ist per Definition nichts anderes als die Mehrrendite, die die Investoren fordern, um eine langfristige Anleihe statt eine kurzfristige Anleihe zu halten.

Mit anderen Worten bringt die Laufzeitprämie den Renditeunterschied zwischen den Anleihen am kurzen und am langen Ende der Ertragskurve (yield curve) zum Ausdruck. Es handelt sich dabei um einen Messwert für die von Investoren erwartete Einschätzung des Zinsrisikos.

Es gilt jedoch zu merken, dass die Laufzeitprämie nicht direkt beobachtet, sondern geschätzt werden muss. Die langfristigen Zinsen setzen sich aus (1) der erwarteten Inflation, (2) den erwarteten kurzfristigen und (3) einer Laufzeitprämie zusammen.



Die Laufzeitprämie für US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg


Montag, 13. Juni 2016

Unabhängigkeit der Zentralbanken steht in Frage

Der Glaube an die Fähigkeit der Zentralbanken, das Wirtschaftswachstum zu fördern und die Inflation anzuregen, lässt nach. Die Investoren, die das Vertrauen verlieren, kaufen vermehrt Staatsanleihen, wie Bloomberg meldet.

Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist am Ende der Woche bis auf nahezu 0% gefallen: 0,02%. Die Nachfrage nach Optionen, Bund Futures zu kaufen ist mittlerweile auf den höchsten Wert seit zwei Monaten gestiegen.

Und auch die US-Treasury Bonds sind wieder ganz in Mode, v.a. wenn man bedenkt, dass der Wert der Staatsanleihen weltweit gegenwärtig auf 8'000 Mrd. USD hoch geklettert ist.

Die Staatsanleihen präsentieren zum Jahresstart so weit die beste Performance seit mindestens 1997. Gemessen am Bank of America Merrill Lynch Global Bonds Market Index beträgt der Ertrag 4,6%.



Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Freitag, 10. Juni 2016

Niedrigzinsen: Schall und Rauch?

Der Wert der Staatsanleihen, die mit einer Negativ-Rendite gehandelt werden, ist inzwischen die 10'000 Mrd. USD-Marke überstiegen.

Das ist eine „Supernova“, die eines Tages explodieren wird, warnt Bill Gross von Janus Capital, wie FT aus London meldet.

Laut dem Bank of America Merrill Lynch Index ist die durchschnittliche Rendite im globalen Markt für Staatsanleihen auf einen neuen Rekordwert gesunken: 0.67%.
  
Gross tritt damit einem Chor von prominenten Investoren (wie z.B. Jeffrey Gundlach, Larry Fink) bei, die eine Tirade loslassen, wie schlimm die Negativ-Zinsen für die Finanzmärkte und Volkswirtschaften mit „potenziell gefährlichen Folgen“ sind.

Es ist natürlich viel self-promotion dabei, wenn international namhafte Anleger sich über „Markt-Verzerrungen“ aufregen.

Narayana Kocherlakota, der ehemalige Fed-Präsidenten von Minneapolis erklärt in einem lesenswerten Artikel in BloombergView sachlich, warum Zinsen unter Null nichts Besonderes sind. 

Kocherlakota verweist u.a. auf eine neulich von Brookings Institution in Washington organisierte Konferenz mit interessanten Teilnehmern.



Die Rendite der Schweizer Staatsanleihen mit 20 Jahren Laufzeit: -0.05%, Graph: UBS

Donnerstag, 9. Juni 2016

Es gibt keine Konkurrenz zwischen Helicopter Money und Fiscal Policy

Simon Wren-Lewis nimmt in seinem Blog zum Thema Helicopter Money (HM) noch einmal Stellung, um manche Missverständnisse in den gegenwärtigen Diskussionen in der Blogosphäre zu klären.

Wenn er HM befürworte, will er damit nicht zum Ausdruck bringen, dass er das HM der Fiskal-Politik vorziehe, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Es gilt v.a., sich zu merken, dass das HM nicht einfach wie die Fiskal-Politik funktioniert, weil (1) HM rascher umgesetzt werden kann als die herkömmliche Fiskal-Politik und (2) HM sowohl echte Angst vor Verschuldung als auch politisch motivierte Täuschung über das Haushaltsdefizit umgehen kann. Und (3) es gibt mit HM keinen Ausgleich durch die Geldpolitik.

Wie Eric Lonergan in seinem Blog unterstreicht, mögen akademische Diskussionen darüber Spass machen. Doch sind die theoretischen Spiele, die manche Ökonomen spielen, um wirtschaftspolitische Einsichten zu maskieren, beim besten Willen verwirrend.

Ein erheblicher Anteil der Wirtschaftssubjekte würde das verteilte HM aus vollkommen soliden theoretischen Gründen ausgeben, sagt Wren-Lewis. 

Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor glaubt also nicht, dass die Ricardianische Äquivalenz (Ricardian Equivalence) hier greifen würde.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Deutschlands Makroökonomie und andere Kleinigkeiten

Angesichts der Tatsache, dass auch die Studenten in Deutschland die Volkswirtschaftslehre mit den gleichen Standardbüchern wie in anderen Ländern lernen, fragt sich, wie das deutsche Beharren auf Strukturreformen als die Lösung für fast alle Probleme in der Eurozone mit der quasi-religiösen Fixierung auf die „Schwarze Null“-Politik (d.h. einen ausgeglichenen Haushalt), selbst in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft, vernünftig zu erklären ist.

Peter Bofinger nimmt dazu in einem lesenswerten Artikel („Here is one export Germany should not be making“) in FT Stellung. Dahinter liegt eine ökonomische Philosophie, die „Ordnungspolitik“ genannt wird, bekräftigt der an der Uni Würzburg forschende Wirtschaftsprofessor.

Als Geist agiert Walter Eucken, der bis zu seinem Tod an der Uni Freiburg Volkswirtschaft gelehrt hat. Das Konzept für die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung nennt sich die Freiburger Schule der Nationalökonomie (oder kurz Ordoliberalismus).

Eucken’s Wirtschaftsphilosophie hat laut Bofinger einen positiven und einen negativen Aspekt: Auf der positiven Seite betont er die Vertragsfreiheit, offene Märkte, Privateigentum und robuste Kartellpolitik. Auf der negativen Seite ist die Ablehnung des Keynesianismus zu erwähnen.



Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist heute auf 0,034% gefallen; das ist ein neuer Tiefswert, Graph: FastFT

Dienstag, 7. Juni 2016

Negative Umlaufrendite in Deutschland

Die Umlaufrendite der deutschen Bundespapiere ist gestern erstmals unter null Prozent gefallen: minus 0,02%.

Das bedeutet, dass der deutsche Fiskus mit Schuldenaufnahme Geld verdient. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass WolfgangSchäuble, Bundesfinanzminister weiterhin an der Politik „Schwarze Null“ festhält: Das heisst, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand nicht erhöht werden dürfen.

Dabei könnte der Staat mit Kreditaufnahme mehr Geld einnehmen, wenn man sich v.a. vergegenwärtigt, dass Deutschland nach Angaben von DIW eine Investitionslücke von rund 100 Mio. EUR hat. Insbesondere ist der Verkehrsbereich laut Marcel Fratzscher unterfinanziert.



In Deutschland ist die sog. Umlaufrendite erstmals in der Geschichte in den negativen Bereich gerutscht, Graph: FastFT

Umlaufrendite = Die Durchschnittsrendite der im Umlauf befindlichen Bundesanleihen.

Montag, 6. Juni 2016

Deutschlands Produktionslücke und Niedriginflation

Die Deutsche Bundesbank geht im „Monatsbericht Juni 2016“ von „stärkeren Zuwächsen“ für die staatlichen Investitionen in den Projektionsjahren aus. Das hänge v.a. mit steigenden Bauinvestitionen zusammen. Der Bund plane Verbesserungen beim Erhalt der staatlichen Infrastruktur.

„Zum anderen ist zu erwarten, dass die sich abzeichnenden Spielräume durch eine in den kommenden Jahren relativ gute Haushaltslage in vielen Ländern und Gemeinden auch für mehr Investitionen genutzt werden“, so die Bundesbank weiter.

Trotz des optimistischen Tons hat die Bundesbank die Wachstumsprognose für 2017 von bisher 1,8% (Prognose vom Dezember 2015) auf 1,7% gesenkt. Für 2018 wird eine Wachstumsrate von 1,6% vorhergesagt.

Vor diesem Hintergrund mag der Eindruck entstehen, wie wenn Deutschland keinen Fiscal Stimulus nötig hätte. 

Dem ist es aber nicht so, zumal in der Wirtschaft keine Vollbeschäftigung vorherrscht (Stichwort: Unterbeschäftigung) und die Produktionskapazitäten nicht voll ausgelastet sind. 

Die Produktionslücke verläuft immer noch unter dem Vorkrisenniveau. Und die Inflation bleibt seit mehreren Jahren unter dem Zielwert („knapp unter 2%“) der EZB.



Deutschlands Produktionslücke (output gap), Graph: Deutsche Bundesbank in: Monatsbericht Juni 2016

Freitag, 3. Juni 2016

Negativ-Renditen und Staatsverschuldung

Der Wert der Staatsanleihen mit Negativ-Rendite hat per Ende Mai 2016 10'000 Mrd. USD übertroffen. Das meldet Fitch Ratings. Erfasst werden 14 Länder, wobei Japan bei weitem als die grösste Quelle von Negativ-Renditen auffällt.

Von der gesamten Menge entfallen 7'300 Mrd. USD auf langfristige, und 3'100 Mrd. USD auf kurzfristige Staatspapiere.

Zu den Faktoren, die hinter der Entwicklung stehen, zählen im Wesentlichen (1) die unkonventionelle Geldpolitik (die sog. QE-policy) der Notenbanken in den grössten Volkswirtschaften und (2) die steigende Nachfrage nach sicheren Staatsanleihen aus regulatorischen Gründen.

Die EZB hat auf der gestrigen Sitzung den Zinssatz für die Einlagefazilität bei minus 0,40% belassen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, öfters die Argumentation zu hören, dass es der Welt derzeit an sicheren Anlagen fehle. Doch wird gleichzeitig behauptet, dass die Staatsverschuldung im Allgemeinen überall zu hoch sei. Das ergibt keinen Sinn, wie Brad de Long in seinem Blog hervorhebt.

Donnerstag, 2. Juni 2016

Das verfehlte Inflationsziel im Euro-Raum

Die EZB ist im Euro-Raum für die Preisstabilität verantwortlich. Ihre Aufgabe ist, auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von „knapp unter 2%“ zu erzielen.

Das Mandat wird jedoch seit rund drei Jahren verfehlt: Die EZB unterbietet das Inflationsziel soweit das Auge reicht, wie in der folgenden Abbildung deutlich zu erkennen ist.

Der entscheidende Faktor ist die im Euro-Raum vorherrschende merkantilistische Wirtschaftspolitik mit Lohnzurückhaltung, die deflationäre Tendenzen auslöst.

Nun bemüht sich die EZB, zumindest seit der Amtsübernahme von Mario Draghi, das Steuer herumzureissen. EZB-Präsident betreibt eine unkonventionelle Geldpolitik in Form von QE (quantitative easing) und Negativzinsen. Die EZB nimmt damit die Rolle als lender of last resort wahr, wie es sich für eine moderne Notenbank gehört.

Es ist daher aus makroökonomischer Sicht nicht sachgemäss, die EZB wegen der Niedrigzinsen zu tadeln. Wer trotzdem höhere Zinsen fordert, berücksichtigt nicht die Wirtschaftslage, sondern lässt sich von dem Wunsch antreiben, die „Normalisierung“ wiederherzustellen.



Das verfehlte Inflationsziel im Euro-Raum entlang der gesamten Ertragskurve, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 1. Juni 2016

EZB’s Geldpolitik und Realzinsen für deutsche Sparer

Die geldpolitischen Falken in Deutschland lassen keine Gelegenheit aus, Mario Draghi, den EZB-Präsidenten öffentlich lauthals anzugreifen, die deutschen Sparer via ultralockere Geldpolitik zu schädigen.

Was für die Sparer ausschlaggebend sind jedoch nicht die nominalen, sondern die realen Zinsen; d.h. die Differenz zwischen dem nominalen Zins und der Inflationsrate. Und der Realertrag auf dem Sparkonto in Deutschland ist heute seit Ende 2013 positiv.

Die DZ Bank rechnet und kommt auf eine Zahl von 200 Mrd. EUR, die dem deutschen Sparer zwischen 2010 und 2016 angeblich verlustig gehen. Das ist natürlich eine Illusion.



Die Realzinsen auf dem deutschen Sparkonto, Graph: FT