Sonntag, 31. Oktober 2021

Deutschland mit Inflation im Kopf

Die Amtszeit von Angela Merkel geht zu Ende. Frau Merkel kandidiert nicht mehr. Und Jens Weidmann tritt zurück. Das ist sicherlich kein Zufall. Weidmann hat Kanzlerin Merkel fünf Jahre lang beraten, bevor er Bundesbankpräsident wurde.

Das Ende einer Ära bedeutet aber nicht das Ende der Welt. Dennoch wird dieser Tage in Mainstream-Medien der Teufel an die Wand gemalt.

Wie auch immer, Statistisches Bundesamt (Destatis) hat am Donnerstag mitgeteilt, dass die Inflationsrate im Oktober 2021 voraussichtlich 4,5% beträgt. Die Verbraucherpreise sind in Deutschland gegenüber September 2021 nach bisher vorliegenden Daten um 0,5% gestiegen.

Eine Reihe von Gründen hat dazu beigetragen, wie z.B. Basiseffekte durch niedrige Preise im Jahr 2020. Dazu zählen der Preisverfall bei Mineralölprodukten und die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuersätze, die sich heute erhöhend auf die Gesamtteuerung auswirken.



Produktionslücke (output gap) im Euro Raum: 2Q2020: -15%, 1Q2021: -6%, mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Aus dieser Perspektive ist derzeit kein Inflationsdruck zu erwarten, Graph: DIW, Oct 20, 2021 


Donnerstag, 28. Oktober 2021

Unternehmen in Cash und «Arbeitskräftemangel»

Die Beveridge-Kurve ist ein einfaches ökonomisches Modell, welches dazu beiträgt, den Arbeitsmarkt zu analysieren, indem es die umgekehrte Beziehung zwischen der Arbeitslosenquote und der Zahl der offenen Stellen erfasst.

Während sich die Daten in den letzten zwei Jahrzehnten in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Bedingungen leicht verschoben haben, hat die COVID-19 Pandemie das bestehende Muster drastisch verändert, berichtet Richmond Fed in einer aktuellen Studie.

Wenn sich die Wirtschaft verbessert, neigt sich die Kurve steil nach oben. Und zuletzt hat der starke Anstieg der offenen Stellen den Rückgang der Arbeitslosenquote übertroffen.

Das Ausmass dieser Veränderungen ist historisch beispiellos.

Verschiebungen, veränderte Qualifikationsanforderungen und geografische Streuung können eine Rolle spielen. Es ist jedoch noch vieles unbekannt, was die Verschiebung ausgelöst hat, lautet das Fazit der Ökonomen im Dienst der Richmond Fed.



Beveridge Kurve hat sich deutlich nach aussen verschoben, Graph: Richmond Fed, Oct 2021, Economic Brief No. 21-36 


Dienstag, 26. Oktober 2021

Larry Summers und der Mythos von «inflationsneutraler Arbeitslosenquote»

"Die Ansicht, dass es eine große Flaute («slack») auf dem Arbeitsmarkt gibt, erscheint im Moment absurd", sagte Larry Summers am Freitag in einem Interview mit David Westin von Bloomberg TV

Die Erwerbsquote lag im September bei 61,6 %, gegenüber einem Durchschnitt von 62,9 % in den fünf Jahren bis 2019.

Der ehemalige US-Finanzminister, ein bezahlter Mitarbeiter von Bloomberg, fügte hinzu, dass der sich verengende Arbeitsmarkt einer der Gründe sei, warum er sich Sorgen um die Inflation mache, und dass die Investoren diese Ansicht nun zunehmend teilten.



US-Haushalt: Defizit und Überschuss im Verhältnis zum BIP, Graph: WSJ, Oct 23, 2021 


Dienstag, 19. Oktober 2021

Stagflation und «First-do-no-harm» Ansatz

Inflation ist in aller Munde. 

Nach zwei enttäuschenden monatlichen Arbeitsmarktberichten in Folge wächst in Social Media die Sorge, dass die US-Wirtschaft in eine Phase der «Stagflation» eintreten könnte.

Zur Erinnerung: Der Begriff wird verwendet, um die 1970er Jahre zu beschreiben, als die wirtschaftlichen Bedingungen durch hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation gekennzeichnet waren. 

Der Inflationsschub wurde damals v.a. durch das Erdölembargo der OPEC-Länder getrieben.

Doch der Vergleich mit den 1970er Jahren hinkt, notiert St. Galler Kantonalbank im Daily Focus.

«Damit der Anstieg der Energiepreise so stark auf die Inflationsrate durchschlägt wie damals, müssen sie über mehrere Jahre konstant stark steigen. Dass dies wieder geschehen wird, ist unwahrscheinlich», so die kurze Analyse aus St. Gallen.



Misery Index - Die Ängste von Stagflation werden durch die Erfahrungen der 1970er Jahre in den Schatten gestellt, Graph: JPMorgan AM, Oct 18, 2021


Sonntag, 17. Oktober 2021

A Job Guarantee

Buchbesprechung

Pavlina R. Tcherneva: The Case for A Job Guarantee”, Polity Books, June 2020.


Bevor das Coronavirus zuschlug, debattierte die Demokratische Partei über zwei ehrgeizige politische Pläne: die Arbeitsplatzgarantie (Job Guarantee) und ein universelles Grundeinkommen (universal basic income).

Ein universelles Grundeinkommen (UBI) wäre eine Art Scheck, der regelmässig an jede Person im Land gesendet würde. Die Idee ist, einen Boden für den Lebensstandard aller zu schaffen.

Eine Arbeitsplatzgarantie (JG) ist im Wesentlichen eine öffentliche Beschäftigungsmöglichkeit: Wer Arbeit will, bekommt einen Job in seiner Gemeinde, finanziert vom Bund mit Sozialleistungen zu einem angemessenen Existenzminimum.

Pavlina Tscherneva beschreibt in ihrem Buch, dass die Aufgabe von JG darin besteht, sowohl Arbeitslosigkeit als auch Hungerlohn zu beseitigen. Die Jobgarantie ist quasi das Gegenmittel zur NAIRU (non accelerating inflation rate of unemployment).

Im Universum der makroökonomischen Stabilisierungspolitik gibt es laut Tscherneva nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir setzen weiter auf den bestehenden Stabilisator der Arbeitslosigkeit oder wir ersetzen ihn durch einen Beschäftigungsstabilisator.

JG ist das letztere, ein Beschäftigungsprogramm mit existenzsichernden Löhnen, das sich mit den Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen ausdehnt und schrumpft.

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Korrelation zwischen Aktien und Bonds

Die 40-Tage-Korrelation zwischen US-Treasuries und dem S&P 500 Index nähert sich aufgrund der Inflationsrisiken wieder dem positiven Bereich. 

Was damit einhergeht, ist ein Performance-Rückgang bei einem Risikoparitäts-Benchmark Portfolio.

Wenn die beiden Vermögenswerte nicht mehr diversifizieren, wird das Portfolio volatiler, was wiederum die Portfolio-Manager zum Abbau von Risiko zwingt. 

Bislang war es so, dass sowohl Anleihen als auch Aktien im Laufe der Jahre angestiegen sind.



Aktien & Bonds Korrelation wird wieder positiv, Graph: Justine Lee, Bloomberg, Oct 11, 2021 


Mittwoch, 13. Oktober 2021

Schulden und Zinsen

Vergangene Woche machte die Nachricht die Runde, dass die weltweite Verschuldung bis zum Jahresende auf etwa 260% in Relation zum BIP steigen könnte.

S&P Global Ratings hat im gleichen Atemzug hinzugefügt, dass die Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, aufgrund der niedrigen Zinssätze überschaubar sein würde.

Es gab eine Zeit, in der uns allen gesagt wurde, dass die Höhe der Verschuldung wichtig sei, und dass alles, was über 90 % des BIP liege, in der Tat sehr schlecht sei.

Heute sind die Kosten für die Bedienung der Schulden in vielen Ländern der Welt praktisch gleich Null und tragen in einigen Fällen sogar netto zum Staatshaushalt bei.

Um herauszufinden, wie groß der Unterschied bei den Tilgungskosten (servicing cost) sein kann, deutet Lorcan Roche Kelly in seiner Bloomberg-Kolumne auf Irland hin.



Irlands Staatsanleihe (2025), Graph: Lorcan Roche Kelly, Oct 11, 2021, Bloomberg 


Montag, 11. Oktober 2021

Mehr offene Stellen als Arbeitssuchende - Was nun?

Seit Mai ist die Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze höher als die Zahl der arbeitssuchenden Amerikaner. 

Ein Faktor ist die Diskrepanz zwischen dem Ort, an dem die Menschen arbeiten wollen, und den Branchen, die Stellen anbieten.

Darüber hinaus ist es wichtig, zu beobachten, dass die Unternehmen im Allgemeinen nicht gerne Arbeitslose einstellen, vor allem keine Langzeitarbeitslosen.

Sie stellen lieber Leute ein, die bereits arbeiten oder kleinere Lücken in ihrer Berufserfahrung haben.

Unternehmen zögern, Langzeitarbeitslose einzustellen, weil sie 9 Monate Arbeitslosigkeit mit 4 Jahren verlorener Berufserfahrung gleichsetzen.



In der US-Wirtschaft gibt es seit Mai 2021 mehr offene Stellen als Arbeitssuchende, Graph: WSJ, Aug 10, 2021 


Freitag, 8. Oktober 2021

Inflation und Schulden: Umfang versus Kosten

Die Debatte darüber, ob der jüngste Anstieg der Inflation gemessen am Verbraucherpreis-Index vorübergehend ist oder nicht, setzt sich lebhaft fort.

Und die Zentralbanken bleiben auf beiden Seiten des Atlantiks am Ball. 

Während das Wirtschaftswachstum sich weiterentwickelt, wird sich die Fed wahrscheinlich langsamer bewegen, als ihre Prognosen vermuten lassen, den Kurs der unkonventionellen Geldpolitik nach und nach zurückzufahren.

Die Inflation könnte zwar etwas stärker ausfallen als erwartet, aber es scheint unwahrscheinlich, dass wir in eine ähnliche Phase wie in den 1970er Jahren eintreten, wie David Lebovitz von JPMorgan AM notiert.

Die Fed hat das Mandat, für stabile Preise und maximale Beschäftigung zu sorgen. Die Verschuldung wird dabei nicht erwähnt. Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass die Fed nach Kräften dazu beitragen will, die öffentliche Verschuldung nicht entgleiten zu lassen.

Die Fed schickt sich ja gerade an, die Anleihekäufe demnächst zu reduzieren und schließlich die Zinssätze zu erhöhen. Doch wenn sie zu schnell handelt, könnte sie die Wirtschaft ersticken, indem sie die Schuldenlast verteuert.



Das Dilemma der US-Schuldenobergrenze («debt-ceiling»): Aus Anlagesicht dürfte die erhöhte Unsicherheit wahrscheinlich für zusätzliche Volatilität an den Aktien- und Kreditmärkten sorgen, Graph: David Lebovitz, JPMorgan AM, Sept 30, 2021

Freitag, 1. Oktober 2021

Competition is killing us

Buchbesprechung

Michelle Meagher: Competition is killing us – How Big Businesses is harming our society and Planet and what to do about it, Penguin Business, Sept 2021.


Michelle Meagher will in diesem Buch den gegenwärtig vorherrschenden Ansatz, wie wir mit der Wirtschaft interagieren, herausfordern. Und sie setzt sich direkt mit Themen wie Macht, Ungleichheit und sozialem Schaden auseinander. 

Ihrer Ansicht nach sind Märkte nicht wirklich frei; sondern das Ergebnis einer Reihe komplexer politischer und regulatorischer Entscheidungen.

Sie unterstreicht mit Nachdruck, dass es ein Mythos ist, dass Unternehmen konkurrieren, indem sie versuchen, den Bedürfnissen der Gesellschaft am besten zu entsprechen. 

In Wirklichkeit konkurrieren die Unternehmen um Macht, um die Vorteile ihrer Aktionäre, und zwar in einer Weise, die der Gesellschaft schadet («spillover» Effekte).

Das Wettbewerbsrecht (in Europa) heisst in den USA das «Antitrust» Gesetz. Das Kartellrecht war eine Antwort auf die Macht der Trusts. 

Das Wort "Kartellrecht" («anti-trust») stammt aus der ursprünglichen Motivation der Gesetzgebung, die Industriekonsolidierung aufzubrechen, die die rechtliche "Trust"-Struktur genutzt hatte, um sich der Regulierung zu entziehen.