Montag, 16. April 2012

Ökonomischer Selbstmord in Europa


Die NY Times hat am Samstag über ein scheinbar wachsendes Phänomen in Europa berichtet: „Selbstmord durch Wirtschaftskrise“. Leute nehmen ihr Leben in Verzweiflung über Arbeitslosigkeit und Insolvenzen. Es ist eine herzzerreissende Gechichte.

Paul Krugman bemerkt dazu in seiner lesenswerten Kolumne („Europe’s Economic Suicide“) am Montag in NYT, dass es seiner Ansicht nach viel mehr um die offensichtliche Entschlossenheit der europäischen Staats- und Regierungschefs geht, für den Kontinent als Ganzes ökonomischen Selbstmord zu begehen.

Vor wenigen Monaten habe Krugman noch Hoffnung für Europa gehegt. Vielleicht errinern Sie sich, dass Europa im vergangenen Herbst am Rand einer finanziellen Kernschmerze stand. Aber die EZB kam dem Kontinent zu Hilfe. Die Europäische Zentralbank hat eine (open-ended) Kreditlinie bereitgestellt und die europäischen Staatsanleihen als Sicherheit akzeptiert, was direkt Banken unterstützte und indirekt Regierungen zu Gute kam und die Panik ging am Schluss zu Ende.

Die Frage war, ob diese mutige und effektive Massnahme den Anfang eines breiteren Umdenkens bewirken würde. Nein. Stattdessen wurden die gescheiterte Politik und die Ideen verdoppelt. Und es wird immer schwerer, zu glauben, dass etwas die europäischen Entscheidungsträger veranlassen würde, den Kurs zu ändern.

Spanien steht nun im Epizentrum der Krise. Man braucht nicht über Rezession zu reden. Spanien steckt vollständig in Depression, hebt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises hervor. Die allgemeine Arbeitslosigkeit ist auf 23,6% geklettert. Die Jugendarbeitslosenquote beträgt sogar mehr als 50%. Das kann nicht weiter gehen, legt Krugman dar.

In gewisser Weise ist es wirklich egal, wie Spanien zu diesem Punkt gekommen ist. Der spanische Fall hat keine Ähnlichkeit mit Moralgeschichten, die in den europäischen Behörden so beliebt sind, v.a. in Deutschland, erklärt Krugman. Spanien hat sich fiskalpolitisch nicht verschwenderisch verhalten. Am Vorabend der Finanzkrise hatte Spanien einen Haushaltsüberschuss und eine geringe Staatsverschuldung. Leider hatte das Land eine Immobilienblase, welche zu einem grossen Teil durch riesige Kredite von deutschen Banken ermöglicht wurde. Nach dem Platzen der Blase wurde Spanien sitzengelassen. Fiskalische Probleme Spaniens sind eine Folge der Depression, nicht ihre Ursache, unterstreicht der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Dennoch ist das Rezept, was aus Berlin und Frankfurt kommt, noch mehr Sparmassnahmen. Das ist nur wahnsinnig, schreibt Krugman, kein Blatt vor den Mund nehmend. Europa hat mehrere Jahre Erfahrung mit harten Sparprogrammen. Und die Ergebnisse sind genau das, was Studenten der Geschichte sagen, was passieren würde: solche Programme drücken bereits angeschlagene Volkswirtschaften noch tiefer in die Depression.

Was ist die Alternative? In den 1930er Jahren war die Voraussetzung für die wirtschaftliche Erholung der Ausstieg aus dem Gold-Standard. Der äquivalente Schritt würde heute der Ausstieg aus dem Euro bedeuten, um die nationalen Währungen wiederherzustellen. Die Aktion sieht in der Tat äusserst zerstörerisch aus, so Krugman. Aber die Fortsetzung des gegenwärtigen Kurses, immer harschere Sparmassnahmen auf Länder, die bereits unter Depression-Ära Arbeitslosigkeit leiden, aufzunötigen, ist wahrlich unvorstellbar.

Wenn europäische Politiker den Euro wirklich retten wollen, müssen sie einen alternativen Kurs suchen. Und die Form einer solchen Alternative ist laut Krugman ziemlich klar. Der Kontinent braucht mehr expansive Geldpolitik und die Bereitschaft, anzukündigen, dass die EZB eine etwas höhere Inflation akzeptiert. Der Kontinent braucht noch mehr expansive Fiskalpolitik, in Form von Haushalt in Deutschland, um die Austerität in Spanien und in anderen Krisenregionen rund um den Kontinent auszugleichen, anstatt sie zu verstärken. Selbst mit einer solchen Politik würden die peripheren Länder mehrere Jahre anhaltenden harten Zeiten gegenüberstehen. Aber zu mindest gäbe es einige Hoffnung auf Genesung, argumentiert Krugman weiter. 

Was wir tatsächlich sehen, ist komplette Inflexibilität. Die europäischen Staats- und Regierungschef haben im März einen Haushaltspakt (fiscal pact) unterzeichnet, wonach Fiscal Austerity (Sparpolitik) als Antwort auf alle Probleme vorgesehen ist. Es ist daher schwer, ein Gefühl der Verzweiflun zu vermeiden, fasst Krugman zusammen.

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