Samstag, 30. Mai 2020

Interview: Jonathan Hopkin, London School of Economics

Jonathan Hopkin, Associate Professor of Comparative Politics, Department of Government, LSE


In your new book, you underline that political parties (“cartel parties”) were no longer competing over different models of economics. But why has social democratic position voluntarily tended to adopt a similar position?

That’s a great question! I’m not sure I can really pin down the decisive factor. One standard view is that the constraints of open capital markets have enhanced the ‘blackmail power’ of investors and have disciplined social democratic parties into accepting orthodox economic policies, for fear of not being able to govern.

The bitter experience of Mitterrand’s early presidency in France in the 1980s had a chastening effect on social democratic parties across Europe, convincing many that there was ‘no alternative’ but to sign up to low inflation and tight fiscal policy.

But many have argued that there was an ideological shift in centre-left elites which led them to believe these pro-market policies were correct in their own right, perhaps best reflected in Tony Giddens’ ‘Third Way’ politics.

Dienstag, 26. Mai 2020

Die Unterwerfung des Staates unter private Finanzmacht


Die St. Galler Kantonalbank (SGKB) kritisiert die Massnahmen, die die Zentralbanken rund um die Welt ergreifen, um die fatalen Kosten der COVID19-Krise abzufedern.

„Die Zentralbanken weiten ihr Mandat immer weiter aus und zementieren damit ihre Retterrolle“, heisst es im Daily Fokus am Montag.

„Die langfristigen Auswirkungen der Corona-Rettungspakete haben eines gemeinsam: sie setzen falsche Anreize und schränken die wirtschaftliche Effizienz ein“, so das vernichtende Fazit des Kommentars.

Bei allem Respekt: Das ist Liquidationismus nach Mellon-Art, was heute die offizielle Doktrin der G.O.P, der republikanischen Partei in den USA widerspiegelt.

„Liquidiere Arbeit, liquidiere Aktien, liquidiere Bauern und liquidiere Immobilien“. Laut Herbert Hoover war dies der Rat, den er von Andrew Mellon, seinem Finanzminister (von März 1921 bis Febr 1932) erhielt, als Amerika in den 1930er Jahren in eine Depression stürzte.

Mellon soll weitergesagt haben, dass er damit die Fäulnis aus dem System entfernen wolle. „Die Menschen werden härter arbeiten und ein moralisches Leben führen. Die Werte werden angepasst und geschäftstüchtige Leute werden die Wracks von weniger kompetenten Leuten abholen“.


Nur jeder zehnte Fondsmanager erwartet eine V-förmige Erholung der US-Wirtschaft. Die meisten Anleger lehnen eine optimistische Prognose ab und teilen den vorsichtigen Ansatz des Fed Vorsitzenden Powell, Graph: FT, May 25, 2020

Montag, 25. Mai 2020

Anti-System Politics


Buchbesprechung:

Jonathan Hopkin: Anti-System Politics – The Crisis of Market Liberalism in Rich Democracies, Oxford University Press, April 2020


Eine der vorzüglichen Eigenschaften, die dieses Buch lesenswert machen, ist das Narrativ. Der Autor redet nicht lange um den heissen Brei herum. Er nennt von Anfang an Ross und Reiter.

Der Aufstieg der Anti-System-Parteien ist seiner Ansicht nach auf eine klare Ablehnung des politischen Establishments auf beiden Seiten zurückzuführen: eine Abweisung des neoliberalen Konsenses. 

Beide (links und rechts) widersetzen sich harschen Folgen der Marktmacht, wenn auch auf unterschiedliche Weise: Ein Protest gegen die Ungleichheit und den wirtschaftlichen Schmerz, ausgelöst durch den Neoliberalismus.

Wie Trumps Wahl in den USA, die dem Brexit-Votum weniger als sechs Monate vorausging, war beispielsweise auch die britische Abstimmung über die EU ein Anti-System-Ausdruck, ein Votum der Missbilligung des bestehenden politischen Establishments und der Wirtschaftspolitik, die seit den 1980er Jahren auf der Tagesordnung steht.

Die neoliberale Wirtschaftsstrategie, anfangs vorangetrieben von Reagan in den USA und Thatcher in Grossbritannien, hatte zum Ziel, den Wohlfahrtsstaat zurückzudrängen, die Gewerkschaften zu marginalisieren und die Arbeits- und Finanzmärkte zu de-regulieren. So wurde der Lebensstandard der privaten Haushalte stärker von den Marktkräften abhängig gemacht. 

Samstag, 23. Mai 2020

Gehen Staaten wegen COVID19-Krise pleite?


Chris Giles schreibt bei FT, dass Grossbritanniens Staatsverschuldung als Anteil am Nationaleinkommen (BIP) innerhalb eines Monats auf den höchsten Stand seit 1963 geklettert ist

Zur Erinnerung: Der Grund für den Anstieg der öffentlichen Verschuldung ist das Massnahmenpaket, das die britische Regierung geschnürt hat, um die fatalen Folgen der COVID19-Krise abzufedern, für die Menschen und die Wirtschaft.

Die Krise sei schrecklich für die Gesundheit und den Wohlstand der Nation, so Giles weiter.

Das ist aber, bei allem Respekt, furchtbar falsch. 

Denn auf der aggregierten Ebene gleichen die Ausgaben den Einnahmen, und umgekehrt.

Wenn wir die Wirtschaft in drei Sektoren aufteilen, den öffentlichen Sektor, den privaten Sektor (Unternehmen und private Haushalte) und den Aussenhandel, dann wird es klar ersichtlich, dass dem Defizit eines Sektors ein Überschuss des anderen Sektors gegenüberstehen muss. 

Das ist eine buchhalterische Identität. (*)


Staatsverschuldung Grossbritanniens im Verhältnis zum BIP, Graph: Chris Giles, FT, May 22, 2020

Donnerstag, 21. Mai 2020

Wie die Wirtschaft nach der Coronavirus-Pandemie aussehen wird

Der Ausbruch des Coronavirus hat die grossen Zentralbanken dazu veranlasst, extreme Schritte zu unternehmen, um das Wachstum zu stützen, und die Finanzstabilität zu gewährleisten.

Betrachten wir März und April zusammen, summieren sich die Netto-Käufe der grossen Notenbanken bisher auf 2,5 Billionen USD (d.h. $2‘500 Mrd. USD). Und laut Bloomberg Economics wird es noch mehr geben. 

Auch das „Fiscal Monitor“ von IMF unterstreicht die einmaligen Anstrengungen der Staaten rund um die Welt als Reaktion auf die Pandemie, um das Menschenleben zu schützen und die Wirtschaft vor dem tiefen Absturz zu bewahren. 

Die Gesamtsumme der fiskalischen Unterstützung liegt laut IMF-Analyse bei 9 Billionen USD. Die Aufteilung sieht folgendermassen aus: 

Die direkte haushaltspolitische Hilfe wird derzeit weltweit auf 4,4 Billionen USD geschätzt, und zusätzliche Kredite und Kapitalzuführungen, Garantien und andere quasi-fiskalische Operationen des öffentlichen Sektors (nicht-kommerzielle Aktivitäten öffentlicher Unternehmen) belaufen sich auf weitere 4,6 Billion USD.


Netto-Käufe der G7-Zentralbanken beliefen sich im April auf 1,3 Billionen USD, Graph: Bloomberg, May 21, 2020 

Sonntag, 10. Mai 2020

Kommen Negativzinsen bald auch in die USA?


Die US-Notenbank hat im März 2020 den Fed Funds Rate um 1% auf fast null Prozent gesenkt. Die Zinsspanne beträgt seither 0% bis 0,25%.

Fed-Chef Jerome Powell hat zudem angedeutet, dass er Negativzinsen nicht für ein wirksames Instrument zur Stimulierung des Wachstums hält. 

Doch es kam am Donnerstag zu einem Paukenschlag. Der Fed-Funds-Futures Markt kalkuliert im nächsten Jahr negative US-Zinssätze ein. Die Futures Kontrakte vom Freitag signalisieren einen negativen Zinssatz von einem halben Basispunkt im April 2021.

Es ist unbestritten, dass es sich dabei um eine hochtechnische Angelegenheit handelt: Die Futures zeigen Markterwartungen an, die sich ändern können.

Die Zentralbanken versuchen im Allgemeinen, auf die Zinsen am kurzen Ende der Ertragskurve (yield curve) Einfluss zu nehmen. Am langen Ende der Kurve bilden sich die Zinsen aufgrund von Angebot und Nachfrage.

Ein negativer Leitzins würde bedeuten, dass die Banken für die überschüssigen Reserven, die sie bei der Fed hinterlegen, einen Zinssatz entrichten müssten.


Fed Funds Futures Zinsen (12 Monate), Graph: Bloomberg, May 08, 2020

Freitag, 1. Mai 2020

COVID19 und Finanzierung durch die Geldpolitik


Rund um die Welt wurde ein erheblicher Teil der Wirtschaft effektiv abgeschaltet, um das Coronavirus einzudämmen.

Es ist unumstritten, dass der Sperrmodus („lockdown“) eine finanzielle Katastrophe ist. Der deutsche Einzelhandel erwartet wegen der Corona-Krise bis zu 50‘000 Insolvenzen in der Branche.

Da es sich dabei nicht um eine gewöhnliche (nachfrage-bedingte) Rezession handelt, leisten Regierungen Katastrophenhilfe in grossem Umfang. 

Eine herkömmliche Fiskalpolitik, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, wäre fehl am Platz. Deswegen bemühen sich Staaten nach Kraft um die Bereitstellung von Arbeitslosenversicherung, Hilfe für Kleinunternehmen und mehr.

Wie aber bezahlen wir dafür?

Die Notenbank kauft Staatsanleihen und das Schatzamt leiht sich das Geld. Es ist monetäre Finanzierung. Aber man kann es auch, wie Heiner Flassbeck in seinem Blog beschreibt, „Finanzierung durch die Geldpolitik“ nennen.


EZB Staff Forecast (Prognose): Im schlimmsten Fall könnte das Wachstum im Euroraum im 2Q2020 um 15% einbrechen, Graph: Bloomberg, May 01, 2020