Buchbesprechung
Geoffrey Ingham: “Money – What is political economy?” Polity Press, Cambridge UK, Jan 2020.
Die anhaltende Debatte, die im Sog der GFC (Global Finance Crisis) 2007-2008, ausgelöst wurde, wie das moderne Geldsystem funktioniert, zeigt, dass es keine Einigung über die Grundsätze und die Verwaltung der Geldversorgung gibt.
Ein Meilenstein war allerdings die Anerkennung der "endogenen" Geldschöpfung durch das Bankensystem von der Bank of England (BoE) mit ihrer impliziten Akzeptanz (März 2014) der Kredittheorie des Geldes.
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Auffassung von Geld in der Soziologie und in heterodoxen Wirtschaftsschulen bereits seit dem 19. Jahrhundert existiert. Banker waren sich schon immer bewusst, dass Geld als Kredit-Schulden-Verhältnis entsteht.
Geoffrey Ingham schreibt in seinem neuen Buch, dass die Geldfrage zwei Elemente hat: erstens eine angemessene Theorie des Geldes, was es ist und wie es produziert wird, und zweitens die wesentliche politische Dimension:
Wer kontrolliert die Geldproduktion, wie viel und zu welchem Zweck?
Der emeritierte Dozent für Soziologie und politische Ökonomie an der Universität Cambridge und Fellow des Christ's College erklärt weiter, dass es, trotz der hartnäckigen ideologischen Versuche, Geld der natürlichen Welt oder zumindest außerhalb des sozialen Bereichs zuzuordnen, seit der ersten Verwendung von Geld bekannt ist, dass es sich dabei um eine "Sozialtechnologie" handelt, die als "Produktionskraft" die Wirtschaftstätigkeit anregen kann.
Ingham hält fest, dass die weit verbreitete Erkenntnis, dass die gängigen Wirtschaftsmodelle durch die Ausklammerung von Geld und Finanzsystem nicht in der Lage waren, die GFC (ein „Minsky Moment“) und andere Entwicklungen in modernen Volkswirtschaften zu verstehen, zu einem Wiederaufleben des Interesses an Keynes geführt hat.
Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass das Geld niemals "schuldenfrei" in dem Sinne sein kann, dass seine Akzeptanz auf dem Versprechen des Emittenten beruht, es zur Begleichung von Schulden anzunehmen.
Das Problem ist nicht so sehr die locker kontrollierte Kreditvergabe der Banken, sondern die Verbreitung von inhärent fragilen, privat ausgestellten Schuldscheinen (IOU; I Owe You, Schuldschein) in den Finanznetzwerken, nämlich dem "Shadow Banking".
Vor diesem Hintergrund unterstreicht Joscha Wullweber in seinem neuen Buch zu Recht mit Nachdruck, dass das Schattenbankensystem inzwischen den Kern des Finanzsystems bildet und zugleich die Quelle grundlegender Instabilität ist.
Wie wir heute via Social Media erfahren, werden gegenwärtig mit dem Aufstieg von Bitcoin prahlerische Behauptungen darüber aufgestellt, wie die Informationstechnologie (IT) Geld und Gesellschaft verändern und uns von der zentralisierten Herrschaft des modernen Staates befreien könnte.
Doch der Wettbewerb zwischen den Kursen einer zunehmenden Zahl von Crypto-Währungen hat zu der Blase und Instabilität geführt, die der Markt eigentlich beseitigen sollte.
Geld ist entweder eine Ware oder eine Forderung.
Ingham bemerkt, dass das Geld Märkte macht: Geld ist mehr als ein bloßes Tauschmittel und Zahlungsmittel.
Alles in allem stellt der Soziologe Ingham zwei große Theorien des Geldes gegenüber: die Warentheorie und die Kredittheorie. Nach der ersten Theorie hat sich Geld aus dem Tauschhandel entwickelt. Es gewinnt seinen Wert durch das Material, aus dem es besteht oder an das es gebunden ist (z. B. Gold). Nach der zweiten Theorie ergibt sich sein Wert aus den Schulden.
Die beiden Arten der Wirtschaftsanalyse und ihre jeweiligen Geldtheorien stehen hinter dieser wohl umstrittensten Frage der Steuerung („governance“) des Kapitalismus: Mainstream-Makroökonomie versus alternative Sichtweise (Sozialtechnologie).
Das heisst: „Geld ist ein neutrales Element“, Geld ist keine aktive Kraft versus Produktion wird nicht konsumiert, ohne dass zuvor Geld für Investitionen geschaffen wurde und „Warentheorie des Geldes“ versus „Kredittheorie des Geldes“, d.h. Materialismus und Naturalismus versus Nominalismus und sozialer Konstruktionismus.
Ein unerlässliches Buch zum Thema Geldsystem; eine überzeugende Analyse eines der umstrittensten Themen der Wirtschaftswissenschaften: was die Komplexität der verschiedenen Geldformen im modernen Kapitalismus bedeutet und wie die Zentralbanken die Funktionsweise der Finanzmärkte gewährleisten.
“Money – What is political economy?” by Geoffrey Ingham, Polity Press, Cambridge UK, Jan 2020.
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