Samstag, 28. April 2012

Politische Ökonomie: Einkommen versus Vermögen


Peter Dorman befasst sich in seinem Blog Econospeak mit der politischen Ökonomie der gesamtwirtschaftlichen Politik (macro-policy).

Es gibt zwei Lager, wenn man es salopp ausdrücken darf: diejenigen, die in erster Linie durch die Gefahren des Einkommens motiviert sind, und diejenigen, die durch die Gefahren des Vermögens motiviert sind.

Bedrohungen des Einkommens nehmen die Form von Arbeitslosigkeit, Lohneinbussen und Verluste der öffentlichen Zuwendungen ein. Die wirtschaftspolitischen Massnahmen, die für diese Gruppe interessant sind, sind i.d.R. keynesianischer Art: lockere Geldpolitik und expansive Fiskalpolitik, d.h. Massnahmen, die der Ankurbelung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dienen.

Bedrohungen des Vermögens nehmen die Form von Inflation und Zahlungsunfähigkeit (default) ein. Die wirtschaftspolitischen Massnahmen, die für diese Gruppe interessant sind, werden i.d.R. als orthodox bezeichnet: straffe Geldpolitik, Einschränkungen der Neuverschuldung der öffentlichen Hand und Feindseligkeit gegenüber Massnahmen, welche die Rentabilität der den Vermögens- und Kreditmärkten zugrunde liegenden Basiswerte verringern, was öfters als „Flexibilität des Arbeitsmarktes“ verhüllt präsentiert werden.

Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass Dorman hierbei aus ökonomischer Sicht kein Urteil darüber fällen will, was richtig, was falsch ist oder was gut, was schlecht ist. Er bezieht sich darauf, bestimmte politische Konstellationen an bestimmten Interessen anzubringen.

Entsprechen aber diese Perspektiven Klasseninteressen? 

Ja und nein. Klar ist, dass wohlhabende Personen wahrscheinlich mehr besorgt um das Vermögen sind als um das Einkommen. Und das Umgekehrte gilt für diejenigen, die über wenig Vermögen verfügen. Dennoch gibt es keine strikte Zuordnung, hebt Dorman hervor.

Wie wirken sich diese Perspektiven auf den wirtschaftspolitischen Diskurs aus?

Was wir von Orthodoxie wissen, ist, dass der Standpunkt explizit auf Vermögenseffekte beruht. Das heisst, dass die Inflation immer gleich um die Ecke lauert und jede zusätzliche Kreditaufnahme der öffentlichen Hand den Weg zu Zahlungsunfähigkeit ebnet: „die Menschen müssen lernen, mit weniger auszukommen und alle Schulden in vollem Umfang zurückzahlen“.

Inflation wird von Orthodoxie in erster Linie als Bedrohung für das Einkommen präsentiert, als die „grausamste aller Steuern“. Die Identität zwischen Einnahmen und Ausgaben (was durch die Leistungsbilanz angeglichen wird) wird dabei natürlich geflissentlich beiseite gelegt. Das heisst, dass der ganze Appell darauf basiert, Verwirrung zu stiften. Daher spielt die politische Ökonomie in der Gestaltung des Diskur um die wirtschaftliche Belange eine stärkere Rolle, unterstreicht Dorman.

Auf der keynesianischen Seite betrifft die Bedrohung des Nachfrageausfalls im Hinblick auf Gewinne und die Ansprüche der Märkte auf Gewinne. Und die Argumente in Sachen Inflation sind einfach überzogen.

Es gibt aber auch einen emotionalen Aspekt, der die Zeit betrifft. Keynesianer betonen die Bedeutung des Potenzials auch für die nahe Zukunft in Bezug auf die künftige Produktion von Wohlstand, indem sie Optimismus zum Ausdruck bringen. Das heisst, dass es dabei um eine zupackende Haltung, eine anpackende Mentalität handelt. „Folgen wir der richtigen Wirtschaftspolitik, können wir gemeinsam eine höhere Lebensqualität erreichen“. Die Orthodoxen, die sich um den Schutz des Vermögens aus der Vergangenheit kümmern, drücken eine Art Sturheit aus.

Interessant ist, dass Dorman auf das Argument „Vertrauen“ auf der Seite der Orthodoxen nicht eingeht. In der öffentlichen Debatte versuchen die Orthodoxen die Bedrohung des Vermögens auch als Gefahr für diejenigen ohne Vermögen gleich darzustellen. Ihre Argumentation lautet, dass die Reichtum-Inhaber eine entscheidende Rolle bei Investitionen spielen und die Investitionen der Schlüssel zum Schutz des Einkommens sind. Es ist natürlich Unsinn.

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