Buchbesprechung
Robert H. Frank: “The Darwin Economy”. Liberty, Competition and the Common Good. Princeton University Press, Princeton 2011.
Robert H. Frank: “The Darwin Economy”. Liberty, Competition and the Common Good. Princeton University Press, Princeton 2011.
Wer war der grösste Ökonom? Adam Smith oder Charles Darwin? Da Darwin, der bahnbrechende Naturforscher, sich nie als Ökonom betrachtet hat, scheint die Frage absurd. Doch sein Verständnis von Wettbewerb beschreibt die wirtschaftliche Realität weit genauer als Smith, schrieb Robert Frank neulich in einem lesenswerten Artikel („Darwin, the Market Whiz“) in NYT.
Innerhalb des nächsten Jahrhunderts werde Darwin von den meisten Ökonomen als der geistige Vater ihrer Disziplin gesehen werden, sagt Frank voraus. Smith is bekannt für seine Theorie der „unsichtbaren Hand“. Laut seinen Schülern hält die unsichtbare Hand fest, dass ungezügelte Marktkräfte dafür sorgen, dass Eigeninteresse dem Gemeinwohl dient.
Darwin verstand es, dass Einzel- und Gruppeniteressen manchmal zusammenfallen, wie in Smiths Rahmenwerk. Aber Darwin sah auch, dass Interessen auf zwei Ebenen oft drastisch im Konflikt stehen. In solchen Fällen übertrumpfen individuelle Interessen, erklärt Frank.
Genauere Lektüre von Smiths Arbeit zeigt, dass seine Position den modernen Liberalen (liberal im amerikanischen Sinne) sehr ähnlich ist. Er hielt es für bemerkenswert, dass Eigeninteressen oft das Gemeinwohl fördern, aber er hat nie behauptet, dass es immer der Fall ist. Wie moderne Liberalen (liberal im amerikanischen Sinne) sah er das Marktversagen im unzureichenden Wettbewerb verwurzelt. Darwin wusste, dass der Wettbewerb, wenn Einzel- und Gruppeninteressen divergieren, nicht nur fehlschlägt, das Gemeinwohl zu fördern, sondern es auch aktiv untergräbt, legt Frank dar.
Der moderne Markt ist voll von Individual- versus Gruppen-Konflikten wie derjenige von Elchbullen mit übergrossem Geweih. Elche mit grossem Geweih gewinnen Kämpfe mit anderen Elchen und paaren sich mit mehreren Weibchen. Doch sie können auch vom Wolfsrudel gejagt und getötet werden, weil sie sich im Wald wegen des grossen Geweihs nicht verstecken können. Elche als Ganzes wären besser dran, wenn sie alle sich einigen könnten, ihr Geweih um einen Faktor von vier oder fünf zu kürzen.
Wenn Sie einer von mehreren qualifizierten Bewerbern auf der Suche nach einem Investmentbanking Job sind, ist es in Ihrem Interesse, während des Interviews gut auszusehen. Aber gut-Aussehen ist ein relatives Konzept. Wenn andere Bewerber 600$-Anzüge tragen, würden sie einen besseren Eindruck hinterlassen, wenn Sie mit einem 1‘200$-Anzug auftreten.
Etwas mit etwas Höherwertigem zu ersetzen, ist für eine Gruppe verschwenderisch, da die Bewerber die Position mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht bekommen, wenn sie alle mehr Geld für Anzüge ausgeben. Aber aus Sicht des Einzelnen gibt es keinen Grund, es zu bereuen, einen teueren Anzug gekauft zu haben, argumentiert der an der Cornell University, Johnson Graduate School of Management lehrende Wirtschaftsprofessor.
„Wenn die Fähigkeit, wichtige Ziele zu erreichen, von dem relativen Konsum abhängt, dann sind alle Wetten auf die Wirksamkeit von unsichtbarer Hand aus. Wie Darwin es sah, werden viele Aspekte des Lebens auf der Kurve bewertet. Und in solchen Fällen führen individuelle Anreize oft dazu, dass die gegenseitigen Bemühungen sich ausgleichen“, erklärt Frank.
Was der Autor damit konkret zum Ausdruck bringen will, ist, dass der ökonomische Wettbewerb öfters zu Wettrüsten führt, was eine Verhaltensweise ermutigt, die nicht nur enorme Schaden für Gruppen anrichtet, sondern auch keine anhaltende Vorteile für die Individuen bringt, da jeder Gewinn dabei tendenziell relativ ist und sich gegenseitig ausgleicht. Die Darwin Economy lässt sich bändigen, nicht indem man, schädliche Handlungsweise verbietet, sondern mit Steuer belegt. Vor diesem Hintergrund schlägt Prof. Frank vor, die aktuelle progressive Einkommensteuer zu verschrotten und eine stark progressivere Steuer auf den Verbrauch einzuführen.
Die besondere Argumentation um das Coase-Theorem („Externalitäten sind gegenseitig“) zieht sich durch Franks komplexes Buch wie ein roter Faden: Die zentrale Frage muss nicht immer lauten, ob die Bereitschaft eines Individiums, zu zahlen, zu der bestmöglichen Allokation führt, sondern ob eine praktische Alternative ein besseres Ergebnis liefert, so Frank. Während der Clinton-Regierung wurde beispielsweise angeordnet, auf der Ebene der Behörden die Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Analysen durch Verteilungsüberlegungen abzumildern.
Der Fokus ist daher immer nach der Verteilung der gewöhnlichen Güter und Dienstleistungen zu richten. Wenn die Verteilung nicht auf der Basis der Bereitschaft, zu zahlen, beruht, dann ist es möglich, Umordnungen zu finden, die jedem zu Gute kommen. Das grundlegende Prinzip ist, dass jeder, wenn der ökonomische Kuchen grösser wird, ein grösseres Stück davon bekommt. Reiche und Arme haben deswegen ein gemeinsames Interesse daran, den ökonomischen Kuchen so gross wie möglich zu machen.
Der Hintergrund des Buches ist, aufgrund praktischer Beispiele aus dem Leben in einer modernen Gesellschaft, den allgemeinen Standpunkt der Libertarians nachhaltig zu entkräften. Und es gelingt dem Autor überzeugend. Ein wichtiges Buch zum richtigen Zeitpunkt.
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