Sonntag, 27. Januar 2019

Euroraum: Warum sind die Zinsen so niedrig?


Es gibt mehrere Gründe für die niedrigen Renditen, schreibt die Bank Safra Sarasin im am Freitag veröffentlichtem Cross-Asset Weekly.

Verschiedene EZB-Massnahmen wie Negativzinsen, das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten und die explizite Prognose für die Forward Rate (forward guidance) haben die Anleiherenditen auf ein Niveau gedrückt, das deutlich darunter liegt, was normalerweise mit den in den letzten Jahren beobachteten wirtschaftlichen Zahlen im Einklang stünde.

Richtig?

Nein. Die aufgezählten Massnahmen wurden von der EZB erst getroffen, nachdem die Zinsen an der Nullzins-Grenze aufgeprallt sind. Das heisst, dass sie nicht die Ursache für die Niedrigzinsen sind, sondern die Folge.

Denn die EZB will mit all den genannten Instrumenten (im Rahmen ihrer unkonventionellen Geldpolitik) die Marktteilnehmer animieren, Kredit aufzunehmen, m.a.W. sich zu verschulden, um die Nachfrage anzukurbeln.

Warum reden wir dabei von „unkonventionellen Massnahmen“? Weil die nominalen Zinsen nahe Null-Grenze liegen und die herkömmliche Geldpolitik dann an Zugkraft verliert. 

Da der Einsatz der Fiskalpolitik Euro-Raum ein Tabu ist, versucht die EZB auf sich allein gestellt, völlig verzweifelt, der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.


In den letzten vier Jahren notierten die Renditen deutscher Bundesanleihen in einem relativ engen Bereich im Durchschnitt bei 0,37%, Graph: Bank Safra Sarasin, Jan 25, 2019

Freitag, 25. Januar 2019

Anomalie: Sparende Unternehmen und Negativrenditen

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Ausbruch der Global Financial Crisis (GFC) mehr als 10 Jahre zurück liegt, spricht die folgende Abbildung Bände. 

Ein Haufen Anleihen werden immer noch mit Negativrenditen gehandelt. 

Die Umlaufrenditen von Staatsanleihen bewegen sich in grossen Teilen der Industrieländer in negativem Terrain. Oder sie liegen auf einem Niveau, das für den Kapitalerhalt nicht ausreicht, berichtet Allianz Global Investors.

Warum sind aber die Zinsen so lange, so niedrig? 

Die Schuldigen sind schnell ausgemacht, wenn es Mainstream-Medien und/oder Bank-Ökonomen geht: Die Zentralbanken, die die Zinsen „künstlich“ tief halten. 

Das ist natürlich eine absurde Behauptung. 

Die Zinssätze sind weltweit niedrig. Welcher Art von Koordination bedarf es zwischen Zentralbanken, die dafür sorgt, dass die Zinsen überall auf der Welt so viele Jahre niedrig bleiben, ohne Inflation auszulösen?


Staatsanleihen, die mit einer negativen Rendite gehandelt werden, Graph: Allianz Global Investors, Jan 24, 2019

Mittwoch, 23. Januar 2019

Euro-Reform: Marktdisziplin, Marktversagen und andere Widrigkeiten


Social Europe hat am Montag zum zwanzigsten Jahrestag der EUR-Einführung ein neues e-Book („Still time to save the euro“) vorgestellt.  

Das elektronische Buch, das von Hansjörg Herr, Jan Priewe and Andrew Watt herausgegeben wurde, konzentriert sich auf die vier grössten Volkswirtschaften im Euroraum: Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass mit dem nachlassenden wirtschaftlichen Aufschwung ungelöste Probleme wieder in den Vordergrund treten. Nicht nur Italiens Performance wird kritisch betrachtet, sondern auch der enorme Leistungsbilanz-Überschuss Deutschlands.

Die Einkommensungleichheit nimmt zu. Der wirtschaftliche, soziale und politische Zusammenhalt innerhalb und zwischen den Ländern ist gefährdet, lautet ein Fazit im Buch.

Verschiedene Autoren liefern dazu insgesamt 15 Beiträge. Darunter Peter Bofinger. Der an der Universität Würzburg VWL lehrende Wirtschaftsprofessor geht dabei nüchtern und analytisch auf das fast vor genau einem Jahr in Berlin vorgelegten Reformpapier der prominenten Ökonomen aus Deutschland und Frankreich zur Reform der EWU ein.

Die Verfasser des Papiers vertreten die Ansicht, dass die Europäische Währungsunion (EWU) mit mehr Marktdisziplin und mehr Risikoteilung krisenfest gestaltet werden kann.


Finanzierungssalden der Sektoren der deutschen Wirtschaft, Graph: Jörg Bibow in: e-Book Social Europe “Still time to save the euro“, Jan 2019 

Montag, 21. Januar 2019

Fed and Powell-Put: data-dependent and market-dependent


Die Fed ist nach wie vor der Ansicht, dass die Wirtschaft im Wesentlichen solide weiter wächst und das Wachstum sich über das Jahr 2019 hinaus fortsetzt.

Es bestand daher zumindest bis jetzt keinen Anlass, die bereits angedeutete Zinserhöhung nicht fortzufahren.

Die Fed-Funktionäre wurden jedoch neulich von der rückläufigen Weltwirtschaft und dem Ausverkauf von Aktien und Unternehmensanleihen an bestimmten Märkten angehalten, darüber nachzudenken, ob der bisher von der Fed an den Tag gelegte Optimismus gerechtfertigt ist.

Die Entscheidungsträger der US-Notenbank erwecken nun den Eindruck, als wären für das Jahr 2019 nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Zinserhöhungen vorgesehen.

Während manche Analysten vor diesem Hintergrund von einer „Pause“ in Sachen Zinserhöhungen reden, interpretieren andere Volkswirte die jüngsten Aussagen des Fed-Präsidenten Jerome Powell so, dass die US-Notenbank allzu wilde Kursabstürze an den Aktien-Börsen unterbinden will (“Powell-Put”). 


Wahrscheinlichkeit von von Fed-Zinserhöhungen oder Fed-Zinssenkungen, Graph: BloombergTV Jan 2019 
Zinserhöhung (weisse Kurve): 28.6%
Unverändert (blaue Kurve): 68.5%
Senkungen (rote Kurve): 3%

Donnerstag, 17. Januar 2019

Deutschland und „No Future“?


Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal zum ersten Mal seit 2015 geschrumpft.

„Deutschland sieht plötzlich als aus“, betitelt faznet einen eigenen Bericht über die Wachstumsstagnation.

Auf einmal ist von einer Rezession die Rede, obwohl die Staatsverschuldung fällt, die Arbeitslosigkeit sinkt und sogar die Löhne steigen, wenn auch geringfügig. 

Der Überschuss im Haushalt schützt die viertgrösste Volkswirtschaft der Welt offenbar nicht vor einem Konjunktureinbruch. Der Anteil der Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen mit 47.2% am BIP ist in keiner anderen Industrienation so hoch wie in Deutschland.

Doch das Export-Geschäft ist derzeit der grösste Klotz am Bein der deutschen Wirtschaft.


Das deutsche BIP-Wachstum, Graph: FT, Jan 16, 2019 

Mittwoch, 16. Januar 2019

Ist MMT eine sozialistische Idee?


Alexandria Ocasio-Cortez (D-New York) ist die jüngste Frau im amerikanischen Abgeordnetenhaus. 

AOC, das Aushängeschild für die neuen Demokraten hat neulich den Vorschlag unterbreitet, die wohlhabendsten Amerikaner mit einem Grenzsteuersatz (marginal tax rate) von 70% zu belegen. 

Das mag sich politisch verrückt anhören, v.a. nachdem die Republikaner nur die Steuersätze für die reichsten Amerikaner gesenkt haben.

Es ist aber nicht beispiellos: in den 1950er und 1960er Jahren gab es in den USA unter republikanischen und demokratischen Regierungen ähnliche Sätze.

Dass ein Grenzsteuersatz von 70% nicht aus der Reihe tanzt, belegen diverse Research-Papiere von namhaften, seriösen Ökonomen in jüngster Zeit, wie Paul Krugman in seinem Blog bei NYTimes unterstreicht.

Es ist zudem bekannt, dass AOC mit der Modern Monetary Theory (MMT) liebäugelt.

Die „moderne Geldtheorie“ (MMT) sollte absolut ein Teil unseres Gesprächs über die Wirtschaft sein, sagt sie in einem kürzlich erfolgten Interview.

Seither ist die MMT schnell wieder in die Schlagzeilen zurückgekehrt. 


Die Finanzierungssalden der US-Wirtschaft, private Haushalte, Unternehmen und Staat, und Ausland (capital account; inverse of current account), Graph: Stephanie Kelton 

Samstag, 12. Januar 2019

Niedrige Zinsen, Haushaltsdefizite und Investitionen


Im Euroraum lag die Arbeitslosenquote im November 2018 bei 7.9%. Damit verzeichnete sie einen Rückgang gegenüber 8,0% im Oktober 2018 sowie gegenüber 8,7% im November 2017, wie Eurostat am Mittwoch mitgeteilt hat. 

Im November 2018 waren in der EU28 insgesamt 16,4 Mio. Männer und Frauen arbeitslos. Zudem hat Europa immer noch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Im November 2018 waren in der EU28 3,4 Mio. Personen im Alter unter 25 Jahren arbeitslos: 6,1% in Deutschland, 36,6% in Griechenland, 34,1% in Spanien und 31,6% in Italien.

Eine Zeit der Massenarbeitslosigkeit ist sicherlich keine gute Zeit für eine Kürzung der Ausgaben. Fiscal Austerity war von Anfang an eine schlechte Idee. Es ist aber darüber hinaus zweifelhaft, ob es für Fiscal Austerity überhaupt einen richtigen Zeitpunkt gibt.

Denn die Besessenheit vom Thema „Haushaltsdefizit“ und „Schulden“ im Allgemeinen wirkt selbst bei Vollbeschäftigung töricht.

Derzeit sind die Zinssätze für die Staatsverschuldung recht niedrig, was wiederum dazu führt, dass die Sorgen über die Verschuldung übertrieben sind. 

Und der durchschnittliche Zinssatz für die Verschuldung ist niedriger als die Wachstumsrate der Wirtschaft („r < g“). 

Warum ist das wichtig?


Die Höhe der amerikanischen Staatsschulden absolut und im Verhältnis zum BIP, Graph: Paul Krugman, Jan 9, 2019, NYTimes

Donnerstag, 10. Januar 2019

SNB meldet Verlust, aber behält finanzielle Unabhängigkeit


Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird nach eigenen Angaben für das Geschäftsjahr 2018 (nach provisorischen Berechnungen) einen Verlust von 15 Mrd. CHF ausweisen. (*)

Der Erfolg auf den CHF-Positionen belief sich auf 2 Mrd. CHF. Auf dem Goldbestand resultierte ein Bewertungsverlust von 300 Mio. CHF. Und der Verlust auf den FX-Positionen betrug rund 16 Mrd. CHF.

Was bedeutet aber der Verlust von 15 Mrd. CHF? 

Spielt die SNB auf Risiko? Ist die SNB-Bilanz problematisch? Müssen sich SNB-Aktionäre Sorgen machen?

Zur Erinnerung: Im Jahr 2017 hatte die SNB noch einen Rekordgewinn von 54,4 Mrd. CHF erzielt. 2016: 24 Mrd. CHF (Gewinn), 2015: 23 Mrd. CHF (Verlust), 2014: 38 Mrd. CHF (Gewinn).

Die Fremdwährungsreserven der SNB sind im Dezember auf 729 Mrd. CHF (von 749 Mrd. in November) zurückgefallen, wie die SNB am Mittwoch mitgeteilt hat. Doch die FX-Reserven der SNB übertreffen immer noch das gesamte BIP der Schweiz.

20% der Devisenreserven sind in Aktien investiert. Die grössten Positionen beinhalten Werte wie Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Facebook usw.

Es ist bekannt, dass die sog. FAANG-Werte nach einem fulminanten Start ins Jahr 2018 am Ende im Bärenmarkt abgetaucht sind. Die Kursverluste machen sich daher auch im Aktien-Portfolio der SNB bemerkbar.  


SNB Gewinn und Verlust, Graph: Bloomberg, Jan 9, 2019


Dienstag, 8. Januar 2019

Interview: Prof. Ashoka Mody, Princeton University

Ashoka Mody is Charles and Marie Robertson visiting professor in International Economic Policy at the Woodrow Wilson School, Princeton University.


The year is 2019: Euro is now 20 years old. How well is the eurozone prepared for possible future crisis or recession, while the key interest rate is virtually zero percent?

The eurozone is financially more vulnerable than at the start of the Global Financial Crisis (GFC) in 2007. Government debt ratios are higher nearly everywhere—in some cases, significantly higher.

Although banks are in better health than at the peak of the eurozone crisis, several banks are still very shaky. The largest of the troubled banks is Deutsche Bank, and Italy's Banca Carige is teetering.

Very likely, "zombie lending," refreshing of loans to companies under financial stress, is hiding the extent of the problems. With the world economy slowing down, the stresses will become more acute and visible.

While the vulnerabilities are greater than in 2007, the policy space to deal with a new crisis is much less. The ECB’s policy interest rate is negative and cannot go much lower without creating more pressure on earnings of banks and insurance companies.

The ECB has stopped its bond purchases, despite the evident economic slowdown. Stopping of bond purchases reflects the ECB’s political limits: its holdings of the debt of member countries is already in the region of 20 percent—the willingness to expose the ECB to greater sovereign risk is limited.

Samstag, 5. Januar 2019

#PayGo und dann was? Defizitbesessenheit


Die Demokratische Partei feiert derzeit das epische Comeback von Nancy Pelosi an die Spitze des US-Kongresses. 

Die frisch gewählte Parlamentspräsidentin der USA ist nunmehr die mächtigste Gegenspielerin des US-Präsidenten Donald Trump.

Während die liberalen Demokraten die Madam Speaker bejubeln, haben die progressiven Demokraten etwas einzuwenden.

Worum geht‘s? 

Es geht darum, dass Pelosi allem Anschein nach an „paygo“ festhält. 

Das ist eine Regel, die verlangt, dass die Ausgabensteigerungen des Staates durch einen Ausgleich von Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle kompensiert werden müssen.

Gemeint ist im Grunde genommen ein ausgeglichenes Budget. In Europa würde man sagen: Schuldenbremse und/oder auf Neudeutsch „Schwarze Null“-Politik, oder ganz pathetisch: „fiskalpolitische Verantwortung“, d.h. an Defiziten sich die Zähne ausbeissen, auch wenn die Zinsen nahe Null-Grenze liegen und die öffentliche Infrastruktur marode ist.

Mechanische Regeln für Haushaltsdefizite sind eine wirklich schlechte Idee. Für Demokraten, die die Ausgaben der öffentlichen Hand in eine Zwangsjacke stecken, sieht es nach einem schlechten Schritt aus, kommentiert Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes.


Die Sektor-Bilanzen der US-Wirtschaft, Graph: Makroskop, Nov 06, 2018

Mittwoch, 2. Januar 2019

Euro feiert den 20. Jahrestag. Wie bitte?


Es ist heute der 20. Jahrestag der Gemeinschaftswährung.

Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld, drei Jahre später am 1. Januar 2002 als Bargeld eingeführt.

Gibt es einen Grund zum Feiern? Was ist seither geschehen? 

In Wirklichkeit hat der Euro geringes Wachstum, wirtschaftliche Instabilität und politische Zwietracht nach Europa gebracht, wie Prof. Steve Keen in seinem Blog heute schreibt.

Europas unverantwortliche Führungspersönlichkeiten machen es jedoch zu einem ungezügelten Positiv, in einer Zeit, in der normale Bürger Europas die „Gelben Westen“ (Gilets Jaunes) anziehen und ihre Notlage beklagen. 

Man stelle sich vor: Griechenlands BIP ist, seit die Eurozone die Fiscal Austerity verordnet hat, wie in einer Great Depression abgestürzt. Das nominale BIP Griechenlands liegt heute mehr als 25% unter seinem Höchststand. 


Das BIP Griechenlands im Würgegriff der harschen Fiscal Austerity Politik der EU-Behörden, gesteuert von Brüssel und Berlin, Graph: Prof. Steve Keen, Jan 1, 2019.