Mittwoch, 25. April 2012

Staat und Markt – Technologie und Marktchancen


Wo wäre Google heute ohne die staatlich geförderten Investitionen im Internet und ohne den Zuschuss von US National Science Foundation (NSF), der die Entdeckung des eigenen Algorithmus finanziert hat, schreibt Mariana Mazzucato in einem lesenswerten Artikel („Without state spending there’d be no Google or GlaxoSmithKline“) in The Guardian.

Wo wären GlaxoSmithKline oder Pfizer ohne 600 Mrd. $, die das US National Institute of Health in die Forschung und Entwicklung investiert hat, was zu 75% zu den innovativsten neuen Medikamenten in den letzten 10 Jahren geführt hat?

Die Rolle des Staates in jedem dieser Fälle hatte nicht einfach mit der Korrektur von „Marktversagen“ zu tun. Was die öffentliche Hand getan hat, war, grosses Risiko einzugehen, bevor der Privatsektor es gewagt hat, einzusteigen. Der Staat hat „unternehmerisch“ gehandelt, hebt die an der University of Sussex (UK) lehrende Wirtschaftsprofessorin hervor.

Im Biotech-Sektor ist Venture Capital erst 15 Jahre nach den Investitionen der öffentlichen Hand in die Biotech-Wissensbasis eingestiegen. Im Nanotech-Sektor waren es die Wissenschaftler von NSF, die den Begriff geprägt haben, bevor die Privatwirtschaft die Ertragschancen erkannt hat, erläutert Mazzucato weiter.

Der Staat ist nicht nur wichtig, der Wirtschaft während Rezessionen durch die Fiskalpolitik einen Kick-Start zu geben, sondern auch in Boom-Zeiten die Wege zu ebnen, die mit dem Beginn der neuen technologischen und Marktchancen einhergehen. In solchen Zeitperioden wartet der Privatsektor auf die öffentliche Hand, die schwere und riskante Investitionen tätigt. Keynes hat einst Unternehmen daher als „domesticated animals“ beschrieben, die die staatliche Hilfe benötigen, um Löwen werden zu können.

Mazzucato beschreibt die wesentlichen Merkmale der Innovation wie folgt: 

(1) Innovation is kollektiv, was unterschiedliche Arten von Unternehmen, finanzielle Mittel und staatliche Institutionen einschliesst. 

(2) Innovation ist aber auch unsicher, mit hohen Ausfallraten, aber auch mit hohen Renditen verbunden, wobei die öffentliche Hand das grösste Mass an Risiken und Unsicherheiten übernimmt und 

(3) kumulative Innovation von heute baut auf Innovation von gestern. Das heisst, dass bestimmte Agenten in der Lage sind, sich entlang der Innovationskurve strategisch zu positionieren und im gesamten Area mehr Erträge zu erlangen als den eigenen marginalen Beitrag. Das Risikokapital tritt spät ein und kassiert aus der Industrie ab, die es nicht selbst erstellt hat.

Fazit: Prof. Mazzucato betont mit Bezug auf Grossbritannien, dass die Neuordnung (rebalancing) der Wirtschaft nicht nur eine Neuordnung weg vom Finanzsektor ab in Richtung Fertigung ist, sondern die Neuordnung von Indikatoren der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die in allen Sektoren „zu finanzsektor-lastig“ geworden sind, sodass kurzfristige Gewinne anstatt Wertschöpfung belohnt werden.

Eine öffentliche Investitionsbank könnte helfen, ein Finanzsystem zu schaffen, welches Innovation dient, statt Innovation, die dem Finanzwesen dienen. Vorerst muss aber darüber diskutiert werden, woher die Werte kommen. Und „wir müssen lernen, nicht nur einzelne Unternehmer zu feiern, sondern auch die aktiven Investitionen der öffentlichen Hand, die einen guten Start ermöglichen“.

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