Freitag, 8. Mai 2009

The Fat Tail

Buchbesprechung:

Ian Bremmer & Preston Keat: The Fat Tail. The Power of Political Knowledge for Strategic Investing. Oxford University Press, 2009.


Eines der auffälligsten Merkmale der anhaltenden Wirtschaftskrise ist, dass Marktteilnehmer und Analysten die Ausfallwahrscheinlichkeiten und Risiken von sog. innovativen Finanzprodukten vollkommen falsch eingeschätzt haben. Konjunkturprogramme, Bankenrettungsfonds, erhöhter Einlegerschutz, gelockerte Buchhaltungsregeln usw. verdeutlichen nun die steigende Rolle des Staates bei der Bewältigung der Krise. Vor allem in solchen schweren Zeiten bestimmen nicht die ökonomischen, sondern die politischen Faktoren die Geschäftslage. Die meisten Unternehmen sind aber dafür nicht gerüstet, politische Risiken einzuschätzen. Die zentrale Aussage dieses Buches ist daher, dass politische Risiken in Format von „fat tail“ für Regierungen, Unternehmen und Anleger jetzt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Autoren zeigen auf, wie dieser Risikokategorie im allgemeinen zu begegnen ist.


Ian Bremmer ist Präsident der Eurasia Group, die weltweit als Beraterin für politische Risiken gilt. Bremmer hat an der Stanford University promoviert. Preston Keat ist Direktor der Eurasia Group. Seine Expertise bezieht sich auf Themen wie „Riskmanagement“ und „Emerging Markets Political Economy“. Die Anzeichen mehren sich, dass die Politik im sog der Finanzkrise die treibende Kraft verschiedener globalen Phänome wird, die das Potenzial haben, ökonomische Institutionen weltweit strukturell neu zu gestalten: Der Umbau des amerikanischen Steuersystems, protektionistische Tendenzen, Nahrungsmittelkrise, Migranten-Schelte, Anti-Ausländer Stimmung, der Angriff auf das Schweizer Bankkundengeheimnis sind dazu zu zählen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wie sind aber solche Warnsignale wahrzunehmen und wie ist damit umzugehen? „fat tail“ ist ein Begriff aus der Statistik im Hinblick auf die Normalverteilungstheorie und beschreibt in diesem Buch ein besonderes Ereignis, welches unwahrscheinlich ist, stattzufinden, und schwierig ist, vorherzusagen, und deswegen von vielen Menschen ignoriert wird, bis es passiert. Dann entsteht aber ein Schaden katastrophalen Ausmasses. Zum Beispiel: Die finanzielle Kernschmelze Russlands im Jahre 1998. Die Autoren gehen anhand von konkreten Fällen aus der Geschichte der Frage nach, warum derartige Risiken ignoriert werden? Weil (1) das politische Risiko als zu komplex und zu schwierig gilt, vorherzusehen, (2) Risikomanager von Daten abhängig sind. In Sachen politisches Risiko lassen sich aber kaum Daten finden und (3) Unternehmen in erster Linie Kredit- und Marktrisiken erfassen, weil es regulatorisch vorgeschrieben ist. Es gibt keinen gesetzlichen Zwang, politische Risiken zu managen. Bremmer und Keat erläutern in diesem durchaus interessanten Werk, wie politische Risiken identifiziert, analysiert und gelindert werden können. Die historischen Beispiele sind sehr anschaulich und überzeugend: Niemand hat z.B. das Ende des Kalten Kriegs, der Oktoberrevolution und der 9/11 Terroranschläge genau prophezeit. Unternehmen können Kriege zwischen Staaten nicht verhindern, schreiben die Autoren weiter, aber sie können sich auf verschiedene geopolitische Szenarien vorbereiten, Ausweichpläne entwickeln und Versicherungen für Projekte mit geopolitischen Exposures abschliessen. Risiko bedeutet die Wahrscheinlichkeit eines widrigen Ergebnisses, welches sich mit eigenen Auswirkungen vervielfacht. Es gibt vier Hauptstrategien, halten die Autoren fest, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass ein Risiko-Fall passiert. Risk Manager können versuchen (1) die Bedrohung zu eliminieren, (2) die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, (3) den Fall zu isolieren und (4) das Risiko völlig zu vermeiden. Krieg, Terrorismus, Zwangsenteignungen, gewaltsame Regierungswechsel, politisch motivierte Gesetzgebung usw. Regierungen und Unternehmen sollen auf der Hut sein, dass die Geschichte hinter dem Horizont nicht zu Ende geht. Das Buch kann Anspruch auf den Status als Standardwerk erheben.

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