Freitag, 31. Juli 2015

Das Gerede vom Staatsbankrott

Die Lehre, die “aus dem Griechenland-Debakel zu ziehen ist, dass die Eurozone so schnell wie möglich eine Konkursordnung für Staaten entwickeln soll”, schrieb Hans-Werner Sinn am Dienstag in einem Artikel in ProjectSyndicate.

Und gestern schlug auch Kollege Mark Schieritz in die gleiche Kerbe in Die Zeit: “Wir brauchen eine Währungsunion, in der Staaten pleitegehen können”.

Was hat es mit Staatsbankrott auf sich?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gläubiger seit geraumer Zeit bemüht sind, die Austerität mit der Einschüchterung “Staatsbankrott” fortzusetzen.

Und zugleich entsteht in den Medien der Eindruck, wie wenn es sich bei Hilfspaketen für Griechenland, die ja nichts anders als Kredite sind, um Transferzahlungen handeln würde.

Griechenland steht aber bereits seit 2010 unter dem Diktat der Troika. Und Athen hat die Gürtel so eng geschnallt, dass die Wirtschaft dabei um 25% geschrumpft ist. Das Land hat sogar mit Ach und Krach einen Primärübeschuss erwirtschaftet.

Soll jetzt dem ganzen Unsinn mit Staatsbankrott ein Ende bereitet werden? Wer die Logik versteht, soll es bitte weiter erklären. Hans Werner Sinn will damit debt mutualization verhindern. Das heisst, wer Schulden hat, ist schuldig.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Eurozone und sinkende Nachfrage

Die von der EZB heute gelieferte Abbildung zeigt in aller Deutlichkeit, wie die stumpfsinnige Austeritätspolitik auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lastet.

Die Binnennachfrage verharrt immer noch unter dem Vor-Krisen-Niveau. Die EZB führt die Entwicklung auf 1) die Bilanzkonsolidierung im Privatsektor, 2) den Schuldenabbau-Prozess im Banken-Sektor, und 3) die unvorteilhafte finanzielle Lage in einigen Ländern zurück. Aber nice try!

Die EZB erklärt ferner, dass die Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 zu einer erhöhten Unsicherheit führe und dadurch negative Auswirkungen auf das Verbrauchervertrauen und die Investitionsausgaben der Unternehmen entfalte.

Es fragt sich aber, ob es Sinn mache, dass die EU-Behörden vor diesem Hintergrund weiterhin auf Sparkurs bestehen, wenn die privaten Haushalte sich mit Konsum zurückhalten, die Unternehmen nicht investieren und die öffentliche Hand die Ausgaben kürzt.

Woher soll das Wachstum kommen, wenn alle die Gürtel enger schnallen? Die Eurozone kommt mittlerweile seit sechs Jahren nicht aus der Misere.



Aussen- und Binnennachfrage in der Eurozone, Graph: ECB in: Economic Bulletin, July 30, 2015 

Mittwoch, 29. Juli 2015

Sollen die Notenbanker nur über die Geldpolitik reden?

Simon Wren-Lewis nimmt eine aktuelle Aussage von Andrew Haldane (dem executive director von Bank of England for financial stability) zum Anlass, ein umstrittenes Thema in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken: Sollen die Notenbanker nur über die Geldpolitik reden und keine politische Ratschläge erteilen?

Haldane hat neulich das britische Modell von corporate governance in Frage gestellt und des short-terminism bezichtigt. In Grossbritannien gibt es seit langer Zeit Forderungen, das deutsche Modell zu übernehmen.

Es wird oft gesagt, dass die Zentralbanker sich in Bezug auf politische Fragen, die nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört, zurückhalten sollen, als Teil einer impliziten Gegenleistung (quid pro quo) mit Politik, sodass Politiker darauf verzichten, ihre Meinung über die Geldpolitik in der Öffentlichkeit kundzutun, erklärt Wren-Lewis.

Abgesehen davon, dass die EZB (*) keine Kenntnis davon nimmt, wundert sich der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor, ob es sich dabei um eine Fiktion handelt, damit die Politiker die Zentralbanker bremsen können, sich über Themen zu äussern, die die Politiker vielleicht umständlich finden, wie z.B. dass die Austeritätspolitik (fiscal austerity) unser Leben erschwert.

In einem Land wie Grossbritannien ist es nicht klar, was die Bank of England (BoE) aus quid pro quo ausmacht, so Wren-Lewis weiter. Und wenn es jemanden wie Haldane mit der weit reichenden Vision davon abhält, Fragen aufzuwerfen, nur weil sie als politisch erachtet werden könnten, muss man sich wundern, ob diese gegenseitige öffentliche Unterbindung einem sozialen Zweck dient.

Es besteht die Gefahr, dass die Zentralbank politisiert wird, wenn z.B die Fed heiss diskutierten politischen Grundsatzfragen Stellung nimmt, bemerkt Mark Thoma dazu in seinem Blog und deutet auf einen Artikel von Willem Buiter im Februar 2007 hin. 

Dienstag, 28. Juli 2015

Polen, Griechenland und SRI-Bonds

Barry Eichengreen erinnert in einem lesenswerten Artikel (“Escaping the Greek debt trap”) in BloombergView an einen Schuldenschnitt des sog. Pariser Clubs vor rund 24 Jahren.

Im Jahr 1991 einigten sich die westlichen Regierungen untereinander, Polens Schulden zu reduzieren, und zwar mit der Verknüpfung an Strukturreformen.

In der ersten Stufe erhielt Polen eine 30%ige Senkung des Barwerts seiner Schulden im Austausch für die Vereinbarung, sich an das IWF-Anpassungsprogramm zu halten.

In der zweiten Stufe bekam Polen eine weitere Schuldensenkung um 20%, mit der Vereinbarung, die strukturellen Bedingungen des IWF-Anpassungsprogramms zu erfüllen.

Die zweite Stufe war auch bedingt, sodass sich daraus insgesamt 50% Schuldenerlass ergab, einschliesslich der Schulden, die sich im Privatbesitz befanden. Im Fall von Griechenland wäre dieses Element bereits vorhanden, da private Gläubiger Griechenlands bereits im Jahr 2012 einem Haircut von rund 60% gegenübersahen, unterstreicht Eichengreen.

Am Ende lag der Grossteil der Schulden des polnischen Staates in offiziellen Händen. Das ist laut Eichengreen die Art von vertraglicher Vereinbarung, die auch im Fall Griechenland angestrebt werden sollte.

Umwandlung von Griechenlands Schulden in SRI-Bonds (Structural-Reform-Indexed Kredite) müsste jedoch zwei Hürden überwinden: 

Montag, 27. Juli 2015

Schuldenerlass als europäisches Politikum

Wolfgang Schäuble wird nicht müde, überall zu erzählen, dass der Schuldenerlass in der Eurozone nicht erlaubt ist. Der Bundesfinanzminister beruft sich dabei auf den Artikel 125 des EU-Vertrags.

Schäuble lehnt nicht nur Schuldenschnitt entschieden ab, sondern auch Schuldenstreckung und Zinsentlastungen.

Im zitierten Artikel steht, dass die Mitgliedstaaten die Schuldenlasten eines anderen Mitgliedstaates nicht übernehmen können.

Streng genommen lässt sich Schäubles Interpretation nicht einmal als "eng ausgelegt" beschreiben, sondern einfach frei erfunden.

Jedenfalls sieht es auch Wolfgang Münchau so, wie er in einem lesenswerten Artikel (“The make believe world of Eurozone rules”) FT zum Ausdruck bringt.

In jeder Debatte, wo es um den Euro geht, ist es eine grosse Sache in Europa, zu sagen, dass es “gegen die Regeln” ist. Niemand weiss zwar, was die Regeln sind. Aber alle wissen, dass die Regeln beachtet werden müssen.

Nicht nur Schäuble behauptet, dass ein Default im Euro verboten sei, sondern auch Otmar Issing. Der ehemalige Chefökonom der EZB hat in einem Interview mit einer italienischen Zeitung gesagt, dass Schuldenschnitt gegen die EU-Regeln verstosse, legt Münchau weiter dar.

Sonntag, 26. Juli 2015

Häusermarkt ist immer noch nicht rational

Einige Immobillienmärkte in Europa drohen zu überhitzen, warnt Moody’s Analytics. 

Die Hauspreise steigen auch in den USA. Seit 2012 sind sie um 27% geklettert, an Orten wie z.B. in San Francisco sogar mehr.

Soll man sich Sorgen darum machen? Wenn Sie die Theorie der effizienten Märkte akzeptieren, und daran glauben, dass Immobilien einen effizienten Markt innehaben, dann basieren diese Preise auf “neue Informationen”, auch wenn Sie nicht wissen, was genau diese Informationen sind, schreibt Robert J. Shiller in einem lesenswerten Artikel (“The Housing Market still isn’t rational”) am Freitag in NYTimes.

Das Problem mit dieser Art des Denkens ist, dass die Theorie der effizienten Märkte im besten Fall die Halbwahrheit ist, wie eine umfangreiche Literatur über Markt-Anomalien zeigt, erklärt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was mehr ist, dass die halbe Wahrheit vor allem dem Aktienmarkt zugrundeliegt, die professionelle Anleger anzieht, die manchmal den Markt tatsächlich effizient aussehen lassen.

Samstag, 25. Juli 2015

Euro als Finanzierungswährung

Die EZB hat vor Kurzem mitgeteilt, dass die Gemeinschaftswährung seit Ende 2014 zunehmend als Finanzierungswährung (funding currency) verwendet werde.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Stagnation in der Eurozone, bedingt durch die stumpfsinnige Austeritätspolitik, ist es nicht verwunderlich, dass der EUR von manchen Spekulanten aufgrund der aussergewöhnlich niedrigen Zinsen für sog. Carry Trades gesucht wird.

Der EUR-Anteil in den internationalen Anleiheemissionen ist im ersten Quartal 2015 laut EZB um 9% auf knapp 30% (im Vergleich zum gleichen Quartal des Jahres 2014) gestiegen. 

Ein wichtiger Faktor ist dabei die unterschiedliche Ausrichtung der Geldpolitik in den USA und in Europa. Während die Fed sich anschickt, die Zinsen demnächst zu erhöhen, dürften die Zinsen in der Eurozone noch länger niedrig bleiben.


Neue Euro Anleihe-Emissionen: Die Hälfte davon auf lange Sicht: 10+ Jahre, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 24. Juli 2015

Geldmenge und Modellbildung für die Wirtschaft

Die Notenbankgeldmenge ist in der Schweiz per Juni 2015 auf einen neuen Rekordwert geklettert: 453,3 Mrd. CHF.

Die Überschussreserven der Banken sind damit nochmals etwas gestiegen. Die Banken übertreffen das Mindestreserveerfordernis im Durchschnitt um rund 372 Mrd. CHF.

Die monetäre Basis besteht aus dem Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken bei der SNB. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise lag die Notenbankgeldmenge auf 49,5 Mrd. CHF.

Was bemerkenswert ist, dass der Anstieg der Notenbankgeldmenge um das rund 9-fache keine Inflation ausgelöst hat. Ganz im Gegenteil: Die Inflation in der Schweiz ist negativ. Und die SNB prognostiziert auch für 2016 eine negative Inflation (minus 0.4%).

Gewöhnliche Makro-Modelle über das wirtschaftliche Gleichgewicht besagen, dass es eine proportionale Beziehung zwischen dem Anstieg der Geldbasis (z.B. um 400%) und dem Preisniveau (um 400%) gibt. Und die historische Datenerhebung scheint diese Aussage zu bestätigen.



Schweiz: Notenbankgeldmenge (monetary base), Graph: SNB in: “Statistisches Monatsheft” Juli 2015

Donnerstag, 23. Juli 2015

Finnlands Euro-Anschauung

Finnlands Wirtschaft schrumpft seit mehr als drei Jahren. Die Industrieproduktion ist zuletzt um 5,1% eingebrochen. Die Inflation ist negativ. Und die Arbeitslosigkeit verharrt auf 10 Prozent.

Nun hat die finnische Regierung angekündigt, die Löhne zu senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist Wahnsinn.

Zur Erinnerung: Finnland ist einer der treuesten Verbündeten Deutschlands in Sachen Austerität. Kein anderes Land ist Griechenland so mit der Tür ins Haus gefallen wie Finnland. Jetzt beginnt Helsinki selbst, die Schmerzen der stumpfsinnigen Austeritätspolitik inmitten einer schweren Krise zu spüren.

Dennoch sagt Juha Sipila, der finnische Premierminister, dass das Land 1,5 Mrd. EUR braucht, um ein Sparpaket für das Haushaltsziel zusammenzuschnüren.

Das wird mit sicherlich auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lasten. Lohnsenkungen in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft führen zu Deflation, weil das Inflationsziel weiter unterboten wird.



Finnlands Arbeitslosigkeit, Graph: Statistics Finland 

Dienstag, 21. Juli 2015

Alice im Schäuble-Wunderland

Ein Schuldenerlass für Griechenland ist laut Wolfgang Schäuble mit den EU-Verträgen nicht vereinbar. Bundesfinanminister verweist dabei auf den Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU, um seine Ansicht zu unterstreichen: Ein Schuldenschnitt falle unter das Bailout-Verbot.

Stimmt es? Nein, sagt Karl Whelan in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog.

Die Regeln der EU und der Eurozone sind so byzantinisch, dass es ziemlich einfach ist, falsche Behauptungen darüber aufzustellen und damit davon zu kommen, bemerkt der an der University College Dublin lehrende Wirtschaftsprofessor.

Dass die Verträge eine Schuldenabschreibung im Euro ausschliessen, trifft einfach nicht zu:

Der Artikel, der als “no-bailout-Klausel” bezeichnet wird, hat aber damit nichts zu tun. Denn er besagt lediglich, dass die Mitgliedstaaten die Schulden eines anderen Mitgliedstaates nicht übernehmen dürfen.

Montag, 20. Juli 2015

Anti-Euro Parteien im Aufstieg

Es ist offensichtlich, dass das Versagen der EU-Behörden, die Eurozone makroökonomisch zu regieren, auch politisch fatale Folgen hat.

Wie in der folgenden Abbildung zusammengefasst ist, befinden sich radikale Parteien im Aufstieg in Europa. 

Die von der neoliberalen Doktrin gesteuerte und inzwischen kläglich gescheiterte Austeritätspolitik hat viel dazu beigetragen, dass Massenarbeitslosigkeit, Kapitalverkehrskontrollen, Euro-Exit Risiken und andersartige Unsicherheiten mittlerweile nicht nur Volkswirtschaften zum Einsturz bringen, sondern auch eine humanitäre Krise auslösen.

Wirtschaftlich ist das neue Programm für Griechenland verdreht, weil es das Land tiefer in Depression stürzt, bemerkt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Artikel (“Saving Greece, Saving Europe”) in Project Syndicate




Europa’s radikale Parteien im Aufstieg, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 19. Juli 2015

Finnlands Wirtschaft in Euro-Zwangsjacke

Finnlands Wirtschaft war zu Beginn der 1990er Jahren durch eine Kombination aus einer geplatzten Immobilienblase und dem Zusammenbruch der Sowjetunion stark betrübt. Das Ergebnis war ein schwerer Einbruch der Konjunktur und eine verlangsamte Erholung der Wirtschaft. 

Der gegenwärtige Abschwung ist zwar gemessen am BIP pro Kopf nicht so schwer, aber weit hartnäckiger.

Wie Matt O’Brien im WonkBlog hervorhebt, ist Finnlands Wirtschaft (aber auch die der Niederlande) seit 2007 weniger gewachsen als Island. Zur Erinnerung: Island ging im Jahr 2008 im Grunde genommen Konkurs, wenn man es drastisch beschreiben darf.

Was ging schief? Die finnische Wirtschaft hat hauptsächlich zwei Export-Sektoren: Forstprodukte und Nokia (mobile phones). Beide sind aber abgestürzt. Stichworte: Apple-Konkurrenz mit iPhone und iPad und der schwache Welthandel.

Finnland würde unter Umständen abwerten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das ist aber nicht möglich, weil das Land in der EMU ist, d.h. dass es nicht eigene Währung hat, die es abwerten kann. Und die Anpassung geschieht daher via internal devaluation. Die Kostensenkung findet m.a.W. durch Lohnsenkung statt, was auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lastet und das Wirtschaftswachstum verringert.



Die Euro-Zwangjacke und die Folgen in Bezug auf das Wirtschaftswachstum, Graph: Matt O’Brien in WaPo Wonkblog

Samstag, 18. Juli 2015

Deutschland lebt auf Kosten des Auslands

Die Eurozone steckt seit fast sechs Jahren in einer Rezession. Und die EU-Behörden sind nicht in der Lage, die grundlegenden Probleme anzupacken. Die europäischen Entscheidungsträger erweisen sich nach und nach wirtschaftspolitisch handlungsunfähig. Während es an Wachstum fehlt, bestehen Brüssel und Berlin wider besseres Wissen auf Austerität.

Vor diesem Hintergrund befasst sich Ben Bernanke in seinem Blog mit der Frage, wie sich die relative Stärke der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Rest der Eurozone erklärt.

Deutschland hat davon profitiert, eine Währung (nämlich den Euro) zu haben, die im internationalen Vergleich deutlich schwächer ist als wenn Deutschland seine eigene Landeswährung hätte, argumentiert der ehemalige Fed-Präsident.

Deutschlands Mitgliedschaft in der Eurozone hat wichtige Impulse für das deutsche Export-Geschäft ausgelöst, im Verhältnis zu dem, was der Fall wäre, wenn Deutschland eine unabhängige Währung hätte.

Was laut Bernanke ein Problem ist, dass Deutschland es vorgezogen hat, sich auf das Ausland zu stützen, anstatt auf die Binnennachfrage, um Vollbeschäftigung zu gewährleisten, wie es zum im hohen Überschuss der Handelsbilanz zum Ausdruck kommt: 7,5% des BIP.


Arbeitslosigkeit: Deutschland versus Rest der Eurozone, Graph: Ben Bernanke in Brookings 

Ben Bernanke: Strukturreformen sind nicht erstrangig

Nach der Bekanntgabe eines neuen Rettungspakets für Griechenland befasst sich Ben Bernanke in seinem Blog mit der anhaltenden Krise in der Eurozone.

Der ehemalige Fed-Präsident stellt rhetorisch die Frage, ob die europäischen Entscheidungsträger die breit angelegte wirtschaftliche Erholung liefern können, die benötigt wird, um Ländern in Not wie z.B. Griechenland eine vernünftige Chance zu geben, um Zielsetzungen in Bezug auf das Wachstum, die Beschäftigung und die Fiskalpolitik zu erfüllen.

Die Antwort auf seine Frage liegt auf der Hand: Performance der Eurozone ist zutiefst enttäuschend, um es milde auszudrücken.

Die schwache Erholung von der Krise ist laut Bernanke im Wesentlichen auf drei Faktoren zurückzuführen: 

(1) Der politische Widerstand, der die Umsetzung einer aggressiven Geldpolitik durch die EZB verhindert hat, 

(2) Eine übermässig restriktive Fiskalpolitik, v.a in Deutschland, wo es einen finanzpolitischen Spielraum vorhanden wäre und keine unmittelbare Notwendigkeit besteht, die Gürtel enger zu schnallen, 

(3) Verzögerungen , die notwendigen Schritte zu tun, wie z.B. Stress-Tests mit Banken in den USA im Jahr 2009, um das Vertrauen in das Bankensystem wiederherzustellen.



Arbeitslosigkeit: USA vs. Eurozone, Graph: Ben Bernanke in Brookings

Was ist das neue “Monetary Offset”-Argument?

Die Ablehnung des fiskalpolitischen Ansatzes für die makroökonomische Stabilisierung scheint ein wesentlicher Teil des Market Monetarism (MM) zu sein. 

Das ist die Schlussfolgerung, die Tony Yates, der das Geschehen über Twitter und in der Blogosphäre beobachtet, in seinem Blog präsentiert.

Der an der University of Birmingham in Grossbritannien forschende Wirtschaftsprofessor fasst die Ideen, die dahinter stecken, zusammen. Auch wenn die Liste unvollständig sein mag, lohnt sich für Neugierige ein Blick darauf. Und Yates legt anschliessend eine lesenswerte Widerlegung der einzelnen Aspekte des MM-Standpunktes dar.

Auch Simon Wren-Lewis schaltet sich in seinem Blog aus aktuellen Gründen in das Thema ein und bemerkt, dass es nicht MM’s Hauptargument ist, dass die Fiskalpolitik keinen Auswirkungen auf die Nachfrage und damit die Output hat, sondern dass die Geldpolitik diese Effekte immer ausgleichen kann.

Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor nennt es “monetary offset”-Argument. Und es ist tatsächlich ein wesentlicher Bestandteil der keynesianischen Einwände gegen die Austeritätspolitik in einer Liquiditätsfalle.


Kontraktive Fiskal Politik versus reales BIP-Wachstum, Graph: Simon Wren-Lewis 

Es gibt einen eindeutigen negativen Zusammenhang zwischen dem Ausmass der Gürtel-enger-schnallen Politik und dem realen BIP-Wachstum

Freitag, 17. Juli 2015

Arbeitsmarkt funktioniert nicht wie der Markt für Weizen

Paul Krugman deutet in seiner lesenswerten Kolumne (“Liberals and Wages”) am Freitag in NYTimes auf die erste grosse Rede von Hillary Clinton über die Wirtschaft hin. 

Frau Clinton’s Kernbotschaft ist, dass die Regierung ihren Einfluss nutzen kann und sollte, um für höhere Löhne zu sorgen.

Clinton’s Rede reflektiert grosse Veränderungen (stark durch die Evidenz gestützt) in unserem Verständnis davon, wie die Löhne zustande kommen. Und eine entscheidende Implikation ist, dass die öffentliche Hand viel tun kann, um Arbeitnehmern zu helfen, ohne den Zorn der unsichtbaren Hand zu besänftigen, legt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor dar.

Viele Ökonomen pflegten bisher zu denken, dass der Arbeitsmarkt ziemlich genau wie der Markt für etwas anderes funktioniert. Das heisst, dass die Löhne vollständig durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Wenn also die Löhne für viele Arbeitnehmer stagnieren oder rückläufig sind, muss es damit zu tun haben, dass die Nachfrage nach dieser Art von Dienstleistungen falle.

Insbesondere schreibt die gängige Meinung die wachsende Ungleichheit dem technologischen Wandel zu, wodurch die Nachfrage nach hoch-qualifizierten Arbeitnehmern steige, während nach der blue-collar Arbeit sinke, wie Krugman schildert. Und es gebe nichts, was die Politik gegen diesen Trend unternehmen könne.


Lohn-Stagnation unter Hochschulabsolventen in den USA, Graph: Economic Policy Institute - epi 

Donnerstag, 16. Juli 2015

Interview: Prof. Kevin O’Rourke, University of Oxford

Kevin O’Rourke is Professor of Economic History at the University of Oxford, All Souls College


Can the euro-area economy withstand the Greek situation?

The important point is that the programme will not work on its own terms. Apart from that: on the one hand, there will not necessarily be any immediate contagion to the rest of the Euro-area.

But the principle that Euro membership is irreversible has now been shattered, and this will come back to haunt the eurozone sooner or later. Apart from that, the political arguments for abandoning the Euro have just gotten a lot stronger.


Economically, the new program for Greece is futile, but why do we get since the outbreak of the euro crisis mainly moral arguments to tackle the problems in the euro zone?

I think they are conveniently self-interested arguments, made by creditor nations. I don’t think morality has a lot to do with it.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Rettungsmassnahmen und Vertrauen-Fee

Die Troika und Griechenland haben sich am Montag auf die Umrisse von “neuen Rettungsmassnahmen” geeinigt. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat laut BloombergTV in einem Fernsehennterview gesagt, dass er “mit einem Messer am Hals” zugestimmt habe, den Deal zu akzeptieren.

Die Troika beharrt weiterhin auf Strukturreformen, obwohl die ganze griechische Wirtschaft unter Produktionslücke (output gap) leidet.

Obwohl die harschen Sparmassnahmen nachweislich kein Wachstum auslösen, setzen die EU-Technokraten weiterhin auf strukturelle Reformen, und zwar in Form von internal devaluation (Lohnkürzungen und Sozialabbau).

Es ist ein Restriktionspaket in einer Situation, in der das Land dringend ein Expansionspaket bräuchte, sagt Heiner Flassbeck in einem aktuelen Interview mit NTVMit solchen Massnahmen wird Griechenland weiter schrumpfen, betont der ehemalige Chef-Volkswirt der UNCTAD in Genf.

Griechenland soll nun nach dem Gusto der Troika mit dem Verkauf von Vermögenswerten auf seinen Schuldenüberhang antworten.

Europas asymmetrische Wirtschaftspolitik und folgende Deflation

Heiner Flassbeck hat es in seinem BuchZehn Mythen der Krisevom Februar 2012 festgehalten:

Wenn alle Länder in der Eurozone versuchen, die Probleme durch internal devaluation (d.h. Lohnsenkungen) zu lösen, wird das Ergebnis Deflation sein, unabhängig davon, wieviel Geld die EZB in die Wirtschaft pumpt.

Der ehemalige Chef-Volkswirt der UN-Handelsorganisation (UNCTAD) in Genf hatte bereits einige Jahre davor überzeugend darauf hingewiesen, dass die Austeritätspolitik ohne Zweifel der falsche Weg ist, die Krise in Europa anzugehen.

Griechenland hat über seine Verhältnisse gelebt. Aber Deutschland hat unter seinen Verhältnissen gelebt. Wer hat den grösseren Fehler begangen? Eindeutig Deutschland, unterstreicht Flassbeck. 

Denn in der EWU wurde vereinbart, ein gemeinsames Inflationsziel von 2% anzustreben. Wer das Ziel der EZB durch Lohnmoderation unterbietet, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, verstösst gegen den Geist und den Buchstaben der Vereinbarungen einer Währungsunion.


Phillips Kurve für Griechenland, Graph: Paul Krugman in NYTimes 

Dienstag, 14. Juli 2015

Austeritätspolitik entpuppt sich als Putsch

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Deutschland bestimmt, wo es in der Eurozone lang geht. Es ist quasi eine Alleinherrschaft, mit freundlicher Unterstützung der fügsamen Regierungen Nordeuropas. Auch Frankreich scheint kein Rückgrat zu haben.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble spielen dabei die Rolle von “guter Bulle, böser Bulle” nahezu vollkommen. Während manche Protagonisten darüber spekulieren, ob der eine der anderen in den Rücken fällt, fliesst noch viel Wasser den Rhein runter.  Klischee in der gegenwärtigen Popularkultur Europas? Keineswegs!

Barry Eichengreen schreibt in einem lesenswerten Artikel (“Saving Greece, Saving Europe”) in Project Syndicate, dass Deutschland will, dass Griechenland zwischen dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und Grexit wählen muss. Beide Optionen bedeuten wirtschaftliche Katastrophe; die erste, wenn nicht beide, wäre auch politisch verheerend.

Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor hatte in einer Studie 2007 festgehalten, dass kein Mitgliedstaat die Eurozone freiwillig verlassen würde, weil die ökonomischen Kosten einer solchen Entscheidung enorm wären.

"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Deutschland einen Mitgliedstaat zum Austritt zwingen würde. Denn das wäre die Auswirkung von politisch und wirtschaftlich untragbar perversen Bedingungen, die das deutsche Finanzministerium vorlegen würde", erläutert Eichengreen.

Das Dogma von faulen Arbeitnehmern in Amerika

Amerikaner arbeiten länger als die Menschen in fast allen anderen wohlhabenden Ländern der Welt. Es überrascht daher nicht, dass das work-life Balance für viele Menschen in Amerika ein grosses Problem darstellt.

Aber Jeb Bush, der immer noch versucht, seine lächerliche Behauptung, dass er das amerikanische Wirtschaftswachstum verdoppeln will, zu rechtfertigen, sagt, dass Amerikaner mehr Stunden arbeiten und durch ihre Produktivität mehr Einkommen für ihre Familien erwirtschaften müssen, wie Paul Krugman in seiner Kolumne (“The Laziness Dogma”) am Montag in NYTimes beschreibt.

Bushs politische Berater haben versucht, seine Bemerkung zu korrigieren. Es ist offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen. Dennoch: Bush hat über das Dogma die “Nation der Nehmer” gesprochen; das Beharren darauf, das eine grosse Anzahl von Amerikanern, weisse und schwarze, es vorzieht, nicht zu arbeiten, weil sie lieber dank staatlichen Programmen das Leben der Musse leben wollen, schildert Krugman.

Wo steht Jeb Bush in dieser Geschichte? Lange vor seinem “längeren Arbeitszeit”-Fauxpas hat er sich als einen grossen Bewunderer der Arbeit von Charles Murray erklärt, einem konservativen Sozialanalytiker, der v.a. durch sein Buch “The Bell Curve” vom Jahr 1994 bekannt wurde. Er hat nämlich behauptet, dass Schwarze gegenüber Weissen genetisch minderwertig sind.


Amerikanische Arbeitnehmer: Produktivität und Entlohnung  (pro Stunde), Graph: epi in: NYTimes via Hillary Clinton  

Montag, 13. Juli 2015

Europa: Austerität kennt keine Wiederkehr

Es geht Griechenland heute schlechter als der amerikanischen Wirtschaft in den 1930er Jahren während der Great Depression, beschreibt NYTimes mit folgenden Abbildungen.

Während Kapitalverkehrskontrollen immer noch in Kraft sind, bleiben die Banken weiter geschlossen. Verhandlungen ziehen sich in die Länge. Der Geduldsfaden droht zu reissen. Auch der Ton der renommierten Ökonomen, die die Austeritätspolitik in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft zu Recht als sinnlos betrachten, verschärft sich.

Larry Summers  schreibt in FT, dass Griechenlands Beziehung mit der Eurozone mittlerweile einer Seifenoper finanzieller Art ähnelt und die Story in naher Zukunft voraussichtlich nicht zu Ende zu gehen scheint.

Die Sorge um deutsche Vorherrschaft in Europa tritt nun stärker hervor als zu jedem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 70 Jahren, betont der an der Harvard University in den USA lehrende Wirtschaftsprofessor.



Wirtschaftswachstum: Griechenland (heute) vs. Great Depression in den 1930er Jahren, Graph: NYTimes in: "Is Greece worse off than the US during the Great Depression?"

Sonntag, 12. Juli 2015

Spekulanten in China erleben Börsencrash

Der Kursabrutsch in Peking ist in aller Munde. Die chinesische Regierung versucht, mit Stützungsmassnahmen den Aktienmarkt zu stabilisieren. Der Shanghai Composite Index hat seit Juni rund 30% seines Wertes verloren.

Zu Massnahmen zählen u.a. Zinssenkung durch die PBoC, Aktienkäufe durch staatliche Pensionskassen und temporäre Suspendierung des Handels von bestimmten Aktien (v.a. der Aktien von an den Festlandbörsen kotierten Unternehmen).

Da der Entwicklung am Devisenmarkt wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, lohnt sich ein Blick auf die bisher verfügbaren Daten.

Der USD/CNY Wechselkurs (spot) wird seit Januar 2015 in der Nähe des oberen Endes der Handelspanne gehandelt. Als der USD sich gegenüber dem CNY aufwertete, began China USD zu verkaufen, wie aus den folgenden Abbildung hervorgeht. 



USD/CNY fixing und Trading Band, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 11. Juli 2015

Kundenansturm und eine politisch befangene Zentralbank

Wenn jeder, der ein Konto bei einer Bank hat, auf einmal sein Geld abheben will, geht der Bank das Geld aus. Und die Bank geht möglicherweise Pleite. Das ist der Grund, warum Kundenansturm (bank run) so gefährlich ist. 

Und es ist daher eine der Schlüsselrollen, die eine Zentralbank spielt, Banken, die sonst solvent sind, mit Liquidität zu versorgen, damit eine Bank Kundeneinlagen nicht verweigern kann.

Wenn die Zentralbank die sog. “lender of last resort” Funktion nicht ausübt, reicht ein Gerücht aus, dass alle Kunden von der Bank, die angeblich insolvent sei, ihre Ersparnisse abheben und der Bank Barbestände ausgehen, mit der Gefahr, dass die Bank sogar pleite geht.

Die EZB hat am 28. Juni 2015 den Wunsch der griechischen Zentralbank nach einer Aufstockung der Notkreditlinien an griechische Banken (um weiter 6 Mrd. EUR) abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund schreibt Martin Hellwig in einem unbedingt lesenswerten Beitrag im Blog Ökonomenstimme, dass das Einfrieren der Notkredite fragwürdig ist. Das ist mit den vertraglichen Pflichten der EZB nicht vereinbar, hält der am Max-Planck-Institut forschende Wirtschaftsprofessor fest.

Das Einfrieren der Notkredite hatte die Schliessung der griechischen Banken zur Folge. Die griechischen Regierung hat zugleich auch Kapitalverkehrskontrollen einführen müssen.

Es ist laut Hellwig befremdlich, dass die EZB nunmehr den griechischen Banken die weitere Unterstützung versagt. Für die Wirtschaft eines Landes ist die Zerstörung des Bankensystems und der Zahlungsprozesse so etwas wie die Zündung einer Atombombe. Die Schäden sind unübersehbar, legt Hellwig weiter dar. 

Freitag, 10. Juli 2015

Austerität ist mehr als eine griechische Tragödie

In Sachen Griechenland geht es nicht um Transfers zwischen einem Schuldnerland und den vielen Gläubigerstaaten, wie viele Menschen glauben mögen. 

Im Mittelpunkt steht nicht eine Art Nullsummenspiel (zero sum game), wie die Unterzeichner des offenen Briefs an die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Nachdruck unterstreichen.

Die Frage ist, ob Europa inmitten einer schweren Depression mehr sparen kann? Die Antwort lautet nein. Länder oder Staaten können nämlich nicht einfach so sparen wie die schwäbische Hausfrau, hat Heiner Flassbeck schon mehrmals erläuert.

Der Staat ist keine schwäbische Frau. Wer die schwäbische Hausfrau (Merkel’s austerity postergirl) als Vorbild ausgibt, ignoriert makroökonomische Zusammenhänge.

Es ist absurd, vor diesem Hintergrund von z.B. der “Schweiz AG” oder der “Deutschland AG” zu reden. Das einzelwirtschaftliche Denken ist für die Gesamtheit falsch. Der Wettbewerb unter Staaten hat nichts mit dem sinnvollen Wettbewerb unter Unternehmen zu tun. 


Brüning Deflation und Sie-wissen-schon-wer danach an die Macht kam, Graph: Paul Krugman in NYTimes 

Deutschland 1923: Hyperinflation, Deutschland 1933: Deflation

Donnerstag, 9. Juli 2015

Cash im Überfluss und fehlende Nachfrage in Europa

Unternehmen (ausserhalb des Finanzsektors) in Europa, dem Nahen Osten und Afrika halten 870 Mrd. EUR als liquide Mittel in der Bilanz, teilt Moody’s gemäss einer aktuellen Studie mit.

Seit 2008 ist der Bargeld-Bestand der Unternehmen um 69% gestiegen, berichtet FuW in einem lesenswerten Artikel. Begründung: Die Finanzkrise hat die Gesellschaften vorsichtiger werden lassen. Im vorigen Jahr hat der Cash-Bestand um 6% zugenommen.

Die Bargeldbestände werden von der in jüngster Zeit steigenden Akquisitionstätigkeit nicht tangiert, da sie zumeist mit Aktien finanziert werden.

Hier kommt nun die in Europa vorherrschende Austeritätspolitik ins Spiel. Wie soll ein nachhaltiger Aufschwung geschaffen werden, wenn private Haushalte sparen, die Unternehmen liquide Mittel horten und auch die öffentliche Hand kein Geld ausgeben darf?


Barbestände von Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors,  Graph: FuW Unternehmen horten Liquidität im Überfluss

Mittwoch, 8. Juli 2015

Warum will Deutschland Griechenland los werden?

Nach einem kurzen Besuch in Berlin schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog, dass es für ihn schnell klar wurde, in welchem Umfang in Deutschland eine Fantasy-Geschichte über Griechenland verbreitet werde. Es ist das Bild von privilegierten und faulen Menschen in Griechenland, die standing Rettungspakete entgegen nehmen, ohne etwas selbst zu unternehmen, um die eigene Situation zu verbessern.

Die Phantasie, die die deutsche Politik steuert, ist auch im Kreis von gut informierten Menschen (über die Wirtschaft) vorhanden, betont der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Deutschland weigert sich insbesondere, über Schuldenerlass zu reden. Was treibt aber Deutschland so erbittert, das griechische Problem loszuwerden?

Eine mögliche Antwort darauf ist, dass Deutschland die Wahrheit über den Fall Griechenland störend empfindet, und auch zu herausfordernd. Denn Griechenland hat seit 2010 alles getan, was die Troika vorgeschrieben hat. Man denke dabei z.B. an den Primärüberschuss, den Athen vorgelegt hat.

Für viele Menschen ausserhalb von Deutschland steht ausser Frage, dass das, was Griechenland präsentiert hat, kaum überrascht: Austerität ist kontraktiv und harsche Sparmassnahmen sind ruinös.

Dienstag, 7. Juli 2015

Ökonomen in einem offenen Brief an Merkel: Schluss mit Austerität

In einem offenen Brief warnen renommierte Ökonomen aus den USA und Europa vor weiteren katastrophalen Folgen der Austeritätspolitik: Die sog. Anpassungsprogramme sind gescheitert.

Thomas Piketty, Jeffrey Sachs, Heiner Flassbeck, Dani Rodrik und Simon Wren-Lewis schreiben in The Nation, dass die meiste Welt wusste, dass die Austerität, die die Verschuldunssituation verschlimmert hat, zu Massenarbeitslosigkeit und zu einem Zusammenbruch des Banken-Systems führen würde.

Die humanitären Auswirkungen sind kolossal, so die prominenten Ökonomen als Unterzeichner des offenen Briefes an die Bundeskanzlerin Angela Merkel:

Alle zusammen fordern wir Kanzlerin Merkel und die Troika auf, eine Kurskorrektur zu überlegen, um weiteres Disaster zu vermeiden und Griechenland zu ermöglichen, in der Eurozone zu bleiben.

Grexit: Jobs, Euro und Drachme

Nach dem Referendum in Griechenland werden Karten neu gemischt. Nicht ganz. Eine Tatsache muss festgehalten werden: Das Volk hat nicht darüber abgestimmt, ob das Land in der Eurozone bleibt oder nicht. Dennoch werden nach dem deutlichen Nein (61%) am Sonntag in den Medien Stimmen laut, dass der sog. Grexit nun der nächste Schritt sei.

Ob immer mehr Griechen inzwischen den Grexit in Kauf nehmen, mag dahin gestellt sein. Aber Wolfgang Münchau unterstreicht in seiner Kolumne (“Why the Yes campaign”) in FT einen wichtigen Aspekt.

Wenn Sie seit fünf Jahren arbeitslos sind, ohne Aussicht auf einen Job, macht es keinen Unterschied, ob das Geld, das Sie bekommen, in Euro oder Drachme denominiert ist.


Exposure der europäischen Banken in Griechenland, Graph: Morgan Stanley

Europäische Banken ihr Engagement in Griechenland von 200 Mrd. EUR zu Beginn des Jahres 2010 auf rund 35 Mrd. EUR gegen Ende 2014 verringert.