Samstag, 14. Januar 2023

Money

Buchbesprechung

Jacob Goldstein: Money – The True Story of a made-up Thing, Hachette Books, New York, 2020.


Wenn es um die Finanzmarkt-Stabilität geht, ist es wichtig, die Idee, dass ein Run auf Schattenbanken der Kern der Finanzkrise (GFC) von 2008 war, wieder kurz in Erinnerung zu rufen.

Der Begriff «Schattenbanken» (Shadow Banking) wurde erstmals von Paul McCulley auf der Jackson Hole Konferenz der US-Notenbank im Jahr 2007 geprägt.

Was damals besonders auffiel, war die Anfälligkeit von Geldmarktfonds gegenüber Runs. Die Abhängigkeit der Refinanzierung der Banken vom Geldmarkt zählt daher zu den wichtigsten Faktoren der GFC.

Was sind Geldmarktfonds?

Die Geldmarktfonds versprechen Anlegern einen stabilen Anteilswert von 1 US-Dollar. Das Durchbrechen der Grenze von 1 US-Dollar wird im Finanz-Jargon als «breaking the buck» genannt, was im Vorfeld der GFC als Signal wahrgenommen wurde und einen Run auf den Fonds ausgelöst hat.


In einem lesenswerten Abschnitt führt dieses Buch die Entstehungsgeschichte von Geldmarktfonds eindrucksvoll vor Augen.

Ausgangspunkt waren die 1933 erlassenen US-Bundesvorschriften (Banking Act), die die Zinssätze für Sparkonten deckelten und den Banken untersagten, überhaupt Zinsen für Girokonten zu zahlen. 

Wer jedoch über viel Geld verfügte und bereit war, es für einige Wochen oder Monate anzulegen, konnte durch die Eröffnung von Sparkonten mit einem Mindestbetrag von 100.000 Dollar oder den Kauf von kurzfristigen Staatsanleihen, den so genannten Schatzwechseln, mehr Zinsen erhalten.

Zwei Arbeitskollegen, Bruce Bent und Harry Brown beschlossen vor diesem Hintergrund, herauszufinden, wie Anleger, die ihr Geld nicht binden wollten oder nicht so viel investieren konnten, die höheren Zinssätze von Schatzwechseln und Jumbo-Sparkonten erhalten konnten.

Bent und Brown wollten einen Investmentfonds gründen, der sich wie Geld auf der Bank anfühlen sollte und nicht wie eine Anlage in Aktien und Anleihen: er sollte alle Annehmlichkeiten eines Girokontos bieten, aber mit einem höheren Zinssatz für Sparer. Also nahmen sie einige Änderungen am Modell des Investmentfonds vor.

Im Klartext: Das war der Beginn der Geschichte von zwei Männern, die in einem Raum eine neue Art von Geld erfanden.



Jacob Goldstein: Money – The True Story of a made-up Thing, Hachette Book, New York, 2020.



Die Anleger kauften Anteile an ihrem Fonds. Der Fonds würde dann das Geld der Anleger nehmen und es in Form von Schatzwechseln (T-Bills) an den Staat und in Form von großen Sparkonten an Banken verleihen.

Der Fonds nahm seine Tätigkeit 1972 auf. Ende 1973 verwaltete er bereits 100 Mio. USD. Innerhalb weniger Jahre entstanden eine Reihe konkurrierender Fonds. Bis 1982, zehn Jahre nachdem Bent und Brown die Idee in ihrem winzigen Büro hatten, verwalteten die Geldfonds mehr als 200 Milliarden Dollar.

In den 1980er Jahren wurden Geldmarktfonds zu den größten Käufern von Commercial Papers, die im Grunde eine Möglichkeit darstellen, kurzfristige Kredite an sichere, stabile Unternehmen zu vergeben.

So kam die Citibank, eine der größten Banken des Landes, auf die Idee, das zu tun, was Banken tun: sich in die Mitte eines riesigen Geldstroms zu stellen.

Die Citi hat etwas erfunden, das sich "Asset-Backed Commercial Paper" nennt. Dies war eine neue Möglichkeit für Geldmarktfonds, Geld an Unternehmen zu verleihen, die nicht sicher genug waren, um Commercial Paper auszugeben.

Anfang der 90er Jahre flossen Milliarden von Dollar in Asset-Backed Commercial Paper, und die Banken verkauften jeden Monat mehr.

Die Geldmarktfonds, die mehr Geld hatten, als sie brauchen konnten, drehten sich um und begannen, riesige Summen an Investmentbanken an der Wall Street zu verleihen.

Eine Art Wirtschaftswunderzeit brach aus: Während der Immobilienboom brummte, nahmen völlig unqualifizierte Kreditnehmer absurd hohe Hypotheken auf überteuerte Häuser auf.

Wenn wir kurz innehalten und ansehen, woher das Geld kommt, das an die unqualifizierten Käufer der überteuerten Häuser verliehen wird, ist die Antwort klar: Geldmarktfonds.


Jacob Goldstein: Money – The True Story of a made-up Thing, Hachette Books, New York, 2020. 


Pensionsfonds und Unternehmen mussten schliesslich ihr Geld irgendwo parken. Diese neue Art von Geld, das in riesigen Summen über Geldmarktfonds, forderungs-besicherte Wertpapiere und Investmentbanken floss, war aber das Geld, das die Blase aufblähte.

Ende 2006 hörten die Immobilienpreise auf zu steigen, und die Schatzmeister der Unternehmen und die Geldmarktfonds begannen, nervös zu werden. Also begannen sie, ihr Geld von einigen der Investmentfonds zurückzufordern, die sich (über forderungsbesicherte Wertpapiere) Geld geliehen hatten, um in Hypotheken zu investieren. In einigen wenigen Fällen konnten die Anleger das Geld nicht aufbringen:

Ein Ansturm auf das Schatten-Bankensystem hat begonnen.

Die kurzfristigen Schuldscheine (IOU: «I owe you»), die von Schattenbanken ausgegeben werden, werden als Bargeldäquivalente bezeichnet. Schatzmeister von Unternehmen und andere Geschäftsleute nennen sie einfach Bargeld. Mit anderen Worten: Die Schattenbanken hatten echtes Geld geschaffen.

Der größte Teil des Geldes auf der Welt wird heute nicht nur in privaten Banken gelagert, sondern auch von privaten Banken geschaffen. Wenn Banken Kredite vergeben, landet der Erlös letztlich auf dem Bankkonto einer Person als weiteres Geld.

Finanzinstitute, die keine Banken sind, vergeben inzwischen fast 60 % aller Verbraucher- und Geschäftskredite, das ist doppelt so viel wie 1980 - Anbieter von Hypothekenkrediten, die keine Banken sind, wie Quicken Loans, haben im vergangenen Jahr mehr als 7 von 10 Hauskrediten vergeben. 

Ein lesenswertes Buch, das in einfachen Worten erklärt, was als Geld zählt (und was nicht) und warum es das Ergebnis von Entscheidungen ist, die wir treffen.  «Geld ist Geld, weil wir glauben, dass es Geld ist».

PS:

Was wäre, wenn der Lehman-Konkurs heute stattfände? Was ist der Stellenwert von Geldmarktfonds in der Gegenwart?

Wie Martin Helwig vor ein paar Jahren festgehalten hat.

Verluste von und Runs auf Geldmarktfonds wären nach wie vor zu erwarten. Insoweit die Banken von den Geldmärkten abhängen, könnte es auch wieder zu Verkaufswellen an den Börsen kommen, um Geld zu mobilisieren. Allerdings reduzieren die hohen Einlagen der Banken bei den Zentralbanken die Abhängigkeit vom Geldmarkt etwas.



Money by Jacob Goldstein: The True Story of a made-up Thing, Hachette Books, New York, 2020.






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