Donnerstag, 28. Dezember 2023

Wealth Supremacy

Buchbesprechung

Marjorie Kelly: Wealth Supremacy - How the Extractive Economy and the Biased Rules of Capitalism Drive Today’s Crises, Berrett-Koehler Publishers, October 2023, Oakland, Canada.


Marjorie Kelly zeigt mit einer aussagekräftigen Analyse auf, wie die verborgene Kraft, die Voreingenommenheit, die die unendliche Gewinnung von Reichtum für die Wohlhabenden institutionalisiert, auch wenn dies für viele Menschen Stagnation oder Verluste bedeutet, viele der Krisen unserer Zeit antreibt.

Angesichts der jahrzehntelangen Desinvestition und Verarmung enthüllt die Darstellung der Autorin sicherlich auch eine schmerzliche Wahrheit für den Euroraum.

Die einseitige Ausrichtung auf (ökonomisch irrsinnigen) fiskalische Regeln a la Maastricht und die Schuldenbremse, aufoktroyiert von Berlin, die in die Struktur des europäischen Währungsraums eingewoben ist, schadet ohne Zweifel den Menschen, der Wirtschaft und dem Planeten.

Es geht darum, die Situation als Notlage zu erkennen, nicht nur die Notlage des Klimawandels und der Polykrise, sondern den Notfall der «financialization» (Finanzialisierung) und das unablässige Problem einer zu großen finanziellen Extraktion.

Dienstag, 26. Dezember 2023

Fed versus EZB - Beschäftigung versus Unterbeschäftigung

Fed’s Dovish Shift and Unchanged Deficit in 2024

ECB’s Focus on the Narrative “Last Mile”


Der von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsindex, der Preisindex für persönliche Konsumausgaben (PCE Index), sank im November um 0,1 % gegenüber dem Vormonat. 

Dies ist der erste Rückgang seit April 2020, teilte das Handelsministerium am Freitag mit. Die Preise stiegen im Jahresvergleich um 2,6% und waren damit nicht weit von der Zielvorgabe der Fed von 2% entfernt.


Die Preise in den USD fielen zum ersten Mal seit April 2020, da der PCE-Index, das bevorzugte Inflationsmaß der Fed, im Vergleich zum letzten Monat um 0,1 % fiel, Graph: Yahoo Finance, Dec 23, 2023 

Freitag, 15. Dezember 2023

Europas Sparkurs als Sackgasse

Europe’s Austerity Ideology as “cul-de-sac”

US-Industrial Policy and Economic Growth 


Die jüngste Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA auf «AA+» hat den Anlegern keine neuen Informationen in Sachen Finanz-Politik geliefert. Das ist eindeutig.

Und die Auswirkungen auf die Treasury-Märkte waren überschaubar.

Was sagt aber ein angemessener Einblick in den aktuellen und zukünftigen Zustand der finanziellen Gesundheit der öffentlichen Hand Amerikas aus?

Das Verhältnis von Zinsen zu Einnahmen in den USA wird laut Goldman Sachs Research bis 2025 voraussichtlich 10% erreichen, gegenüber nur 2,8 % für das Land mit dem Durchschnittsrating «AA» und 1 % für das Land mit dem Durchschnittsrating «AAA».

Ein Grund zur Sorge?

Nein. 


Die derzeitige Situation der Schuldentragfähigkeit der USA ist weder eine unmittelbare noch eine langfristige Bedrohung. Die Stärke der USA als globale Wirtschaftsmacht festigt ihre Glaubwürdigkeit und ihr endgültiges Versprechen, die Schulden zurückzuzahlen, Graph: Goldman Sachs, Dec 13, 2023.

Freitag, 8. Dezember 2023

«Higher-for-Longer» Narrativ und Ergodicity in Economics

A Fancy Story Telling by Global Central Banks


Die Fed und die EZB sagen uns ostentativ, dass die Zinsentscheidungen zunehmend datenabhängig sein werden. 

Unabhängig davon, was genau die Fed und die EZB damit meinen, kann festgehalten werden, dass die Wirtschaftsdaten nicht ergodisch sind.

Die Ergodizität («ergodicity») ist eine zentrale Annahme des Denkens des neunzehnten Jahrhunderts, ein mathematisches Konzept der Stabilität. 

Als eine Schlüsselannahme in den Naturwissenschaften besagt sie, dass wir durch wiederholte Experimente oder die Beobachtung derselben Phänomene im Laufe der Zeit die Naturgesetze lernen. Alles, was wir brauchen, sind genügend Beobachtungen. 

Deutschland hinkt seit Jahren bei den öffentlichen Investitionen hinterher und dürfte schneller als viele andere Länder des Euroraums zu einer strafferen Finanzpolitik zurückkehren. Der jüngste Schlag (Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz) wird die Sache nur noch schlimmer machen, Graph: Nordea Markets, Dec 02, 2023


Samstag, 25. November 2023

The Illusion of Control

Buchbesprechung

Jón Daníelsson:The Illusion of Control” – Why Financial Crises Happen, and What We Can (and Can’t) Do About It, Yale University Press, June 2022, UK.


Wir sind gut darin, die Risiken von heute zu managen, aber auf Kosten von Aussichten und Bedrohungen, die in Zukunft liegen, welche wir ignorieren. Das ist die Illusion der Kontrolle.

Die Art und Weise, wie wir heute finanzielle Risiken messen, um wichtige Entscheidungen zu treffen, stützt sich in der Tat erstens auf unvollkommene Modelle und zweitens auf ungenaue Messungen.

Der Schwerpunkt unserer Wahrnehmung liegt laut dem Autor auf der jüngsten Vergangenheit und kurzfristigen Risiken. 

Der Grund dafür ist einfach. Schliesslich steht dafür eine Fülle von Daten zur Verfügung, und es handelt sich dabei um das am einfachsten zu messende Risiko.

Wir verwenden solche Modelle trotzdem, wohlwissend, dass sie nicht besonders gut funktionieren. 

Die Gründe dafür liegen im Zusammenspiel zweier komplexer Themen, der Schwierigkeit der Risikomessung und dem menschlichen Erfindungsreichtum, argumentiert Jón Daníelsson, Professor für Finanzen und Direktor des Systemic Risk Centre an der London School of Economics.

Zur Erinnerung: 

Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich.

Sonntag, 12. November 2023

Toxische Straffung der Geldpolitik

Fed Chair Powell is busking: Higher for Longer


Die Anleger hatten es in den vergangenen zwei Wochen gewagt, schon wieder von einer schnellen Zinssenkung zu träumen.

Doch dann wurde ihnen vom Vorsitzenden der Fed Jerome Powell ein böses Erwachen bereitet. Er sagte zwar, dass die Zentralbank vorsichtig bleiben werde, warnte aber auch, dass sie nicht zögern werde, die Zinssätze bei Bedarf wieder anzuheben.

Mit anderen Worten wiederholt Powell die Botschaft “hohe Zinsen für längere Zeit” (“higher for longer”) für die Wall Street quasi mit der Lyric von Bruno Mars: “I'ma leave the door open, hoping and I'm hoping, hoping”.

Einige Anleger glauben jedoch, dass die finanziellen Bedingungen für die Fed zu locker werden könnten, wenn die Renditen weiter sinken und die Zentralbank gezwungen wäre, die Zinsen länger hochzuhalten, um einen Anstieg der Inflation zu verhindern.

Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sind tatsächlich von ihren Höchstständen um fast 50 Basispunkte gefallen, während sich der S&P 500 in diesem Zeitraum um etwa 6,5 % erholt hat.


US Lohn-Wachstum, Graph: Jerome Powell, Fed, Nov 09, 2023


Montag, 6. November 2023

Das Ende der japanischen Zinskurvensteuerung

Reflation in Japan: BoJ and YCC


Die Bank of Japan (BoJ) ist nun fest auf dem Weg, die Zinskurven-Kontrolle (YCC: Yield Curve Control) abzuschaffen.

Der Schritt dürfte auch Auswirkungen auf die Märkte für US-Unternehmensanleihen entfalten: ausländische Investoren – allen voran Japan – waren im letzten Jahrzehnt massive Rendite-Touristen und kauften haufenweise US-Anleihen, wie FT Alphaville berichtet.

Der Spread zwischen der 10-jährigen UST-Rendite und der 10-jährigen JGB-Rendite hat sich inzwischen auf ein 22-Jahres-Hoch ausgeweitet.

Die YCC-Politik der BoJ ist ein geldpolitischer Ansatz, der darauf abzielt, die Renditekurve japanischer Staatsanleihen (JGBs) zu kontrollieren und zu beeinflussen, um bestimmte wirtschaftliche und finanzielle Ziele zu erreichen.


Der Gouverneur der BOJ, Kazuo Ueda, will die ultralockere Geldpolitik der Zentralbank weiterhin nur schrittweise abbauen und versuchen, irgendwann im nächsten Jahr aus dem jahrzehntelangen akkommodierenden Regime auszusteigen, Graph: Reuters, Nov 02, 2023.



Samstag, 4. November 2023

Zinskosten, Liquiditätsengpass und Unternehmensgewinne

Interest Costs as a Percent of Profits


Die empirische Erfahrung legt nahe, zuversichtlich zu erwarten, dass sich die Geldpolitik mit Verzögerung auf die Zinskosten auf der Angebotsseite auswirkt.

Und akademische Studien deuten darauf hin, dass der sog. "Liquiditätsengpass" i.d.R. 6 bis 9 Monate nach der letzten Zinserhöhung durch die Fed eintritt.

Was aber dabei zu beachten ist, dass solche Recherchen zumeist vor dem Niedrigzinsumfeld der letzten zwei Jahrzehnte durchgeführt wurden. 


Zinskosten in Prozent des Gewinns. Nettozinszahlungen nichtfinanzieller Unternehmen, Unternehmensgewinne (vor Steuern), 4Q1979 – 2Q2023, Graph: JPMorgan AM, Oct 31, 2023.


Sonntag, 29. Oktober 2023

Visions of Inequality

Buchbesprechung

Branko Milanovic: Visions of Inequality – From the French Revolution to the End of Cold War, Harvard University Press, October 2023, London, UK.


Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Wahrnehmung von Ungleichheit sich im Laufe der Zeit ändert. Jede Ungleichheit (bezüglich Einkommen, Rasse, Geschlecht usw.) ist ein historisches Phänomen. Wir können daher nur von spezifischen Merkmalen jeder Ungleichheit sprechen.

Vor diesem Hintergrund bemüht sich Branko Milanovic redlich, die Entwicklung des Denkens über wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten zwei Jahrhunderten empirisch nachzuzeichnen. 

Es geht um die Ideengeschichte. Ziel ist es, die Ansichten der besprochenen Autoren über die Einkommensverteilung in den Kontext ihrer Zeit einzuordnen.

Der Ansatz des an der City University of New York forschenden Wirtschaftsprofessors hat bestimmte Merkmale, wie zum Beispiel:


Sonntag, 22. Oktober 2023

Energiewende mit Deflation

The Rise of Green Electric Power


Grüne Energie ist jede Energieart, die aus natürlichen Ressourcen wie Sonnenlicht, Wind oder Wasser gewonnen wird.

Der Schlüssel zu diesen Energieressourcen ist, dass sie die Umwelt nicht durch Faktoren wie die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre schädigen.

Die Energiepläne der EU und die durch den US Inflation Reduction Act (IRA) mobilisierten Ausgaben lassen auf einen  Markt von mehr als 6 Billionen Dollar schließen.

Nach 300 Jahren, in denen Kohlenwasserstoffe die Weltwirtschaft angetrieben haben, erlebt dieses Jahrhundert den Aufstieg der grünen Elektrizität als primäre Energiequelle. 


Die Elektrifizierung Europas könnte bis zum Ende des Jahrzehnts stark deflationär sein. “Elektrifizierungs-Kostenkurve” 2023E: Öl-Äquivalentpreis ($/boe) nach Technologie und angenommenem Ölpreis (80 $/Barrel, gepunktete Linie), Graph: Goldman Sachs, Oct 19, 2023.


Samstag, 14. Oktober 2023

We Need to Talk About Inflation

Book Review – Buchbesprechung

Stephen D. King: We Need to Talk About Inflation – 14 Urgent Lessons from the last 2,000 Years, Yale University Press, 2023, UK.


Stephen King, erzählt uns eine interessante Geschichte der Inflation. Im Mittelpunkt steht “die inflationäre Rolle des Staates”. 

Vom alten Rom über den Amerikanischen Bürgerkrieg bis hin zu den heutigen Vermögensblasen ist die Inflation laut dem Chefökonom (von 1998 bis 2015) der HSBC Gruppe in London auf "politische Fehler" und einen kollektiven "Vertrauensverlust" in Währungen zurückzuführen.

Den gedanklichen Rahmen der gesamten Argumentation des britischen Ökonomen, der heute als Senior-Berater für die HSBC tätig ist, bildet die "Quantitätstheorie des Geldes". 

Es ist doch wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei "quantity theory of money" nicht um eine Theorie handelt, sondern um eine Gleichung mit vier Variablen. 

Aus dieser Gleichung (MxV = PxY) kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine Zentralbank die Geldmenge (M) steuern muss, um die Inflation, d.h. die Entwicklung von Preis (P), unter Kontrolle zu bringen.

Es überrascht daher, dass der Autor immer wieder den nichtssagenden Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preis hervorhebt, auch wenn er eingesteht, dass "die zusammengestellten Buchstaben nicht mehr als eine buchhalterische Identität sind und die Kausalität ebenso wie die Definitionen vorgeschrieben werden müssen."

Die Quantitätstheorie ist "zu simpel", und ihr Erfolg hängt davon ab, was genau die Umlaufgeschwindigkeit (V) beeinflusst (oder den Wunsch, Geld zu horten, anstatt es auszugeben), räumt King weiter ein. 

Sonntag, 8. Oktober 2023

"Bond Vigilantes" sind zurück! Wie Bitte?

"Overtightening" und "Fiscal Dominance" - Das Wiederaufleben der "Confidence Fairy"


Ausverkauf am Anleihemarkt nimmt Fahrt auf. 

Manche Marktbeobachter sagen sogar voraus, dass es möglich sei, dass die 10-jährigen UST-Renditen, die am Mittwoch ein 16-Jahres-Hoch von fast 4,90% erreichten, auf 6% klettern, ein Niveau, das zuletzt im Jahr 2000 verzeichnet wurde.

Anleger, die Staatsanleihen halten, haben i.d.R. die Möglichkeit, auf den Geldmärkten (mit Staatsanleihen als Collateral) Kredit aufzunehmen, auf denen die Tagesgeldzinsen von der Fed festgelegt werden. 

Zur Erinnerung: Die Rendite der Staatsanleihen mit der kürzesten Laufzeit spiegelt die Geldpolitik der Fed wider. 

Bei längeren Laufzeiten spiegeln die Renditen zwei zusätzliche Faktoren wider. 

Der eine ist die Erwartung, wie die Fed die Zinsen in Zukunft ändern wird. 

Die Umstellung der Fed auf einen aggressiven Plan zur Straffung der Geldpolitik hat auch die UST-Renditen in die Höhe katapultiert, die Volatilität angeheizt und die Laufzeitprämien in die Höhe getrieben, Graph: Bloomberg Business Week, Oct 05, 2023


Freitag, 29. September 2023

US Treasury Basis Trade

Die schulden-finanzierte Wette auf US-Staatsanleihen


Die Bank of England (BoE), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und die US-Notenbank (Fed) haben neulich auf die Arbitrage-Strategien für Staatsanleihen bzw. Futures und auf die damit verbundenen Risiken hingewiesen, wie FTAlphaville zusammenfassend berichtet hat.

Beim so genannten Basis-Trade werden zwei sehr ähnliche Schuldtitel-Preise gegeneinander ausgespielt - Verkauf von Futures und Kauf von Anleihen - und aus der geringen Differenz zwischen beiden mit geliehenem Geld Gewinne herausgeholt.

Wie der Basis Trade funktioniert, Graph: FT, Sept 26, 2023

Sonntag, 24. September 2023

Money for Beginners

Book Review – Buchbesprechung

L Randall Wray: Money for Beginners – An Illustrated Guide, Polity Press, 2023, Cambridge, UK.


Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gilt als das "Goldene Zeitalter des Kapitalismus" (der Begriff war von Eric Hobsbawn geprägt), nicht nur für die reichen Länder, sondern auch für die Entwicklungsländer, eine Periode des hohen Produktivitätswachstums und des sozialen Ausgleichs: eine Allianz zwischen dem Faktor Arbeit und dem Faktor Kapital, sozusagen.

Der Goldstandard war durch das sog. Bretton-Woods-Systems ersetzt. Und die vorherrschende Vorstellung war von der Geistesstärke geleitet, sich mit Themen wie Ungleichheit, Rassismus und Diskriminierung von Farbigen, Frauen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen auseinanderzusetzen.

Doch es kam zu einem Wandel in den 1980er Jahren

Eine angebotsorientierte Wirtschaftstheorie, welche staatlichen Konjunkturprogrammen und Investitionen widerspricht, hat die Oberhand gewonnen. 

In der Hauptsache wurde eine Reihe von radikalen Massnahmen (wirtschaftlich und politisch) von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Grossbritannien ergriffen und weiter vorangetrieben, wie z.B.

Sonntag, 17. September 2023

Industriepolitik und Beschäftigung

Industrial Policy and Employment - Crowding-out versus Crowding-in

"Crowding-in" und "Crowding-out" sind zwei Begriffe aus der Wirtschaftswissenschaft, die das Verhältnis zwischen Staatsausgaben und Ausgaben des privaten Sektors beschreiben, insbesondere im Zusammenhang mit der Fiskal-Politik und ihren Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

"Crowding-out" bedeutet, dass staatliche Kreditaufnahme und Ausgaben mit Aktivitäten des privaten Sektors konkurrieren und diese verdrängen können, was zu einem geringeren Wirtschaftswachstum als erwartet führen kann.

Das bezieht sich auf eine Situation, in der ein Anstieg der Staatsausgaben zu einem Rückgang der Ausgaben des privaten Sektors führt. 


Die Prognosen für die Investitionsausgaben (“capex”) der S&P 500-Unternehmen bewegen sich auf einem Rekordniveau, und die Gewinnschätzungen sind sehr positiv. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen ihre Pläne in die Tat umsetzen werden, Graph: Bloomberg, Sept 11, 2023

Montag, 11. September 2023

Onkel Sam muss seine Schulden nie zurückzahlen

Government’s Debt is Our Asset

Der aktuelle Hinweis von Torsten Sløk, Apollo Global darauf, dass 31% aller ausstehenden US-Staatsanleihen innerhalb von 12 Monaten fällig werden, hört sich wie eine latente Warnung vor Überschuldung (und/oder einer Zahlungsunfähigkeit) an.

Der Wink mit dem Zaunpfahl weckt aber zugleich Erinnerungen an:


ein Mythos wie der Staat kann zahlungsunfähig werden,

falsche Analogien wie der Staat ist wie ein Haushalt,

Erzählung von Gruselgeschichten wie die USA könnten wie Simbabwe werden, mit himmelhoher Inflation.


Seit Beginn des Abbaus ihrer aufgeblähten Bilanz im vergangenen Jahr hat die Fed nun rund 1 Billion Dollar ihrer Anleihebestände abgestoßen, Graph: Bloomberg, Sept 08, 2023 


Sonntag, 3. September 2023

The Guest Lecture

Debt Forgiveness – Keynes, Bankers and Economists

Buchbesprechung

Martin Riker: The Guest Lecture, Black Cat, New York, January 2023


Das ist ein grossartiger akademischer Roman über Feminismus, Sprache, Liebe, Familie und Karriere.

Die Handlung des Buches umfasst lediglich nur eine einzige Szene, eine schlaflose Nacht, in der sich eine ironische Akademikerin (Abby) auf einen Vortrag über den Ökonomen John Maynard Keynespragmatic optimist») in einem Hotel-Zimmer vorbereitet, während ihr Ehemann (Ed) und ihre Tochter (Ali) nebenan schlafen.

Es geht um die Angst vor dem Scheitern, die moderne Wirtschaftsgeschichte, die Logik der Erinnerung und mehr.

Doch sie weiß sich zu helfen, indem sie Teile ihrer Rede mithilfe einer alten rhetorischen Methode («Cicero’s loci method») verschiedenen Räumen in ihrem Haus zuordnet. Und das Beste daran ist, dass sie einen imaginären Begleiter hat, der sie tröstet und auf dem Laufenden hält: Keynes selbst.

Wenn es um Methoden des Auswendiglernens geht, sollten Sie sich mit der antiken Rhetorikerin Aspasia aus Milet (eine antike Stadt an der Westküste der heutigen Türkei) befassen, so der Autor mit Nachdruck.

Aspasia war die Partnerin des Staatsmannes Perikles nicht Konkubine, Partnerin und Lehrerin von Sokrates, Platons eigenem geliebten Lehrer, zu einer Zeit, als es solche Rollen für Frauen einfach nicht gab. 

Es gibt Hinweise darauf, dass es Aspasia war, die die Methode des «Argumentierens durch Fragen» erfunden hat, die als sokratische Methode in die Geschichte eingegangen ist und die laut Martin Riker «das Fundament der patriarchalischen westlichen intellektuellen Tradition» bildet.


«Hinter jedem großartigen Mann steht die rhetorische Methode einer großartigen Frau». 

Sonntag, 27. August 2023

Current Monetary Tightening: Pushing on a String

Staat: Der einzige verbleibende Kreditnehmer


FOMC, der geldpolitische Ausschuss der US-Notenbank (Fed) hat vor 16 Monaten mit der Anhebung der Zinssätze begonnen.

Und doch die Zinserhöhungen der Fed scheinen die Wirtschaft noch nicht nennenswert gebremst zu haben.

Es gibt zwei verschiedene Erklärungen dafür, notiert Torsten Sløk von Apollo Global.


1) Die Fed hat die Zinssätze nicht ausreichend erhöht.


2) Die verzögerten Auswirkungen von Zinserhöhungen der Fed dauern länger, als wir denken.


Die Fed wisse nicht, ob die anhaltende Stärke der Wirtschaftsdaten darauf zurückzuführen ist, dass sie die Zinssätze nicht genug angehoben hat, oder ob die verzögerten Auswirkungen von Zinserhöhungen der Fed länger dauern als üblich.


Eine Rezession eine Vorbedingung dafür, dass die Fed mit dem Kurs ihrer restriktiven Geldpolitik aufhört, Graph: Torsten Slok, Apollo Global, August 20, 2023.


Samstag, 19. August 2023

Biden ‘s “trickle-up” Economics

Paradox of Thrift und Soft Landing


Goldman Sachs deutet in einer neulich vorgelegten Analyse auf den anhaltenden finanziellen Überschuss im Privatsektor hin.

Die Verfasser der Studie heben die gesunde Finanzlage des gesamten Privatsektors hervor, die dazu beitragen würde, das Wirtschaftswachstum angesichts neuer Schocks zu stützen.

Der dazu zugrunde liegende Indikator ist der sog. finanzielle Saldo («sectoral financial balances»), d.h. die Differenz zwischen den Gesamteinnahmen und den Gesamtausgaben.

Die Metrik misst die Fähigkeit der internen Cashflows, das aktuelle Niveau des Konsums und der Investitionen zu finanzieren.


Der Finanzierungssaldo der Wirtschaftssektoren in den USA: Hier ist der Privatsektor, Graph: Goldman Sachs, Aug 15, 2023.


Sonntag, 13. August 2023

America’s High-Employment Budget

Industriepolitik in schwierigeren Zeiten


Interessant ist derzeit zu beobachten, dass namhafte Investmentbanken Staatsanleihen aufgrund der hohen Realverzinsung als Portfolio-Beimischung positiv gegenüberstehen, während die Bonität von UST-Anleihen von einer renommierten Rating-Agentur herab gestuft wird.

Fitch hingegen hat den USA die begehrte Spitzenbonität («AAA») mit dem Hinweis auf die anhaltende Abhängigkeit der US-Regierung von Schulden zur Finanzierung ihrer Ausgaben entzogen, mit erwarteten Defiziten von ~6% des BIP in den nächsten drei Jahren.

Die von der Öffentlichkeit gehaltenen US-Staatsanleihen belaufen sich im Übrigen auf ~97% des BIP.

Doch die Zinszahlungen im Verhältnis zum US-BIP sind deutlich niedriger als in den frühen 1990er Jahren. Es trifft zwar zu, dass sie im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich gestiegen sind.

Aber, na und? Grosse Wirtschaft, grosses Defizit: 


Angesichts der heutigen Marktpreise, 2-jährige britische Gilt-Renditen von fast 5% oder 10-jährige inflationsgeschützte US-Treasury-Renditen von über 1,5%, ist davon auszugehen, dass sich Staatsanleihen als besonders attraktive Alternative zu Bargeld erweisen könnten, Graph: JPMorgan, Aug 11, 2023.



Sonntag, 6. August 2023

What is the point of shorting US Treasury Bonds?

Big Fiscal: Staaten sind keine Unternehmen

Die Entscheidung der Ratingagentur Fitch in dieser Woche, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen, hat auf Social Media hohe Wellen geschlagen, auch wenn die Anleger davon nicht überzeugt sind.

Fitch begründet die Senkung der Schuldnerqualität (Rating) mit dem Hinweis auf «eine zu erwartende Verschlechterung der öffentlichen Finanzen in den kommenden Jahren und eine hohe, wachsende Staatsverschuldung».

Das ist wie ein Balsam für die Seelen der Bären (oder einfach der «Bond-Vigilantes») für Staatsanleihen. 

Doch es ist unklar, ob die Herabstufung in den USA eine Kaskade von Herabstufungen bei Unternehmen auslösen würde, wie es in Schwellenländern häufig der Fall ist. 

Neben heftiger Kritik löste die Herabstufung durch Fitch auch einige unangenehme Fragen am Kreditmarkt aus. 


Die Rendite von US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit: 4,28%. PS: Die Rendite der TIPS mit vergleichbarer Laufzeit (inflationsindexierten US-Staatsanleihen, die als Metrik für Inflationserwartungen gelten) sich auf 1,95% beläuft, Graph: Bloomberg TV, Aug 04, 2023.


Samstag, 5. August 2023

The World for Sale

Book Review - Buchbesprechung

Javier Blas and Jack Farchy: The World for Sale – Money, Power and the Traders Who Barter the Earth’s Resources, Oxford University Press, April 2022, UK, London.


Das ist ein faszinierendes und aufschlussreiches Storytelling. Der lebendige Handlungsort ist die (bis vor kurzem kaum regulierten) Rohstoffmärkte. Die überzeugenden Charaktere sind 1) Händler bzw. «Commodity Traders» (Hauptcharaktere), 2) Regulierungsbehörden (Antagonisten), 3) Banken und Finanzinstitute (Nebendarsteller).

Rohstoffhändler sind Einzelpersonen, die am Kauf und Verkauf von Rohstoffen wie Agrarprodukten, Energieressourcen, Metallen und anderen Rohstoffen beteiligt sind.

Und sie haben klare Ziele: 1) Gewinnmaximierung: Das Hauptziel der meisten Rohstoffhändler besteht darin, einen Gewinn zu erzielen, indem sie Rohstoffe zu einem niedrigeren Preis kaufen und zu einem höheren Preis verkaufen, 

2) Aufbau starker Beziehungen: 

Der Aufbau und die Pflege guter Beziehungen zu Lieferanten, Käufern und anderen Marktteilnehmern und 

3) Marktanteilserweiterung: einige Händler konzentrieren sich darauf, ihr Handelsvolumen zu erhöhen und/oder in neue Märkte zu expandieren.

Zu den Stärken der Rohstoffhändler zählen hauptsächlich: 1) Marktkenntnisse, 2) Anpassungsfähigkeit (schnell auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren und 3) Verhandlungsgeschick, um günstige Geschäfte und Konditionen mit Lieferanten und Käufern zu erzielen.

Die Schwächen der Rohstoffhändler betreffen: 1) Risikoexposition (Preisschwankungen, geopolitische Ereignisse und Unterbrechungen der Lieferkette) 2) Selbstüberschätzung, 3) regulatorische Herausforderungen (Vorschriften, deren Nichteinhaltung zu rechtlichen Problemen und Geldstrafen führen kann).

Montag, 31. Juli 2023

Over-Tightening by the ECB

Die Fed lässt die Tür für eine weitere Zinserhöhung im September offen


Die PCE-Inflationsrate in den USA fiel im Juni auf 3%, verglichen mit 7% ein Jahr zuvor, während die Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr stabil blieb (bei 3,6% im Juni). 

Dennoch ist die Fed nicht völlig abgeneigt, die Zinssätze weiter anzuheben. 

Warum? Um die Arbeitslosigkeit zu erhöhen?

Das ist eine berechtigte Frage. Aber wir kennen die Antwort.

Das übliche Rezept zur Bekämpfung der Inflation gemäss der vorherrschenden Theorie ist die Anhebung der Zinssätze, und zwar koste es was es wolle. 

Das heisst, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und das Risiko einer möglichen Rezession durch die geldpolitischen Entscheidungsträger bewusst in Kauf genommen wird. Dass dadurch auch die finanzielle Stabilität der Gefahr ausgesetzt wird, liegt auf der Hand.


Die Fed erhöhte am Mittwoch ihren Leitzins um 25bp auf die Spanne von 5,25 % bis 5,50 %, ein Niveau, das zuletzt kurz vor dem Immobilienmarktcrash 2007 erreicht wurde und seit etwa 22 Jahren nicht mehr dauerhaft überschritten wurde, Graph: Reuters, July 30, 2023.

Dienstag, 25. Juli 2023

Raus aus dem Ego Kapitalismus

Buchbesprechung – Book Review

Patrick Kaczmarczyk: Raus aus dem Ego Kapitalismus – Für eine Wirtschaft im Dienst des Menschen, Westend Verlag, 18 Sept 2023.


Patrick Kaczmarczyk bietet dem Leser eine tiefgründige und berechtigte Kritik am neoliberalen Kapitalismus. Es ist eine gelungene Entzauberung des marktliberalen Dogmas der letzten Jahrzehnte.

Obwohl der Neoliberalismus zunächst mit der Förderung des Marktes begonnen hat, wird er zunehmend dazu genutzt, Maßnahmen zu fördern, die die Größe des Staates verringern und Steuersenkungen für die Reichen ermöglichen.

Es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, dass die neoliberale Politik sich selbst übertroffen und mit Brexit und Trump eine Form autoritärer Plutokratie geschaffen hat, die eine Bedrohung für die pluralistische Demokratie darstellt.

Denn Neoliberalismus ist eine politische Bewegung oder besser gesagt eine Ideologie, die „Big Government“ hasst, jede Form von Markteingriffen durch den Staat ablehnt, Geschäftsinteressen bevorzugt und sich gegen organisierte Arbeiter stellt. 

Die neoliberale Politik wurde in den vergangenen Jahrzehnten von den Geldinteressen der Rechten übernommen und gefördert. In zu vielen Ländern betrachtete die politische Rechte Sparmaßnahmen («fiscal austerity») als eine Möglichkeit, den Staat zu verkleinern.

Das Narrativ Freiheit bedeutet heute die Freiheit für das Kapital, von dem der Grossteil der Weltbevölkerung nichts hat, wie der Autor zu Recht unterstreicht.

Samstag, 22. Juli 2023

Unternehmenseinnahmen im Verhältnis zur Beschäftigung

Industrial Policy: A Global Reality


Der folgende Chart von Morgan Stanley zeigt die realen Unternehmenseinnahmen im Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten. Es ist ein Maß, das die Gesamteinnahmen der Unternehmen mit der Zahl der Beschäftigten in diesen Unternehmen vergleicht. 

Die Kennziffer wird als Indikator für die Produktivität und wirtschaftliche Effizienz des Unternehmenssektors verwendet.

Die Zahl der Beschäftigten auf der Lohn- und Gehaltsliste bezieht sich auf die Zahl der von Unternehmen beschäftigten Personen, die i.d.R. in Vollzeitäquivalenten gemessen wird. Sie umfasst sowohl Festangestellte als auch Zeitarbeiter.

"Real" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Einnahmezahlen um die Inflation bereinigt werden, um Veränderungen der Kaufkraft des Geldes im Laufe der Zeit zu berücksichtigen. 


Die realen Unternehmenseinnahmen im Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten, Graph: Morgan Stanley, July 17, 2023


Samstag, 15. Juli 2023

Inflationsdruck: Ausgaben versus Geld

Why isn’t the economy responding to rate increases (yet)?


Dies ist eine erstaunliche Abbildung von TS-Lombard, dem Beratungsunternehmen für makroökonomische Prognosen mit Hauptsitz in London.

Was wir sehen ist, dass die Inflation dort, wo das Wachstum schwach ist, relativ hoch notiert. 

Und die Inflation markiert dort, wo das Wachstum hoch ist, eine eher relativ moderate Entwicklung.

Der Ausbruch der Corona-Virus-Pandemie im Dezember 2019 hat ohne Zweifel einen schweren weltweiten Wirtschaftsabschwung ausgelöst, der in vielen Ländern zu Rezessionen führte. 

Lockdown-Maßnahmen und Beschränkungen für Unternehmen trugen zu einer verringerten Wirtschaftstätigkeit, Unterbrechungen der Lieferkette und einem Rückgang der Verbraucherausgaben bei.

Vor diesem Hintergrund gingen sogar manche Marktbeobachter rasch dazu über, hemmungslos das Gespenst der 1970er Jahre zurückzuholen. 

In der Tat erweckt die ungewöhnliche Konstellation den Eindruck, als ob eine «Stagflation» vorläge. Das heisst ein Konjunkturzyklus, der durch langsames Wachstum und eine hohe Arbeitslosenquote bei gleichzeitiger Inflation gekennzeichnet ist.



Der stagflationäre Schock ist nicht überall gleich, Graph: TS-Lombard, July 08, 2023

Donnerstag, 13. Juli 2023

The Capital Order

Book Review - Buchbesprechung

Clara E. Mattei: The Capital Order - How Economists invested Austerity and paved the way to fascism, Chicago University Press, 2022.


Austerität geht i.d.R. mit einer Unterdrückung der Binnennachfrage und der «Flexibilisierung der Arbeitsmärkte» einher. 

Doch diese in der Gegenwart etablierte Sichtweise dürfte laut Clara Mattei die Auswirkungen von Austerität dramatisch unterschätzen.

Die Autorin unternimmt daher in diesem Buch den Versuch, zu veranschaulichen, dass die Austerität, wie wir sie heute kennen, nach dem Ersten Weltkrieg als Methode zur Verhinderung des Zusammenbruchs des Kapitalismus entstanden ist. Mit anderen Worten ging es darum, den Faktor Kapital zu schützen und den Faktor Arbeit zu schwächen.

In der Tat zeigt die empirische Evidenz, dass die fiskalische Austerität nicht funktioniert, die erklärten Ziele wie z.B. Schuldenabbau und/oder Ankurbelung des Wirtschaftswachstums zu erreichen. 

Dass aber die Austerität, sei es fiskalisch, geldpolitisch und/oder arbeitsmarktpolitisch, dennoch von den Regierungen immer wieder (zwanghaft) angewendet wird, ist eine Form des Wahnsinns, wie Mark Blyth in seinem lesenswerten Buch (2013) bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund sieht Clara Mattei die Austerität nicht als Reaktion auf Wirtschaftskrisen, sondern auf Krisen des Kapitalismus per se.

Und die Austerität kommt hierbei als ein wichtiges Bollwerk zur Verteidigung des kapitalistischen Systems zum Einsatz.

Dienstag, 4. Juli 2023

Inflation Drivers in Europe

Sellers’ Inflation and Profits


Der IWF schreibt in einem am Montag vorgelegten Bericht, dass steigende Unternehmensgewinne für fast die Hälfte des Anstiegs der Inflation in Europa in den letzten zwei Jahren verantwortlich sind. 

Begründung: Die Unternehmen haben ihre Preise stärker angehoben als die Kosten für importierte Energie.

Im Klartext:

Die höhere Inflation ist bisher vor allem auf höhere Gewinne und Importpreise zurückzuführen, wobei die Gewinne 45% des Preisanstiegs seit Anfang 2022 ausmachen. 

Dies geht aus unserer neuen IWF-Studie hervor, in der die am Konsum-Deflator gemessene Inflation in Arbeitskosten, Importkosten, Steuern und Gewinne aufgeschlüsselt wird. 

Die Importkosten waren für etwa 40% der Inflation verantwortlich, während die Arbeitskosten 25% ausmachten. 

Die Steuern hatten laut IWF eine leicht deflationäre Wirkung.


Steigende Unternehmensgewinne sind für fast die Hälfte des Anstiegs der Inflation in Europa in den letzten zwei Jahren verantwortlich, Graph: IMF, June 26, 2023


Dienstag, 27. Juni 2023

Staat Macht Geld

Buchbesprechung

Monika Stemmer: Staat Macht Geld, Westend Verlag, April 2023, Frankfurt am Main.


In der Corona-Krise hat die Europäische Kommission beschlossen, ein 750 Mrd. Euro schwere Paket zur Verfügung zu stellen, um die Wirtschaft in den Mitgliedsstaaten zu retten. Die Geldschöpfung fand in der Bilanz statt. Das heisst, dass die EU die Schulden übernommen hat: «deficit spending».

Doch der Begriff «Defizitausgaben» ist eigentlich nicht korrekt. Alle Staatsausgaben sehen gleich aus und werden in Form von Krediten per Tastenanschlag («keystroke») am Computer getätigt. Das Defizit existiert nur im Nachhinein.

Denn auf der aggregierten Ebene führt ein öffentliches Defizit zu einem nicht-staatlichen Überschuss (und ist identisch mit diesem). Und ein staatlicher Überschuss erzeugt ein nicht-staatliches Defizit. Das heisst: Die Verbindlichkeiten des Staates sind die Vermögen des privaten Sektors.

Die EZB hat das nötige Geld per Tastendruck geschaffen und via Banken zur EU-Kommission gesendet. Die Kommission hat es dann an die Regierungen der Mitgliedsstaaten weitergeleitet, zum Teil als nicht rückzahlbare Hilfe, zum Teil als Kredit zu günstigen Konditionen.

Wie die akute Intervention in einer (schweren) Krise zeigt, ist das Geld nicht knapp. Eine weitere, wichtige Lehre ist, dass die alten prozyklischen Schuldenbremsen und Strafzinsen auf keinen Fall wieder Anwendung finden dürfen. Denn das Aussetzen der Schuldengrenzen und die Investitionsprogramme wirken positiv.

Samstag, 24. Juni 2023

ECB, Rate Hikes and Hysteresis-Effects

Wie Europa gegenüber Amerika zurückfällt


Die EZB will nach eigenen Angaben die Zinserhöhungen fortsetzen. Begründung: Die Inflation sei noch lange nicht besiegt.

Der Beschluss der EZB-Führung am 15. Juni, den Leitzins für Einlagen um einen Viertelpunkt auf 3,5% anzuheben, kommt allerdings zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Rezession. 

Trotz einer stagnierenden Wirtschaft zeigt sich die EZB-Führung entschlossen, die Zinsen weiter zu erhöhen und damit einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen.

Isabel Schnabel hat neulich in einem Vortrag mit dem Hinweis auf den «vollgefüllten» Arbeitsmarkt («tight labor market») argumentiert, dass die Inflation in den nächsten drei Jahren wahrscheinlich nicht auf das Zielniveau zurückkehren werde, wenn das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitslosen nicht wieder unter das Niveau vor dem COVID falle.

Mit dem Abklingen des Energieschocks und der Normalisierung der Versorgungsketten seien die Inlandsnachfrage und insbesondere das Lohnwachstum zum wichtigsten Faktor der jüngsten Inflationsentwicklung geworden, so die EZB-Direktorin

Bemerkenswert ist die Verlautbarung, dass im heutigen Umfeld der Wirtschaft Hysterese-Effekte ein Aufwärtsrisiko darstellen.

In der Euro Zone, zwischen den tatsächlichen Investitionen und dem Investitionsniveau klafft eine erhebliche Lücke. Die Unterbrechungen der Lieferkette bei kritischen Investitionsgütern wie Halbleiterchips waren ein Grund dafür, dass sich die Kapitalakkumulation verlangsamt hat, Graph: Isabel Schnabel, ECB, June 19, 2023

Mittwoch, 21. Juni 2023

Gewinn-Preis-Spirale

What is a profit-driven inflation?


Paul Donovan, der globale Chefökonom der Schweizer Bank UBS Wealth Management, hat in einer eindrucksvollen Analyse im März 2023 dargelegt, dass es in den entwickelten Volkswirtschaften seit der Pandemie drei Inflationswellen gegeben hat: 


eine vorübergehende Inflation bei langlebigen Gütern, 

eine Rohstoffinflation und 

schließlich eine durch Gewinnspannen bedingte Inflation.


Der britische Wirtschaftswissenschaftler argumentiert, dass die durch Gewinnspannen bedingte Inflation nicht durch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage verursacht wird. 


Für den Agrarsektor, in dem ein Preisanstieg aufgrund von Unterbrechungen in der Lebensmittelversorgungskette das Margenwachstum sogar um mehr als eins zu eins verschoben hat, zeichnet sich nun eine Trendwende ab, Graph: Credit Suisse Research, June 08, 2023.


Samstag, 17. Juni 2023

What is industrial policy?

Industrie-Politik und Warum der Staat sich verschulden muss

Die Dynamik der privaten Investitionstätigkeit ist von besonderer Bedeutung, damit das marktwirtschaftliche System funktionieren kann.

Der Aufbau eines leistungsfähigen Kapitalstocks ist dabei entscheidend. Eine Investitionsschwäche ist im Allgemeinen auf schlechte monetäre Bedingungen und eine mangelhafte Nachfrage zurückzuführen.

Für die Entwicklung der Produktivität kommt es auf die Investitionstätigkeit und die gesamtwirtschaftliche Auslastung der Kapazitäten an.

Es ist in erster Linie die Aufgabe des privaten Sektors, die Schuldnerrolle zu übernehmen und zu investieren.

Wenn sich aber Unternehmen mit Investitionen zurückhalten, selbst bei null-Zinsen, muss der Staat in die Bresche springen.


Der Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) aus dem Jahr 2021, der Inflation Reduction Act (IRA) aus dem Jahr 2022 und der CHIPS and Science Act (CHIPS) aus dem Jahr 2022 stehen für öffentliche und private Ausgaben in Höhe von schätzungsweise insgesamt 2,4 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren, Graph: JPMorganAM, June 10, 2023.

Sonntag, 11. Juni 2023

Monetary Austerity and Fiscal Responsibility

Privatsektor spart in Krisen und der Staat?


Der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüsst die expansive Fiskalpolitik der Schweiz

Im am Mittwoch vorgelegten Länderbericht Schweiz heisst es, dass der expansive finanzpolitische Kurs des Bundes angesichts der sich verlangsamenden Wirtschaft und der zugrunde liegenden Faktoren angemessen sei.

Wenn sich die Abwärtsrisiken verwirklichen sollten, sollten die automatischen Stabilisatoren greifen. Und es könnten gezielte, zeitlich begrenzte und nicht verzerrende Hilfen für Haushalte und Unternehmen in Betracht gezogen werden, so der IWF weiter.

Das Wachstum würde sich laut IWF-Ökonomen voraussichtlich weiter verlangsamen, da die Risiken nach unten gerichtet sind und die Unsicherheit groß ist. 


IWF begrüsst die expansive Fiskalpolitik der Schweiz, Graph: IMF, June 08, 2023


Sonntag, 4. Juni 2023

Arbeitsproduktivität und Einkommen

Labor Productivity

The absence of proper monetary conditions 

Robert J. Gordon hat in seinem im Jahr 2016 vorgelegten Buch die These vertreten, dass die hohen Wirtschaftswachstumsraten in Amerika ein einmaliges Ereignis zwischen etwa 1870 und 1970 gewesen seien. 

Und wir hätten keinen Grund zu erwarten, dass es in absehbarer Zeit zurückkehren würde, wenn überhaupt.

Warum der Pessimismus? 

Prof. Gordon, North Western University, hat auf sechs "Gegenwinde", die seiner Meinung nach das Wachstum bremsen werden, verwiesen: 

Demografie, Bildung, Ungleichheit, Globalisierung, Energie/Umwelt und der Überhang an Verbraucher- und Staatsschulden.

Er hat argumentiert, dass die IT-Revolution weniger wichtig ist als jede der fünf großen Erfindungen, die das Wirtschaftswachstum von 1870 bis 1970 vorangetrieben haben: Elektrizität, städtische Sanitärversorgung, Chemie und Pharmazie, der Verbrennungsmotor und moderne Kommunikation.


Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen (1948) blieb die Produktivitätsveränderung im Jahresvergleich fünf Quartale in Folge negativ, Graph: Bureau of Labor Statistics, BLS, June 01, 2023

Sonntag, 28. Mai 2023

Free Lunch and Allocation of Resources

The Logic of Opportunity Costs

Ein allgemein bekanntes, neoklassisch geprägtes Sprichwort aus Wirtschaftslehrbüchern ist «There ain’t so such thing as a free lunch». 

Es wurde vor allem in Kreisen von Milton Friedman populär gemacht.

Das Diktum geht auf einen Marketingtrick der Saloons des 19. Jahrhunderts zurück, die ihren Kunden ein „kostenloses“ Mittagessen («free lunch») anboten, in der Annahme, dass sie es mit Bier oder anderen Getränken herunterspülen würden. Selbstverständlich waren die Kosten für das Mittagessen im Getränkepreis enthalten.

Der Kerngedanke lässt sich in einer breiteren Fassung dahingehend umformulieren, dass es bei wirtschaftlichen Entscheidungen auf die Opportunitätskosten und nicht nur auf die monetären Kosten ankommt, wie John Quiggin in seinem ausgezeichneten Buch «Economics in Two Lessons» erklärt.


Da die Stellenangebote zurückgehen, dürfte sich das Gewinnwachstum von Unternehmen verlangsamen, Graph: Morgan Stanley, May 2023.


Dienstag, 23. Mai 2023

Memecoins Mania and Fake Assets

Fiat Money versus Crypto

Viele Memecoins sind als Scherz oder Parodieprojekte entstanden, denen wenig bis gar keine Technologie oder realer Nutzen zugrunde liegt: sie sind hoch spekulativ und neigen zu extremen Preisschwankungen. 

Memecoins sind eine Art von Kryptowährung, die ihren Wert aus Internet-Memes und Online-Communities beziehen. Sie weisen oft einprägsame Namen, Logos und Marketingkampagnen auf, die sich beliebte Trends oder Humor zunutze machen, wie ChatGPT erklärt.

Aufgrund ihrer Beschaffenheit können Memecoins riskante Investitionen sein, und ihr Wert kann je nach Social-Media-Trends und Online-Stimmung dramatisch schwanken.

Das jüngste Beispiel ist Pepe, eine Münze, die von einem anthropomorphisierten Frosch inspiriert wurde, der in Internet-Memes beliebt ist, machte in den 17 Tagen nach ihrer Markteinführung am 16. April einen Sprung von fast 7.000 und erreichte bis zum 5. Mai einen Marktwert von 1,8 Milliarden Dollar, wie der Datenverfolger CoinGecko berichtet.



Memecoins - eine hyper-spekulative, ultra-volatile und etwas eigenartige Klasse von Kryptowährungen - stehen wieder im Rampenlicht, nachdem der neueste digitale Token Pepe mit stratosphärischen Gewinnen auf den Markt kam, Graph: Reuters, May 16, 2023.

Sonntag, 21. Mai 2023

Monetary Austerity

Ein Reservoir an arbeitslosen Arbeitskräften


Die US-Notenbank hat am 3. Mai die sog. Fed Funds Rate um 0,25% erhöht. 

Die Zinserhöhung der Fed war bereits die zehnte in Folge. Damit liegt der Leitzins in einer Spanne von 5,0 bis 5,25%. 

Unabhängig davon, ob demnächst eine «Zinspause» erfolgt oder nicht, hat der restriktive Kurs der US-Notenbank längst eine gewisse Angst vor einer bevorstehenden Rezession ausgelöst.

Denn wenn die Zinsen steigen, wird es teurer, sich Geld zu leihen. 

Wenn die Fed ihren Kreditzins anhebt, werden sich die Kosten für die Kreditaufnahme für Verbraucher und Unternehmen erhöhen, was sich negativ auf die Ausgaben auswirken kann.

Und wenn die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sinkt, fallen die Erträge von Unternehmen zurück. 

Wenn die Unternehmen ihre Ausgaben einschränken, leiden Investitionen. Und dies kann zu einer Verlangsamung der Geschäftstätigkeit und möglicherweise zu weniger Beschäftigungsmöglichkeiten führen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Beziehung zwischen Zinssätzen und Beschäftigung komplex ist und die tatsächlichen Auswirkungen von verschiedenen Faktoren wie der allgemeinen Wirtschaftslage, dem Ausmaß von Zinsänderungen und anderen politischen Maßnahmen der Regierung abhängen können.



Mehr als 230 amerikanische Unternehmen haben bis April Insolvenz angemeldet. Laut S&P Global der höchste Stand in den ersten vier Monaten eines Jahres seit 2010, Graph: New York Times, May 19, 2023

Samstag, 13. Mai 2023

Inflationsvorgabe und viel Lärm um Verankerung

Kiss «Soft Landing» Goodbye

Die Marktbeobachter gehen nach wie vor davon aus, dass die Fed durch die Steuerung der Inflationserwartungen eine sanfte Landungsoft landing»), d. h. eine niedrigere Inflation ohne Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums, erreichen kann.

Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit dabei geflissentlich in Kauf genommen wird.

Die aktuelle Umfrage* (SLOOS) der US-Notenbank (seit der jüngsten Serie von Bankzusammenbrüchen) zeigt, dass 46,0 % der Banken die Kreditbedingungen für eine Schlüsselkategorie von Unternehmenskrediten für mittlere und große Unternehmen verschärften, verglichen mit 44,8 % in der vorherigen Umfrage im Januar.

Die Ergebnisse scheinen aber eher die kumulativen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung der Fed zu markieren als den drastischen Rückgang der Kreditvergabe, den einige Experten nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im März befürchtet hatten.

US-Inflationszahlen im April 2023: Die ermutigende Geschichte im Detail ist, dass der Dienstleistungssektor ohne Energie und ohne Wohnungsbau («super core» inflation) abzuschwächen scheint, Graph: ING Economics, May 10, 2023.