Sonntag, 25. Dezember 2022

Geldpolitik und angebotsseitige Schocks

Central Banks Overtighten Monetary Policy


Die US-Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen (Fed Funds Rate) dieses Jahr insgesamt siebenmal, davon viermal in Folge um 0,75%, auf inzwischen 4,50% erhöht.

Am 14. Dezember hat Fed Präsident Jerome Powell den Leitzins um 0,50% auf eine Spanne von nun 4,25% bis 4,50% aufgestockt und damit das Tempo der Zinsschritte gebremst.



Die meisten großen Zentralbanken haben in diesem Jahr die Leitzinsen erhöht, Graph: Bloomberg, Dec 23, 2022.


Donnerstag, 22. Dezember 2022

A Monetary and Fiscal History of the United States, 1961-2021

Buchbesprechung

Alan S. Blinder: A Monetary and Fiscal History of the United States, 1961-2021, Princeton University Press, December 2022.


Eine nüchterne Wahrnehmung der jüngsten schweren Krisen wie der GFC von 2008 und der COVID19 Pandemie von 2020 führt deutlich vor Augen, wie wichtig das Zusammenspiel von Geld- und Finanzpolitik für die Wirtschaft ist. Zumal eine enge Zusammenarbeit aufgrund neuer Herausforderungen inzwischen unumgänglich ist.

Alan Blinder liefert uns in seinem neuen Buch eine profunde Zusammenfassung von 60 Jahren Geld- und Finanzgeschichte. 

Klar ist, wie der Professor für Wirtschaft und Public Affairs an der Princeton University mit Nachdruck unterstreicht, dass das komplexe Zusammenspiel von Ideen, Ereignissen, und Politik, das im Mittelpunkt dieses Buches steht, nicht linear verlaufen ist.

Die Rede ist von zwei Arten von Stabilisierungspolitik; wie und warum sie sich im Laufe von 60 Jahren so oft geändert hat. 

Wichtig ist jedoch, deutlich in Erinnerung zu rufen, dass es beim Einsatz von diesen elementaren Instrumenten in erster Linie um politische Entscheidungen und gesellschaftliche Prioritäten geht. 

Sonntag, 11. Dezember 2022

Das unromantische Dual-Mandat der Fed

No Pain, No Gain? No Way!

Die traditionelle Renditekurve ist derzeit invers, und zwar seit geraumer Zeit. Das heisst, dass die Renditen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve (yield curve) höher liegen als die am langen Ende. 

Das ist beunruhigend.

Es gibt aber noch einen weiteren Spread, der Anlass zur Sorge gibt: 

Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen (UST) im Vergleich zum effektiven Leitzins der Fed (Fed Funds Rate).

Eine auffällige Anleihen-Rallye in den letzten sieben Wochen hat die 10-jährige Rendite um etwa 30 Basispunkte unter den effektiven Leitzins der Fed gedrückt, der derzeit bei etwa 3,8% liegt. 



Die Rendite 10-jähriger UST liegt niedriger als der effektive Fed Funds Rate, Graph: Bloomberg, Dec 09, 2022

Sonntag, 4. Dezember 2022

Moral Economies of Money

Buchbesprechung:

Jakob FeinigMoral Economies of Money – Politics and the Monetary Constitution of Society, 2022, Stanford University Press, California.


In einer modernen Wirtschaft besteht mehr als 90% der Geldmenge (money supply) aus inside money. Das heisst, dass das Geld (broad money) vom Bankensystem geschaffen wird. 

Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, zum Beispiel an jemanden, der eine Hypothek für den Kauf eines Hauses aufnimmt, tut sie dies normalerweise nicht, indem sie ihm Banknoten im Wert von Tausenden von Euros gibt. Stattdessen schreibt sie dem Bankkonto eine Bankeinlage in Höhe der Hypothek gut.

Also jedes Mal, wenn eine Bank einen Kredit vergibt, tätigt sie gleichzeitig eine entsprechende Einzahlung auf das Konto des Kreditnehmers und schafft damit neues Geld.

Mit anderen Worten schaffen Geschäftsbanken Geld in Form von Bankeinlagen, indem sie neue Kredite vergeben. 

Es würde die meisten Menschen in den heutigen Vereinigten Staaten überraschen zu hören, dass in der Vergangenheit politische Gruppen vom Gesetzgeber die Schaffung von Geld forderten und sagten, wie diese neue Währung ihrer Meinung nach die Bevölkerung erreichen sollte. 

Jakob Feinig beschreibt in seinem neuen Buch, wie Hunderte von Arbeitssuchenden während der Depression in den 1890er Jahren nach Washington marschierten und verlangten, dass der Kongress Geld schuf und es an die Regierungen der Bundesstaaten und Kommunen weitergab.

Samstag, 3. Dezember 2022

Die Fed schrumpft ihre Bilanz. Was hat das zu bedeuten?

From QE to QT


QE (quantitative easing) hat zur Folge, dass die Bilanzsumme der Zentralbank sich ausdehnt. QT (quantitative tightening) hingegen sorgt dafür, dass die Bilanzsumme schrumpft.

Die US-Notenbank (Fed) hat nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang März 2020 rasch reagiert und in den Markt eingegriffen, um die wirtschaftlichen Folgen der Massenerkrankung zu begrenzen: 

Die Fed hat den Leitzins (Fed Funds Rate) auf nahezu null gesenkt und in großem Umfang US-Staatsanleihen (US-Treasuries) und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere (MBS) gekauft, indem sie dem Bankensystem Reserven zuführte. 


Die erste vollständige Zinssenkung der Fed wird vom Markt im November 2023 und die der EZB 6 Monate später eingepreist, Graph: Anders Svendsen, Nordea, Nov 29, 2022

Donnerstag, 24. November 2022

Vorübergehende Preisschocks und Anti-Inflationspolitik

Fed’s Peak Hawkishness 


Eine umgekehrte (inverse) Renditekurve entsteht, wenn längerfristige Zinssätze wie die 10-Jahres-UST-Rendite niedriger notieren als kurzfristige Zinssätze wie die 2-Jahres-Rendite.

In der Vergangenheit hat sich eine solche Form der Zinsstrukturkurve (yield curve) zumeist als einen der zuverlässigsten Indikatoren für eine zukünftige Rezession erwiesen. 

Die Theorie besagt, dass eine inverse Renditekurve zeigt, dass die Anleger erwarten, dass die Fed die Zinsen in Zukunft senken wird. 

Die Fed hat in diesem Jahr die Zinsen so schnell erhöht wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr, Graph: WSJ, Nov 21, 2022


Samstag, 12. November 2022

The Debt Delusion

Buchbesprechung

John F. Weeks: The Debt Delusion – Living Within Our Means and Other Fallacies, Polity Press, 2020, UK.



Verschuldung, Defizit und fiskalische Sparmaßnahmen (fiscal austerity) gehören zu den Themen, über die in der Eurozone fortwährend lebhaft debattiert wird, und zwar seit der Einführung der Gemeinschaftswährung.


Im Wesentlichen stehen fünf Bausteine im Zentrum, die dazu beitragen, die Notwendigkeit von fiskalischen Sparmaßnahmen zu konstruieren. 


Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten leben.

Die Regierungen müssen ihre Bücher ausgleichen.

Wir müssen unseren Gürtel enger schnallen.

Niemals Schulden machen.

Steuern sind eine Last.


Doch jeder ist ein Mythos, schreibt Prof. John F. Week in seinem lesenswerten Buch.

Die hauptsächliche Aussage des Autors ist, dass wir, wenn wir die Mythen durch Logik und Realität ersetzen, zu dem gegenteiligen Schluss kommen: Vergiss TINAThere is no alternative»), doch es gibt eine Alternative. 

Sonntag, 6. November 2022

Geldpolitik und inverse Zinsstrukturkurve

Fed’s tone remain hawkish


Die Fed erhöhte die Zinsen zum vierten Mal in Folge um 75 Basispunkte und hob damit ihren Leitzins (Fed Funds Rate) von fast Null im März auf 3,75 % bis 4 % an. 

Der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, ließ wenig Zweifel daran, dass er bereit ist, die Zinsen so hoch wie nötig zu treiben, um die Inflation zu bekämpfen. 

Die Zinssätze werden höher steigen als bisher angenommen, sagte Powell, deutete aber auch an, dass der Weg bald zu kleineren Erhöhungen führen könnte. 


Fed’s bevorstehende Zinssenkung, Graph: Morgan Stanley, Oct 31, 2022.

Dienstag, 1. November 2022

Finanzielle Bedingungen und Animal Spirits

Price Level versus Inflation


Die Anleger sind gespannt auf die Sitzung der US-Notenbank (Fed) am Mittwoch. 

Es wird erwartet, dass die Fed die Zinssätze erneut anhebt, da die jüngsten Aussagen des Fed-Vorsitzenden Powell ohne Zweifel darauf hindeuten.

Die Fed bekämpft die Inflation, indem sie die Wirtschaft durch strengere finanzielle Bedingungen - wie höhere Kreditkosten und niedrigere Aktienkurse - bremst, was die Ausgaben einschränkt und die Beschäftigung, das Einkommen und die Ausgaben weiter verringert.



US Financial Conditions Index, Graph: Bloomberg TV, Oct 31, 2022.

Freitag, 21. Oktober 2022

Energiepreise: Es ist Zeit, eine Katastrophe zu verhindern

The globally transmission of energy prices


In Europa hat eine schwere Energiekrise die Inflation auf ein Rekordniveau getrieben, was die Haushalte belastet und sich sogar in den kommenden kalten Wintermonaten zu verschärfen droht.

Während die Importpreise rasant ansteigen, ist das Verbrauchervertrauen so schwach wie noch nie. Und die Stimmung in der Wirtschaft verschlechtert sich. 

Die Regierungen setzen vor diesem Hintergrund auf Strategien zur Krisenbewältigung: Preisobergrenzen, Steuern auf Gewinnüberschüsse und Rationierung.



Der Russland-Ukraine-Krieg stellt einen großen "Terms of Trade"-Schock (*) für die Wirtschaft der Eurozone dar, bei dem die Importpreise überproportional zu den Exportpreisen gestiegen sind, Graph: Madison Faller, JPMorgan, Oct 18, 2022. 


Sonntag, 16. Oktober 2022

US-Notenbank exportiert Rezession weltweit

Don’t fight the Fed and beyond


Die Zentralbanken erhöhen die Zinssätze so schnell wie seit mehr als 40 Jahren nicht mehr. Und Anzeichen von Stress mehren sich inzwischen.

Seit März hat die Fed ihren Leitzins von nahezu null auf über 3 % angehoben, zuletzt dreimal in Folge um 0,75% (auf eine Bandbreite von 3% bis 3,25%). 

Eine Anhebung der Zinssätze führt i.d.R. zu niedrigeren Aktienkursen, höheren Anleiherenditen und einem stärkeren Dollar.

Die meisten Analysten erwarten jedoch nach wie vor keine Wiederholung der globalen Finanzkrise (GFC) von 2007-09 und berufen sich dabei 1) auf die Regulierung, die die größten Banken widerstandsfähiger gemacht hat, 2) neue Instrumente der Zentralbanken (QE, forward guidance usw.) und 3) weniger verschuldete US-Haushalte.



Die Liquidität der Staatsanleihen versiegt gerade weltweit, Graph: Bloomberg TV, Oct 13, 2022.

Sonntag, 9. Oktober 2022

Phantom der monetären Staatsfinanzierung

Monetizing the deficit or Monetized borrowing


Das Twitter-Video einer jungen Bundestagsabgeordneten (Grüne) für München hat neulich einen heftigen Shitstorm auf der Internet-Plattform des Kurznachrichtendienstes ausgelöst.

Vorwurf: Eine fehlerhafte Darstellung des Konzeptes der monetären Staatsfinanzierung bzw. der Implementierung der Geldpolitik (Wirkungsmechanismus). 

Was aber dabei aufgefallen ist, dass die Kritik sich gänzlich auf die Grundsätze der neoklassischen Wirtschaftstheorie bezieht.

Das heisst, dass es konkret um bekannte, aber inzwischen mehrfach widerlegte Mythen geht, wie z.B. 


«Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten (Mittel) leben», 

«Die Regierungen müssen ihr Budget ausgleichen», 

«Wir müssen unseren Gürtel enger schnallen», 

«Niemals Schulden machen» und 

«Austerität: TINA, es gibt keine Alternative».


Die empirische Evidenz legt nahe, dass den Regierungen Kanadas, Japans, des Vereinigten Königreichs, der USA und der Schweiz nie "das Geld ausgehen" kann.

Das Geld ist immer da.



Wie höhere Zinssätze zu finanziellen Verwerfungen und Störungen führen können: Die Volatilität des britischen Marktes und die Intervention der BoE, Graph: FT, Oct 08, 2022

Donnerstag, 6. Oktober 2022

Risiken von Derivaten und Bailout von Banken

Bank of England as “buyer of last resort”


Es geht um das jüngste kritische Geschehen im britischen Anleihemarkt.

Im Zentrum stehen die Derivate: komplexe Finanzinstrumente, die es Anlegern ermöglichen, auf die Wertentwicklung von Vermögenswerten zu wetten. 

In diesem Fall sind es Staatsanleihen, und v.a. Spekulationen, möglicherweise mit Auswirkungen auf die gesamte finanzielle Stabilität des Vereinigten Königreichs.



Trading with borrowed money (leverage), derivatives, collaterals, margin calls and bailouts of the banks, Graph: Acemaxx-Analytics, Oct 05, 2022


Mittwoch, 5. Oktober 2022

The Value of a Whale

Buchbesprechung

Adrienne Buller: The Value of a Whale – On the Illusions of Green Capitalism, Manchester University Press, 2022.


Wale sind elegante, intelligente und sozial-versierte Säugetiere: sie atmen Luft durch die Lunge. Weniger bekannt ist, dass sie als "Sentinel-Arten" für unser eigenes klimatisches und ökologisches Schicksal gelten. 

Wale haben nämlich eine ähnliche Bedeutung wie Bäume im Wald. Doch halten wir sie für schützenswert? 

IWF-Forscher versuchen vor diesem Hintergrund, herauszufinden, was der Wert eines Wals ist. Und sie einigen sich auf einen Wert von 2 Millionen Dollar pro Exemplar (nur für Großwale), was sich auf eine beeindruckende Summe von 1 Billion Dollar für den bestehenden weltweiten Bestand summiert. 

Im Laufe ihres Lebens binden Großwale im Durchschnitt das Äquivalent von 33 Tonnen Kohlendioxid, was mehr pro Pfund ist als ein Baum. Das heisst: ein grosser Speicher für Kohlenstoff. 

Wal-Kot enthält ausserdem Stickstoff, Phosphor und Eisen, wichtige Nährstoffe, die das Phytoplankton im Wasser sprießen lassen. Diese Meeresalgen sind 50% der weltweiten Sauerstoffproduktion verantwortlich.

Die IWF-Forscher schlugen zum Schluss ihrer Studie ernsthaft vor, in den Schutz der Wale zu investieren, statt in andere Methoden zur Kohlenstoffbindung. Sie schätzten die Kosten für einen solchen Schutz auf bescheidene 13 Dollar pro Person auf der Erde. 13 Dollar!

Samstag, 1. Oktober 2022

Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation

Swiss Monetary Base and Inflation


Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat die Geldpolitik weiter gestrafft und den Leitzins um 0,75% auf 0,50% erhöht. 

Ziel ist, dem erneut gestiegenen Inflationsdruck entgegenzuwirken.

Die Inflation stieg im August auf 3,5% und dürfte vorerst laut SNB erhöht bleiben. 



Notenbankgeldmenge in der Schweiz, Graph: Schweizer Nationalbank (SNB), Sept 28, 2022 in: Quarterly Bulletin 3/2022.


Samstag, 24. September 2022

Negativzinsen: Eine Ära geht zu Ende

Fed doesn’t trade inflation for growth 


Die Fed hat die Zinsen zum dritten Mal in Folge um 75 Basispunkte angehoben und signalisiert, dass weitere Zinserhöhungen bevorstehen.

Der neue «Dot Plot» der US-Notenbank zeigt einen Endzinssatz («terminal rate») von etwa 4,6 % im Jahr 2023, was höher ist als der Markt bisher erwartet hat. 

Bemerkenswert ist zudem die Vorhersage der US-Notenbank zur Arbeitslosigkeit: Erwartet wird ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf 4,4%. Noch im Juni hatte sich die Prognose auf 3,9% belaufen. Das bedeutet im Klartext einen Verlust von mehr als 1 Mio. Arbeitsplätzen.


In Europa geht das Experiment mit Negativzinsen zu Ende, Graph: Reuters, Sept 22, 2022

Sonntag, 18. September 2022

Do Central Banks serve the People?

Buchbesprechung:

Peter Dietsch, François Claveau and Clément Fontan: Do central banks serve the people? Polity Books, Cambridge, UK, 2018.


Die Zentralbanken haben das Monopol für die Ausgabe gesetzlicher Zahlungsmittel. Das ist das Merkmal, das sie von allen Institutionen in einem Währungsraum unterscheidet.

Die Zentralbank («exogenous money») ist aber nicht die einzige Institution, die "Geld schafft". 

Tatsächlich sind die Geschäftsbanken («endogenous money») heute die wichtigsten Geldschöpfer (*), aber das Zentralbankgeld hat einen besonderen Status: Es ist die ultimative Form der Verrechnung zwischen Wirtschaftsakteuren.

Dieses Monopol versetzt die Zentralbanken in eine günstige Position, um zwei Ziele zu verfolgen: Finanzstabilität und Preisstabilität.

Die Zentralbank kann in Zeiten finanzieller Turbulenzen als Kreditgeber der letzten Instanz ("lender of last resort") eingreifen, da sie ohne Einschränkungen Liquidität schaffen und durch die Manipulation des Kreditpreises zu einem stabilen Preisniveau beitragen kann.

Die Zentralbanken scheinen heute den Menschen in ihrem Währungsgebiet aber nicht optimal zu dienen.

Warum?

Weil es laut Autoren dieses Buches hauptsächlich drei Herausforderungen gibt.

Dienstag, 13. September 2022

Deflation ist die wahre Sorge, nicht Inflation

Is inflation crisis over?


Die Inflationserwartungen, die von UST-Breakeven-Sätzen gemessen werden, deuten darauf hin, dass die Inflationsangst in den USA zu schwinden scheint.

Analysten für Containerschifffahrt reden zugleich davon, dass der durch die Pandemie ausgelöste Boom bei den Frachtraten seinen Höhepunkt erreicht hat.

Tatsächlich sind die Seefrachtraten auf den wichtigsten Handelsrouten seit Anfang des Jahres um mehr als die Hälfte gesunken, was ein mögliches Zeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck und eine Entlastung der Lieferketten («supply-chain») ist.


Baltic Global Index, Graph: Yahoo Finance, Sept 11, 2022

Samstag, 10. September 2022

Energiekrise und Preisdeckel auf Gas

Jumbo Rate Hikes and Last Call for Price Policy


Die Energiekrise (*) hat mittlerweile einen Wendepunkt erreicht, der erhebliche wirtschaftspolitische Massnahmen erfordert. 

Denn der sprunghafte Anstieg der Gas- und Strompreise ist inzwischen so gravierend, dass es nicht unangemessen wäre, von einer potenziellen Gefährdung des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gefüges Europas zu reden. 

Goldman Sachs beispielsweise geht nun dazu über, eine Verhängung von Preiskontrollen zu befürworten.

Die Analysten der amerikanischen Investmentbank unterstreichen, dass das Ausmass und die strukturellen Auswirkungen der gegenwärtigen Krise noch tiefer gehen dürfte als die Ölkrise der 1970er Jahre



Da die Gasreserven bis November auf 90 % ansteigen werden, sieht es so aus, als ob Deutschland den Winter ohne russisches Gas überstehen könnte, allerdings nur, wenn es seinen Verbrauch weiterhin um 15 % gegenüber dem normalen Niveau senkt, Graph: JPMorgan, Sept 08, 2022


Montag, 5. September 2022

Bärenmarkt, Rezession und geschwächte Verbraucherstimmung

Forget about a Soft Landing – Peak Fed Hawkishness 


Der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell hat mit seiner Rede am 26. August in Jackson Hole, Wyoming das Konzept einer sanften Landung («soft-landing») aufgegeben.

Eine sanfte Landung ist per Definition eine längere Periode mageren Wachstums und steigender Arbeitslosigkeit. Aber es handelt sich dabei nicht um eine völlige Schrumpfung der Wirtschaft.

Die Fed will stattdessen die Inflation durch eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums möglichst fest unter das Potenzial, das die Ökonomen auf 1,8% festsetzen, drücken.



Fed terminal rate, Graph: Bloomberg, Sept 02, 2022


Sonntag, 28. August 2022

Aktienmarkt-Rally und Fed’s Ausblick

A Fed Pivot? Not For a Long Time Yet


An der Konferenz der US-Notenbank Fed in Jackson Hole hat Jerome Powell gesagt, dass die Wiederherstellung der Preisstabilität einige Zeit in Anspruch nehmen und einiges an Schmerz mit sich bringen werde, um Angebot und Nachfrage in ein besseres Gleichgewicht zu bringen.

Der konsequente Einsatz der Instrumente werde für Haushalte und Unternehmen schmerzhaft sein, und zwar in Form von einem sich abschwächenden Arbeitsmarkt (d.h. Arbeitslosigkeit) und einem gedämpften Wirtschaftswachstum.

Der Ansatz zur Inflationsbekämpfung wird in den Medien als «raise and hold» beschrieben. Das heisst, dass der Leitzins (Fed Funds Rate) so lange auf einem hohen Niveau bleiben würde, bis die Inflation wieder das 2%-Ziel der Fed erreicht.



Aktien Händler scheinen das Sprichwort «Don’t Fight the Fed» zu ignorieren, Graph: Bloomberg, Aug 26, 2022

Sonntag, 21. August 2022

Das Risiko der Fragmentierung und die Zerlegung der Renditen

Decomposition of 5-year Italian Government Bond Yield


Isabel Schnabel, EZB-Direktorin hat neulich im Rahmen eines Vortrags die folgende Abbildung präsentiert. 

Das Schaubild zeigt, aus welchen Komponenten sich die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit 5 Jahren Laufzeit zusammensetzt.

Drei Komponenten sind entscheidend: 1) die Erwartung künftiger kurzfristiger Zinssätze, 2) eine Laufzeitprämie (Risikoaversion der Anleger) und 3) ein Modell-Residuum. 

Angesichts der Tatsache, dass die EZB sich anschickt, die Zinsen demnächst für eine Weile zu erhöhen, ist es nicht erstaunlich, dass das Rendite-Niveau der EUR-Staatsanleihen ansteigt.



Zerlegung der Rendite 5-jähriger Staatsanleihen Italiens, Graph: Isabel Schnabel, ECB, Aug 18, 2022 

Donnerstag, 18. August 2022

Der schwache Phillips-Kurve-Zusammenhang

The Fed and the US Financial Conditions


Die Fed will die finanziellen Bedingungen straffen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Der US Financial Conditions Index von Goldman Sachs deutet aber auf eine Lockerung hin.

Auch ein ähnlicher Index der Chicago Fed, der die Finanzierungsbedingungen unabhängig von den vorherrschenden wirtschaftlichen Bedingungen abbildet, hat sich ins Negative gedreht, was nahelegt, dass die finanziellen Bedingungen im Vergleich zu dem, was das aktuelle wirtschaftliche Bild normalerweise vermuten lässt, sich nicht verschärfen.



US Financial Conditions Index (FCI), Graph
Reuters, Aug 16, 2022


Donnerstag, 11. August 2022

Nach der Pandemie ist der Welt nicht zum Feiern zumute

After the Pandemic Inflation: A Winter of Dire Poverty?


Aus Sicht der Anleihemärkte scheint Rezession bereits eine beschlossene Sache zu sein.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die lang-anhaltende inverse UST-Renditekurve in den USA die zunehmende Markterwartung eines bevorstehenden konjunkturellen Rückgangs reflektiert: Die 2-jährige Rendite notiert mit 3,201% deutlich höher als die 10-jährige Rendite mit 2,757%

Der Spread der Renditekurve der US-Staatsanleihen (UST) ist inzwischen (intraday) auf rund -50 Basispunkte (d.h. 0.50%) geschrumpft, was die Befürchtung der Anleger unterstreicht, dass die Fed die Zinsen zu weit und schnell genug anheben wird, um längerfristig eine starke Wachstumsverlangsamung auszulösen.

Eine Rezession scheint in der Tat vorprogrammiert, unabhängig davon, ob die technische und/oder analytische Definition vorliegt.



US-Banken beginnen mit Straffung der Kreditrichtlinien, Graph: Morgan Stanley, Aug 08, 2022.

Sonntag, 31. Juli 2022

Zinsen, hohe Inflation und Massnahmen auf der Angebotsseite

What is Monetary Policy?


Neulich kam es zwischen David Andolfatto und Nick Rowe zu einem interessanten Meinungsaustausch auf Twitter zum Thema «Geldpolitik». 

Ausgelöst wurde die Debatte durch einen Beitrag, den Scott Sumner beim Blog The Money Illusion veröffentlich hat.

Andolfatto hat unmittelbar gefragt, was Geldpolitik ist.

Rowe hat geantwortet: 

«Eine Lockerung/Straffung der Geldpolitik bedeutet eine Erhöhung/Senkung des nominalen BIP (NGDP)». 

Aber einfach zu sagen, dass «Lockerung/Straffung der Geldpolitik Senkung/Erhöhung der Nominalzinsen bedeutet, stimmt nicht ganz», so Rowe weiter mit einem Hinweis auf Scott Sumner.



Die Fed und die schnellste geldpolitische Straffung seit Jahren. Allein in den letzten 3 Monaten hat sie ihren Leitzins um 2% angehoben, Graph: The Economist, July 28, 2022 

Dienstag, 26. Juli 2022

EZB, geldpolitische Implementierung und TPI

ECB and its new tool TPI


Die EZB hat am Donnerstag eine große Einigung angekündigt: Ein neues Anleihekaufprogramm, ein Instrument zur Absicherung der Transmission der Geldpolitik: Transmission Protection Instrument (TPI).

Das TPI wird bei Bedarf dazu eingesetzt, um zu verhindern, dass die Zinsen (gemessen an den aktuellen Renditen der jeweiligen Staatsanleihen) in den Mitgliedsländern zu stark auseinander driften.

Der EZB-Beschluss, ein Instrument zum Ankauf von Anleihen zu schaffen, wurde laut Christine Lagarde einstimmig gefasst.



Inflationserwartungen im Euro-Raum, gemessen von Breakeven-Sätzen (EUR Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit), Graph: Bloomberg TV, July 22, 2022

Sonntag, 17. Juli 2022

Hohe Inflation oder Rezession: Was würden Sie bevorzugen?

Do recession and inflation cause equivalent damage?


Rezession ist gegenwärtig eines der meist gesuchten Wörter auf Google, zumindest in Sachen Wirtschaft und Geldpolitik.

Wenn die Wirtschaft heute auf eine Rezession zusteuert, auf beiden Seiten des Atlantiks, dann sind die Ursachen nicht schwer auszumachen:

Die anhaltende Unsicherheit durch 1) die Coronavirus-Pandemie und 2) der Einmarsch Russland in der Ukraine.

Die Hauptursache ist jedoch die Zinserhöhungen durch die Fed.



US-Inflationserwartungen, gemessen von UST Breakeven Zinssätzen, Graph: John Authers, Bloomberg, July 14, 2022 

Freitag, 15. Juli 2022

EZB und Probleme in der Versorgungskette

Supply Chain Pressures and Inflation


Ein von der New York Fed neulich vorgelegtes Paper untersucht die Auswirkungen der COVID19 Pandemie auf die Inflation im Euroraum. 

Zugleich vergleichen die Verfasser der Studie auch die Erfahrungen anderer Länder, wie z.B. der Vereinigten Staaten (USA) über den Zweijahres-Zeitraum von 2020-21.



Supply chain pressure index und Inflation, Graph: New York Fed, “Global Supply Chain Pressures, International Trade and Inflation”,  July 2022. 

Sonntag, 10. Juli 2022

Rezession à la Volcker: Nein, Danke!

Calling a Volcker style recession to tackle inflation - Not this again!


Das Risiko, dass die Wirtschaft im nächsten Jahr in eine Rezession gerät, beläuft sich auf 30% in den USA, 40% in der Eurozone und 45% im Vereinigten Königreich. 

Goldman Sachs beleuchtet die wichtigsten Fakten über die Häufigkeit und Schwere von Rezessionen und analysiert 77 Rezessionen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit 1961.

Die subjektiven Rezessionswahrscheinlichkeiten der US-Investmentbank sind deutlich höher als die durchschnittliche unbedingte jährliche Wahrscheinlichkeit von 15%, dass fortgeschrittene Volkswirtschaften seit den 1960er Jahren in eine Rezession geraten.



Mittlere Veränderung der Arbeitslosenquote während der Rezessionen seit 1961 (Tiefpunkt bis Höchststand), Graph: Goldman Sachs, July 06, 2022


Donnerstag, 7. Juli 2022

Ein Novum: Deutschlands Handelsbilanz mit Defizit

Germany with its first monthly trade deficit


Deutschland hat im Mai sein erstes monatliches Handelsdefizit seit 1991 verzeichnet, wie Statistisches Bundesamt am Montag gemeldet hat.

Die Ausfuhren sind auf €125,8Mrd. (-0.5% zum Vormonat und +11,7% zum Vorjahresmonat) gestiegen, während die Einfuhren auf €127,7Mrd. (+2,7% zum Vormonat und +27,8Mrd. zum Vorjahresmonat) geklettert sind.

Daraus ergibt sich ein Defizit von €1Mrd. für den Monat Mai 2022. 

Zum Hintergrund: Während sich die wirtschaftlichen Aussichten eintrüben, sehen sich die Unternehmen mit steigenden Kosten für Importe und einer schwächeren Nachfrage nach ihren Produkten konfrontiert.



Deutschlands erstes Handelsdefizit in einem Monat seit 1991, Graph: Bloomberg, July 05, 2022 

Donnerstag, 30. Juni 2022

EZB: Anti-Fragmentierungsinstrument mit oder ohne Sterilisierung?

ECB and A New Anti-Fragmentation Tool


Der EZB-Rat hat nach der Ad-hoc-Sitzung am 15. Juni angekündigt, ein neues Instrument zur Bekämpfung der Fragmentierung am EUR-Anleihemarkt zu gestalten.

Das Anti-Fragmentierungsinstrument wird am 21. Juli zusammen mit der ersten Zinserhöhung der EZB seit mehr als einem Jahrzehnt angekündigt. 

Das Ziel ist, auf den Anstieg der Anleiherenditen (bzw. spreads) zu reagieren. 

Laut Reuters wägen die Entscheidungsträger der EZB ab, ob sie den Umfang und die Dauer ihres bevorstehenden Anleihekaufprogramms bekannt geben sollen, um beispielsweise die Finanzierungskosten für Italien und andere Länder zu senken.



Rendite-Spreads der 10-jährigen EUR-Staatsanleihen verengen sich, nachdem sie sich einem 2-Jahres-Hoch genähert haben: Deutschland 1,62%, Italien 3,54% und Spanien 2,71%, Graph: Bloomberg TV, June 29, 2022.

Sonntag, 26. Juni 2022

Euro Fragmentierung und Chuck Norris Effekt

Euro Area and «What-ever-it-takes”-Moment Part II


Das Wort «Fragmentierung» ist weiter in aller Munde. Die Spreads, d.h. die Rendite-Abstände zwischen den German Bunds und denen anderer Länder, v.a. in Südeuropa sind auseinandergezogen.

Der Auslöser war die jüngste Ankündigung der EZB, demnächst die Zinsen zu erhöhen (Juli und September). Das bedeutet in erster Linie Verteuerung der Kreditkosten im Euro-Raum. 

Der abrupte Anstieg der Renditen hat die EZB postwendend auf den Plan gerufen. Nach einer Dringlichkeitssitzung hat die EZB ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument in Aussicht gestellt.

Es ist vor diesem Hintergrund wichtig, sich vorerst mit der Entwicklung der Rendite beispielsweise italienischer Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit zu vergegenwärtigen. 



Die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit: Die weiße Kurve: Veränderung der 10-jährigen Rendite Italiens seit Januar 2021 in Prozent und die blaue Kurve: risikofreier Beitrag in Prozentpunkten, Graph: Bloomberg, June 22, 2022 

Samstag, 18. Juni 2022

Geldbasis versus Geldmenge

Monetary Base is not equal Money Supply


Nachdem die EZB auf der Juni-Sitzung endlich Klarheit über die Zinsaussichten geschaffen und eine Anhebung um 25 Basispunkte im Juli und eine weitere im September in Aussicht gestellt hat, kam es in den Anleihemärkten zu Reaktionen:

Der Abstand (spread) zwischen den 10-jährigen italienischen und deutschen Renditen hat sich vergrößert.

Und die EZB hat unmittelbar darauf eine Dringlichkeitssitzung einberufen und angekündigt, die Arbeit an einem neuen "Anti-Fragmentierung"-Instrument zu beschleunigen, um die wachsende Kluft bei den Kreditkosten zwischen Deutschland (Leistungsbilanz-Überschuss) und Volkswirtschaften mit Leistungsbilanz-Defizit im Euroraum zu bekämpfen. 

Der Rendite-Abstand zwischen den 10-jährigen italienischen und deutschen hat sich wieder verringert.



Die EUR-Peripherie-Spreads beginnen von den Fundamentaldaten abzuweichen, da Modelle, die fiskalische und makroökonomische Variablen berücksichtigen, auf einen Spread von unter 200 Basispunkten hindeuten (für 10-jährige Staatsanleihen aus Italien und Deutschland), Graph: Jens Eisenschmidt, Morgan Stanley, June 16, 2022

Donnerstag, 16. Juni 2022

Bärenmarkt und Rezession

Why are we heading toward a recession?

Die amerikanischen Aktienmärkte setzen die Talfahrt fort. Der S&P 500 Index, der seit Jahresbeginn über 20% an Wert verloren hat, ging am Montag rund 4% tiefer aus dem Handel und schloss damit im Bären-Markt.

In einem Umfeld, welches nach wie vor von grosser Unsicherheit geprägt ist, rutschen Notierungen weiter ab. Die Gefahr, dass die US-Notenbank mit weiteren Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgt, wird als «bevorstehend» wahrgenommen. 

Auch der Market für die Krypto-Währungen implodiert wieder. Es ist jedoch von keiner Bedeutung, weil es sich bei Kryptowährungen um ein Glücksspiel handelt, keine Investition. Die wirtschaftlichen Folgen davon sind daher nebensächlich.



NFIB Small Company Outlook for General Business Conditions, Graph: Yardeni Research, May 26, 2022

Samstag, 11. Juni 2022

EZB, Zinserhöhungen und die Frage der Fragmentation

Why does a fragmentation risk exist in the euro area?


Die EZB hat am Donnerstag mitgeteilt, dass sie 1) das Anleihekaufprogram (genannt APP) Ende Juni 2022 auslaufen lassen wird und 2) die Zinsen im Juli um 25 Basispunkte und im September möglicherweise um 50 Basispunkte anheben will. 

Die EZB-Chefin Christine Lagarde hat zudem die Bereitschaft des EZB-Rats unterstrichen, mit der Schaffung eines neuen Instruments einen Weg zu finden, eine mögliche Fragmentierung in der Eurozone zu vermeiden.

Gemeint ist der Anstieg von Rendite-Aufschlägen auf Staatsanleihen von Ländern wie z.B. Griechenland, Italien und Spanien.



Der 10-Jahres-Rendite-Spread zwischen Staatsanleihen von Italien und Deutschland erreicht den höchsten Wert seit der Pandemie, nachdem die EZB mit der Straffung der Geldpolitik begonnen hat, Graph: Bloomberg TV, June 10, 2022 

Montag, 6. Juni 2022

Unternehmen mit Nullgewinnen

Is Intangible-Asset Hype over?

Mit dem Einbruch von Nasdaq in diesem Jahr fällt auf, dass der Optimismus versiegt und der Markt nicht mehr nach dem geistigen Eigentumintellectual property») giert, sondern nach dem «cash».

Neue Untersuchungen zeigen, dass sich in den letzten fünf Jahrzehnten der Prozentsatz der öffentlich gehandelten US-Firmen mit Nullgewinnen mehr als verdreifacht hat und nun mehr als die Hälfte des gesamten Marktes ausmacht, wie Denitsa Tsekova von Bloomberg berichtet. 

Die Zahl der börsennotierten US-Firmen mit negativem Nettoergebnis hat Ende 2020 einen neuen Rekordwert erreicht: 62% der Unternehmen machen sie aus, gegenüber 18% im Jahr 1970, so eine neue Studie von Wissenschaftlern der University of Minnesota



Der Anteil der öffentlich gehandelten US-Unternehmen mit negativem Netto-Gewinn, Graph: Denitsa Tsekova, Bloomberg June 04, 2022. 

Mittwoch, 1. Juni 2022

Wall Street und die Unsicherheit

The threat of recession looms


Nachdem der S&P 500 Index zum siebten Mal in Folge einen Wochenverlust hinnehmen musste, hat der Aktienmarkt es bisher knapp vermieden, in einen Bärenmarkt abzurutschen.

Ein Rückgang von 20% gegenüber dem jüngsten Höchststand wird i.d.R. als Bärenmarkt definiert und zugleich als einen schweren Stimmungseinbruch in Bezug auf den Markt und die Wirtschaft wahrgenommen.

Doch im gleichen Atemzug muss gesagt werden, dass der Aktienmarkt nicht gleich die Wirtschaft bedeutet. 

Was aber feststeht, ist, dass der S&P 500 eine siebenwöchige Verlustserie beendet und sich mit einem Anstieg von 6,6% bis Freitag vergangene Woche vom Rande eines Bärenmarktes entfernt hat.



Der Fonds, der mittelgroße und große Unternehmen mit hohen Free-Cashflow-Renditen abbildet, hat in diesem Jahr bisher jede Woche einen Zufluss verzeichnet, was laut den von Bloomberg zusammengestellten Daten in seiner Geschichte beispiellos ist, Graph: Bloomberg, May 30, 2022

Donnerstag, 26. Mai 2022

Geldpolitik und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage

Rethinking Macroeconomic Policy after the Pandemic


Es scheint, dass das Blatt sich in Sachen Inflation ("peak inflation?") wendet. Das ist zumindest das Signal, welches von den Finanzmärkten ausgeht.

Die vom Anleihemarkt abgeleiteten Inflationserwartungen sind in den letzten Wochen stark gesunken, und zwar sowohl für die nächsten 10 Jahren als auch für die fünf Jahre ab dem fünften Jahr (5y5y forward breakeven), wie John Authers sie in seiner Bloomberg Kolumne mit einem Chart eindrucksvoll präsentiert.



US-Inflationserwartungen: Der 10-jährige UST-Breakeven-Satz steuert auf den größten monatlichen Rückgang seit 2020 zu, Graph: Bloomberg TV, May 25, 2022

Freitag, 20. Mai 2022

Energiekrise in Europa und die deutsche Industrie

Why is there an energy crisis in Europe?

Der grossangelegte Überfall Russlands auf die Ukraine hat u.a. gezeigt, in welchem Umfang die europäische Wirtschaft auf Importe angewiesen ist, um den Energiebedarf zu decken.

Die EU hat vor diesem Hintergrund beschlossen, die Energieimporte aus Russland zu beenden. 

Die Europäische Kommission hatte im Januar 2020 einen detaillierten Finanzierungsvorschlag vorgestellt, um den Klimawandel zu bekämpfen und den Übergang in eine Green Economy zu ermöglichen.

Der Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft erfordert massive Investition in saubere Energie-Technologien.

Der Einsatz zur Dekarbonisierung und die Dringlichkeit, Energiesicherheit zu gewährleisten, werden in der Eurozone sicherlich zu mehr Ausgaben führen.



Europäische Unternehmen investieren weniger in zukünftiges Wachstum als ihre US-Pendants, (Wachstumsinvestitionsquote), Graph: Goldman Sachs, May 19, 2022.

Dienstag, 17. Mai 2022

Bärenmarkt bei Aktien und Anleihen

Recession versus Stagflation

Das Narrativ der US-Notenbank (Fed) ist nach wie vor darauf ausgerichtet, das Tempo der geldpolitischen Straffung zu beschleunigen.

Vor dem Hintergrund der geplanten Reduzierung der Bilanzsumme und der hohen Inflation richten Investoren das Augenmerk auf das Potenzial für eine Wachstumsverlangsamung, wenn nicht gar eine Rezession.

Der Rezessionsindikator von Morgan Stanley zeigt eine Wahrscheinlichkeit von 27% für einen Abschwung in den nächsten 12 Monaten. Im März lag diese Wahrscheinlichkeit noch bei 5%. 

Dazu kommen Faktoren wie der starke US-Dollar, der Russland-Ukraine Krieg und die Zero-Covid Politik Chinas, welche die Situation verkomplizieren, wie Lisa Shalett von Morgan Stanley zusammenfasst.



Rezession Wahrscheinlichkeit Indikator, Graph: Morgan Stanley, May 16, 2022

Samstag, 14. Mai 2022

The New Economics

Buchbesprechung

Steve Keen: The New Economics – A Manifesto, Polity Books, 2022.


Queen Elizabeth II hat im November 2008 bei einem Besuch der London School of Economics die auf der Veranstaltung teilnehmenden Wirtschaftsprofessoren gefragt, wie es passieren konnte, dass niemand die Krise (Global Financial Crisis: GFC) vorhergesehen hat.

Es muss sicherlich eine äusserst peinliche Situation gewesen sein. Die Experten gingen im Wesentlichen dazu über, sich in Schweigen zu hüllen.

Das Epizentrum der GFC war jedoch das US-Finanzsystem selbst: Die Krise kam aus dem Inneren der Wirtschaft und nicht von außen. 

Gab es nicht doch Anzeichen? 

Es gab einige, die davor warnten, dass eine Krise nicht nur wahrscheinlich war, sondern unmittelbar bevorstand. Der niederländische Wirtschaftswissenschaftler Dirk Bezemer zum Beispiel nannte ein Dutzend Indizien. 

Der Punkt ist, dass niemand die Krise auf der Grundlage eines neoklassischen Rahmens vorhergesagt hat. 

Freitag, 13. Mai 2022

Normalisierung der Geldpolitik mit Nebenwirkungen

Finding the neutral nominal Fed Funds Rate

Ein wesentliches Merkmal der neuen Normalisierung der Geldpolitik ist, dass der neutrale Zinssatz, d. h. das Niveau der Fed Funds Rate, das mit einem Wirtschaftswachstum in der Nähe der Potenzialrate, Vollbeschäftigung und stabiler Inflation vereinbar ist, ungewiss ist.

«Wir können den neutralen Zinssatz nicht direkt beobachten, sondern nur schätzen.»

Das ist die Standard-Erklärung, die die Ökonomen liefern, wenn sie nach dem neutralen Gleichgewichtszinssatz gefragt werden.

Der natürliche Zinssatz ist ein von Wirtschaftswissenschaftlern verwendetes Konzept zur Beschreibung der Höhe der Realzinsen, die die Inflation konstant halten würden. Er wurde erstmals 1898 von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell in seinem Buch "Interest and Prices" beschrieben.

Das Niveau des neutralen Zinses ist über die Zeit variable und kann kaum je exakt bestimmt werden.


US-Inflationserwartungen, gemessen von Breakeven Zinssätzen für 10 Jahre (weiss) und 5 Jahre (blau) und 5y5y forward breakeven rate (lila), Graph: Bloomberg TV, May 12, 2022

Montag, 9. Mai 2022

Aktien und Anleihen fallen im Gleichschritt

Was für einen Unterschied ein Tag ausmacht!

Die Markteilnehmer sahen am Mittwoch in den Bemerkungen der Fed nach der Vorlage des Beschlusses zur Erhöhung des Benchmark-Zinses eine gewisse Vorhersehbarkeit und Stabilität. 

Doch am nächsten Tag hat es wie eine große Täuschung ausgesehen.

Erst stiegen die Aktien deutlich, und dann fielen sie kräftig.

Ein seltenes Jahr für die Märkte: Sowohl Aktien als auch Anleihen sind gleichzeitig im Minus.



Aktien und Anleihen fallen in einem Tempo wie seit Jahrzehnten nicht mehr, so dass es für die Anleger nur wenige Möglichkeiten gibt, sich vor der Markt-Vlatilität zu verstecken, Graph: Bloomberg TV, May 06, 2022

Samstag, 7. Mai 2022

Ein "Volcker Moment"?

Die US-Notenbank hat am Mittwoch den Leitzins (Fed Funds Rate) um 50 Basispunkte (0,50%) erhöht. Und Fed-Chef Powell hat unmittelbar dazu Stellung genommen, dass eine Erhöhung um 75 Basispunkten ausgeschlossen sei.

Ein Hoffnungsschimmer, dass die Fed in den kommenden Monaten wahrscheinlich keine restriktivere Haltung einnehmen wird?

Weiss der Geier.

Die Aktienkurse sind aber kräftig angestiegen. Und der US-Dollar hat weiter an Wert gewonnen.

Das Zielband beläuft sich damit auf 0,75% bis 1%. Eine Zinserhöhung um 0,50% gab es zuletzt vor rund 22 Jahren.



Und Powell sagte, dass auch für Juni und Juli Erhöhungen um einen halben Prozentpunkt zu erwarten seien. Neben der Verkleinerung des Anleihe-Portfolios der Fed, Graph: Bloomberg, May 05, 2022