Europäische
Politiker kapieren es einfach nicht, schreibt Christina Romer in einem lesenswerten Artikel („Hey, Not So Fast on European Austerity“)
in NY Times am Sonntag.
Wenn
man ihnen zuhört, könnte man meinen, dass Europa auf dem richtigen Weg sei.
Angeschlagene Länder brauchen nur mehr vom Gleichen: mehr Sparmassnahmen (fiscal austerity), mehr Flexibilität auf
dem Arbeitsmarkt, mehr Preisstabilität und die Euro-Krise würde sich unterkriegen
lassen, schildert die an der University
of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessorin.
Haben
die Entscheidungsträger mal einen Blick auf ihre eigenen Zahlen geworfen? Es
ist mittlerweile zwei Jahre her, als die Austerität gestartet wurde. Die Krise
ist immer noch da. Das Wachstum des europäischen Bruttoinlandsproduktes war im
letzten Quartal 2011 negativ, hebt die ehemalige
Wirtschaftsberaterin des Präsidenten Obama hervor.
Die
Arbeitslosigkeit beläuft sich in der gesamten Euro-Zone per Februar auf 10,8%.
In Spanien ist die Arbeitslosenquote auf 23,6% geklettert. Und die erneuten
Turbulenzen an den Anleihemärkten legen nahe, dass die Investoren nicht daran
glauben, dass die Erholung gleich um die Ecke beginnen würde, argumentiert Romer.
Sparmassnahmen
sind i.d.R. eine sinnvolle Reaktion auf einen Verlust des Vertrauens in die
Zahlungsfähigkeit eines Landes, wie es in Teilen Europas geschehen ist. Aber
die gegenwärtige Situation ist aussergewöhnlich: (1) kurzfristige Zinsen sind
sehr niedrig, sodass es unmöglich ist, durch Zinssenkungen die negativen
Auswirkungen von Haushaltskürzungen auszugleichen, und (2) die Euro-Zone-Staaten
haben nicht eine eigene Währung. Sie können also das Wirtschaftswachstum nicht via
Währungsabwertung ankurbeln.
Wenn
die „Gürtel-enger-schnallen“-Politik
nicht funktioniert, was ist zu unternehmen? Prof. Romer befürwortet einen
sinnvollen Ansatz: die Haushaltsmassnahmen jetzt zu passieren, aber die
tatsächlichen Steuererhöhungen und die Ausgabenkürzungen nur allmählich umzusetzen,
wenn die Wirtschaft beginnt, sich zu erholen.
Die
ökonomische Terminologie dafür ist back-loaded.
(Das heisst, dass die Massnahmen, die im Allgemeinen schwere Belastungen
oder Erleichterungen beinhalten, erst gegen Ende der Laufzeit anfallen. Im
Gegensatz zu front-loaded Massnahmen). Ausserdem sollen
Massnahmen spezifisch sein. Das heisst
keine Zielwerte im Hinblick auf das Haushaltsdefizit, ohne besonders zu
bestimmen, wie die Ziele erreicht werden sollen. Welche Steuern erhöht werden
und welche Ausgaben gekürzt werden, sollen besonders festgelegt werden.
Können
aber solche Pläne in der Praxis funktionieren? Romer verweist als praktische Beispiele
auf die Social Security-Reform in den USA
1983, den Defizitabbau in Schweden
1995 und die Haushaltskonsolidierung in Australien
1996.
Die
Märkte mögen keine kontraproduktive Massnahmen, unterstreicht Romer. Was für
die Glaubwürdigkeit zählt, ist die Art und Zusammensetzung der Massnahmen in
Sachen Steuern und Ausgaben und die Klarheit im Zeitplan.
Weitere
Schritte könnten auch helfen, damit die Märkte in den notleidenden Ländern
einem schrittweise erfolgenden Ansatz folgen. Wenn die Behörden eine allmählich
stattfindende Haushaltskonsolidierung nahelegen und die angeschlagenen
Volkswirtschaften in der Euro-Zone unterstützen würden, würden sich die Zinsen wahrscheinlich
zurückbilden, erläutert Romer.
Wenn
das nicht funktioniert, könnte die EZB grosse Mengen an Staatsanleihen von
Italien und Spanien kaufen. Die Risiken, die die EZB auf ihre Bücher nimmt,
wären angesichts der back-loaded
Konsolidierungspläne nicht schwer zu bewältigen.
Eine
expansive Geldpolitik könnte helfen, um diese Länder wettbewerbsfähiger zu
machen. Die europäischen Politiker sprechen von Strukturreformen, um angeblich die
Flexibilität des Arbeitsmarktes zu erhöhen und die Regulierung weiter abzubauen.
Da die Inflation aber in Europa im Allgemeinen sehr gering ist, erfordert eine
solche Strategie in den angeschlagenen Volkswirtschaften Lohnkürzungen. Die Nominallöhne sind jedoch nach unten starr. Wenn
die EZB laut Romer eine etwas höhere Inflationsrate für ein paar Jahre zulassen
würde, beispielsweise 3%, könnten die genannten Länder wieder
Wettbewerbsfähigkeit erlangen, was helfen würde, das Exportgeschäft
anzukurbeln.
Ferner
könnten die Länder, die nicht in Not sind, sowohl innerhalb als auch ausserhalb
von Europa, durch die Förderung der eigenen Wirtschaft mehr tun. Deutschland hat beispielsweise ein
relativ bescheidenes langfristiges Haushaltsdefizit und einen enormen
Aussenhandelsüberschuss. Eine Steuersenkung für die deutschen Verbraucher würde
die Binnennachfrage zu einem Zeitpunkt ankurbeln, während das Wachstum
schleppend ist, und auf diese Weise die Importe aus den Handelspartnern
erhöhen, um das Wirtschaftswachstum dort zu fördern.
Das
zentrale Element des Ansatzes ist Dynamik, betont Romer als Fazit: glaubwürdige
Pläne, um die Finanzierungskosten zu senken und die langfristigen
Haushaltsprobleme anzugehen. Keine Sparmassnahmen, die die Arbeitslosigkeit
erhöhen und auf dem Wirtschaftswachstum lasten, gerade dann, wenn die
Volkswirtschaften Wachstum benötigen.
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