Montag, 29. Februar 2016

Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen

Das träge Wirtschaftswachstum reflektiert sich am schwachen Welthandel, berichtet OECD im vor einer Woche vorgestellten Global Economic Outlook.

Erforderlich sind eine Erholung der privaten Investitionen und Lohnwachstum, um die globale wirtschaftliche Aktivität zu beschleunigen, schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus Paris.

Dies erscheint umso bemerkenswerter als die OECD sich bisher als „Fahnenträger“ der Austerität zu gebärden pflegte.

Eine stärkere kollektive Fiskalpolitik ist die Antwort, um das Wachstum zu stützen und ein günstiges Umfeld für produktivitätssteigernde Strukturpolitik zu fördern, unterstreicht Catherine L. Mann weiter.

In vielen Ländern sind die Regierungen in der Lage, sich für längere Zeit Geld zu niedrigen Zinsen zu leihen, was den fiskalpolitischen Spielraum erhöht, so der Grundtenor des Berichtes.


Geldpolitik allein reicht nicht aus, um die Nachfrage anzukurbeln, Graph: Catherine L. Mann OECD in: OECD Interim Economic Outlook, Febr 18, 2016, Paris.

Freitag, 26. Februar 2016

Wirtschaftspolitik und Geldabwurf aus dem Hubschrauber

Es war im Grunde genommen von Anfang an klar, wenn man sich an das Standard-Lehrbuch der Wirtschaftswissenschaften hielt, dass die konventionelle Geldpolitik an ihre Grenzen stösst, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle gerät (und lange Zeit darin steckt).

Da kann eine unkonventionelle Geldpolitik helfen, die Anspannung etwas zu mildern. Aber der Impuls lässt sich nicht ganz auf breiter Basis entfalten.

Das Problem liegt auf der Nachfrage-Seite. Deshalb hat es keinen Sinn, Massnahmen auf der Angebots-Seite (sog. Struktur-Reformen) zu fordern, zumindest nicht auf kurze und/oder mittlere Sicht.

Da es der EZB mit dem Anleihekaufprogramm nicht gelingt, die private Konsumnachfrage in Europa in Schwung zu bringen, reden alle nun von Helicopter Money wie z.B. zuletzt auch The Economist und Financial Times.

Die Idee ist, dass die Zentralbank das Geld direkt an die Bürger verteilt, anstatt damit Staatsanleihen zu kaufen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung würde damit den Konsum ankurbeln. Und Unternehmen würden die Produktionskapazitäten erweitern, unabhängig davon, wie niedrig das Zinsniveau ist.

Was erforderlich ist also eine angemessene Wirtschaftspolitik, die auch Fiskalpolitik einschliesst.



OECD sagt, dass die Fiskalpolitik, wenn angemessen ausgestattet, die Wirtschaft ankurbeln kann, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 25. Februar 2016

Lohnzurückhaltung und Nachfrageschwäche

Inflation Swaps sind ein wichtiger Indikator für die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten.

Es war Mario Draghi, der im Sommer 2014 auf diesen Messwert (die 5-jährigen inflationsindexierten Termin-Swapsätze in 5 Jahren) hingewiesen hatte, um die Einführung einer QE-Politik à la EZB (APP; Anleihekaufprogramm) zu erklären.  

Inflationserwartungen gemessen an 5y5y Forward Swap Sätzen sind im Euro-Raum zuletzt auf 1,4% gefallen.

Bemerkenswert ist, dass Jens Weidmann vor diesem Hintergrund vor „Deflationsangst“ im Euro-Raum warnt.

Bundesbankpräsident sagt, dass die Inflationserwartungen von den Marktakteuren den auf längere Sicht erwarteten Preisanstieg unterschätzen könnten.

Weidmann hält also von einer Entankerung der längerfristigen Inflationserwartungen nichts.

Das hört sich wie eine asymmetrische Inflationssteuerung an. Zur Erinnerung: Die EZB unterbietet das eigene Inflationsziel seit drei Jahren.



 Euro-Raum 5y5y Breakeven-Sätze (Inflationserwartungen), Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 24. Februar 2016

Wahlbörsen und Voraussagen für Brexit

Seit Umfragen zur Prognose von Wahlergebnissen in die Kritik geraten sind, rücken Wahlbörsen immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Internetnutzer können zum Beispiel heute auf einschlägigen Plattformen auf das Referendum-Ergebnis (Brexit: Soll Grossbritannien aus der EU austreten?) wetten.



Zur Zeit halten nur 33% der Teilnehmer Brexit für möglich, wie in der folgenden Abbildung dargestellt wird

Es gilt natürlich zu beachten, dass die Grösse des Marktes für das EU-Referendum im Vergleich zu Sportveranstaltungen relativ klein ist.

Dienstag, 23. Februar 2016

Wie positiv sind Negativ-Zinsen?

Die Termin-Kontrakte an den Future-Märkten deuten auf mehr geldpolitische Lockerung als Straffung in nächster Zeit.

Demnach kommt es im Euro-Raum zu keiner Zinserhöhung vor 45 Monaten. Für Grossbritannien beträgt der entsprechende Wert 42 Monate. In den USA wird mit keiner weiteren Zinserhöhung in diesem Jahr gerechnet.

Die jeweilige Notenbank-Bilanz in Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) sieht inzwischen wie folgt aus.

Die Anschwellung der Bilanz hat verschiedene Gründe: (1) die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE-Policy) wie z.B. durch die Fed, die BoJ und die EZB und (2) Devisenmarkt-Interventionen wie z.B. durch die SNB und die BoI.


Bilanzsumme der Zentralbanken im Verhältnis zum BIP, Graph: Morgan Stanley

(Fed: 25%, EZB: 25% und BoJ: 77% des BIP)

Montag, 22. Februar 2016

Rote Renditen und Schwarze Null

DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit Sitz in Berlin berichtet schon seit langer Zeit über fehlende Investitionen in Deutschland.

Nach Berechnungen des DIW Berlin beträgt die Investitionslücke für Deutschland jährlich 3,7% des BIP und für den Euroraum 2,0%.

Diese Lücke zu schliessen ist der einzige Weg, aus der europäischen Krise herauszukommen, betont DIW-Präsident Marcel Fratzscher.

Doch der erhoffte Aufschwung der Wirtschaft lässt auf sich warten. Die Kreditaufnahme-Kosten waren noch nie so niedrig. Trotzdem gibt es kein Anzeichen für einen Investment-Boom in Deutschland. Der Wert der Staatsanleihen mit Negativ-Rendite beläuft sich nach Angaben von Bloomberg unterdessen auf 1'000 Mrd. Euro.

Der öffentliche Sektor Deutschlands wird also dafür bezahlt, Kredit aufzunehmen und Investitionen zu tätigen; z.B. in Bildung, Umweltschutz und Infrastruktur.



Der Wert der Staatsanleihen mit Negativ-Rendite beziffert sich auf 1'000 Mrd. EUR in Deutschland, Graph: Bloomberg

Samstag, 20. Februar 2016

Die gescheiterte Inflationssteuerung

Die EZB unterbietet seit mehr als drei Jahren den eigenen Zielwert (von rund 2% auf mittlere Sicht) für die Preisstabilität.

Bemerkenswert ist, dass ein Mitglied des EZB-Rats auf der jüngsten Sitzung vom Januar die Überlegung angestellt hat, dass es logisch wäre, das Inflationsziel der EZB zumindest für eine begrenzte Zeit zu überschreiten, weil das Ziel wie oben angesprochen seit Jahren verfehlt wird.

Es wäre m.a.W. nicht schlecht, wenn die EZB etwas mehr Inflation zulassen würde, um den Teufelskreis zu brechen. Die europäische Wirtschaft steckt nämlich immer noch in einer Liquiditätsfalle, wie einige andere Volkswirtschaften der industrialisierten Welt, wie Stephen Roach in einem lesenswerten Artikel („Central Banking Goes Negative“) hervorhebt.

Ob sich nun eine neue Debatte darüber entfacht, wie neue Möglichkeiten eröffnet werden können, nebst Anleihekaufprogramm (APP) und Negativ-Zinsen die Wirtschaft anzukurbeln, mag dahin gestellt sein.

Aber die Stossrichtung legt nahe, dass die EZB, was die Geldpolitik betrifft, nicht mehr weiter weiss. Es fällt auf, dass Mario Draghi in seinen letzten zwei öffentlichen Vorträgen den Einsatz der Fiskalpolitik durch die Blume zum Ausdruck gebracht hat.



Die EZB verfehlt das eigene Inflationsziel nach unten, Graph: Bloomberg

Donnerstag, 18. Februar 2016

Was sagen die Anleihemärkte derzeit aus?

Ein theoretischer Ansatz, der an den Tag gelegt wird, um zu erklären, was sich in der industrialisierten Welt derzeit abspielt, ist die secular stagnation Hypothese.

Larry Summers, der den Begriff seit 2013 prägt, schreibt in seinem Blog, dass das Wirtschaftswachstum und die Inflation trotz der expansiven Geldpolitik und der fallenden mittelfristigen Zinsen heute viel niedriger sind als erwartet.

Das ist ein Zeichen dafür, dass strukturelle Faktoren im Spiel sind: die Neigung zum Sparen überwiegt die Neigung zum Investieren, erklärt der ehemalige US-Finanzminister (im Kabinett von Bill Clinton).

Während die Wachstumsprognosen in den fortentwickelten Volkswirtschaften nach unten überarbeitet werden, scheinen Inflationserwartungen auf beiden Seiten des Atlantiks nicht verankert.



Inflationserwartungen in den USA, der Eurozone und Japan, Graph: FT

Mittwoch, 17. Februar 2016

Das facettenreiche Experiment Negativ-Zinsen

Die NIRP (*) scheint heute in Zentralbankkreisen voll im Trend zu sein. Es gibt soweit fünf Zentralbanken, die mit Negativ-Zinsen agieren: EZB, BoJ, SNB, DNB und Riksbank.

Selbst die Fed, die im Dezember 2015 die Zinsen angehoben und zugleich weitere Erhöhungen angekündigt hat, fängt allem Anschein nach damit an, neue Überlegungen in Sachen Negativ-Zinsen anzustellen.

Hier ist eine epische Abbildung aus einer gestern vorgelegten Studie von Morgan Stanley:



Zentralbanken mit Negativ-Leitzinsen, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 16. Februar 2016

Negativzinsen im Schatten von Prognosen

Während die Staaten zur Zeit dafür bezahlt werden, Kredit aufzunehmen, berechnet das deutsche Bundesfinanzministerium einen Anstieg der Staatsverschuldung (debt-to-GDP) für Deutschland auf 220% des BIP im Jahre 2060 voraus.

Wie absurd die Prognose über 44 Jahre ist, die von Wolfgang Schäuble, dem Anhänger der „Schwarzen-Null“-Politik an die grosse Glocke gehängt wird, wird heute von FlassbeckEcon in einem lesenswerten amüsanten Blog-Eintrag in aller Deutlichkeit vor Augen geführt.

Ein Fünftel der Staatsanleihen im Euro-Raum wird heute mit einer Negativ-Rendite gehandelt, wie Bloomberg meldet. Das heisst unterhalb des Einlagensatzes (z.Z.: minus 0,30%). Die EZB kauft im Rahmen des APP (Anleihekaufprogramm) Staatsanleihen mit einer Rendite-Untergrenze von minus 0,30%.



Verteilung der Staatsanleihen mit Negativ-Rendite im Euro-Raum, Graph: Bloomberg

Montag, 15. Februar 2016

Banken in Europa um Negativ-Zinsen

Dänemark ist das Land mit der längsten Geschichte von Negativ-Zinsen. Die dänische Zentralbank war nämlich die erste, die die Zinsen unter null gesenkt hat, und zwar am 4. September 2014. Es liegt daher nahe, sich die Erfahrung des Landes mit Negativ-Zinsen etwas näher anzuschauen.

Die grösste Bank Skandinaviens sagt, dass die aussergewöhnliche Massnahmen Zentralbanken helfe, ein bestimmtes Währungsregime zu schützen, aber nicht viel dazu beitrage, die Wirtschaft anzukurbeln. Das inzwischen immer mehr verbreitete geldpolitische Instrument sei also ein gutes für Dänemark und die Schweiz, aber ein schlechtes für die Eurozone, Japan und Schweden.

Die Negativ-Zinsen helfen in Dänemark, die Landeswährung zu schwächen, aber sie seien kaum geeignet, die Wirtschaft zu stimulieren, so die Nordea Bank in Kopenhagen.

In Dänemark, wo der Einlagensatz seit fast 3,5 Jahren unter null liegt, sei es nicht dazu gekommen, dass die Menschen das Bargeld unter der Matratze verstecken, so die Analyse der Bank.

Das mag aber zum Teil darauf zurückgeführt werden, dass in Dänemark (und auch in Schweden) immer weniger Cash im Alltag gebraucht wird. Und ein weiterer Grund ist, dass die Banken zumindest bisher darauf verzichtet haben, die Kosten der Negativkosten an ihre Kunden weiterzugeben.



Dänemark’s zwei Freibetrag-Ansatz (2-tier-system) für die Einlagefazilität, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 14. Februar 2016

Negativ-Zinsen - Bei Rot: Alarm?

Das Tauchen in den negativen Bereich hat sich in letzter Zeit augenfällig beschleunigt. Die Erfahrung mit Zinsen unter der Null-Grenze hat im Jahr 2012 begonnen.

Dänemark (4. Sept 2014) war das erste Land, das die Leit-Zinsen unter null gesenkt hat. Danach folgten die EZB (5. Juni 2014) und die SNB (18. Dez 2014). Im Jahr 2015 kam die Riksbank (12. Febr 2015) dazu. Und BoJ hat Ende Januar 2016 einen Negativ-Zins auf Giroguthaben der Banken vorgestellt.

Und gegenwärtig sehen die Minus-Zinsen wie folgt aus:

Schweiz: -0,75%,
Dänemark: -0,65%,
Schweden: -0,50%,
Eurozone: -0,30%,
Japan: -0,10%.



Ein wesentlicher Teil der globalen Anleihemärkte weist Negativ-Rendite auf, Graph: Morgan Stanley

In der Schweiz wird rund 80% der ausstehenden Staatsanleihen mit einer Negativ-Rendite gehandelt.

Samstag, 13. Februar 2016

NIRP und „Push on a String“

Eine interessante Debatte, die gegenwärtig stattfindet, ist, ob die Negativzins-Politik (NIRP) die Lösung für die anhaltenden Probleme der Wirtschaft in Folge der Finanzkrise von 2008 ist.

In der Schweiz ist zu beobachten, dass die Hypothekarzinsen trotz Negativzinsen auf dem Geldmarkt gestiegen sind. Zur Erinnerung: Die SNB hat zuletzt im Januar 2015 den Zins auf den Sichteinlagen der Banken auf minus 0,75% gesenkt.

Die Entwicklung der Hypothekarmarktzinsen scheint sich von der NIRP der SNB entkoppelt zu haben. Und die Schweizer Notenbanker halten den leichten Anstieg der Hypothekarzinsen aus Sicht der Finanzstabilität grundsätzlich für erfreulich.

Während die Negativ-Zinsen nach und nach zu einem wesentlichen Bestandteil der Werkzeugkiste der Zentralbanken werden, bleiben viele Fragen offen, was z.B. die Finanzpolitik, die Wirtschaft und die Definition von Geld im Allgemeinen betrifft.



Schweizer Hypothekar-Zinsen, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 12. Februar 2016

Warum Banken unter Austeritätspolitik leiden

Die Bank-Aktien sind die grössten Verlierer an den europäischen Märkten in den vergangenen Tagen. Vor allem Grossbanken erleiden heftige Verluste.

Warum? Die FT aus London berichtet, dass der kräftige Absturz der Bank-Aktien zum Teil auf die Angst vor Negativ-Zinsen zurückzuführen ist. Weil die Negativ-Zinsen wie eine Steuer auf die Bank-Gewinne wirken.

Der Einlagensatz (deposit facility) der EZB beträgt schliesslich minus 0,30%. Neulich hat auch die BoJ einen Negativzins in Höhe von minus 0,10% auf Giroguthaben der Banken bekanntgegeben. Und gestern hat die Riksbank, die schwedische Notenbank den Repo-Satz auf minus 0,50% gesenkt.

In der Schweiz werden die Girokonten der Banken bei der SNB seit Ende Dezember belastet; aktuell mit minus 0,75%.

Es sind nicht nur die Arbeitnehmer und Bezieher von Sozialhilfe, die dem Sparkurs (fiscal austerity) in Europa zum Opfer fallen, sondern auch die Banken, beschreibt Chris Dillow im Blog „Stumbling and Mumbling“ die gegenwärtige Situation.


Der europäische Financial Index gemessen von MSCI, Graph: FT

Donnerstag, 11. Februar 2016

Gibt es Negativ-Zinsen bald auch in den USA?

US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen hat am Mittwoch in ihrem Auftritt vor dem amerikanischen Kongress die jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten erwähnt und im Allgemeinen vorsichtige Töne angeschlagen.

Die US-Politiker haben sich aber mehr für die Negativ-Zinsen interessiert gezeigt. „Ich würde sagen, dass es eine Frage bleibt, die wir genau untersuchen müssen“, antwortete Yellen darauf.

Es sei ihr nicht bewusst, ob es im juristischen Sinne ein Hindernis gibt, Negativ-Zinsen zu implementieren. Aber die Rechtsfragen müssten in vollem Umfang überprüft werden.

Narayana Kocherlakota schreibt dazu in seinem Blog, dass er kein Jurist sei, aber er möchte darauf aufmerksam machen, dass Stanley Fischer, der stellvertretende Fed-Vorsitzende am 3. Januar 2016 in einem Referat keine Bedenken in dieser Hinsicht geäussert habe.



Euro-Dollar-Future deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen Ende des nächsten Jahres negativ werden, heute auf 17% gestiegen ist, Graph: Bloomberg

Mittwoch, 10. Februar 2016

Warum die Signale aus den Anleihemärkten wichtig sind

Nachdem die Rendite der japanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit am Montag zum ersten Mal ins Negative gerutscht ist, wird auf den Anleihemärkten viel Staub aufgewirbelt. Immerhin handelt es sich dabei um das erste G-7 Land mit Negative-Rendite mit der entsprechend langen Laufzeit.

Was ist davon zu halten? Es ist ohne Zweifel ein Signal, dass die Finanzpolitiker der Welt gescheitert sind, wie Heiner Flassbeck in seinem Blog treffend beschreibt. Wer jetzt noch über Sparen redet und Haushaltskonsolidierung an den Tag legt, ist ein Narr.

Narayana Kocherlakota bringt es in seinem Blog ähnlich zum Ausdruck: Negativ-Zinsen bedeuten ein gigantisches Versagen der Fiskalpolitik.

Die Zinsen unter null zu senken, ist zwar eine gewagte, aber angemessene Geldpolitik, bemerkt der ehemalige Fed Präsident von Minneapolis. Aber es ist zugleich ein Zeichen dafür, dass die Entscheidungsträger mit der bisher verfolgten Sparpolitik („Gürtel-enger-schnallen“) gescheitert sind.

Der reale Gleichgewichtszins (natural real interest rate) ist so niedrig, weil private Haushalte und Unternehmen rund um die Welt verzweifelt sichere Staatspapiere (US-Treasury Bonds) kaufen und halten wollen.

Das bedeutet, dass der Staat mehr Anleihen ausgeben könnte. Genau das legt Kocherlakota nahe: Die US-Regierung soll Staatspapiere emittieren und das Geld in Investitionen mit sozialem Wert stecken, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu animieren.



Anleihemärkte fast in Panik, Graph: Bloomberg

Dienstag, 9. Februar 2016

Wettlauf um Negativzinsen - Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Nachdem die japanische Zentralbank (BoJ) Ende Januar einen Negativzins in Höhe von minus 0,10% auf Giroguthaben der Banken bekanntgegeben hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ins Negative rutscht.

Entlang der japanischen Ertragskurve (yield curve) waren die Renditen von JGB bis zu einer Laufzeit von neun Jahren negativ. Nun ist auch die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen am Dienstag unter die Null-Marke gefallen.

Damit meldet zum ersten Mal ein G7-Land eine Negativrendite für Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit. Das bedeutet, dass Anleger für das Privileg, dem japanischen Staat Geld zu leihen, eine Art Entschädigung leisten.

Interessant ist zu erfahren, dass die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der BoJ vor einem weltweiten Wettlauf um Niedrigzinsen warnen. Wie es aus heute vorgelegten Sitzungsnotizen der BoJ hervorgeht, zeigt sich eine Minderheit im BoJ-Ausschuss besorgt, dass Negativzinsen nach hinten losgehen, weil Finanzakteure Risiken von weiteren Zinssenkungen befürchten.

Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit tragen selten eine Negativ-Rendite. Als Ausnahme gelten zur Zeit die 10-jährigen Schweizer Staatspapiere, die aktuell eine Rendite von minus 0,37% aufweisen.



Japan: Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit zum ersten Mal mit Negativ-Rendite: -0,03%, Graph: FT

Montag, 8. Februar 2016

Europas Negativzinsen und US-Staatsanleihen

Nach der Zinserhöhung durch die Fed im Dezember wäre zu erwarten gewesen, dass die Bond-Preise fallen und die Renditen steigen. 

Denn der Wert der Anleihe sinkt, wenn der Marktzins steigt. Zumal die Fed mit Nachdruck darauf hingedeutet hat, die Zinsen im Lauf des Jahres 2016 weiter zu erhöhen, und zwar vier mal um jeweils 0,25%.

Zur Erinnerung: Es ist nach dem Lehrbuch nicht von Vorteil ist, Anleihen zu besitzen, wenn die Zinsen steigen. Doch was inzwischen passiert ist, haut einen vom Stuhl: Die US-Treasury Bonds legen 2016 die beste Performance seit 2008 hin, wie Bloomberg-Daten zeigen.



US-Staatsanleihen mit bester Performance bis jetzt in diesem Jahr, Graph: Bloomberg

Samstag, 6. Februar 2016

Wachstumsaussichten und Renditekurve

Angst vor Rezession greift um sich. Der US-Arbeitsmarkt hat im Januar 151'000 Stellen (ausserhalb der Landwirtschaft) geschaffen. Das waren aber deutlich weniger Jobs als in den vergangenen Monaten.

Die Arbeitslosigkeit ist zwar gesunken. Aber von der Lohnentwicklung gibt es kaum positive Nachrichten. Der Arbeitsmarkt sitzt noch nicht fest im Sattel, um ein gesundes Lohnwachstum zu generieren, wie Dean Baker darlegt.

Die US-Zinsstrukturkurve ist am Freitag auf die flachste Form seit Anfang 2008 abgesunken. Die amerikanischen Rentenmärkte schliessen damit eine Zinserhöhung durch die Fed in diesem Jahr aus.

Zur Erinnerung: Die Fed hat im Dezember die Zinsen erhöht, erstmals seit fast 10 Jahren und in Aussicht gestellt, den geldpolitischen Kurs im Lauf des Jahres weiter (viermal um jeweils 0,25%) anzuziehen.



US-Ertragskurve (yield curve) gemessen an 10y-2y hat die flachste Form seit Anfang 2008, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 5. Februar 2016

Der negative Gleichgewichtszins und Anleihe-Renditen

Das Wirtschaftswachstum ist mit der Zunahme des potenziellen Outputs mehr oder weniger deckungsgleich. Es ist ein mittel- bis langfristiger Prozess, der von Faktoren, die die Angebotsseite beeinflussen, abhängt. Der potenzielle Output (*) kann aber nicht direkt beobachtet werden; er muss geschätzt werden.

Arbeitskräfte, Kapital und Technologie machen die wesentlichen Komponente des potenziellen Outputs aus. Wenn die Nachfrage kleiner ist als der potenzielle Output, dann bleibt das tatsächliche Wirtschaftswachstum hinter dem potenziellen Wachstum zurück. Wenn ein Teil der Produktivitätskapazität nicht genutzt wird, kommt es zu Arbeitslosigkeit (siehe: das Okun’sche Gesetz)

Die Bestimmung des Potenzialwachstums ist für die Geldpolitik daher sehr wichtig. Schliesslich wird mit Hilfe des Potenzialwachstums auch die Produktionslücke (output gap) geschätzt.

Ellen Zentner von Morgan Stanley legt in einer heute veröffentlichten Analyse ein paar sehenswerte Abbildungen vor. Der potenzielle US-Output scheint nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 gegen eine Backsteinwand gestossen zu sein.

Der kumulierte Verlust des gesamtwirtschaftlichen Angebots ist enorm, beschreibt die US-Chefökonomin der amerikanischen Bank in New York.



Das reale US-BIP im Vergleich zum Trend-BIP, Graph: Ellen Zentner, Morgan Stanley

Donnerstag, 4. Februar 2016

Niedrignachfrage, Niedriginflation und Niedrigrenditen

Die Fed Funds Futures deuten darauf hin, dass die Fed mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% keine Zinserhöhung im Jahr 2016 beschliessen wird. Die Chance für zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr beträgt lediglich 7%.

Zu Beginn des Jahres belief sich die Wahrscheinlichkeit für keine Zinserhöhung auf nur noch 5%.

Bemerkenswert ist die Aussage von Bill Dudley, dem New York Fed-Präsident, dass die monetären Rahmenbedingungen sich seit der Zinserhöhung der Fed im Dezember 2015 deutlich verschärft hätten.

Und der Verlauf der Renditen der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit spricht vor diesem Hintergrund Bände: USD: 1.90%, EUR: 0,29%, JPY: 0,06%, CHF: -0,35%. 

Auch der USD-Index hat auf die aktuellen Begebenheiten reagiert: Der USD hat in zwei Tagen gegen die G-10-Währungen um 1,9% an Wert verloren.

Es ist schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, wie wenn die Märkte die geldpolitischen Massnahmen (einschliesslich der unkonventionellen) seit 2008 in Frage stellen würden.



Und die Wetten darauf, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr erhöht, steigen inzwischen, Graph: FT


Mittwoch, 3. Februar 2016

Wer träumt wen? Kapital auf der Flucht

Kapitalabfluss aus China ist in aller Munde. Im vergangenen Jahr sollen Investoren mehr als 500 Mrd. USD abgezogen haben.

Da die Fed im Dezember 2015 die Zinsen (zum ersten Mal seit etwa einem Jahrzehnt) erhöht und zugleich weitere Straffung des geldpolitischen Kurses im Jahr 2016 angedeutet hat, befürchten Experten eine weitere Kapitalflucht.

Angesichts der steigenden Zinsen werden nämlich US-Anlagen attraktiver. Zumal die Aussicht auf eine starke Abwertung des chinesischen Renminbi (RMB) noch bestehen bleibt.

Wie findet aber der Abfluss von Kapital aus China statt? Schliesslich gibt es im Land Kapitalverkehrskontrollen.

Kenneth Rogoff bemerkt dazu in einem lesenswerten Artikel („The Great Escape from China“) in Project Syndicate, dass ein völlig legaler Ansatz dabei sei, einen Kredit in RMB zu vergeben und ihn in einer Fremdwährung tilgen zu lassen.



Termin-Kurse für den USD-RMB Wechselkurs, Graph: Morgan Stanley

True Story – Spiel um Negativzinsen

Der Schweizer Franken (CHF) ist auch nach der jüngsten Abschwächung noch deutlich überbewertet. Das sagte Thomas Jordan am Dienstag bei der Veranstaltung in Genf.

SNB-Präsident hat zugleich die Bereitschaft der SNB unterstrichen, am Devisenmarkt intervenieren zu wollen, um den CHF zu schwächen.

Seit der Aufhebung de Wechselkurs-Untergrenze von 1,20 CHF pro EUR im Januar 2015 versucht die SNB, eine CHF-Aufwertung mit Negativ-Zinsen zu verhindern.

Im aktuellen Markt-Umfeld wird es aber zunehmend zu einer Sisyphusarbeit. Denn seit der Finanzkrise sind die Zinsen in den meisten Industriestaaten in Richtung Nullzins-Untergrenze (zero lower bound) gesenkt worden.

Die EZB zum Beispiel hat mittlerweile einen Einlagensatz von minus 0,30% und Mario Draghi hat zuletzt eine weitere Lockerung der Geldpolitik im März in Aussicht gestellt. Was passiert, wenn die EZB den Satz noch tiefer in den negativen Bereich senkt?

Die SNB legt nämlich grossen Wert darauf, die (traditionelle) Zinsdifferenz zum Ausland nicht wieder kleiner werden zu lassen. 

Denn die grössere Zinsdifferenz trägt dazu bei, dass CHF-Anlagen relativ zu Anlagen in EUR und anderen Währungen weniger attraktiv werden. Zumal der Anstieg der Zinsdifferenz die Absicherungskosten am Devisenterminmarkt verteuert, was die Nachfrage nach dem CHF abschwächt.



Schweiz: Geldmengen, Graph: SNB in: Quartalsheft 4, 2015

Dienstag, 2. Februar 2016

Wenn in China ein Sack Reis umfällt, oder nicht?

Die Achterbahnfahrt von RMB im vergangenen Monat ist in aller Munde. Denn während die anhaltende Aufwertung des US-Dollars den Druck auf den Kapitalabfluss aus China verstärkt, wird Peking gezwungen, mehr Devisenreserven einzusetzen, um die Landeswährung RMB zu stabilisieren.

Wenn der RMB sich weiter abwertet, bedeutet es Export von Disinflation in den Rest der Weltwirtschaft, was zu einem Anstieg der realen Zinssätze führen würde. Und das ist nicht, was die Welt heute braucht.

Kein Wunder, dass die globalen Aktienmärkte vor diesem Hintergrund in Stress geraten.

Die chinesische Zentralbank (PBoC) versucht, den Kurs von offshore RMB zu schützen. Denn eine Schwäche von offshore RMB deutet in den Augen von onshore Investoren auf eine erhöhte Kapitalflucht hin.

Die Lücke zwischen dem offshore und onshore RMB-Wechselkurs hat sich im Januar bis auf 2% ausgedehnt. Es ist zwar der PBoC durch Devisenmarkt-Interventionen (Kauf von RMB) gelungen, die beiden Wechselkurse wieder in Einklang zu bringen.

Es gibt aber keinen US-Hedge Fonds, der den RMB zur Zeit nicht leer verkauft (short Position), sagen manche Analysten.



RMB: offshore (CNH) versus onshore (CNY) Wechselkurs, Graph: Morgan Stanley

Montag, 1. Februar 2016

Negative Erzeugerpreise und Währungsabwertung in Asien

Der Index für Produzentenpreise (PPI) bleibt in den meisten Volkswirtschaften Asiens weiterhin unter null. Abgesehen von Indonesien weisen die anderen Länder seit drei Jahren negative Werte auf, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Der aktuelle Verlauf des Einkaufsmanager Indexes (PMI: Purchasing Managers’ Index) deutet darauf hin, dass in der Region nach wie vor tiefe Bilanzkürzungen stattfinden, mit dem Versuch, die Kapazität mit der Nachfrage in Einklang zu bringen, und das Verhältnis zwischen dem Fremd- und Eigenkapital auszugleichen, wie die Analysten von Morgan Stanley berichten.

Koreas Exporte sind im Januar in USD gerechnet um rund 19% eingebrochen. In Landeswährung (KRW) ergibt sich dennoch einen positiven Wert. Warum? Weil die Währung sich massiv abgewertet hat. Das zeigt, wie wichtig KRW-Schwäche für die exportorientierte Wirtschaft des Landes ist.

Turbulente Wechselkursschwankungen waren in den frühen 1970er Jahren (nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems) ständig auf der Tagesordnung. 

Mega-Abwertungen zogen sich durch die 1980er Jahren durch. Auch in den 1990er Jahren und Anfang 2000er Jahren kam es weltweit in 10-20% der Länder zu Geldentwertungen, schreibt Carmen Reinhart in einem lesenswerten Artikel in Project Syndicate.


Die Mehrzahl der asiatischen Volkswirtschaften mit einem negativen PPI, Graph: Morgan Stanley