Mittwoch, 30. Juni 2010

EZB-Refinanzierungsgeschäft: Viel Lärm um nichts?

Am 1. Juli wird der erste 12-Monatstender der EZB fällig. Das heisst, dass die Banken am Donnerstag 442 Mrd. Euro, die sie vor einem Jahr bei der EZB zu einem Zinssatz von 1,0% gegen Sicherheiten geliehen haben, zurückzahlen werden. Müssen Verwerfungen am Geldmarkt befürchtet werden? Nicht unbedingt. Die EZB bietet schliesslich am selben Tag ein 3-monatiges und ein 6-tägiges Refinanzierungsgeschäft an, um die Banken weiter mit Geld zu versorgen. Jeweils zum Zinssatz von 1,0%. Die EZB hat bereits heute Banken in der Euro-Zone 131,93 Mrd. Euro zu einem festen Zinssatz von 1,0% für drei Monate zugeteilt. Die Abwicklung wird morgen stattfinden. Die 171 Banken, die am heutigen Tender teilgenommen haben, haben weniger abgerufen als erwartet. Das geringere Volumen deutet nach Analysteneinschätzungen auf einen geringen Liquiditätsbedarf hin. Von der viel beschworenen Nervosität ist also keine Spur zu sehen.


Libor Euro 3 Monate, Graph: Bloomberg.com

Geldmarkt: Jahrestender vor Fälligkeit

Dennoch leihen sich die Banken gegenseitig weniger Kredite als zuvor. Stattdessen legen sie ihre überschüssigen Mittel bei der EZB an, und zwar zu einem Zinssatz von 0,25%. Die Einlagen bei der EZB kletterten auf 305 Mrd. Euro. Im Vergleich: Vor der Krise belief sich die Summe auf weniger als 10 Mrd. Euro.

Wie viel von den fälligen 442 Mrd. Euro (1 Year LTRO roll off) werden aber von den Banken bei der EZB morgen neu wiederaufgenommen? Vor allem warum? Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Banken das extra günstige Geld vor 12 Monaten vorwiegend zum Zocken ( Carry Trades) in Anspruch genommen haben. Es ging also nicht in erster Linie darum, Liquiditätsbedarf zu decken. Mit dem extra günstig aufgenommenen Geld haben die Banken insbesondere Staatsanleihen an der Peripherie der Euro-Zone gekauft. Warum? Weil diese Bonds höhere Spreads aufweisen. Bei einem Risikoaufschlag von 200 Basispunkten ist es für die Banken möglich, ohne Weiteres rund 9,0% Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital (bei 1:1 FK) zu holen. Da die Schuldenkrise an der EU-Peripherie indes zu eskalieren droht, ist anzunehmen, dass die Banken ihre Risikobereitschaft „etwas“ zurückfahren und daher weniger Kredite bei der EZB abrufen werden. Zumal die Banken nach wie vor über einen unbegrenzten Zugang zum 6-tägigen Tender bei der EZB verfügen, was ihnen ermöglicht, das Geschäft am Ende der Laufzeit in die wöchentliche MRO (Main Refinancing Operation) zu erneuern (zu verlängern).

Was ist aber die Folgerung für die Liquidität der Banken? Die Banken sind nach wie vor auf die Finanzierung der EZB angewiesen, bemerken Laurence Mutkin und Elaine Lin von Morgan Stanley. Das ist aber nichts Neues. Dass der Umfang der Finanzierung aber geringer geworden zu sein scheint als vor einem Jahr, ist zwar moderat ermutigend, aber nicht gut genug, „grünes Licht“ für europäische Banken zu geben, argumentieren die Analysten. Das Augenmerk dürfte sich von jetzt an nach EONIA und EONIA-Euribor Spreads richten, welche unter Druck geraten dürften.

Türkische Wirtschaft: BIP-Wachstum um 11,7% im ersten Quartal

Während die Sorgen um die weltweite Konjunkturentwicklung zunehmen und die Aktienkurse folglich abpurzeln, meldete die Türkei heute ein annualisiertes Wirtschaftswachstum um 11,7% im ersten Quartal 2010. Die türkische Wirtschaft war im Vorjahr um 4,7% geschrumpft. Im vierten Quartal 2009 legte das BIP um 6,0% zu. Die Türkei wird z.Z. im CDS-Markt laut Bloomberg wie ein „Invesment-grade“ Land gehandelt. Die CDS-Prämien für türkische Staatsanleihen sind in diesem Quartal um 4,2 Basispunkte auf 177 Basispunkte gestiegen. Bei CDS (Credit Default Swaps) handelt es sich um eine Absicherung gegen eventuelle Kreditausfälle. Es geht also um die Absicherung von Forderungen gegen ein Unternehmen oder einen Staat. Wer eine Kreditausfallversicherung (CDS) für eine Forderung gegen türkische Staatsanleihen abschliessen will, muss eine jährlich Prämie von rund 177 Basispunkte (d.h. 1,77%) der versicherten Summe zahlen.


Türkei, 5Y CDS Basis Spread, Graph: Paolo Batori, Morgan Stanley


BIP-Wachstumsraten, Graph: Turkish Treasury

Genau so viel betragen die CDS-Prämien auch für Russland, dessen Kreditwürdigkeit mit „BBB“ um drei Stufen höher liegt als die der Türkei mit „BB“. Die Risikoprämien der CDS auf spanische Staatsanleihen belaufen sich auf 249 Basispunkte. Spanien verfügt über ein Rating von „AA“. Der „positive Ausblick“ im Rating der Türkei impliziert eine Wahrscheinlichkeit von 33%, dass die Kreditwürdigkeit des Landes in den nächsten zwei Jahren heraufgestuft wird. Die Staatsverschuldung der öffentlichen Hand beträgt rund 49% des BIP. Im Vergleich: 75% in Portugal, 50% in Spanien. Das Kredit-Rating ermöglicht Investoren eine genaue Wiedergabe des Ausfallrisikos. Die CDS sind aber nüchtern betrachtet nicht unbedingt ein zuverlässiger Indikator für die Kreditkosten eines Landes.

Türkische Anleihen haben es im ersten Quartal auf einen Ertrag von 2,6% auf US-Dollar Basis gebracht. Die Performance der türkischen Aktien gemessen am Istanbul Stock Exchange (ISE) betragen im ersten Quartal auf US-Dollar Basis 5,0%.


Türkei: Konsumentenpreis-Index, Graph: Turkish Statistical Institute

Wie Nachfrageausfall ausgeglichen werden soll

Analog zur Inflation-Deflation-Debatte findet nun ein Disput über die Austerität-Stimulanz-Frage statt. Obwohl die Antwort klar scheint, wird auf beiden Seiten des Atlantiks darüber gestritten, wie die Wirtschaft in einer Depression angekurbelt werden soll. Durch mehr Geld ausgeben oder einen rigorosen Sparkurs? „Es ist nur allzu häufig für Washingtons Debatten über die Wirtschaft, dass die vertretenen Meinungen über wenig Logik und Beweis verfügen. Die Debatte darüber, ob die Obama-Regierung das Beschäftigungswachstum oder den Defizitabbau betonen soll, ist nur das jüngste Beispiel dafür“, bemerkt Jared Bernstein in einem lesenswerten Essay („Deficit reduction is not the enemy of jobs“) in FT. Die US-Wirtschaft braucht dringend zwei Politiken, sagen die Kritiker, die in entgegengesetzte Richtungen ziehen: mehr staatliche Unterstüzung für Arbeitsplätze und ein glaubwürdiger Weg zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Im derzeitigen Umfeld der Wirtschaft sind jedoch Arbeitsplätze und Defizitabbau Freunde, nicht Feinde, argumentiert Bernstein.

"Es ist eine einzigartige Freundschaft zu Zeiten wie der gegenwärtigen. Wenn die Wirtschaft sich wieder erholt, werden die Staatsausgaben zum Schlüssel für den Schuldenabbau und den Umgang mit den steigenden Kosten im Gesundheitswesen", so der Wirtschaftsberater von Joseph Biden, dem Vize-Präsidenten der USA. „Doch die Politiker sollten wissen, dass ein Dollar, den die Regierung heute ausgibt, weniger zum Defizit beiträgt, als ein Dollar, der ausgegeben wird, wenn die Wirtschaft in Vollkapazität läuft“, erklärt Bernstein. „In normalen Zeiten ist „deficit spendig“ wie die Zugabe von Wasser in ein Glas, das bereits voll ist. Die Ausgaben der öffentlichen Hand verdrängen die des privaten Sektors. Aber wenn die Wirtschaft so viele Arbeitslose hat, ist das Ergebnis anders“, ist Bernstein überzeugt. Wie Brad DeLong kürzlich darauf hingewiesen hat, gibt es in Zeiten wie diesen kein „crowding out“, sondern nur „crowding in“. Der „2009 Recovery Act“ fördert wie gesehen mit passenden Zuschüssen und Steuererleichterungen private Investoren, damit sie aus der Seitenlinie kommen und den Ausbau von neuen Industrien finanzieren, um neue Arbeitsplätze zumeist im Einklang mit sauberer Energie zu schaffen, so Bernstein. Die Existenz all dieser Überkapazitäten hält die Zinsen und die Inflation niedrig, sodass die Geldpolitik nicht gezwungen wird, einen Überlauf abzuwischen. Solche kurzfristige, vorübergehende Ausgaben erhöhen die mittel- oder langfristige Schuldenlast nicht. Die Ausgaben sind dafür da, um einen Zusammenbruch der Nachfrage auszugleichen. Sie werden zurückgefahren, sobald der private Sektor sich zurückmeldet. Es wäre falsch, diese Freundschaft zwischen dem Beschäftigungswachstum und dem Defizitabbau zu überbewerten. Das ist nicht ein „free lunch“. Aber die heutigen Bedingungen bedeuten, dass die tatsächlichen Kosten zum Erhalt von Arbeitsplätzen jetzt so viel wie 40% unterhalb der budgetären Kosten liegen, erklärt Bernstein.

„Ich würde sagen 70%“, schreibt Brad DeLong dazu ergänzend in seinem Blog, wenn man die Abhängigkeit von Unternehmensinvestitionen von aktuellen Unternehmensgewinnen berücksichtigt. Und wenn es Hysterese in Arbeitslosigkeit gibt, dann würde es höher steigen“, so DeLong, der statt von „fiskalischen Nachhaltigkeit“ lieber von „langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ spricht.

Dienstag, 29. Juni 2010

Interview: Michael Pettis, Professor for Finance, Peking University

Michael Pettis is Senior Associate at the Carnegie Endowment for international Peace and a Professor for Finance at Peking University’s Guanghua School of Management


China on Saturday said it would increase the flexibility of his exchange rate regime. An apparent concession to US pressure to let the renminbi rise? What is your assessment of this?

This is an almost impossibly difficult situation for all sides. Beijing wants to introduce flexibility to their currency regime and understand the urgent need to do so, but they are in a very difficult position and cannot move too quickly without causing serious damage to their export sector. Unfortunately domestic pressures in the US mean that Washington need to resolve the US imbalances much more quickly than China can accommodate, and the impact of the European crisis is forcing an even more rapid rebalancing on China.

What is your take on the current situation of the China’s economy?

China can grow only as long as Beijing forces through further increases in investment, but these increases in investment are likely to lead to a long-term slow-down as households are forced to bear the burden of rising bank and government debt. I believe Chinese growth will slow over the next five years much more sharply than most of us are expecting.


How did global imbalances contribute to the crisis ? Can we avoid a repeat in the future ?

Large trade imbalances always come with monetary and balance sheet imbalances, and we are now seeing the economic effect of the need to unwind those imbalances. Deficit countries have run up dangerously high debt levels and will be forced to reduce consumption as part of the deleveraging process. Surplus countries have locked in manufacturing growth by indirectly constraining consumption growth, and they will not be able to reverse these constraints without causing deep pain in the manufacturing and investment sectors.

Thank you very much.


Michael Pettis is a Senior Associate at the Carnegie Endowment for International Peace and a finance professor at Peking University’s Guanghua School of Management, where he specializes in Chinese financial markets. He taught from 1992 to 2001 at the Columbia University’s Graduate School of Business.

Unsichtbare Bond Vigilantes

Die Defizit-Falken, die hemmungslos behaupten, dass die Kapitalmärkte eine strenge Sparpolitik fordern, um die Haushalte zu sanieren, werden weiter Lügen gestraft. Die Rendite der 2-jährigen US-Staatspapiere ist inzwischen auf ein Rekordtief gefallen. Mit 0,5935% markiert die Rendite laut Bloomberg den tiefsten Wert seit Dezember 2008. Die Rendite der Benchmark Anleihen (10-jährige US-Treasuries) ist gestern erstmals seit April 2009 auf 2,99% gesunken. Die Bond-Käufer sind also gewillt, den USA zu sehr niedrigen Zinssätzen Geld zu leihen. Paul Krugman spottet: „Natürlich müssen wir jetzt die Ausgaben kürzen, um Anforderungen des Marktes zu erfüllen“.


Breakeven Inflation Rate, Graph : Bloomberg.com

Der Breakeven-Satz, der die Differenz zwischen der Rendite der 10-jährigen US-Treasuries und der Rendite der 10-jährigen TIPS widerspiegelt, hat sich auf 1,94% von 2,49% am Jahresbeginn zurückgebildet. Der Spread gilt als Mass für die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer.

Der Fall Irland zeigt, dass die Belohnungen, die eine fiskalpolitische Austerität verspricht, keineswegs stattgefunden haben, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Euro-Zone befindet sich auf dem Holzweg, wenn sie jetzt, wie von Jean-Claude Trichet, dem EZB-Präsidenten, der Deflationsrisiken verneint, gefordert einem rigorosen Sparkurs folgen würde.

Fazit: Weit und breit sind keine Bond Vigilantes in Sicht. Nicht Sparsamkeit, sondern Wirtschaftswachstum löst Probleme. Eine Wirtschaft, die in einer Liquiditätsfalle steckt, braucht mehr Stimulanz, nicht weniger.

Montag, 28. Juni 2010

Israelische Zentralbank (BoI): Leitzins bleibt unverändert

Die Bank of Israel (BoI) hat heute ihren Leitzins bei 1,50% unverändert belassen. Der Zinsentscheid steht laut BoI im Einklang mit dem schrittweise erfolgenden Prozess der Rückkehr der Zinsen auf ein „normales“ Niveau, in der Absicht, die Inflation im Zielbereich fest zu verankern und zur Erholung der Wirtschaft weiter beizutragen, bei gleichzeitiger Unterstüzung der Stabilität des Finanzsystems. Der Verlauf des Zinssatzes werde in Übereinstimmung mit dem Inflationsumfeld, dem Grad der Festigkeit des Wirtschaftswachstums sowohl in Israel als auch weltweit und dem Satz, um den die Zinsen in den Industrieländern erhöht werden, und im Lichte der Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel bestimmt, so die israelischen Währungshüter. Die Geldpolitik bleibt also weiterhin expansiv.


Haushaltsdefizit, Graph: Israel, Ministry of Finance

Die Hauptüberlegungen, die hinter dem heutigen Zinsentscheid der BoI stehen:

(1) Der Trend der Inflationsrate ist in den vergangenen 12 Monaten abwärtsgerichtet gewesen. Seit Beginn des Jahres 2010 ist die Inflation unterhalb des saisonalen Trends verlaufen, in Übereinstimmung mit der Zielwert für 2010.

(2) Nach einer Periode eines relativ schnellen Wachstums wurden einige Daten negativ, was zu einer grösseren Unsicherheit über das Fortbestehen dieses Trends führt. Vorläufige Daten deuten auf eine Fortsetzung der expansiven Wirtschaftsaktivität hin, wenn auch mit einem etwas langsameren Tempo: Es gibt Anzeichen von Schwäche beim Exportgeschäft im nächsten Quartal, sowohl im Fertigungs- als auch im Dienstleistungssektor.

(3) Die Zinssätze der Zentralbanken in den führenden Industrieländern sind sehr niedrig und sie werden voraussichtlich im Hinblick auf die zunehmenden Besorgnisse über mögliche negative Entwicklungen in der Weltwirtschaft für eine deutlich längere Zeit auch so bleiben. Darüber hinaus sind einige der unkonventionellen geldpolitischen Instrumente sind im Lichte der jüngsten Entwicklungen wieder eingeführt.

Fazit: Unter Berücksichtigung der zunehmenden Unsicherheiten in der Weltwirtschaft und insbesondere in Europa hat die Bank of Israel beschlossen, den Leitzins in diesem Monat unverändert zu belassen.

Die CDS-Prämien (5 Jahre) für israelische Staatsanleihen sind im Juni etwas gefallen. Derzeit betragen sie 115 Basispunkte.

Die nächste BoI-Sitzung wird am 26. Juli stattfinden.

Finanzkrise und Ungleichheit

Zwischen Politik und Ungleichheit gibt es eine Wechselbeziehung. Die Politik ihrerseits hat Einfluss auf die Anfälligkeit des Finanzsystems. Welche Verbindung besteht aber zwischen der Anfälligkeit des Finanzsystem und der Ungleichheit? Paul Krugman präsentiert zu diesem brisanten Thema „Ungleichheit und Krisen: Zufall oder Kausalität?“ in seinem Blog
lesenswerte Dias
aus einer Konferenz in Luxemburg („Inequality and the Status of the Middle Class“). Vor 2008, wenn er vor dem Publikum über „Ungleichheit“ reden würde, würde er hervorhebend erwähnen, dass wir in Sachen „Ungleichheit“ den höchsten Stand seit 1929 erreicht haben, was unweigerlich zu Fragen führen würde, ob wir demnächst noch eine Depression erleben werden, so Krugman. Er würde sagen, dass es wirklich keinen klaren Grund gebe, warum eine hohe Ungleichheit zu makroökonomischen Krisen führen soll.


Inequality and Crises, Graph : Prof. Paul Krugman

Einer Rückkehr der Ungleichheit auf Niveaus wie in den 1920er Jahren würde jedoch eine Finanzkrise wie zu Beginn der Grossen Depression folgen. Warum? Es gibt drei Möglichkeiten: (1) Zufall, (2) gemeinsame Schadensursache (d.h. neoliberale Ideologie) und (3) Aktuelle Schadensursache: Ungleichheit erzeugt irgendwie makroökonomische Anfälligkeit. Krugman verweist in diesem Zusammenhang auf scharfe Rechtsverschiebung in Politik in den USA und in geringerem Umfang in Grossbritannien um ca. 1980. Stichworte sind Polarisierung und die Deregulierung der Finanzmärkte. Auffällig ist eine starke Korrelation zwischen den politischen Verschiebungen und Ungleichheit. Politische Verschiebungen mögen zu einem Anstieg der Ungleichheit und zu einer erhöhten Anfälligkeit der Finanzmärkte geführt haben. Aber gibt es einen direkten kausalen Zusammenhang von Ungleichheit und den makroökonomischen Krisen? Dazu liefert die „Theorie von Underconsumption“ von Hobson einige Argumente.

Robert Reich vertritt in diesem Kontext die Meinung, dass die Verbraucher nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben. „Es war so, dass deren Mittel nicht mithalten konnten damit, was die wachsende Wirtschaft bei oder nahe der Vollbeschäftigung zu produzieren in der Lage war. Ein grösser Anteil des Gesamteinkommens ging an die Leute an der Spitze“. Es sei auf längere Sicht schwer, zu sehen, woher die Kaufkraft kommen soll, es sei denn, die grosse Mittelschicht verfügt über mehr Netto-Lohn, so Reich.

Underconsumption hat aber sowohl konzeptionelle als auch empirische Probleme, so Krugman.

Es gibt modernere Ideen wie die z.B. von Robert Frank: Die Frage ist Overconsumption (over-indebtedness: Überverschuldung), nicht underconsumption: „Die Reichen geben jetzt mehr Geld aus, weil sie einfach mehr Geld haben. Aber ihre Ausgaben veranlassen andere, auch mehr Geld auszugeben, darunter Familien mit mittlerem Einkommen. Wenn das Realeinkommen der Mittelschicht nur leicht gewachsen ist, wie finanzieren sie denn den zusätzlichen Konsum? Indem sie länger arbeiten, weniger sparen und mehr Kredit aufnehmen, argumentiert Frank.

Die Dritte Depression

Rezessionen sind häufig. Depressionen sind selten, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („The Third Depression“) in NYT . Es gibt nur zwei Epochen in der Geschichte der Wirtschaft, welche als „Depression“ beschrieben werden. 1873: Deflation und Instabilität, welche der Panik von 1873 gefolgt sind und 1929-1931: Jahre der Massenarbeitslosigkeit, welche der Finanzkrise von 1929 gefolgt sind, erklärt der an der University von Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Weder die Ära der Langen Depression des 19. Jahrhunderts noch die Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts waren eine Epoche des anhaltenden Rückgangs. Im Gegenteil: Beide Zeiträume umfassen Zeitperioden des Wirtschaftswachstums. Die Erholung war aber nicht gut genug, um den Schaden des anfänglichen Abschwungs rückgängig zu machen. Gefolgt sind weitere Rückschläge, erklärt Krugman.

„Wir sind jetzt, wie ich befürchte, in den früheren Stadien einer dritten Depression“, bemerkt der Nobelpreisträger. Sie dürfte eher wie die Lange Depression als die Grosse Depression aussehen. Aber die Kosten (für die Weltwirtschaft und für die Millionen von Menschen ohne Jobs) werden enorm sein, argumentiert Krugman. Die Dritte Depression ist auf ein Versagen der Politik zurückzuführen sein. Rund um die Welt sind die Regierungen von der Inflation besessen, obwohl eine Deflation die reale Gefahr darstellt. Sie predigen von der Notwendigkeit von Sparmassnahman, obwohl unzureichende Ausgaben das reale Problem sind, legt Krugman dar.

Soweit die Rhetorik betrifft, ist die Wiederbelebung der alten Zeit der Religion am deutlichsten in Europa offensichtlich. Die Regierungen scheinen die Argumente aus den gesammelten Reden von Herbert Hoover bezogen zu haben, einschliesslich der Behauptung, dass die Ausgaben gekürzt und die Steuern erhöht werden müssen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Allerdings ist auch Amerika nicht besser dran. Die Fed scheint die deflationäre Gefahr zu erkennen. Aber sie schlägt nichts vor, um dagegen vorzugehen. Die Obama-Regierung sieht die Gefahr der vorzeitigen fiskalischen Sparmassnahmen. Aber die Republikaner und konservative Demokraten im Kongresse werden zusätzliche Unterstützung für die Bundesstaaten nicht genehmigen. Die Fiscal Austerity kommt sowieso, in Form von Haushaltskürzungen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene, so Krugman. Wer wird den Preis für den Triumph der Orthodoxie zahlen? Die Antwort: Millionen von Arbeitslosen, schlussfolgert Krugman.

Geldpolitik: Zu expansiv oder nicht expansiv genug?

Martin Wolf fragt in einem lesenswerten Essay („Is monetary policy too expansionary or not expansionary enough?“) in FT, ob die Geldpolitik zu expansiv oder nicht expansiv genug ist. In der längeren Frist ist das Geld „neutral“, sagen die Anhänger des Marktradikalismus. Ein Anstieg der Geldmenge erhöht demnach lediglich das Preisniveau. In der kürzeren Frist kann die Geldpolitik jedoch einen grossen Einfluss auf die Wirtschaft ausüben. Eine grosse Frage ist aber, wie die Auswirkungen der Geldpolitik in einem Umfeld wie dem vorliegenden, zu schätzen ist, wenn die kurzfristigen Zinsen nahe Null liegen und das Kreditsystem beschädigt ist, schreibt Wolf. Die Schwierigkeit rührt daher, dass die monetäre Basis explodiert hat, während die Wachstumsrate der breiteren Geldaggregate extrem niedrig verblieben ist. Menschen sind besorgt, dass die Regierungen "Geld drucken" (money printig), was in eine Inflation münden werde, wie die aufgeblähte Bilanz der Zentralbanken zeigten, so Wolf. „Die Deutschen sind dagegen, dass die EZB Staatsanleihen am Markt aufkauft. Doch das Wachstum der Geldmenge M3 beläuft sich in der Euro-Zone auf beinahe Null“, erklärt der Chef-Wirtschaftskommentator von FT.

Das bedeutet, dass es keinen inflationären Druck gibt, bemerkt Wolf. (1) Die monetäre Basis hat keine Auswirkungen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand. Wenn die Regierungen von ihren Zentralbanken Geld leihen, um ihre Rechnungen zu bezahlen, landet das ganze Geld als Einlagen der Geschäftsbanken wieder bei der Zentralbank, (2) Solche Einlagen haben keine direkten Auswirkungen auf die Kreditvergabe der Geschäftsbanken (Vermögenswerte). Viele Anhänger der österreichischen Schule verweisen auf das Übel des „fractional reserve banking“. Es gibt aber keinen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Bankreserven und der Höhe der Verbindlichkeiten einer Bank, so Wolf. Aus Sicht der Geschäftsbanken ist die Frage nur, ob die Zentralbanken sie mit Liquidität versorgen oder nicht. (3) Die Grösse der Zentralbank-Bilanz hat keine direkten Auswirkungen auf den gesamten Geldbestand in der Öffentlichkeit, (4) Die Politik der Ausdehnung der Bilanz einer Zentralbank wirkt nur dann inflationär, wenn es zu einem Ausbau der gesamten Geldmenge führt, welche das Publikum gemäss dem Niveau der wirtschaftlichen Aktivitäten, der Zinssätze und der erwarteten Inflation zu halten wünscht. Ist es der Fall, beginnen die Leute, das überschüssige Geld auszugeben, indem sie sowohl Inflation generieren als auch Inflationserwartungen steigen lassen, und (5) Eine solche inflationäre Auswirkung kann durch das Geld-Drucken nur dann entstehen, wenn die gesamte Geldmenge beginnt, schnell zu wachsen. Das geschieht aber derzeit nicht, erklärt Wolf. Nur die monetäre Basis nimmt zu.

Fazit: Besorgnisse über einen bevorstehenden Inflationsausbruch sind daher ein schwerer Fehler. „Gewissermassen gibt eine Gefahr der Monetarisierung der Schulden, allerdings erst dann, wenn wir scheitern, wieder zum Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Denn das ist die Situation, in der es am wahrscheinlichsten ist, dass sich das Defizit der öffentlichen Hand nicht schliesst. Daraus folgt, dass jetzt eine starke Straffung der Geldpolitik die langfristige Inflationsgefahr erhöhen kann, anstatt sie zu verringern“, erklärt Wolf.

Schweiz: Produktionslücke und Geldmultiplikator

Die Notenbankgeldmenge (d.h. Giroguthaben + Notenumlauf) hat sich in der Schweiz seit der Finanzkrise deutlich vergrössert. Von 49,6 Mrd. Franken im Jahre 2008 auf 99,1 Mrd. Franken im Jahre 2009. Im April 2010 betrug die Notenbankgeldmenge 93,5 Mrd. Franken, was gegenüber dem Vorjahr einem Rückgang von 20,8% entsprach. Im Mai 2010 ist die Summe aus Giroguthaben und Notenumlauf ist weiter auf 128,4 Mrd. Franken geklettert. Das bedeutet ein Anstieg um 21,8% gegenüber dem Vorjahr. Verantwortlich dafür sind (1) die unkonventionellen Massnahmen der SNB und (2) die anhaltende Unsicherheit. Folglich verbucht der Geldmultiplikator seit dem Ausbruch der Finanzkrise einen starken Rückgang. Warum? Weil die Banken aus Vorsichtsgründen mehr Liquidität halten und sich gegenseitig weniger Kredite gewähren als zuvor. In den vergangenen Wochen hat sich der Geldmultiplikator, der dem Quotient aus dem Geldaggregat M3 und der Notenbankgeldmenge entspricht, sich wieder weiter nach unten bewegt, wie die SNB in ihrem Quartalsheft 2/2010 berichtet. Die Kerninflation ist in der Schweiz seit Oktober 2009 rückgängig.


Geldmengenmultiplikator, Graph: SNB, Quartalsheft 2/2010

Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage muss sich in der mittleren Frist im Gleichschritt mit dem gesamtwirtschaftlichen Angebot entwickeln, schreibt die SNB in ihrem Quartalsbericht, damit eine inflationäre oder deflationäre Entwicklung vermieden werden kann. Fällt die Auslastung während einer längeren Zeit unter ihr normales Niveau, so signalisiert dies einen Angebotsüberhang und damit einen fallenden Inflationsdruck. Die Auslastung der Kapazitäten hat sich im ersten Quartal deutlich verbessert. Es handelt sich dabei um einen Anstieg von 77,2% im IV. Quartal auf 80,8% im I. Quartal 2010. Die Kapazitäten in der Industrie sind jedoch immer noch stark unterausgelastet, wie die SNB mitteilt. Alle Methoden zeigen, dass die Produktionslücke (output gap) momentan negativ ist. Die SNB geht davon aus, dass sich das Wachstum des Produktionspotenzials langsam stabilisiert und die Produktionslücke mit der wirtschaftlichen Erholung weiter abgebaut wird.


Produktionslücke (output gap), Graph: SNB, Quartalsheft 2/2010

Fazit: Solange die Wirtschaft sich in einer Liquiditätsfalle befindet, die aggregierte Nachfrage stockt, die Produktionslücke geöffnet bleibt und der Geldmengenmultiplikator fällt, kann kein Inflationsdruck entstehen. Der rigorose Sparkurs in der Euro-Zone birgt zudem die Gefahr in sich, dass sich die Deflation verstärkt.

Sonntag, 27. Juni 2010

US-Finanzmarktreform: Einigung im Vermittlungsausschuss

Der US-Kongress hat sich auf eine Finanzreform geeinigt. Die Vorlagen aus Repräsentantenhaus und Senat wurden im Vermittlungsausschuss in Einklang gebracht. Der Gesetzentwurf wird nun in den beiden Kammern des Parlaments zur Abstimmung gestellt. Die Frage ist, ob die jüngste Finanzkrise verhindert worden wäre, wenn dieses Gesetz vor dem Sommer 2007 oder besser gesagt im Jahr 2000 existiert hätte? Die Antwort liegt auf der Hand: Nein. Mark Thoma findet die Einigung auf die Finanzmarktreform stärker als er erwartet habe. Er verweist auf eine kurze Zusammenfassung von Edmund Andrews. Dennoch bemerkt Thoma, dass es wichtig sei, zu beachten, dass viele der neuen Regeln in einer Weise vom Urteil und der Neigung der Regulierungsbehörden abhängen, gegen bestimmte Verhaltensweisen durchzugreifen oder nicht.

Mit Obamas Desinteresse in der Besetzung von Schlüsselpositionen mit qualifiziertem Personal ist es nicht klar, ob es die Art von Betonung von oben gibt, die notwendig ist, die Regulierungsbehörden (Agenturen) zu reformieren und effektiver zu gestalten, erklärt Thoma. „Die grösste Veränderung, die wir brauchen, ist, ein Wandel der Kultur innerhalb der Regulierungsbehörden“, so Thoma. Ein Wandel, der dafür sorgt, dass die Verantwortung an die Menschen übertragen wird, die tatsächlich an die Notwendigkeit einer Regulierung glauben. Die Führungskräfte in vielen Regulierungsbehörden denken, dass der Markt sich selbst überwachen kann. Das Ergebnis war ein minimalistischer Ansatz für die Regulierung und die Eroberung der Behörden durch die Industrie, die eigentlich hätte überwacht werden sollen. Das hilft nicht. Viele der Verantwortlichen in den Regulierungsbehörden sind ehemalige Industrie-Insider, erklärt Thoma.

Der einzige Teil des Gesetzentwurfes, der die jüngste Finanzkrise gebremst hätte, sind die neuen Mindeststandards für Hypotheken-Underwriting, schreibt Barry Ritholtz in The Big Picture: Keine „No Doc, NINJA oder Liar Loans“ mehr. Die Kreditgeber müssen jetzt das Einkommen, die Kredit-Vergangenheit und den Berufsstatus der Kreditnehmer überprüfen. Das hätte sicherlich das Schlimmste an Subprime- und andere exotischen Hypotheken verhindern können, bemerkt Ritholtz. Abgesehen davon, gibt kein einziges Element in der Reformvorlage, die die jüngste Krise verhindert hätte. Ich zweifle fest daran, dass mit diesem Reformpaket die nächste verhindert werden kann, erläutert Ritzholtz. Was ist nicht geflickt? (a) Die Überwacher (Aufsichtsbehörden und Rating-Agenturen) arbeiten für die Gauner, (b) Banken sind immer noch TBTF, (c) Banken spielen mit den Einlagen der Sparer, (d)Mark to myth“ ist erlaubt und Banken verwenden ausserbilanzielle Buchungen, um sich mit Bonus übermässig zu belohnen, während der Steuerzahler die Verluste auffängt, und (e) Banken erhalten mehrere Milliarden von der Fed, Fannie und Freddie, und dem gegenwärtigen und künftigen Steuerzahler. Das heisst, dass dieselben Leute, welche diese schrecklichen Veränderungen (wachsende Ungleichheit der Einkommensverteilung, massive Arbeitslosigkeit und eine marode Infrastruktur) eingebrockt haben, jetzt die Politik institutionalisieren, welche die Ursachen der Probleme weiter fest werden fortbestehen lassen, erklärt Ritholtz.

Samstag, 26. Juni 2010

Bondmarkt-Blase Nonsense – Deflationsgefahr reel

Bei der Versteigerung der 2-jährigen US-Staatsanleihen im Volumen von 40 Mrd. $ hat sich am Dienstag eine Höchstrendite von 0,738% ergeben. Die Median-Rendite betrug 0,720%. Für die versteigerte Anleihe mit einem Kupon von 0,625% gingen Gebote über 138,1 Mrd. $ ein. Das Bid-to-cover Verhältnis belief sich auf 3,45x. Das entspricht der höchsten Rate seit Oktober 2009 (2,93x im Mai). Die indirekten Bieter machten 41%, die direkten Bieter 21% der Auktion aus. Die Primary Dealers kamen auf einen Anteil von 37%. Für die rege Nachfrage waren sicherlich die Inflationsdaten vom vergangenen Donnerstag ausschlaggebend. Die Investoren, die keineswegs von Inflationssorgen geplagt sind, rechnen bis mindestens März 2011 nicht mit einer Zinserhöhung. Ganz im Gegenteil ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass die Deflation aufflammt. Die US-Notenbank (Fed) scheint daher nicht unbesorgt. Die Währungshüter haben am Ende der Fed-Sitzung vom 23. Juni in ihrer Mitteilung (Press Release) ausdrücklich auf den Rückgang der Preise für Energie und andere Rohstoffe hingewiesen, indem sie betont haben, dass die Kerninflation tiefer tendiert.


UST 2Y Auction, Graph: Igor Cashyn and Jim Caron, Morgan Stanley



UST 2 Y (1 year), Yield, Graph: Fed St. Louis

Zum ersten Mal hat die US-Notenbank (Fed) anerkannt, dass die Schuldenkrise in Europa und der damit zusammenhängende sinnlose Sparkurs das amerikanische Wirtschaftswachstum direkt beeinflussen. Vorhersagen über eine Bondmarkt-Blase sind daher einfach irreführend. „Deflation ist die Norm, nicht die Ausnahme“, schreibt David Rosenberg von Gluskin Sheff & Associates in einem lesenswerten Essay („Predictions of a bond market bubble are wrong“) in FT. Der Schuldenabbau (deleveraging) ist der neue säkulare Trend, bemerkt er weiter. „Wie kann ein Wertpapier, dessen Preis ständig projiziert wird, zu fallen, sich in einer Blase befinden? Wie kann sich ein Wertpapier in einer Blase befinden, wo das Kapital gewährleistet ist und zweimal im Jahr ein Kupon ausgezahlt wird? Das macht keinen Sinn“, erklärt Rosenberg. Die Rendite der 2-jährigen Anleihen verbuchte am Freitag mit 0,6044% ein Allzeit-Tief. Die Differenz (Spread) zwischen der Rendite der 5-jährigen US-Treasuries und der Rendite der TIPS mit der gleichen Laufzeit ist inzwischen auf 1,68% von 2,25% Ende Dezember 2009 zurückgefallen. Das heisst, dass die Investoren mit einer jährlichen Inflationsrate von 1,68% über die Laufzeit der Bonds rechnen.



UST 2 Y (5 year), Yield, Graph: Fed St. Louis

FDIC: Seit Jahresbeginn wurden 86 Banken geschlossen

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Reuters drei Banken in Florida, Georgia und New Mexico geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 verstaatlicht wurden, auf 86 gestiegen. Die verstaatlichte drei Bank verfügen über ein Anlagevermögen von insgesamt 977,1 Mio. $. Die Kosten der drei geschlossenen Banken belaufen sich für die öffentliche Hand auf 284,6 Mio. Dollar.

Bankpleiten:
2010: 86
2009: 140
2008: 25
2007: 3


Netto-Abschreibungen: Anteil (in %) an Darlehen, die als Verlust ausgebucht werden, Graph: James B. Thomson, Fed Cleveland

Für 6 von 8 Kategorien an Darlehen sind die Verluste, die durch Netto-Abschreibungen dargestellt werden, im Verhältnis (in %) zum Gesamtwert an Darlehen im I. Quartal 2010 zurückgegangen. Die Verluste an landwirtschaftlichen Darlehen sind leicht gestiegen: von 0,4% auf 0,7% am Gesamtwert von Darlehen an Landwirtschaft. Besorgniserregend sind die Verluste auf gewerbliche Immobiliendarlehen. Netto-Abschreibungen auf diese Kredite haben sich von 5% am Ende des Jahres 2009 auf 7% im I. Quartal 2010 erhöht.

PS: Die FDIC hat im vergangenen Jahr 140 Banken geschlossen. Die Kosten für die Behörde: 30 Mrd. $. Die Behörde rechnet mit Kosten von 60 Mrd. $ von 2010 bis 2014 für die Beilegung von bankrotten Banken, wie sie diese Woche mitgeteilt hat.

Freitag, 25. Juni 2010

EZB 12-Monatstender steht kurz vor Fälligkeit

Am 22. Juni haben die Banken in der Euro-Zone beim MRO-Tender (1 Woche) bei Vollzuteilung zu einem festen Zinssatz von 1,0% 151,5 Mrd. Euro aufgenommen. Das MRO-Volumen (MRO= Main Refinancing Operation) hat sich seit Ende April verdoppelt. So hoch ergab sich das Volumen zuletzt im Juni 2009. Genau vor einem Jahr hat der erste 12-Monatstender (442,2 Mrd. Euro) der EZB stattgefunden. Am kommenden Mittwoch müssen die Banken nun diese Gelder in Höhe von 442,2 Mrd. Euro, die sie gegen Sicherheiten bei der EZB geliehen hatten, zurückzahlen. In diesen Sicherheiten befinden sich auch Anleihen der südeuropäischen Krisenländer. Steht der kräftige Kursverlust der griechischen Staatspapieren in den vergangenen zwei Tagen damit im Zusammenhang?


CDS-Prämien (5 Jahre) Griechenland, Graph: CMA Datavision via FT Alphaville

Es ist ferner wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Term Deposit Facility (Termineinlagen) der EZB zuletzt 1,4x überzeichnet worden ist. Der Wert kletterte innert einer Woche auf 226 Mrd. Euro. Das heisst, dass die Banken im Vorfeld des am 1. Juli fällig werdenden 12-Monatstenders vermehrten Willen zum „Selbstbehalt“ an den Tag legen, wie Elaine Lin von Morgan Stanley bemerkt. Werden Banken nun wegen des auslaufenden 12-Monatstenders nervös? Die Rendite der 10-jährigen griechischen Staatsanleihen ist mittlerweile auf mehr als 10% gestiegen. Die CDS-Prämien sind gestern mit 972 Basispunkten auf ein neues Rekordhoch geklettert. Die Risikoprämien von Kreditabsicherungen für griechische Staatsanleihen sind heute sogar laut Datendienstleister CMA mit 1'140 Basispunkten durch die Decke geschossen. Ein Investor, der sich gegen den Ausfall einer griechischen Staatsanleihe (im Wert von 10 Mio. Euro) für ein Jahr lang schützen will, muss also 1,14 Mio. Euro zahlen. Bekannt ist, dass griechische Staatspapiere Ende Monat wegen der Herabstufung auf Ramschstatus durch die Ratingagentur Moody’s aus manchen Indizes herausfallen werden. Handelt es sich dabei um Zwangsverkäufe? Die Banken müssen aber Wertverluste von Anleihen in ihren Bilanzen ohnehin berichtigen, unabhängig davon, ob die Papiere bei der EZB als Sicherheit oder in den eigenen Büchern liegen.

Wie China mit Wechselkurspolitik Wirtschaftsprobleme verschärft

Paul Krugman hält nicht viel von der Ankündigung der chinesischen Zentralbank ( PBOC), das Wechselkursregime zu flexibilisieren. Das neue Wechselkurssystem spricht das Problem nicht an, bemerkt der an der Universität Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Freitagskolumne („The Renminbi Runaround“) in NYT: China begünstigt seine Ausfuhren auf Kosten der restlichen Welt. In der Tat sei die Ankündigung kein Schritt in die richtige Richtung. Es sei eine Übung im bösen Glauben. Ein Versuch, den Druck aus den USA abzuwehren. China reagiert nicht auf amerikanische Beschwerde, erklärt Krugman. Es spielt Spiele. Chinas Wechselkurspolitik ist weder kompliziert noch etwas noch nie da Gewesenes, mit Ausnahme der schieren Grösse, hält der Nobelpreisträger fest. Es ist ein klasssiches Beispiel dafür, dass die Regierung den Aussenwert ihrer Währung künstlich niedrig halten will, indem sie ihre eigene Währung verkauft und fremde Währung kauft.

Diese Politik ist im Fall Chinas wirksam, weil es legale Restriktionen für Kapitalbewegungen gibt, sowohl in das Land als auch aus dem Land, sodass der Staat den Devisenmarkt mit Interventionen dominieren kann, legt Krugman dar. Und der Beweis dafür, dass China den Wert seiner Währung, des Renminbi künstlich niedrig hält, ist die Tatsache, dass die Zentralbank so viele Dollars, Euros und andere Fremdwährungen akkumuliert hat, dass die Währungsreserven mehr als 2'000 Mrd. Dollar betragen. Es gebe allerlei Arten von Berechnungen, dass der Renminbi nicht unterbewertet sei, oder zumindest nicht so viel. Wenn aber der Renminbi nicht unterbewertet ist, warum kauft China täglich rund 1 Mrd. $ auf, um einen Anstieg der Landeswährung zu unterbinden? Die Unterbewertung der Währung hat eine doppelte Wirkung: Es macht chinesische Waren für Ausländer billig, während ausländische Waren für Chinesen teuert werden. Auf diese Weise subventioniert China seine Exporte und errichtet einen Schutzzoll auf seine Importe, erläutert Krugman. Diese Politik ist sehr schädlich zu einem Zeitpunkt, wenn ein Grossteil der Weltwirtschaft tief deprimiert ist. In normalen Zeiten könnte man argumentieren, dass die chinesischen Käufe von US-Staatsanleihen, während sie den Handel verzerren, zumindest die USA mit mit billigen Krediten versorgen. Und man könnte argumentieren, dass es nicht Chinas Schuld ist, wie die USA diese Gelder verwenden, um eine riesige, destruktive Immobilienblase zu generieren. „Aber gerade jetzt sind wir von billigen Krediten überschwemmt. Was fehlt, ist eine ausreichende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die wir brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen“, so Krugman. Und China verschärft dieses Problem, indem es einen künstlich gestützten Handelsbilanzüberschuss aufweist. „Das ist nicht akzeptabel. China muss aufhören, uns auszuweichen. China muss einen echten Wandel liefern. Wenn es sich weigert, ist es Zeit, über Handelssanktionen zu reden“, so Krugman als Fazit.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Defizit-Falken und Gerede von Bondblase

Die Defizit-Falken werden nicht müde, Inflationsängste zu schüren. Die Argumente werden jedoch nach und nach erbärmlicher. Martin Feldstein, Wirtschaftsprofessor an der Harvard schreibt in einem Essay („Inflation or Deflation“) in Project Syndicate, dass, während die Inflation während der nächsten Jahre sehr wahrscheinlich niedrig bleiben dürfte, er es verwirrend finde, dass die Anleger davon auszugehen scheinen, dass die Inflation für die nächsten 10 Jahre und darüber hinaus niedrig bleibt und dass sie ausserdem keine höheren Zinsen als Ausgleich dafür verlangen, dass das Haushaltsdefizit in der Zukunft einen Anstieg der realen Zinsen verursachen wird.

„Das ist ein gutes Beispiel dafür, was wirtschaftspolitisch jetzt los ist“, schreibt Mark Thoma in einem kurzen lesenswerten Eintrag in Economist’s View. „Martin Feldstein glaubt, dass die Menschen wegen Inflation und Haushaltsdefizite besorgt sein sollten. Und die Tatsache, dass er über die Besorgnisse keine Belege finden kann, empfindet er als rätselhaft“, erklärt Thoma. „Anstatt seine eigenen Annahmen im Lichte des Beweises zu hinterfragen, dass sie falsch sind, schlägt er implizit vor, dass Investoren (d.h. dass der gerühmte Markt mit seiner Fähigkeit, alle relevanten Informationen einzupreisen) kollektiv falsch liegen, bemerkt Thoma zu Recht. Seine Frage an Defizit- und Inflationsfalken ist, welche i.d.R. glauben, dass die Märkte in jeder denkbaren Weise die Menschen übertreffen, „wann wir aufgeben müssen, wann die Märkte uns wirklich etwas sagen und stattdessen darauf reagieren, was wir (die weniger fähigeren Menschen) glauben, dass die Märkte uns sagen sollten?“

Prof. Feldstein ist der Wirtschaftsberater von Präsident Ronald Reagan und der Präsident von NBER (National Bureau of Economic Research).

Fiscal Austerity: Wenn tote Ideen neues Leben finden

WSJ berichtet, dass Paul Krugman in Deutschland einen grossen Wirbel mit seiner stechenden Kritik an Axel Weber in dieser Woche ausgelöst hat. Weber gilt als Nachfolger von Jean-Claude Trichet, dem EZB-Präsidenten. Trichets Amtszeit läuft im Oktober 2011 aus. Krugman, der an der Uni Princeton lehrt, hat in einem ausgezeichneten Interview („Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro“) mit Handelsblatt der EZB geraten, deutlich flexibler und aggressiver zu werden. Der Wirtschaftsnobelpreisträger, der eine Kolumne für NYT schreibt und ein aktiver Blogger ist, hat ferner bemerkt, dass Axel Weber sich selbst gegen die moderaten Käufe von Staatsanleihen durch die EZB wehrt. Weber, der sich Sorgen über Inflation mache, wenn es keine Inflation gibt, sei eine Gefahr für das Schicksal des Euros.

Wolfgang Franz, der Chef der Wirtschaftsweisen hat in einem Gastbeitrag („Wie wäre es mit Fakten, Herr Krugman?“) im Handelsblatt mit fadenscheinigen Argumenten völlig aufgeregt auf Krugmans Plädoyer für mehr Konjunkturstimulanz reagiert:

„Wo nahm denn die Finanzkrise ihren Anfang? Welche Zentralbank hat denn eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben? Welches Land beschritt sozialpolitische Irrwege, indem einkommensschwache Haushalte mit Hypothekendarlehen beglückt wurden, die sie nie und nimmer abbezahlen konnten? Wer hat denn im Jahr 2004 die Regulierungen zur Begrenzung des Schuldenhebels von Investmentbanken stark abgeschwächt und 2008 die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrechen lassen und damit den Gau auf den internationalen Finanzmärkten eingeleitet?“


Krugman bemerkt in seinem Blog („They Hate Me, ...“) , dass Franz grundlegende Tatsachen falsch präsentiert: „Nein, es war nicht der Staat, der die Kreditvergabe an Haushalte mit niedrigem Einkommen gefördert hat. Das ist eine Zombie-Lüge. Und es ist bezeichnend, dass deutsche Behörden davon nichts wissen“, so Krugman. Im Übrigen unterstütze Krugman das Argument für schwache Finanzregulierung in Amerika nicht. Aber es sei ein schlechtes Zeichen, dass die Deutschen immer noch denken, als ginge es um eine Krise made-in-America. „Die Wahrheit ist, dass die europäische Immobilienblase so gross oder grösser war als die amerikanische Housing-Bubble. Nicht in Deutschland, aber es waren deutsche Kapitalexporte, welche die Blasen in Spanien und in Irland gefüttert haben. Das war eine Nordatlantik-Krise, etwa gleich stark auf beiden Seiten des Ozeans“, hält Krugman fest. „Ja, Amerika hat gesündigt, so haben die anderen“, fügt Krugman hinzu. Die restriktive Geldpolitik, die Axel Weber der EZB verordnen wird, ist wahrscheinlich eine andere Sünde; eine, die Europa in eine düstere Zukunft von Stagnation und Deflation verdammen wird“, erklärt Krugman.

Fed-Sitzung von 23. Juni

Die amerikanische Notenbank (Fed) hat gestern nach ihrer zweitätigen Sitzung das aktuelle Zinsniveau bestätigt: 0 bis 0,25%. Der geldpolische Ausschuss spricht aber nicht mehr davon, dass die Konjunktur an Fahrt gewinnt. Die finanziellen Bedingungen galten noch am Ende der April-Sitzung „wachstumsfördernd“. Nun heisst es in der den Zins-Entscheid begleitenden Mitteilung, dass die finanziellen Bedingungen weniger unterstützend für das Wachstum geworden sind, was zu einem Grossteil die Entwicklungen im Ausland widerspiegelt. Damit spricht die Fed die Schuldenkrise in Europa an, welche jetzt im Zusammenhang mit dem rigorosen Sparkurs sicherlich auf Wachstum der Wirtschaft lasten wird. Der geldpolitische Ausschuss der Fed verwies ausserdem darauf, dass die Inflation für einige Zeit gedämpft bleibt und die Zinsen auf niedrigem Niveau verharren. Die amerikanische Wirtschaft wächst, aber in einem moderaten Tempo.



Effective Fed Funds Rate (1Y), Graph: Fed St. Louis

Der Hinweis auf die Preise für Energie und andere Rohstoffe, die in den letzten Monaten zurückgefallen sind und die Kerninflation tiefer tendiert, ist sicherlich als Beleg dafür zu bewerten, dass die amerikanischen Währungshüter über die Deflationsgefahr nicht unbesorgt sind.


Effective Fed Funds Rate (5Y), Graph: Fed St. Louis

Interview: Dean Baker, Center for Economic and Policy Research in Washington, DC.

Dean Baker is co-director of the Center for Economic and Policy Research in Washington, DC.


Are higher short-term deficits a greater (political) risk than higher unemployment ?

The reality is that almost no one has any idea of how large the deficit is so its size will have very little political impact. Whatever the number ends up being, it will be huge relative to the sums that people are used to seeing in ordinary life. So the deficit would sound huge if it were cut in half, just as it would if is doubled.

As a practical matter, President Obama and Congress are going to be held responsible for the state of the economy. If they take steps to cut the deficit by a very large amount, but the economy is still very weak (possibly in part because they cut the deficit), then no one is going to know or care about their deficit reduction. They will just know that the economy is in bad shape.


What are the chances of another recession? Do you expect a double-dip?

The main story going forward is that the economy is on a very weak growth path, almost certainly less than 3.0 percent over the next year and half and possibly less than 2.0 percent. This means that the economy will be adding few jobs, possibly not even keeping pace with the growth of the labor force. As a result, the unemployment rate will remain very high for several years into the future.


Also, it stands to reason that if the underlying rate of growth is very low, then there is a higher probability that it can turn negative. There are always random factors that will affect growth in any given quarter. If the rate of growth is close to 2.0 percent, then it would not take too much bad news to push the growth rate into negative territory, giving us a double-dip. However, the main point is that growth will be very weak in any case. It does not matter very much if unusual factors cause it to be negative in any given quarter.

Particularly since the outbreak of the financial crisis, the macro economy seems to be a tightrope. Macro economists are supposed to be competent, but not didactic, be serious, but not humourless, be scientific, but not partisan. How do you deal with it?

I just keep trying to find new ways to say the same thing. From 2002 until 2007 I was warning people that the economy had a serious housing bubble that would burst and cause lots of pain. No one was very interested in hearing it. Now, I am trying to tell people that we are not doing enough to set the economy right. They don’t want to hear that either.

I keep pushing to have economics turned into a profession in which job security depends on performance. If that were the case, we might see more accurate analysis and better policy.

Thank you very much.


Dean Baker is co-director of the Center for Economic and Policy Research in Washington, DC. He previously worked as a senior economist at the Economic Policy Institute and an assistant professor at Bucknett University. His blog Beat the Press features commentary on economics. He is the author of several books.

Mittwoch, 23. Juni 2010

Sparkurs: Eile mit Weile

Während die USA weiterhin auf der Fortsetzung der Konjunkturstimulanz bestehen, wie zuletzt Präsident Barack Obama in Richtung G20-Länder deutlich verkündet hat, will das Euroland fest entschlossen auf einen rigorosen Sparkurs einschwenken. Wie Paul Krugman diese Woche während seines Aufenthalts in Deutschland ohne Umschweife betont hat, ist es jedoch noch zu früh, mit dem Abbau der Staatshaushalten zu beginnen. Auch aus Sicht des Investors George Soros riskiert die Bundesregierung mit ihrem Sparkurs den Euro und die EU zu vernichten. "Die deutsche Politik ist eine Gefahr für Europa....Im Moment treiben die Deutschen die Nachbarn in eine Deflation...Es droht eine lange Phase der Stagnation. Und die führte zu Nationalismus, zu sozialen Unruhen, zu Fremdenfeindlichkeit. Sie gefährdet also die Demokratie", sagt Soros in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Festina lente („Eile mit Weile“): „Das ist der Ratschlag, den wir aus den alten Römern geerbt haben“, schreibt Martin Wolf in einem lesenswerten Essay („Why it is right for central banks to keep printing“) in FT. Politische Entscheidungsträger im Westen sollten sich das zu Herzen nehmen.

Angesichts der enormen Haushaltsdefiziten könnten sie jetzt festgestellt haben, dass sie sich jetzt beeilen müssten, um die Fiskalpolitik so schnell wie möglich zu straffen, in der Hoffnung, dass es das Wirtschaftswachstum fördert. Wie stehen aber die Chancen, dass sie Recht haben? „Klein“, denkt Wolf. Darüber hinaus gibt es bessere Alternativen, erklärt Wolf. Der Nachteil ist, dass sie unorthodox sind. Aber viele Menschen bevorzugen heute orthodoxe Rezessionen zu unorthodoxen Erholungen der Wirtschaft.

Warum sollen aber scharfe Sparmassnahmen die wirtschaftliche Erholung fördern? Alberto Alesina und Silvia Ardagna bemerken in einem einflussreichen Aufsatz, dass prospektiv kleinere Defizite das Vertrauen der Verbraucher und der Investoren verbessern können, wodurch der Konsum steigen und Risiko-Prämien im Hinblick auf die Zinsen sinken würden. Auf der Angebotsseite würde eine straffe Fiskalpolitik das Angebot an Arbeit und Kapital erhöhen und Unternehmen unterstützen, lautet der Grundgedanke der beiden Ökonomen. Martin Wolf findet die Schlussfolgerung aber nicht glaubwürdig. Eine Verringerung des Haushaltsdefizits muss durch Verschiebungen in privaten und ausländischen Haushalten ausgeglichen werden, erklärt Wolf. Wenn die fiskalpolitische Kontraktion zu expansiv wird, dann müssen die Exporte steigen und private Ausgaben zunehmen. Oder die privaten Ersparnisse müssen fallen. Deshalb fällt die Erfahrung mit fiskalischer Kontraktion sehr unterschiedlich aus: wenn sie in ein paar kleinen Volkswirtschaften geschieht, nicht in vielen grossen Ländern gleichzeitig. Wenn der Finanzsektor in einem guten Zustand, nicht hoch verschuldet ist(„highly leveraged“) und die Zinssätze hoch, nicht nahe bei Null liegen, und die externe Nachfrage lebhaft, nicht schwach ist und die reale Wechselkurse frei schwanken anstatt fest zu bleiben, erläutert Wolf.

Wenn, wie jetzt, die Wirtschaft durch die Fragilität des Finanzsektors, der fast die Hälfte der Weltwirtschaft ausmacht, betroffen ist, und die Zinsen nahe bei Null liegen und die Unternehmen und private Haushalte in Sachen Kredit eingeschränkt sind, ist die Ansicht, dass eine frühe Straffung der Fiskalpolitik die Wirtschaft stützen würde, sicherlich heldenhaft, argumentiert Wolf. Er hoffe, dass es wahr wird, aber es gebe wenig Grund, daran zu glauben, hält er fest.

Keynes zwischen Staat und Finanzwirtschaft

Robert Skidelsky befasst sich in einem lesenswerten Essay („Keynes und die Sozialdemokratie heute“) in Project Syndicate mit der viel gestellten Frage, ob Keynes „Big Government“ favorisiert und/oder keynesianische Politik notwendigerweise zu „Big Government“ führt? „Seit Jahrzehnten wird der Keynesianismus mit großen sozialdemokratischen staatlichen Maßnahmen verknüpft. Doch John Maynard Keynes’ Verhältnis zur Sozialdemokratie ist komplex“, bemerkt der emeritierter Professor für Politische Ökonomie an der Warwick University. Keynes zeigte, dass die Hauptursache für Arbeitslosigkeit nicht in der Schmälerung der Gewinne durch Arbeiter lag, sondern in den schwankenden Aussichten für private Investitionen in einer ungewissen Welt, erklärt Skidelsky. „Fast die gesamte Arbeitslosigkeit in einem zyklischen Konjunkturrückgang wurde durch die ausbleibende Investitionsnachfrage verursacht“, so Mitglied des britischen House of Lords.

„Daher kam es nicht darauf an, das Kapital zu verstaatlichen, sondern Investitionen zu sozialisieren“, hält Skidelsky fest.

Fazit: Der Staat hat die Pflicht, die Marktkräfte zu ergänzen und zu regulieren.

Dienstag, 22. Juni 2010

BP und Collateralised Synthetic Obligations

Die US-Regierung hat dem britischen Ölkonzern infolge der versunkenen Bohrinsel bislang insgesamt 122,3 Mio. $ in Rechnung gestellt. BP hat schliesslich im Golf von Mexiko die grösste Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA verursacht. Das Unternehmen muss zudem 20 Mrd. $ in einen neu einzurichtenden (Entschädigungs-)Fonds einschiessen, um die Folgen der Ölprest zu bezahlen. Die Marktkapitalisierung von BP hat inzwischen um mehr als 45% abgenommen. Die Rating-Agenturen haben die Kreditwürdigkeit des Energiekonzerns deutlich heruntergestuft. Deutet sich für BP jetzt eine finanzielle Kernschmelze an? Moody’s hat gestern mitgeteilt, 117 Collateralised Synthetic Obligations (ohne CSOs, die von CSO gedeckt sind) mit Bezug auf CDS für BP ermittelt zu haben, wie Tracy Alloway von FT Alphaville berichtet. Es handelt sich dabei um synthetische CDOs mit BP-Exposure.

Würde BP zum Konkurs übergehen oder eine Art Umschuldung ankündigen, würde es ein Credit Event für die CSOs auslösen. Die Käufer von CDS-Schutz müssten ausbezahlt werden, was zu Verlusten von CSO-Investoren führen würde.

Die CDS-Prämien (5 Jahre) für BP belaufen sich zur Zeit auf 490 Basispunkte. Das bedeutet im Vergleich zu vergangenen 28 Tagen ein Plus von 395 Basispunkten.

PS: BP plant einem Bericht von Handelsblatt zufolge einen dreistufigen Rettungsplan: (1) Der Konzern will sich von Vermögenswerten trennen und neue Schulden machen. Vor allem stehen Minderheitsbeteiligungen zur Disposition, (2) Der Konzern will Sicherheitsstandards überarbeiten, und (3) Der Konzern werde voraussichtlich das Management auswechseln.

Chinas Währungspolitik: Renminbi Auswirkungen

Nach der Ankündigung der chinesischen Zentralbank (PBOC) am Wochenende, den Wechselkurs der Landeswährung zu flexibilisieren, stellt sich die Frage, wie diese Massnahme auf die Weltwirtschaft auswirken wird? Bisher war der Kurs der chinesischen Währung an den US-Dollar gekoppelt. Wie werden jetzt die internationalen Ungleichgewichte davon betroffen? Die Aktienmärkte haben weltweit positiv darauf reagiert. Während manche Marktbeobachter davor warnen, dass der Schritt der PBOC auf Wirtschafstwachstum in China lasten wird, mit negativen Folgen im Exportsektor und in den Finanzmärkten, wie es Japan in den 1970er Jahren nach der Yen-Aufwertung ergangen ist, behaupten andere Experten, dass die Ängste vollkommen übertrieben sind. China hatte Renminbi schliesslich im Jahre 2005 aufwerten lassen. Es ergaben sich daraus keine sichtbaren Auswirkungen auf chinesische Ausfuhren und das Wirtschaftswachstum. Die Aufwertung war damals im Hinblick auf Dauer und Umfang begrenzt. Der Renminbi kletterte gegenüber dem US-Dollar nur um 7% pro Jahr und das wurde nach 12 Monaten gestoppt. Wie wird das neue Wechselkursregime aber auf die chinesische Wirtschaft auswirken? Mit der Frage befassen sich Barry Eichengreen und Andrew Ross in einem interessanten, aktuellen Essay in voxeu.org.


The Implications for China of Abandoning its Dollar Peg, Graph: Barry Eichengreen and Andrew Rose

Eichengreen und Rose fragen sich, was aus anderen Zeiten und Orten über die wahrscheinlichen Auswirkungen eines Ausstiegs aus dem „de facto pegged“ Wechselkursregime zugunsten einer Währungsaufwertung gelernt werden kann. Es stellt sich heraus, dass es möglich ist, eine Stichprobe von anderen Exit-Fällen zu konstruieren, obwohl der daraus resultierende Datensatz relativ klein ist. Die Ökonomen haben 27 Fälle identifiziert, in denen ein „fixed pegged“ Wechselkursregime aufgegeben wurde und die Währung sich über das folgende Jahr gegenüber dem US-Dollar oder „Special Drawing Rights“ (SDR) aufgewertet hat. Viele von diesen Fällen haben sich etwa um die Zeit am Ende des Bretton-Woods-Systems in den früheren 1970er Jahren ereignet. Aber es gebe auch eine Reihe von anderen Episoden von Guinea im Jahr 1979 bis Mosambik im Jahr 2005 und Malaysia im Jahr 2005. Die Währungsaufwertung war im Durchschnitt für das erste Jahr nicht all zu verschieden von Chinas Erfahrung im Jahr 2005: 7 Prozent. Was haben die Autoren herausgefunden? Das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum verlangsamt sich zwar um 1% zwischen den 5 Jahren vor und fünf Jahren nach dem Exit aus dem gekoppelten Wechselkursregime. Aber es kommt zu keinem Zusammenbruch des Wirtschaftswachstums. Die vollkommene Aufhebung der Bindung der Währung an den US-Dollar führt zu keinem Verhängnis im Stile von Japans verlorenem Jahrzehnt, bemerken Eichengreen und Rose. Im Allgemeinen finden die Autoren kaum Hinweise auf wirtschaftliche und finanzielle Schäden als Folge von Exit-Massnahmen.

Keine Zunahme im Vorkommen von Banken- und Finanzkrisen.
Keine Anzeichen für signifikante Kursrückgänge an den Aktienmärkten.
Keine Anzeichen für eine wesentliche Verschlechterung in der Leistungsbilanz.
Kein Beleg für einen deutlichen Rückgang von Investitionsquote.


Während sich die Rate des Export-Wachstums von 9,5% auf 5,5% per annum verlangsamt habe, habe sich das Wachstum der Einfuhren fast im gleichen Ausmass verlangsamt. Weil die Länder, die das gekoppelte Wechselkursregime verlassen haben, in den fünf Jahren vor dem Ausstieg schneller gewachsen sind (im Durchschnitt um 1,5%) als die anderen Länder, ist es schwer, zu sagen, ob das verlangsamte Wirtschaftswachstum eine gesunde Korrektur darstellt, welche eine Überhitzung oder etwas mehr verhindert, erläutern die Autoren. Der Beweis, dass die Länder, die das gekoppelte Wechselkurssystem aufgegeben haben, vor dieser Zeit höhere Inflation gehabt haben als andere Länder, stehe jedoch mit dem Argument „Überhitzung“ im Einklang.

Fazit: Die Erfahrung anderer Länder gibt wenig Grund, anzunehmen, dass ein Ausstieg aus dem gekoppelten Wechselkursregime gravierende Folgen für die Wirtschaft hat, so Eichengreen und Rose.

Montag, 21. Juni 2010

Schweiz: Kerninflation nach wie vor rückgängig

Die Trimmed Mean Inflation verläuft in der Schweiz im Mai mit 0,7% den 4. Monat in Folge unverändert, wie das von der SNB am Montag vorgelegten Statistische Monatsheft Juni 2010 zeigt. Die Kerninflation setzt andererseits ihren abwärtsgerichteten Trend fort. Die Kernrate spiegelt die Preisentwicklung ohne Nahrung, Getränke, Tabak, Saisonprodukte, Energie und Treibstoffe wider. Bei der Berechnung der Trimmed Mean Inflation (Methode des getrimmten Mittelwertes) schliesst die SNB die Güter mit den stärksten Preisschwankungen nach oben und unten (je 15%) aus dem Landesindex der Konsumentenpreise aus.



Schweiz: Konsumentenpreise und Kerninflation, Graph: SNB, Statistisches Monatsheft Juni 2010



Die neue Prognose der SNB zeigt, wie Philipp Hildebrand im Mediengespräch am 17. Juni in Genf mitgeteilt hat, unveränderte Teuerungsaussichten. Neue Daten haben indessen laut SNB zu einer leichten Revision der Inflation in der kurzen Frist nach oben geführt. Das ist aber die Folge eines ölpreisbedingten Basiseffektes. Die Inflation bleibt danach unter 1% bis zum II. Quartal 2011, weil (a) der genannte Basiseffekt sich abschwächt und (b) die Produktion unter ihrem Potenzial verharrt. SNB-Präsident Hildebrand hält zwar inzwischen das Deflationsrisiko für „weitgehend verschwunden“. Aber es ist Fakt, dass die Kerninflation nach wie vor rückgängig ist. Der sinnlose Sparkurs Deutschlands wird sich bremsend auf die schweizerische Exporttätigkeit auswirken. Der Haupthandelspartner der Schweiz ist die EU. Rund 80% aller Einfuhren stammen aus EU-Ländern, während 60% der Schweizer Exporte in die EU gehen. Wenn Deutschland 80 Mrd. Euro weniger ausgibt, wird man das auch in der Schweiz spüren. Falls die Abwärtsrisiken sich verstärken, könnte die Deflationsgefahr über eine Aufwertung des Franken wiederaufflammen.

Deutschlands Sparkurs: Eine schlechte Idee

Während Paul Krugman zur Zeit in Deutschland weilt, unterhält er sich mit seinen Gesprächspartnern über das derzeit beherrschende Thema „Wirtschafts- und Fiskalpolitik“ im Sog der anhaltenden Finanzkrise. Vor allem geht es dabei um Sinn und Zweck von Konjunkturförderung und Sparmassnahmen ("Fiscal Austerity"). „Wir reden über die Euro-Krise“, schreibt Krugman in seinem Blog. Sie sagen: „Offensichtlich war es die fiskalpolitische Verantwortungslosigkeit. Wir müssen viel strengere Regeln durchsetzen“. Krugman antwortet: „Keine fiskalische Regel hätte die spanische Immobilienkrise und deren Folgen einschränken können“. Und sie sagen: „Danke für Ihren Beitrag. Offensichtlich war es die fiskalpolitische Verantwortungslosigkeit. Und wir müssen viel strengere Regeln durchsetzen“.

Krugman hält den deutschen Sparkurs für eine schlechte Idee. In einem ausgezeichneten Interview mit Handelsblatt erklärt der Nobelpreisträger, dass „der Konsolidierungskurs Deutschlands nicht nur im eigenen Land auf die Konjunktur drückt, er bremst auch in anderen Ländern das Wachstum“. „Wenn die Deutschen 80 Mrd. Euro weniger ausgeben, spürt man das auch in den Nachbarländern“. Ferner rät Krugman der EZB, deutlich flexibler und aggressiver zu werden. Auch Axel Weber bekommt seinen Fett ab. „Weber macht sich Sorgen über Inflation, wenn es keine Inflation gibt“, so Krugman völlig zu Recht. Weber sei ein Risiko für das Schicksal des Euros, fügt Krugman hinzu.

Haushaltsdefizit: Kurzfristig - Langfristig

Braucht die Wirtschaft heute weniger oder mehr schuldenfinanzierte Konjukturprogramme? Bevor die Frage geklärt ist, ob die Wirtschaft erneut in eine Rezession zurückfällt oder nicht , ist es eine ausgesprochen schlechte Idee, gerade jetzt auf einen rigorosen Sparkurs einzuschwenken, wie z.B. das Euroland sich gerade anschickt. Das ist sicherlich ein Holzweg. „Jetzt ausgeben, wenn die Wirtschaft depressiv verbleibt, und später sparen, wenn sie sich erholt hat“, rät Paul Krugman in seiner Montagskolumne in NYT. Überall auf der Welt scheinen Politiker entschlossen, genau das Gegenteil zu machen, bemerkt der Nobelpreisträger. Er unterscheidet zwischen einem kurzfristigen und einem langfristigen Haushaltsdefizit: (1) Kurzfristig: Das hohe Defizit ist die Folge der anhaltenden Wirtschaftskrise, welche Einnahmen gedämpft und ausserordentliche Ausgaben gefordert hat, um das Finanzsystem zu retten. Das Congressional Budget Office (CBO) schätzt, dass das Haushaltsdefizit von 10% des BIP in diesem Jahr auf rund 4% des BIP im Jahre 2014 zurückgehen wird.

Das ist nicht genug, betont Krugman, weil die Verschuldung schneller wächst als die Einnahmen. Das Defizit dürfte nach 2014 wieder beginnen, zu zunehmen. (2) Langfristig: Die USA haben also ein langfristiges Haushaltsdefizit. Grund: Die Kosten im Gesundheitswesen, die unter Kontrolle gebracht werden müssten. Das kann geschehen entweder durch zusätzliche Einnahmen oder durch Senkung der Ausgaben. Ein Mehrwerwertsteuersatz um 5% würde die Lücke langfristig schliessen, erklärt Krugman. Sollen wir aber nicht heute damit beginnen, wenn wir die Steuern erhöhen und die Ausgaben kürzen müssen? Nein, schreibt Krugman: „Wir haben jetzt eine schwer depressive Wirtschaft“. Jedes Jahr, welches mit extrem hoher Arbeitslosigkeit vergeht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vielzahl der Langzeitarbeitslosen nie wieder eine Beschäftigung finden und dauerhaft unterklassig werden wird, beschreibt Krugman. Jedes Jahr gibt es fünf mal mehr Leute, die einen Job suchen, als neue Stellen, die sich öffnen. Es ist daher jetzt nicht die Zeit für Sparmassnahmen, hält Krugman fest. Woher werden wir aber wissen, wenn die Zeit gekommen ist? Das Haushaltsdefizit sollte nur dann eine Priorität werden, aber nur dann, wenn die Fed die Wirtschaft einigermassen wieder ziehen kann, so dass sie die negativen Auswirkungen der Steuererhöhungen und der Ausgabenkürzungen durch Zinssenkungen steuern kann, so Krugman. Derzeit kann die Fed das nicht tun, weil die Zinssätze nahe Null liegen und nicht tiefer gehen können. Doch irgendwann, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, und unter 7% geht, wird die Fed die Zinsen anheben wollen, um eine mögliche Inflation abzuwehren. Gerade für diesen Zeitpunkt schlägt Krugman einen Deal vor: Wenn die Staatsausgaben reduziert werden, hält sich die Fed mit Zinserhöhungen zurück, sodass die Wirtschaft wegen Ausgabenkürzungen nicht wieder in eine Flaute rutscht. Aber die Zeit für so einen Deal ist ein langer Weg, vermutlich in zwei oder mehreren Jahren. Es ist daher verantwortungsvoll, jetzt Geld auszugeben und später zu sparen, so Krugman als Fazit.

China verkündet neues Wechselkursregime

Die chinesische Zentralbank (PBOC: People’s Bank of China) hat am Samstag angekündigt, das Wechselkursregime weiter zu reformieren und seine Flexibilität zu verbessern. Marktteilnehmer beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob China die seit rund zwei Jahren bestehende Bindung des Yuan an den US-Dollar aufheben wird oder nicht. Am Sonntag hat die PBOC jedoch klargestellt, dass es keine abrupte Neuausrichtung geben wird. Die Auswirkungen auf den Devisenmarkt hängen nun vom Ausmass der Renminbi-Bewegungen ab. Wahrscheinlich ist, dass China zu einem „managed floating exchange regime“ zurückkehrt, mit einer allmählichen Aufwertung gegenüber dem US-Dollar. Das würde kurzfristig einen Wechselkursanstieg um rund 2 bis 3% bedeuten, schätzt Morgan Stanley. Der US-Dollar würde unter diesen Umständen gegenüber nicht-asiatischen Währungen an Wert gewinnen. Die Nachfrage nach Euro würde vermutlich im Laufe der Zeit sinken.


Entwicklungsländer : Ausfuhren nach China in % des BIP, Graph : Stephen Hull, Morgan Stanley

Eine erste positive Reaktion würde sich für die Exporteure von Rohstoffen in Latein-Amerika und in den sog. Schwellenländern, die einen hohen Exportanteil im Handel mit China aufweisen, entfalten. Da die USA über eine grosse Exposure in Asien (handelsgewichtet) verfügen, würde eine allgemeine Abwertung des US-Dollars gegenüber den asiatischen Währungen zu einer Entspannung der finanziellen Bedingungen in den USA führen. Das würde sogar bis zu einem gewissen Grad einen eventuellen Anstieg der Renditen ausgleichen, falls China und andere asiatische Länder am US-Anleihemarkt für Treasuries jetzt weniger aktiv sein sollten, bemerken Währungsstrategen von Morgan Stanley.


China: Währungsreserven und USD-CNY Wechselkurs, Graph : Stephen Hull, Morgan Stanley

Die chinesische Währung hat sich im Handel in Hong Kong laut Bloomberg um 0,37% auf 6,8010 per Dollar aufgewertet, obwohl die BPOC den Mittelwert nach der Ankündigung vom Wochenende auf 6,8275 zum Yuan festgelegt hat. Am Freitag betrug der Wechselkurs 6,8262 Yuan zum Dollar. Chinas Devisenreserven belaufen sich auf 2'400 Mrd. US-Dollar.