Donnerstag, 31. Dezember 2015

Divergierende Geldpolitik und 2016

Wie wenn es nicht schwer genug wäre, das, was im Jahr 2015 wirtschaftlich passiert ist, nachzuvollziehen, rückt nun auch eine divergierende Geldpolitik ins Zentrum der internationalen Tagesordnung in wirtschaftspolitischer Hinsicht.

Die Fed hat im Dezember zum ersten Mal seit fast zehn Jahren die Zinsen erhöht und zugleich ihre Bereitschaft bekräftigt, im Jahr 2016 weitere Zinsschritte folgen zu lassen, um insgesamt 100 Basispunkte (d.h. 1%), um es genau zu nennen.

Europa und Japan hingegen melden eine entschlossene Fortsetzung der lockeren Geldpolitik mit voller Tatkraft.

Wenn die USA mehr Zinsen anbieten als Europa, erhöht sich die Attraktivität des US-Dollars. Das bedeutet Kapitalzufluss in die USA und weiterhin Druck auf die Rohstoffpreise. Zur Erinnerung: Der USD hat in den vergangenen 18 Monaten um rund 25% aufgewertet. 

Und der EUR hat gegenüber dem USD um 10% an Wert verloren. Inzwischen hat sich der Rendite-Aufschlag der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit gegenüber vergleichbaren Papieren in den entwickelten Volkswirtschaften  auf 1,4% ausgeweitet. Das ist der höchste Wert seit Juli 2006.



Die geldpolitische Divergenz 2016: Fed vs. EZB, Graph: WSJ

Dienstag, 29. Dezember 2015

Finanzkrise und die schädliche lange Sicht

Ein auffälliges Phänomen, das die Finanzkrise von Anfang an begleitet, ist der Versuch,  im politischen Diskurs das Thema zu wechseln, d.h. das Augenmerk weg von Arbeitslosigkeit und Nachfrageschwäche hin zu den vermeintlich grundlegenden Fragen der Wirtschaft, wie z.B. auf Strukturreformen zu richten.

Das ist laut Paul Krugman nicht nur falsch, sondern zu einem gewissen Grad auch feige, nach allem, wenn das gegenwärtige Problem eine unzureichende Nachfrage ist.

Unabhängig davon, was man denkt, wie wichtig die lange Sicht sei, sollten wir bereits heute Massnahmen treffen, um das Problem zu anzupacken; wir sollten die griffbereite Krise jetzt behandeln.

Es ist seiner Ansicht nach offensichtlich, warum einige Leute das Thema wechseln wollen. Weil sie nicht bereit sind, in Sachen Austerity versus Stimulus Stellung zu beziehen, weil Farbe zu bekennen, den Gegenpart dazu verleitet, Sie anzufahren.

Da es sich aber um eine wichtige Debatte handelt, ist es eine Vernachlässigung der Verantwortung, wenn man nicht Partei ergreift, argumentiert der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor in seinem Blog.

Montag, 28. Dezember 2015

Keine Inflation am Ende des Tunnels

Mit dem Rückgang des Ölpreises ist auch der 5y5y Forward Inflation Swaps Zins gefallen. Wie Bloomberg heute mitteilt, beträgt der Wert aktuell rund 1,67%. Zur Erinnerung: Die jährliche Inflationsrate im Euro-Raum beläuft sich per November auf 0,2 Prozent.

Der 5y5y Forward Inflation Swap-Satz, der die Inflationserwartungen ab 5 Jahren misst, besagt nichts anders als, was die Finanzmärkte erwarten, wo die Inflation in 5 Jahren liegen wird.

Die EZB hat im Dezember die eigene Prognose für 2017 von 1,70% auf 1,60% korrigiert. Die EZB unterbietet das eigene Inflationsziel (von ca. 2%) seit mehr als zwei Jahren.


Inflationserwartungen im Euro-Raum gemessen an 5y5y Forward Inflation Swap Zinsen, Graph: Bloomberg

Sonntag, 27. Dezember 2015

Nachfrageschwäche und viel politischer Quatsch in Europa

Über 26% der Staatsanleihen im Euro-Raum hat eine Rendite unter null Prozent, wie Bloomberg mit der folgenden Abbildung berichtet.

Die aussergewöhnlich hohe Anzahl der Staatspapiere mit Negativ-Rendite legt nahe, dass es zumindest gegenwärtig keinen Inflationsdruck gibt.

Das heisst, dass die EZB für mehr geldpolitischen Stimulus über genügend Spielraum verfügt. Doch fordert Jens Weidmann mehr Haushaltskonsolidierung im Euro-Raum im kommenden Jahr. Und Berlin strebt bekanntlich „Schwarze-Null“ an. Macht es Sinn?

Zur Erinnerung: Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit zwei Jahren Laufzeit belief sich am 23. Dezember zum Handelsschluss auf minus 0,337 Prozent.



Über 26% der Staatsanleihen im Euro-Raum hat eine Rendite unter null Prozent, Graph: Bloomberg

Der gesamte Wert der Anleihen mit unter-null-Rendite beträgt zur Zeit rund 1'680 Mrd. EUR.

Samstag, 26. Dezember 2015

Defizit-Fetischismus und Schwarze-Null

Im Jahr 2015 ist viel passiert. Wenn wir uns hier auf makroökonomische Begebenheiten beschränken, lässt sich sagen, dass im zu Ende gehenden Jahr am meisten über die Niedrig-Zinsen debattiert wurde.

Manche Experten wie Bill Gross haben sich, mit der Aussage, dass die niedrige Zinspolitik eine Form der „financial repression“ darstelle und daher die Erholung der Wirtschaft verhindere, viele Sympathien verscherzt.

In einer „Streber“-Unterhaltung mit Nick Rowe hält David Andolfatto in seinem Blog fest, dass die Zinsen heute nicht künstlich niedrig gehalten werden, sondern ein Ergebnis der deprimierten Aussichten der Wirtschaft sind.

Das dümmste Erbe des Defizit-Fetischismus im Jahr 2015 ist in diesem Zusammenhang sicherlich die „Schwarze Null-Politik (d.h. ein vollständig ausgeglichenes Budget) in einer depressiv-deflationären Wirtschaft Europas.

Die „Schwarze Null“-Politik ist in der Tat ein Bullshit im technischen Sinne, weil es anders als beim Lügen um die Erzählung von falschen Geschichten geht, ohne Rücksicht auf die Wahrheit.



Die US-Notenbank unterbietet das eigene Inflationsziel den 43. Monat in Folge, Graph: WSJ

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Wie wenn secular stagnation nicht genug wäre

Die US-Notenbank hat am 16. Dezember die Zinsen erhöht. Das ist damit der erste Zinsanstieg seit 2006. Doch am ersten Lift-off scheiden sich die Geister.

Larry Summers zum Beispiel fasst in seinem Blog vier Punkte zusammen, um zu zeigen, warum die Fed mit der Zinserhöhung falsch liegt.

(1) Die Fed unterstellt eine viel grössere Chance, dass wir das 2%-Inflationsziel erreichen als die meisten verfügbaren Daten nahelegen.

Inflation Swaps deuten nämlich eine Inflation von nur 1% in den nächsten drei Jahren, 1,2% in den nächsten fünf Jahren und 1,5% in den nächsten zehn Jahren an. Inflationserwartungen, die auf Umfragen basieren, steigen nicht; sie fallen.

(2) Die Fed scheint das 2%-Inflationsziel irrtümlich als eine Obergrenze (Deckelung) zu betrachten, nicht als Zielwert.

Es wäre nicht unvernünftig, zu argumentieren, dass es nicht unangemessen wäre, nach Jahren der unter dem Zielwert verlaufenden Inflation, eine Zeit lang eine Inflationsrate über dem Zielwert zu haben, so Summers. Angesichts der beobachteten Kosten der Deflation lässt sich festhalten, dass die Kosten der Unterbietung des Zielwertes die Kosten der Überbietung des Zielwertes übersteigen.

(3) Die Fed geht davon aus, dass sie durch die Erhöhung der Zinsen mehr Spielraum gewinnt. Wenn die Fed die Zinsen erhöht, um später über einen Spielraum zur Zinssenkung zu verfügen, ist es etwa so, wie wenn ich heute bewusst verhungern würde, um später das Vergnügen der Linderung meines Hungerschmerzes zu geniessen.


Zins, Ersparnisse und Investitionen, Graph: Credit Suisse, Research

Die Abbildung unterstreicht die von Summers vertretene Hypothese von secular stagnation: die „IS-Kurve verschiebt sich nach unten zurück, sodass auch der Realzins, der mit Vollbeschäftigung im Einklang steht, fällt“.

Danach bestätigt das schwache Wirtschaftswachstum trotz der niedrigen Realzinsen die Idee der säkularen Stagnation.

Europas Reformpolitik - When Doves Cry

Finnland hätte nie dem EUR beitreten sollen. Das soll der finnische Aussenminister gesagt haben, berichtet Bloomberg.

Wow! Das ist ein weiteres Zeichen dafür, wie schwer die Krise ist, in der die Eurozone steckt. Selbst Entscheidungsträger auf der hohen Ebene scheinen wegen der anhaltenden „Strukturreformen“ (genannt internal devaluation) frustriert.

Kein Wunder. Finnland repräsentiert die schwächste Wirtschaft in der Eurozone: Das BIP schrumpft seit drei Jahren.

Spanien wird zwar inzwischen von den Anhängern der Austeritätspolitik als Erfolgsfall gefeiert. Aber der besagte Anstieg des spanischen BIP ist nach einem äusserst schmerzhaften Prozess in erster Linie dem Abbau der harschen Sparmassnahmen zu verdanken, zumal die wirtschaftliche Entwicklung immer noch unter dem BIP-Niveau von 2011 zurückbleibt. 


Finnlands wirtschaftliche Entwicklung (gemessen am BIP) im Vergleich zu Spanien, Graph: Paul Krugman in NYTimes

Dienstag, 22. Dezember 2015

2015, das Jahr der Abwertungen

Eine Reihe von Zentralbanken hat 2015 in Sachen Wechselkurspolitik kapituliert. Es gab im Ergebnis mindestens vier USD de-pegging und ein halbes Dutzend Abwertungen, wie in der Abbildung von Bloomberg zu sehen ist.

Ausgelöst worden ist die Entwicklung durch den Rückgang der Energiepreise und das träge Wirtschaftswachstum sowie die Erwartung der Zinserhöhung der US-Notenbank.

Im Wesentlichen fallen drei grosse Wechselkurs-Schocks im Jahr 2015 auf:

Im Januar: CHF; Aufhebung des Mindestkurses per EUR,

Im August: RMB; Abwertung

Im Dezember: EUR; Korrektur.


Aufhebung des CHF Mindestkurses gegenüber dem EUR (1 CHF = 1,20 EURO), Graph: FT



Montag, 21. Dezember 2015

Austeritätspolitik und Chaos in Spanien

Das spanische Volk hat am Wochenende gewählt. Keine Partei verfügt über eine absolute Mehrheit. Erwartet werden daher lange Verhandlungen.

Interessant ist vor diesem Hintergrund, zu beobachten, wie die Anhänger Austeritätspolitik sich anstrengen, Spanien als Erfolgsgeschichte zu verkaufen.

Das jüngste Wirtschaftswachstum des Landes rührt aber aus der Kombination einer schrittweise Bremsung der Austeritätspolitik und der langsamen Wirkung der schmerzhaften internen Abwertung her, wie Paul Krugman in seinem Blog beschreibt.



Spanien: Arbeitslosigkeit, Graph: Paul Krugman NYTimes

Freitag, 18. Dezember 2015

Fed hat die Zinsen erhöht: Das Erwachen der Macht?

Die US-Notenbank am Mittwoch nach fast 10 Jahren zum ersten Mal die Zinsen erhöht. Die Zinsen wurden um 25 Basispunkte (d.h. 0,25%) angehoben: Es gilt ab sofort die Spanne 0,25% - 0,50% (bisher: 0,0% - 0,25%) für die US-Finanzinstitute, die untereinander Geld leihen.

Eine Erhöhung der Zinsen in den USA hat es zuletzt im Jahr 2006 stattgefunden. Das auffälligste Wort im (den Zinsentscheid begleitenden) Statement der Fed war „gradual“ (schrittweise). Das heisst, dass weitere, kleinere Zinserhöhungen in den kommenden Jahren geplant sind.

Die aktuellen Projektionen des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der US-Notenbank deuten auf einen Fed Funds Rate (FFR) von 1,375% Ende des Jahres 2016 hin. Das bedeutet im Klartext „vier mal Viertelprozentpunkt-Zinssteigerung“ im kommenden Jahr, wie es auch aus der neuen Dot Plot hervorgeht.



Fed’s „Dot Plot“-Chart, Graph: Morgan Stanley

Im Dot Plot der US-Notenbank werden die Zinsprognosen der FOMC-Mitglieder einzeln graphisch eingetragen.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Negatives Pro-Kopf-Wachstum versus Negativzinsen

Die SNB erwartet zwar für das Jahr 2016 ein Wachstum von rund 1,5% und eine robuste Binnennachfrage, wie sie im gestern vorgelegten Quartalsheft mitteilt.

Aber die Produktionslücke (output gap) hat sich in der Schweiz von -1,3% im zweiten Quartal auf -1,6% im dritten Quartal ausgeweitet. Das heisst, dass die Auslastung der technischen Kapazitäten weiterhin deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt liegt.

In einem in dieser Woche präsentierten Bericht deutet Credit Suisse, Research auf das abnehmende Konsumwachstum pro Kopf hin. Das ist in der Tat eine betrübte Abbildung für die Schweizer Wirtschaft.

Ein abnehmender Konsum pro Kopf war mit Ausnahme des Jahres 2011 nur nach dem Platzen der Dotcom-Blase und in den 1990er Jahren zu verzeichnen.



Konsum pro Kopf nimmt in der Schweiz ab, Graph: Credit Suisse, Research

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Niedrigzinsen zwischen Sparen und Investieren

Der weltweite Abwärtstrend der Zinsen (sowohl nominal als auch real, d.h. um die Inflation bereinigt) wird nicht selten wie ein Buch mit sieben Siegeln wahrgenommen.

Manche Ökonomen wie z.B. Kenneth Rogoff begründen die im historischen Vergleich niedrigen Zinsen mit dem Hinweis auf die Finanzkrise von 2008 und die Nachwirkungen, während andere Experten von einem Phänomen namens secular stagnation reden wie z.B. Larry Summers.

Der ehemalige Staatssekretär im US-Schatzamt macht in seinem Blog auf eine neue Forschungsarbeit („Secular drivers of the global real interest rate“), die seine These unterstützt, aufmerksam.

Lukasz Rachel und Thomas Smith unterstreichen, dass (1) die Realzinsen in den vergangenen 25 Jahren um 450 Basispunkte gefallen sind. Die kurzfristigen Erklärungen im Kontext mit der Finanzkrise von 2008 seien daher unzulänglich und monokausal.

 

Ersparnisse und Investitionen als Anteil an der Wirtschaftsleistung (BIP), Graph: Lukasz Rachel und Thomas Smith in: „Secular drivers of the global real interest rate

Der neutrale Realzins als Orakel?

Der Rückgang der Zinsen geht seit Jahren mit dem Rückgang der Inflation einher. Bemerkenswert ist, dass auch die Realzinsen fallen.

Die Konvergenz der nationalen Zinsverläufe legt die Bedeutung global wirkender Faktoren nahe, schreibt Credit Suisse, Research in einer aktuell vorgelegten lesenswerten Analyse.

Der Rückgang der Realzinsen hat die Überlegungen gestützt, dass auch der natürliche Zinssatz gesunken ist.

Es handelt dabei um den sog. Gleichgewichtszins (der natürliche Zins), wo Sparen und Investieren übereinstimmen. Das heisst, dass die Wirtschaft sich dort im Gleichgewicht befindet, wo es weder Inflation noch Deflation eine unmittelbare Gefahr darstellt. Es herrscht m.a.W. Vollbeschäftigung: Faktor Arbeit und Faktor Kapital sind voll ausgelastet.

Die natürlichen Zinsen (equilibrium real interest rates) befinden sich seit den 1980er Jahren tatsächlich in einem Abwärtstrend, betonen die Autoren der Studie. Seit der Finanzkrise von 2008 liegen sie für die USA, das Vereinigte Königreich und Deutschland im negativen Bereich, für Japan und die Schweiz knapp über null, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist:



Rückgang der natürlichen Zinsen, Graph: Credit Suisse, Research

Dienstag, 15. Dezember 2015

Es ist die Nachfrage, Dummkopf

Die EZB befasst sich in der aktuellen Ausgabe von Economic Bulletin 8/2015 u.a. mit der Frage, warum die Erholung der Wirtschaft sich in der Eurozone so sehr hinauszögert.

Zu einem gewissen Teil hat es mit der anhaltenden Art der Krise zu tun, erklären die Verfasser des Berichts. Es gebe aber auch andere Faktoren wie z.B. die schwache Nachfrage, der Zugang zur Kreditaufnahme, Bedenken über Wachstumsaussichten usw.

Was auffällt, ist, dass die Mehrheit der befragten Unternehmen die schwache Nachfrage an erster Stelle und die schwachen Wachstumsaussichten an zweiter Stelle als die wichtigsten Einschränkungen für Investitionen im Euroraum nennen.



Die Erholung der Investitionen im Euroraum bleibt im historischen Vergleich erheblich zurück, Graph: ECB in: Economic Bulletin 8/2015

Montag, 14. Dezember 2015

Ursache der Ungleichgewichte im Euroraum

Es besteht kein Zweifel, dass die wirtschaftspolitischen Massnahmen, die von den EU-Behörden getroffen wurden, kläglich gescheitert sind.

Das BIP pro Kopf liegt heute deutlich niedriger als vor dem Ausbruch der Rezession infolge der Finanzkrise von 2008. Auch die Arbeitslosigkeit verharrt mit 11% auf einem höheren Niveau als im Jahr 2008 mit rund 7,5%.

Simon Wren-Lewis schreibt in einem lesenswerten Artikel („Who is responsible for the eurozone crisis? The simple answer: Germany“) in Independentdass es von Berlin vorangetriebene wirtschaftspolitische Konzeption ist, die inzwischen eine zweite Rezession verursacht hat.

Deutschlands Einfluss auf die EZB hat dazu geführt, dass die QE-Politik in Europa mit sechs Jahren Verzögerung angestossen wurde, im Vergleich zur mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik in den USA oder in Grossbritannien.

Die EZB, die von Deutschland daran gehindert wurde, als lender of last resort zu agieren, hat sogar im Jahr 2011 unter dem Einfluss der deutschen Politiker und Ökonomen wider besseren Wissens die Zinsen zweimal erhöht.



Ursache der Euro-Krise, Ungleichgewichte in der Eurozone, verursacht durch den Leistungsbilanzüberschüsse in Deutschland, Graph: Simon Wren-Lewis in „Who is responsible for the eurozone crisis? The simple answer: Germany“, Independent

Sonntag, 13. Dezember 2015

Verschuldung und Arbeitskräftemobilität

Paul Krugman schreibt in seinem Blog, dass Portugal in einer Situation stecken könnte, wo die Bevölkerungsalterung verbunden mit einer grossen Abwanderung von jüngeren Menschen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit zu einer Verschlechterung der finanziellen Lage führen kann.

Die Betonung ist auf die Migration, wo immer weniger Arbeitnehmer übrig bleiben, die eine grössere Verschuldung und nicht-erwerbstätige Bevölkerung stützen müssen.

Krugman erinnert an die Theorie, die nahelegt, dass eine hohe Mobilität der Arbeitskräfte im Grunde genommen eine gute Sache in einer Währungsunion wäre, weil damit asymmetrische Schocks (Booms in einigen Regionen und Busts in anderen Regionen) angepasst werden können, dadurch dass die Arbeitnehmer sich bewegen (wandern), statt dass die Löhne in zurückgebliebenen Regionen gekürzt werden.

 

Portugal: Bevölkerung im erwerbstätigen Alter, Graph: Paul Krugman in NYTimes

Samstag, 12. Dezember 2015

Lohnzurückhaltung und wie eine Währungsunion funktioniert

Es war Heiner Flassbeck, der vor rund 10 Jahren auf die Wettbewerbslücke in Europa aufmerksam machte (in verschiedenen Büchern, Aufsätzen und Referaten) und die Differenzen bei den Lohnstückkosten und Defiziten in den Leistungsbilanzen hervorhob.

Die Lohnstückkosten (unit labor costs) sind der entscheidende Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit in einer Währungsunion, wo es wegen der Gemeinschaftswährung keine Wechselkurse gibt.

Eine Währungsunion bedeutet, um es ganz einfach darzulegen, dass die Mitgliedstaaten die Gestaltung der Geldpolitik an die Notenbank übertragen und sich im Gegensatz auf die Verfolgung eines gemeinsam festgelegten Inflationsziels einigen.

In der EMU ist es die EZB, die die Geldpolitik für alle Mitgliedstaaten übernimmt. Und die Mitgliedstaaten müssen sich am Inflation-Zielwert von ca. 2% halten.

Flassbeck hat gezeigt, dass Deutschland das Inflationsziel von Anfang an unterboten und sich mit Lohnmoderation einen absoluten Vorteil gegenüber dem Rest der Eurozone verschaffen hat, weil die deutschen Produkte in dem Ausmass günstiger als im Rest der EMU werden und die anderen Mitgliedstaaten dauerhaft nicht mehr mithalten können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang zu erfahren, dass Simon Wren-Lewis schreibt, dass die Kommentare, die die Leserschaft in seinem Blog hinterlassen, nahelegen, dass viele Menschen nicht verstehen, wie eine Währungsunion funktioniert.



Lohnstückkosten Deutschland und Rest der Eurozone, Graph: Peter Bofinger in voxeu: „German wage moderation and the EZ crisis“, Nov 30, 2015.

Freitag, 11. Dezember 2015

Wirkungsweise des Schweizer Negativzinses

Die SNB hat am Donnerstag im Rahmen ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung noch einmal mit Nachdruck unterstrichen, dass der Franken nach wie vor deutlich überbewertet ist.

Auf die Frage, ob der Negativzins in der Schweiz funktioniert, hat Thomas Jordan in einem Interview mit dem CNBC „bestens“ geantwortet.

SNB-Präsident hat dabei (1) auf die Zinsdifferenz gegenüber dem EUR und (2) den Wechselkurs hingewiesen:

Der Negativzins macht den Franken weniger attraktiv und trägt weiterhin zu einer Abschwächung des Frankens bei. Gleichzeitig bleibt die SNB am Devisenmarkt aktiv, um bei Bedarf Einfluss auf die Wechselkursentwicklung zu nehmen.

Jordan hat zugleich auch die Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 CHF per EUR im Januar 2015 in Schutz genommen, weil auch nach der jüngsten Zinssenkung der EZB die Zinsdifferenz gegenüber dem EUR deutlich grösser ist als zu Beginn des Jahres.

Interessant ist, dass die SNB auf die Umverteilung der Sichtguthaben unter Banken aufmerksam macht, um die Wirkungsweise des Negativzinses zu erklären.



Sight Deposits at the SNB, Graph: SNB in Introductory Remarks, Dec 10, 2015

Donnerstag, 10. Dezember 2015

Euroraum, Austerität und Haushaltskonsolidierung

Die EZB geht davon aus, dass das Pro-Kopf-BIP im Euro-Raum am Ende des Jahres um 1,6% unter dem Wert liegt, wo es vor sieben Jahren war, am Ende des Jahres 2008.

Das sagte Vitor Constancio, Vize-Präsident der EZB vor rund vier Wochen im Rahmen eines Referats in Frankfurt.

Das heisst, dass die europäische Wirtschaft immer noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht hat. Dafür ist die übermässig restriktive Fiskalpolitik und die unzureichend lockere Geldpolitik verantwortlich.

Der Aufstieg der hegemonialen Austeritätspolitik, begleitet von einer merkantilistischen Lohndumping-Politik in Deutschland hat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Europe praktisch zum Erliegen gebracht.

Im Ergebnis leiden über 22 Millionen Menschen unter Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhnen.

Selbst Constancio räumt ein, dass die Kombination aus niedriger Inflation und dem schwachen Wachstum im Wesentlichen auf einen Mangel an Nachfrage hindeuten, warum die Erholung der Wirtschaft sich verzögert.



Erholungszyklus der Wirtschaft im Euroraum im historischen Vergleich, Graph: Peter Praet, ECB in: „Monetary policy under uncertainty

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Welcher Stimulus im Euroraum im Jahr 2016?

Nachdem die EZB vergangene Woche ihr Anleihekaufprogramm (genannt PSPP) um ein halbes Jahr verlängert und gleichzeitig den Einlagezinssatz auf minus 0,30% gesenkt hat, sind die Inflationserwartungen im Euro-Raum zurückgegangen.

Gemessen an 5y5y forward swap rates sind die Inflationserwartungen auf 1,63% gesunken, wie FT berichtet.

Die Banken, die künftig bei der EZB kurzfristig Geld parken wollen, müssen der EZB einen Zins von 0,30% zahlen.

Bemerkenswert ist, dass die EZB auch die eigene Inflation-Prognose nach unten revidiert hat. Das bedeutet erstens, dass die EZB noch einige Jahre das Inflationsziel (ca. 2%) verfehlen wird und damit weiterhin Deflationsgefahr besteht. Und zweitens, dass Europa in einer viel tieferen Krise steckt als allgemeinen angenommen wird.

Die Investoren hoffen daher auf einen zusätzlichen Stimulus im kommenden Jahr. Die Frage ist aber, wie? In welcher Form?


Inflationserwartungen im Euro-Raum (gemessen an 5y5y forward swap rate), Graph: FT

Dienstag, 8. Dezember 2015

Nachdenken über die unkonventionelle Geldpolitik

Das Problem mit der QE-Politik ist, dass sie in der Praxis funktioniert, aber nicht in der Theorie, sagte Ben Bernanke, der ehemalige Fed-Präsident einst. Nun schickt sich die Fed an, am 16. Dezember die Zinsen zu erhöhen, falls nichts Aussergewöhnliches dazwischen kommt. Es ist daher ein willkommener Anlass, über die Geldpolitik bei Nominalzinsen nahe null nachzudenken.

Die unkonventionelle Geldpolitik wurde eingesetzt, weil die Zentralbanken sich nicht mehr im Stande sahen, die kurzfristigen Zinsen weiter zu senken. Eine dazugehörende Eigenschaft war die Unsicherheit über die Auswirkungen auf die monetären Rahmenbedingungen.

Cecchetti und Schoenholtz gehen der Frage in ihrem Blog nach und unterteilen vorerst die Werkzeuge im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik in drei Kategorien:

(1) QE-Politik (quantitative easing), die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, d.h. die Ausweitung der Bilanzsumme der Zentralbank, um via Reserven Liquidität bereitzustellen,

(2) TAP (targeted asset purchases). Es wäre eigentlich besser gewesen, von qualitative easing zu reden. Denn die Autoren beschreiben damit die Zusammensetzung der Bilanzsumme der Zentralbank, während die Grössenordnung und die Bereitstellung von Liquidität unverändert bleiben, um auf die relativen Preise von unterschiedlichen Vermögenswerten Einfluss zu nehmen,

(3) Forward Guidance betrifft die Art und Weise der Kommunikation der Zentralbank in Bezug auf den künftigen Pfad der Geld- bzw. Zinspolitik. Als ein konkretes Beispiel dazu kann die berühmte Aussage von Mario Draghi, dem EZB-Präsidenten „what ever it takes“ genannt werden.

Montag, 7. Dezember 2015

Schwarze Null und Null-Wachstum im Euroraum

Berlin betont, dass die deutsche Wirtschaft ohne Schulden wachsen kann.

Stimmt es? Die Realität sieht so aus: Während der Privatsektor, Haushalte und Unternehmen sich mit Ausgaben zurückhalten, schnallt auch der öffentliche Sektor die Gürtel enger. Was auffällt, ist die Verschuldung des Auslands in Deutschland.

Das heisst, dass das deutsche Wirtschaftswachstum (0,3% im dritten Quartal 2015) von Kredit-Boom in anderen Ländern abhängt, wie Heiner Flassbeck im Rahmen eines Referats an der Universität Passau anhand einigen bemerkenswerten Abbildungen neulich wieder gezeigt hat.

Das gegenwärtige exportorientierte Wachstumsmodell Deutschlands ist nicht nachhaltig, weil es von Defizit und einer übermässigen Kreditaufnahme im Ausland abhängig ist. 



Deutschland (1995-2014), sectoral financial balances, Graph: Heiner Flassbeck in: „Eurokrise“

Samstag, 5. Dezember 2015

Eurozone im Lichte von Phillips-Kurve und dem Okunschen Gesetz

Einer der offensichtlichen Befunde in den Nachwirkungen der globalen Finanzkrise von 2008 ist, dass die tatsächlichen Fiskalmultiplikatoren grösser sind als sonst, wenn die herkömmliche (aber auch die unkonventionelle) Geldpolitik die Ausgabenkürzungen nicht ausgleichen kann.

Das ist auch das, was das makroökonomische Lehrbuch sagt. Denn die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Wenn Löhne gesenkt werden (internal devaluation), steigt die Arbeitslosigkeit, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fällt.

Europas bittere Erfahrung in den vergangenen sieben Jahren liefert einen dienlichen Anlass, über die Fiskalpolitik nachzudenken, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt und die nominalen Zinsen nahe null liegen.

Die Austeritätspolitik hat in der Eurozone seit 2009 zu einer drastischen Verschärfung der Fiskalpolitik geführt, weil die Mitgliedstaaten keinen Handlungsspielraum hatten (wegen EUR), sich mit Abwertung aus der Depression zu helfen.

Die EZB hat am Donnerstag angekündigt, das Anleihekaufprogramm um sechs Monate zu verlängern. Zugleich hat sie auch den Einlagezinssatz um 0,10% auf minus 0,30% gesenkt, um die Inflation in Richtung Zielwert (von knapp 2%) zu bewegen.



Euroraum im Lichte des Okun'schen Gesetzes, Graph: Paul Krugman in: NYTimes

Freitag, 4. Dezember 2015

EZB Anleihekaufprogramm und Nachfrage

Die EZB verlängert ihr Anleihekaufprogramm (PSPP). Die Käufe von Wertpapieren, die monatlich 60 Mrd. EUR betragen, sollen nun mindestens bis März 2017 laufen.

Zudem hat die EZB am Donnerstag angekündigt, den Einlagenzinssatz weiter in den negativen Bereich zu drucken: Die Banken, die Geld bei der EZB parken, werden von jetzt minus 0,30% entrichten (bisher minus 0,20%). Der Leitzins wurde bei 0,05% unverändert belassen.

Die neuen Massnahmen sollen dazu beitragen, die Inflation in Richtung Zielwert (ca. 2%) zu bewegen und die Wirtschaft anzukurbeln.

Bemerkenswert ist, dass die von Experten der EZB (staff forecasts) gestern vorgestellten Projektionen in Sachen Inflation nach unten revidiert wurden.

Die EZB erwartet jetzt eine Inflationsrate von 1,0% für 2016 (bisher: 1,1%) und 1,6% für 2017 (bisher: 1,70%). Das heisst, dass die EZB weitere zwei Jahre das eigene Inflationsziel verfehlen wird. Zur Erinnerung: Der Zielwert wird bereits seit 2013 unterboten. Das bedeutet im Klartext keine Preisstabilität.



EZB Prognosen für Inflation, Graph: Bloomberg

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Wie funktioniert der Schweizer Negativzins?

Die Hypothekarzinsen sind in der Schweiz trotz Negativzinsen auf dem Geldmarkt nicht gefallen, sondern sogar leicht gestiegen.

Die Befürchtung, dass der Negativzins Ungleichgewichte am Hypothekarmarkt verschärften würde, hat sich nicht bewahrheitet.

Andrea M. Maechler, Mitglied des SNB-Mitglieds hat insofern nicht unrecht, wenn sie sagt, dass Negativzins als Massnahme bemerkenswert gut funktioniert.

Warum ist aber der 10-jährige Hypothekarsatz nicht weiter gefallen?

Weil die Refinanzierungskosten der Banken nicht im selben Mass gesunken sind wie die Zinssätze am Geldmarkt. Aus diesem Grund sind die Zinsmargen der Banken unter Druck geraten.

Das heisst, dass die Passivmargen (liability margin) der Banken, die die Differenz zwischen dem Zins für fristenkongruente Finanzierungsquelle und dem Zins für Spareinlagen angeben, in den negativen Bereich gefallen sind.


Swiss interest rates of fixed rate mortgages, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, in: „A new premise for SNB monetary policy?“, Oct 1, 2015, Zurich.

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Niedrigzinsen und dunkle Ecken der Wirtschaft

Wird Fed-Chefin Janet Yellen in der nächsten Sitzung der US-Notenbank am 16. Dezember die Zinsen anheben oder nicht?

Die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung im Dezember beläuft sich z.Z. auf 74%, wie Bloomberg berichtet. Für 2016 hingegen prognostizieren die Future-Märkte eine Wahrscheinlichkeit von 100%.

Eine Frage, die Spekulationen ins Kraut schiessen lässt, ist, ob weitere Zinserhöhungen schrittweise folgen werden? Erinnerungen an den Ausdruck „measured pace“, der von der Fed im Jahr 2004 verwendet wurde, werden wach.

Yellen hat aber deutlich gemacht, dass der geldpolitische Ausschuss (FOMC) der US-Notenbank nicht beabsichtige, einem vorgegebenen Verlauf der Zinsstraffung zu folgen. Der tatsächliche Pfad der Geldpolitik werde im Einklang mit der Entwicklung der Wirtschaft festgelegt.

Je nach der Entwicklung der Realwirtschaft und der Inflation könne die Straffung der Geldpolitik beschleunigt, verlangsamt, angehalten oder sogar umgekehrt werden, so Yellen.

Yellen nimmt zudem an, dass der reale Gleichgewichtszinssatz derzeit nahe null liegt und nur langsam im Laufe der Zeit steigen werde.



Nachfrageausfall und der reale Gleichgewichtszinssatz, Graph: Morgan Stanley