Mittwoch, 29. August 2018

Warum bleibt die Inflation im Euroraum so lange so niedrig?


Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlicht auf dem IMFBlog regelmässig kurze Analysen über makroökonomische Zusammenhänge. 

Im aktuellen Beitrag geht es um die anhaltend niedrige Inflation im Euroraum. Die Frage, die die Ökonomen von IWF aufwerfen, ist, warum die europäische Inflation so lange so niedrig verläuft. 

Die kurze Antwort: Die Niedriginflation im Euroraum ist nicht das Ergebnis einer weltweit niedrigen Inflation. Die Analyse einer Reihe von globalen Variablen wie z.B. der Produktionslücke (output gap), der Inflation im Ausland, der Nicht-Öl-Importe und des nominalen effektiven Wechselkurses liefern keine unterstützenden Beweise. 

Verwenden wir eine Standardversion der Phillips Kurve, hängt die Kerninflation von der Inflation ab; was die Menschen erwarten, wo die Inflation in Zukunft liegt. Und entscheidend sind dabei auch die vergangene Inflation und die Arbeitslosigkeitslücke (unemployment gap), so die Studie.


Niedriginflation im Euroraum, Graph: Internationaler Währungsfonds (IWF) Aug 28, 2018 @IMFnews 

Samstag, 25. August 2018

US Treasury Bonds und Short Squeeze


Der massive Ausbau von Short-Positionen durch Spekulanten in den Futures Märkten gegen US-Staatsanleihen (UST) ist vergangene Woche auf ein Rekordniveau geklettert.

Manche Investoren glauben, dass dies in einer nicht zu rechtfertigenden Grössenordnung geschehen ist. Und sie reden daher von „short squeeze“. Gemeint ist damit eine Art Angebotsknappheit eines Wertpapiers (meist einer Aktie und/oder einer Anleihe) die zuvor in grosser Anzahl leerverkauft („geshortet“) wurde.

Eine „short squeeze“ ist eine Situation, in der ein stark „geshortetes“ Wertpapier beginnt, sich höher zu bewegen, sodass die Leerverkäufer gezwungen werden, ihre „Short-Positionen“ zu schliessen und damit den Aufwärtsdruck auf das Wertpapier zu erhöhen.

Dies impliziert, dass die Leerverkäufer aus ihren „Short-Positionen“ meist mit Verlust gedrängt werden und damit im Allgemeinen eine positive Entwicklung ausgelöst wird, die darauf hindeutet, dass das Wertpapier möglicherweise eine Trendwende einleitet.

Bloomberg berichtet, dass der Anstieg der bearish Futures-Wetten könnte zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass die Händler solche Kontrakte als „Ausgleich für ihren Bestand an Cash-US Treasury Bonds“ in einem sog. Basis Trading verwenden.


(Spekulanten in Futures) Short-Positionen auf US-Staatsanleihen markieren ein Rekordniveau, Graph: Bloomberg, Aug 21, 2018

Freitag, 24. August 2018

Nullzinsen und Schulden


Nullzinsen sind für die Sparer auf den ersten Blick sicherlich ein Schock. Kann es aber sein, dass Mario Draghi, EZB-Präsident die deutschen Sparer enteignet wie manche Mainstream-Ökonomen behaupten?

Das ist natürlich Unsinn. Warum hat aber die EZB die Zinsen bis auf null-Prozent gesenkt? Die richtige Antwort auf diese Frage ist sehr wichtig.

Das Ziel ist, um es kurz zu fassen, die Kosten für die Kreditaufnahme zu senken. Das heisst, dass die EZB will, dass die Marktteilnehmer Schulden aufnehmen. Draghi betrachtet m.a.W. die Verschuldung als Ausweg aus der Krise. Das heisst wiederum, dass Europas Sparkurs auf der Wirtschaft lastet.

Das mag für viele Mainstream-Ökonomen wie ein Schock vorkommen. Aber es ist offensichtlich, dass die Massnahmen (bestehend hauptsächlich aus fiscal austerity und wage repression), an denen die europäischen Entscheidungsträger bisher wider besseres Wissen festhalten, gescheitert sind, um die Wirtschaft auf den Vordermann zu bringen.

Zehn Jahre nach Beginn der Krise und fünf Jahre nach Beginn der Intensivbehandlung gibt es kein Anzeichen für die Erholung der griechischen Wirtschaft, bemerkt Heiner Flassbeck im Blog Makroskop zum Abschluss der Rettungspakete.

Obendrauf bleibt Griechenland weitere zwei Jahren an die Sparvorgaben gebunden.


Deutschland: Exportquote versus Investitionsquote des Privatsektors, Graph: Makroskop, 17 Aug 2018

Donnerstag, 23. August 2018

Warum steigen die Löhne nicht?


In den USA ist die Arbeitslosigkeit auf 3,9% gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Anfang der 2000er Jahre. 

Die Löhne kommen aber trotz des „festen, vollgefüllten Arbeitsmarktes („tight labor market“) nicht vom Fleck. Unter Berücksichtigung der Inflation gingen die Gehaltszahlungen im Juli sogar zurück.

Sowohl Ökonomen an der Wall Street als auch die geldpolitischen Entscheidungsträger der US-Notenbank wähnen sich überrascht. 

Unternehmen beklagen den Mangel (*) an qualifizierten Mitarbeitern („worker shortage“). 

Um etwas Licht in die Frage zu bekommen, was möglicherweise die Löhne niedrig hält, befragten die Reporter von Bloomberg News Arbeitgeber in drei Branchen, wo die Löhne trotz hartnäckiger Berichte über Arbeitskräftemangel (Bau, Fernverkehr und Kinderbetreuung) niedrig bleiben. 



Die Entwicklung der Löhne in den USA, Graph: Bloomberg, Aug 22, 2018

Montag, 20. August 2018

US-Staatsanleihen: Das Ende des Bull-Marktes?


Zu Beginn des Jahres hat es so ausgesehen, wie wenn manche Wallstreet Koryphäen mit der Prognose Recht hätten, dass die Rendite der Staatspapiere durch die Decke schiesst und der Bull-Market zu Ende geht.

Die Rendite der US-Staatsanleihen ist von 2,40% in Richtung 3% angestiegen. Doch die Marke 3% hat sich bisher als „eine harte Nuss zu knacken“ entpuppt. 

„Die Zinsen wollen einfach nicht steigen“, kommentiert das „daily-focus“-Team der St. Galler Kantonalbank am Montag: „Der Zinsanstieg vom Januar ist im Sommer weggeschmolzen wie der Schnee in den Alpen“.

Während die Fed ihre Bilanz weiter verkürzt, wird die UST-Renditekurve flacher. Der Rendite-Abstand (spread) zwischen den US-Staatsanleihen mit 10 und 2 Jahren Laufzeit ist inzwischen auf rund 24.66 Basispunkte geschrumpft.

Es wäre keine grosse Überraschung, wenn die Ertragskurve (yield curve) demnächst invers werden würde.

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass die netto spekulativen short-Positionen auf US Treasury Bonds laut CFTC zunehmen, während der USD gegenüber dem EUR an Wert gewinnt und die Wetten auf einen steigenden USD-Kurs (long) erhöht werden. 

Es ist nicht auszuschliessen, dass der stärker werdende Greenback die UST Short-Positionen abquetscht. 


CFTC: US Treasury Bonds net speculative short positions, die weissen Balken: USD long positions, und die gelben Balken: UST short positions, Graph: Bloomberg TV, Aug 20, 2018

Sonntag, 19. August 2018

Ersparnis = Investitionen


Eine der bekanntesten ökonomischen Gesetzmässigkeiten, die in den meisten Fachbüchern für die Volkswirtschaft vorgestellt wird, ist die Gleichung „I=S“, 

d.h. Ersparnis = Investition, wobei „S“ auf private Haushalte zurückzuführen ist, während „I“ von Unternehmen geleistet wird.

Die folgende Abbildung von Makroskop zeigt, dass der allgemein unterstellte Zusammenhang in vielen grössten Volkswirtschaften heute nicht mehr gegeben ist.

Heiner Flassbeck hat bereits vor mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass der in den führenden Industriestaaten vorherrschende Grundsatz der neoklassischen Lehre, wonach der Staat das Problem und der Markt die Lösung sei, mit Fokus auf „fiscal austerity“ und „debt brake“ (die neuerdings von der „schwarzen Null“-Politik tatkräftig begleitet wird) mit deflationären Kräften zum Scheitern verurteilt ist.

Ohne Zweifel ist das „Phänomen sparender Unternehmen“ eine neue Herausforderung sowohl für die Theorie als auch für die Praxis, wie Paul Steinhardt von Makroskop mit Nachdruck unterstreicht.

Kurzum: Unternehmen halten sich heute mit Investitionen in Sachanlagen zurück und sie sind sogar mittlerweile zum Netto-Sparer geworden.


Finanzierungssalden von Unternehmen und Haushalten in Deutschland: beide sind netto-Sparer, Graph: Paul Steinhardt in: Makroskop, Aug 17, 2018.

Samstag, 18. August 2018

Einkommensungleichheit


Es ist ein offenes Geheimnis, dass Einkommen heute in vielen entwickelten Volkswirtschaften deutlich ungleicher verteilt ist als vor 30 Jahren.

In diesem Zusammenhang hat das EPI, Economic Policy Institute neulich eine bemerkenswerte Analyse mit der folgenden Abbildung vorgestellt. 

Gezeigt wird die Tatsache, dass CEOs heute 312-mal so viel verdienen wie ein typischer Arbeitnehmer.

In jedem Fall (ob man die realisierten Aktienoptionen zum Gehalt, Boni usw. mit berechnet oder nicht) ist die CEO-Vergütung im Verhältnis zur Vergütung eines typischen Arbeitnehmers und eines Verdieners im oberen 0,1% sehr hoch.

Oben drauf ist die CEO-Vergütung weit schneller gewachsen als Aktienkurse oder Unternehmensgewinne. 

Die Vorstandsvergütung stieg zwischen 1978 und 2017 um 979% (basierend auf gewährten Aktienoptionen) bzw. um 1‘070% (basierend auf realisierten Aktienoptionen).

Das entsprechende Aktienwachstum (S&P 500 Index) mit 637% fiel deutlich niedriger aus.


Die CEO-Vergütung ist in den vergangenen 40 Jahren um 1’070% gestiegen, Graph: Larry Mishel and Jessica Schieder in: Economic Policy, Aug 2018

Mittwoch, 15. August 2018

Wie akkommodierend sind die US-Zinsen heute?


Angaben von Bloomberg TV nach ist die Wahrscheinlichkeit für weitere zwei Zinserhöhungen durch die Fed im laufenden Jahr zuletzt etwas zurückgegangen.

Wie steht es sonst um die US-Zinsen?

Die Fed San Francisco (FRBSF) präsentiert in einer neulich vorgelegten Forschungsarbeit ein paar sehenswerte Abbildungen, die sich auf die gegenwärtige Situation der US-Wirtschaft beziehen.

Demnach ist festzuhalten, dass 

(1) die US-Treasury Ertragskurve relativ flach, aber nicht invertiert ist,

(2) der reale kurzfristige Zinssatz zwar gestiegen ist, aber im historischen Vergleich immer noch niedrig bleibt, und 

(3) der Credit-Spread (Unternehmensanleihen) zusammengedrückt ist.

Daraus folgt, wie die Analyse nahelegt, dass das Risiko einer Rezession (wenn man die ersten beiden Beobachtungen einkalkuliert) relativ niedrig ist. Würde man aber die dritte Beobachtung mitberücksichtigen, ist anzunehmen, dass das Rezessionsrisiko etwas höher ist als sonst.


US-Zinssätze, Graph: Fed Reserve Bank San Francisco in: The Current Economy and the Outlook, Aug 9, 2018

Dienstag, 14. August 2018

Wird sich die Wirtschaft jemals wieder erholen?


Die sich gegenwärtig entfaltende EM-Währungskrise hat sicherlich auch mit dem wirtschaftlichen Umfeld nach der Global Financial Crisis (GFC) 2007-2008 zu tun: 

Stichworte dazu sind: „monetary dominance“, restriktive Fiskalpolitik ("schwarze Null", "Schuldenbremse" usw.) und die mutwillige Bereitschaft der Fed, die Zinsen weiter anzuheben.

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund die am Montag von der Fed San Francisco vorgelegte Studie über die Entwicklung des Wirtschaftswachstums in den USA.

Ein Jahrzehnt nach der letzten Finanzkrise und der Rezession bleibt die US-Wirtschaft nach wie vor deutlich kleiner als es nach dem Wachstumstrend vor der Krise möglich wäre.

Ein allfälliger Grund liegt wahrscheinlich in den grossen Verlusten der Produktionskapazität der Wirtschaft seit der GFC, wie die Autoren der Analyse unterstreichen. 

Die Höhe der Verluste deutet darauf hin, dass das Produktionsniveau voraussichtlich nicht auf das Vorkrisenniveau zurückkehren wird, lautet das Resümee der Forschungsarbeit.



Das reale BIP der USA nach der GFC, Graph: San Francisco Fed, Aug 13, 2018 Economic Letters: “The Financial Crisis at 10: Will we ever recover?” by Regis Barnichon, Christian Matters, and Alexander Ziegenbein

Sonntag, 12. August 2018

Building the New American Economy


Buchbesprechung

Jeffrey D. SachsBuilding the New American Economy – Smart, Fair & Sustainable, Columbia University Press, New York, March 2018

Die grösste Herausforderung unserer Generation ist die nachhaltige Entwicklung, d.h. eine Nation, die wohlhabend, fair und ökologisch nachhaltig ist. 

Die Ziele unserer Nation sollten die Sustainable Development Goals (SDG) für das Jahr 2030 sein, schreibt Jeffrey D. Sachs in seinem neuen Buch freimutig und entschieden.

Die US-Regierung hat die “17 Ziele für nachhaltige Entwicklung” am 15. September 2015 mit anderen 192 Staaten unterzeichnet.

Wir müssen an SDGs festhalten, als ob unsere Zukunft davon abhängen würde, betont der an der Columbia University lehrende Wirtschaftsprofessor leidenschaftlich und überzeugt.

Nachhaltige Entwicklung ist mehr als eine Checkliste von politischen Vorgehensweisen. Es ist eine kohärente Idee, die tatkräftig daran festhält, dass das Wirtschaftswachstum fair, inklusiv und ökologisch nachhaltig sein kann und sollte, erklärt der Direktor des UN Sustainable Development Solutions Networks.

Die Idee konzentriert sich gleichzeitig auf drei grosse Themen: 1) die Förderung des Wirtschaftswachstums und menschenwürdige Arbeitsplätze, 2) die Förderung der sozialen Gerechtigkeit für Frauen, die Armen und die Minderheiten und 3) die Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit.

Samstag, 11. August 2018

Finanzierungssalden in den grössten Volkswirtschaften


In Deutschland haben private Haushalte, Unternehmen und der Staat einen positiven Finanzierungssaldo. Das heisst, dass sie weniger ausgeben als sie einnehmen; sie sparen. 

Nur der Sektor Ausland hat einen negativen Finanzierungssaldo. Stichwort: Handelsungleichgewichte. Das heisst, dass Deutschland mehr exportiert als importiert; Deutschland lebt damit unter seinen Verhältnissen.

Die folgende bemerkenswerte Abbildung zeigt die Finanzierungssalden in ausgewählten grossen Volkswirtschaften.

Der Ansatz der sektoralen Finanzierungssalden (= income – spending) wurde von Wynne Godley konzipiert. Die grundlegende Erkenntnis ist, dass auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene (macro) „Einnahmen = Ausgaben“ sind.

Das ist eine buchhalterische Gleichung, die zwangsläufig stimmt. 

Daher gilt es, wenn wir die unterschiedlichen Sektoren der Wirtschaft betrachten, die ja im Wesentlichen aus „privaten Haushalten, Unternehmen, dem Staat und dem Ausland“ bestehen, dass der Finanzierungssaldo (Minus) eines Sektors notwendigerweise durch die Finanzierungssalden (Plus) der anderen Sektoren ausgeglichen werden muss, sodass auf der aggregierten Ebene Einnahmen den Ausgaben entsprechen.


Der Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors in ausgewählten Ländern (2015), Graph: Makroskop, Aug 09, 2018

Mittwoch, 1. August 2018

Interview: Prof. David Kinley, Human Rights Law at the University of Sydney

David Kinley is Professor and Chair in Human Rights Law at the University of Sydney, and Academic Expert member of Doughty Street Chambers in London



Why and how are the financial markets in the first place in conflict with human rights?

Well, to answer that question properly one has to look at the big picture. Certainly financial markets can and have negatively affected human rights, but they have also had positive impacts. Global aggregate wealth has grown exponentially in the last 30 years.

Levels of extreme poverty has dropped precipitously everywhere, especially in the poorest countries (China’s poverty levels have dropped from 89% in 1980 to less than 2% today), and access to basic financial services has expanded worldwide.

Alongside the human rights benefits of better health, education, safety and security that such wealth brings, it also offers people greater promises and possibilities of a ‘good life’ for themselves and their children.

However, in lock step with these benefits our hyperbolic financial system has also created enormous human rights problems. There are egregious and still growing wealth inequalities between and within countries and a finance system that is increasingly focused on value extraction rather than value creation, where the money markets are used primarily to make more money rather acting as vehicles to funnel investment into the real economy to create tangible products and services (as well as jobs and tax receipts).