Im
vergangenen Jahr kam es im November an der amerikanischen Universität Harvard
zu einem Protest der Studenten in einer Einführungsvorlesung (economics 101) von Prof. Greg Mankiw. Mankiw, der ehemalige
Wirtschaftsberater des Präsidenten George W. Bush, gilt als Starökonom der
neoklassischen Schule.
Motiviert
durch die Occupy-Wall Street Bewegung weigerten sich Studenten des ersten
Semesters, realitätsfernen Modellen der Wirtschaft Aufmerksamkeit zu schenken
und verliessen demonstrativ den Hörsaal.
Die
NYT will in Room for Debate: („Rethinking How We Teach Economics”) von
einer Reihe von renommierten Ökonomen wissen, wie die Lehre der Ökonomie sich
im Lichte der Finanzkrise ändern soll.
Was
haben wir in den vergangenen fünf Jahren gelernt, was an die künftige
Generation von Ökonomen vermittelt werden soll?
In
einem typischen einführenden Lehrbuch stellen sich Löhne und Preise so ein,
dass der Arbeitsmarkt immer in Vollbeschäftigung ist und die Waren zum
richtigen Preis verkauft werden, bemerkt Menzie Chinn.
Der
an der University of Wisconsin
lehrende Wirtschaftsprofessor hebt aber hervor, dass es in der realen Welt so
ist, dass die Preissignale die ganze Arbeit nicht machen können, weil es Rigiditäten gibt. Finanzielle
Verträge werden auf Dollar-Basis abgeschlossen und die Löhne werden nicht
täglich ausgehandelt.
Können
Finanzkrisen mithilfe der folgenden Formel vorhergesagt werden?, Graph: NYT „What I didn’t learn in Econ 101”
Ist
die Wirtschaft nicht nur eine soziale Wissenschaft, sondern eine echte
Wissenschaft?
Was
aber noch wichtiger ist, dass die Preisbewegungen oft nicht ausreichen, um die
Märkte zu räumen, wie George Akerlof, Michael Spence und Joseph Stiglitz in
ihren Forschungsarbeiten zeigen, was ihnen den Nobelpreis gebracht hat.
Chinn deutet vor diesem
Hintergrund auf die Asymmetrie von Informationen in den Kreditmärkten hin. Die
Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Kreditmärkte ist daher
erforderlich, im Wesentlichen durch kurzfristige Garantien der öffentlichen
Hand. Es ist ein Irrtum, zu denken, dass das Informationsproblem dieser Art
selbst verschwinden würde, wenn die Erinnerung an die Krise mit der Zeit
zurückweichen sollte.
Alan Blinder unterstreicht,
dass Angebot und Nachfrage wie zuvor funktionieren. Das gelte auch für die
komparativen Vorteile. Aber um den Ursprung der Finanzkrise zu verstehen,
müssen verschiedene Aspekte in den Lehrplan aufgenommen werden:
Vermögenswerte-Bubbles, Hebelwirkung (leverage),
Risikoaufschläge in den Zinssätzen und die Ansteckungsgefahr in den
Finanzmärkten, um einige zu nennen. Der Unterricht über die Geldpolitik muss
vollständig umgearbeitet werden. Die Studenten müssen jetzt etwas über die
„unkonventionelle Geldpolitik“ (unconventional
monetary policies) lernen, hebt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.
Nassim Nicholas Taleb betont
die Bedeutung von “black swans”. Der
am Polytechnich Institute of New York
University lehrende Professor redet von einer bestimmten Klasse von
Folgeschäden von seltenen Ereignissen (d.h. black
swans), die nicht vorhersehbar sind und deren Wahrscheinlichkeit sich nicht
messen lassen.
Alle
Modelle, die auf eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit von solchen Ereignissen
beruhen, gehören aus dem Fenster geworfen. Solche Ansätze induzieren
Unsicherheiten und bringen Schaden. „Wir sind ohne Modell besser daran als mit
einem defekten Modell, was die Menschen intuitiv verstehen, aber dazu neigen,
zu vergessen, wenn sie nicht „skin in the
game“ haben, erläutert Taleb.
Dazu
zählt die ganze Disziplin des modernen Finanzwesens wie z.B. Modelle von Harry
Markowitz, William Sharpe und Merton Miller, aber auch die Modell-basierten
Methoden von Paul Samuelson.
Die
wichtigsten Schritte, um die Ausbildung junger Ökonomen zu verbessern, sind
Wirtschaftsgeschichte und die Geschichte des ökonomischen Denkens als
obligatorische Fächer in den ersten Semestern einzuführen, hält Robert Skidelsky fest.
Hinter
der Verwerfung der Wirtschaftsgeschichte und die Ideengeschichte liegt die
falsche Sicht der Ökonomie als eine Naturwissenschaft, erklärt der emeritierte
Wirtschaftsprofessor an der University of
Warwick. Im Gegensatz zu Naturwissenschaften ist es so, dass die Realität,
auf die Ökonomie abzielt, und zu verstehen versucht, sich ständig ändert, v.a.
als Folge unserer Handlungen. Die Zukunft ist nicht nur voll von Unbekannten,
sondern wie Donald Rumsfelds mit einem unsterblichen Satz zu sagen pflegt, von
„unbekannten Unbekanten“.
Das Studium der
Vergangenheit kann laut Skidelsky Ökonomen helfen,
den Umfang von „unbekannten Unbekannten“ einzugrenzen. „Modelle, die besagen, dass
wirtschaftliche Zusammenbrüche nicht passieren können, sind von keinem Nutzen,
das, was im Jahre 2008 geschehen ist, zu verstehen. Daher müssen wir auf solche
historische Grösse wie Keynes, Hayek und Schumpeter zurück“, fasst das Mitglied
des britischen House of Lords
zusammen.
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